L 8 R 736/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3766/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 736/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.01.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Kosten des gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. B. eingeholten Sachverständigengutachtens vom 07.12.2016 nebst der baren Auslagen des Klägers werden nicht auf die Staatskasse übernommen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der 1958 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt und war bis 30.09.2004 bei der Firma W. beschäftigt und erhielt vom 01.10.2004 bis 31.03.2006 aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs Lohn ohne Arbeitsleistung. Seitdem ist der Kläger arbeitslos.

Am 27.11.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.02.2007 ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2007 zurück. Die gegen den Widerspruchsbescheid gerichtete Klage wies das SG Heilbronn (S 3 R 3443/07) mit Urteil vom 12.05.2010 ab und führte zur Begründung aus, dass der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Polsterer nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne, jedoch könne der Kläger allenfalls der Berufsgruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters zugeordnet werden. Facharbeiterstatus habe der Kläger nicht, da er zum einen keinen Beruf erlernt habe und zum anderen sich in dem Beruf des Polsterers durch die praktische Berufsausübung nicht die Kenntnisse angeeignet habe, die ihn befähigten, sich unter gelernten Facharbeitern auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig und damit vollwertig zu behaupten. Als Angelernter im unteren Bereich sei der Kläger auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Selbst wenn der Kläger als Facharbeiter anzusehen sein sollte, sei dieser jedenfalls auf die von der Beklagten benannte Tätigkeit als Registrator verweisbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen, sodass auch keine volle oder teilweise Erwerbsminderung gegeben sei. Im Berufungsverfahren L 5 R 3098/10 schlossen die Beteiligten am 09.11.2011 einen Vergleich auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

In der Folge gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 27.04.2012 eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in dem S. Gesundheitszentrum Bad W ... Aus dem Entlassungsbericht vom 22.08.2012 ergab sich die Einschätzung eines Leistungsvermögens von drei bis unter sechs Stunden. Weiter wurde ausgeführt, dass im Hinblick auf die Kniegelenkssymptomatik rechts mit Instabilität und inzwischen deutlichen muskulären Defiziten sowie der fortschreitenden Osteochondrose am linken Sprunggelenk derzeit nur noch überwiegend sitzende Arbeiten möglich seien. An den Schultergelenken würden sich beidseits bei hochgradigen Defekten der Rotatorenmanschette erhebliche funktionelle Einschränkungen finden, sodass Dauerbelastungen des Schultergürtels und Überkopftätigkeiten nicht möglich seien. Es resultiere eine drei bis unter sechsstündige Leistungsfähigkeit in überwiegend sitzender Position für leichte Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen.

Die Beklagte lehnte zunächst mit Bescheid vom 25.10.2012 und Widerspruchsbescheid vom 22.01.2013 die Umdeutung des Reha-Antrages in einen Rentenantrag nach § 116 SGB VI ab und verpflichtete sich durch Vergleich am 24.03.2014 im Klageverfahren SG Heilbronn (S 5 R 555/13), nach Hinweis der Kammer, dass es sich bei der Feststellung, dass eine Umdeutung nicht durchzuführen sei, um eine unzulässige Elementenfeststellung handele (Niederschrift Blatt 86 SG-Akte S 5 R 555/13), über den Rentenantrag des Klägers vom 21.08.2012 durch Bescheid zu entscheiden.

Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19.05.2014 ab und führte zur Begründung aus, dass die bestehenden Krankheiten und Behinderungen - beidseitige Ruptur der Rotatorenmanschette - komplizierte Bandruptur rechtes Knie, Bandplastik und Revision - degeneratives LWS-Syndrom mit linksradikulärer Ausfallsymptomatik - Sprunggelenksinstabiltät und Knochenmarksödem des medialen Talus nicht zu einem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung führten, da leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch verrichtet werden könnten. Eine Berufsunfähigkeit sei nicht gegeben, nachdem eine Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 16.08.2014 Widerspruch und machte geltend, dass er neben den benannten Einschränkungen noch unter einer beidseitigen Schwerhörigkeit leide. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2014 zurück, da eine vollschichtige Tätigkeit noch möglich sei, der Kläger habe keinen Beruf erlernt und sei als angelernter Sattler/Polsterer bis 3/2006 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, dass der Kläger keinen Facharbeiterstatus beanspruchen könne, sei durch das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn mit Urteil vom 12.05.2010 geklärt.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 04.11.2014 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) und machte geltend, dass die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich Schulter, Wirbelsäule, Knie und Füße zeigten, dass er nicht in der Lage sei, zu stehen, zu gehen und zu sitzen, um eine sinnvolle Arbeit auszuführen. Dies sei auch in der medizinischen Reha so gesehen worden. Das SG holte die schriftlichen Auskünfte des Dr. H. (Innere Medizin, Blatt 25/56 SG-Akte) und des Dr. S. (Chirurgie, Blatt 58/59 SG-Akte) sowie das orthopädische Gutachten des Dr. H. vom 10.08.2015 ein. Dieser führte aus, dass seit der letzten Begutachtung 2009 Schulteroperationen und ein arthroskopischer Eingriff am oberen Sprunggelenk links hinzugekommen seien. An den Schultergelenken habe der Rotatorenmanschettendefekt nur partiell verschlossen werden können, ansonsten zeigten sich die Beschwerden wie schon 2009 geklagt. Eine stärkere Einschränkung der Mobilität liege nicht vor, mittelschwere und schwere Tätigkeiten könnten nicht mehr verrichtet werden, leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen mit gelegentlichen Positionswechseln zum Stehen und Umhergehen seien möglich. Eine zeitliche Minderung des Leistungsvermögens bestehe nicht. Die Klage wies das SG mit Urteil vom 21.01.2016 ab und führte zur Begründung aus, dass die für die Beurteilung maßgeblichen Erkrankungen des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet bestünden. Diese stünden einer mindestens sechsstündigen Tätigkeit nicht entgegen, wie aus dem Sachverständigengutachten des Dr. H. folge. Der im Reha-Bericht vom 22.08.2012 gestellten Leistungsprognose könne nicht gefolgt werden, da aus den mitgeteilten Befunden nicht auf ein eingeschränktes zeitliches Leistungsvermögen geschlossen werden könne. Die Beeinträchtigungen auf internistischem Gebiet seien von untergeordneter Bedeutung, eine schwere spezifische Leistungsbehinderung ergebe sich ebenso wenig wie eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Letztlich sei keine Einschränkung der Wegefähigkeit gegeben.

Gegen das dem Kläger am 03.02.2016 zugestellte Urteil hat dieser am 18.02.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden- Württemberg eingelegt. Er macht geltend, dass er schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 90 sei, seit 2013 übe er eine geringfügige versicherungspflichtige Beschäftigung als Hilfskraft in einem Supermarkt aus. Er müsse erst Schmerzmittel einnehmen, um das Haus verlassen zu können. Nach dem Reha-Entlassungsbericht aus 2012 sei bereits dort festgestellt worden, dass sein Leistungsvermögen nur noch bei drei bis unter sechs Stunden liege.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.01.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser, Erwerbsminderung ab September 2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat der Senat das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des Prof. Dr. B. vom 07.12.2016 eingeholt. Dieser hat zusammenfassend ausgeführt, dass bei dem Kläger von einem phasenhaften Verlauf einer depressiven Erkrankung auszugehen sei, welche als chronische Dysthymie einzustufen sei. Gedächtnislücken, Einschränkungen der Aufmerksamkeitsleistung und der Konzentrationsfähigkeit seien nicht gegeben gewesen, aufgrund der derzeitigen gesundheitlichen Verfassung sei der Kläger nicht mehr in der Lage, irgendeiner beruflichen Tätigkeit, gleich welcher Art, nachzugehen, auch nicht einer körperlich leichten oder mittelschweren. Die Leistungseinschränkung bestehe schon seit Anfang des Jahres 2006. Die festgestellte Krebserkankung lasse die bisherigen Einschätzungen als nicht mehr valide erscheinen.

Dem Sachverständigengutachten ist die Beklagte unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. vom 11.01.2017 entgegengetreten, die darauf hingewiesen hat, dass der psychopathologische und der neurologische Befund in der Untersuchung völlig unauffällig gewesen sei. Eine Dysthymie sei eine chronisch subdepressive Verstimmung, die nicht einmal den Schweregrad einer leichten depressiven Symptomatik annehme. Der Kläger sei nicht in ambulanter psychiatrischer Behandlung, es würden keine Psychopharmaka eingenommen.

Aufgrund der von der Beklagten vorgelegten sozialmedizinischen Stellungnahme der Dr. H.-Z. (Blatt 99 Senatsakte) hat der Senat die schriftliche Auskunft des Dr. T. vom 02.06.2017 (Blatt 117 Senatsakte) eingeholt und die Behandlungsunterlagen des Klinikums L. (Blatt 105/112 Senatsakte) beigezogen. Zu den Unterlagen hat die Beklagte die sozialmedizinische Stellungnahme der Dr. J. vom 21.06.2017 (Blatt 119 der Senatsakte) vorgelegt, in der diese darauf hingewiesen hat, dass von einem günstigen Verlauf des behandelten Blasenkarzinoms auszugehen sei, von Inkontinenzbeschwerden werde in den vorgelegten Berichten nichts beschrieben, eine Leistungseinschränkung lasse sich nicht begründen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündlichen Verhandlung gemäß § 124 Absatz 2 SGG einverstanden erklärt (Bl. 122, 123 Senatsakte).

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Absatz 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden, der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger kann die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht beanspruchen.

Gemäß § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich – bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche - ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach diesen Maßstäben ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger, dessen Einschränkungen vorwiegend auf orthopädischem Fachgebiet liegen, noch in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten zu verrichten. Der Senat entnimmt dem Rehaentlassungsbericht vom 22.08.2012, dass bei der dortigen Untersuchung die Wirbelsäule gerade bei Schulter- und Beckengeradstand war. Die Schultergelenkkonturen waren beidseits erhalten, die Muskulatur in beiden Schultern unauffällig ohne Atrophie der Muskeln, die Beweglichkeit der Schultern war beidseits auf 110-0-25° eingeschränkt. HWS, BWS und LWS waren frei beweglich, alle Standvaria demonstrierbar sowie Zehen- und Hackengang möglich. Das Gangbild war mit getragenen Stützbandagen im Knöchelbereich links und am rechten Knie unauffällig. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens kann der Senat, gestützt auf die sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. R. vom 31.08.2012 (Blatt m36 med.Teil VA), nicht feststellen, die gegenteilige Auffassung der Klinik (drei bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen), überzeugt unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde nicht.

Eine wesentliche Veränderung seit der Reha-Entlassung ist weder in Bezug auf die Wirbelsäule noch in Bezug auf das Knie festzustellen. Dies entnimmt der Senat dem überzeugenden Gutachten von Dr. H ... Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehen Chondrosen und Protusionen L2/3 bis L5/S1 ohne Nervenwurzelkompression, sowie eine Spondylosis auf allen Höhen der LWS mit geringer Ausprägung ohne spinale Enge (MRT-Bericht vom 11.11.2014, Blatt 13 SG-Akte). Das MRT des rechten Knie vom 22.09.2014 (Blatt 24 SG-Akte) zeigte intakte Kreuzbänder bei Z.n. VKB-Plastik, eine zweit bis drittgradige Chondropathia patellar, zweitgradige Veränderungen medial, eine zweitgradige Degeneration des Innenmeniskushinterhorns sowie einen minimalen Reizerguss. Eine wesentliche Verschlechterung ergibt sich hier ebenfalls nicht.

Eine Veränderung hat sich lediglich im Bereich der Schultergelenke ergeben, wie der Senat dem Sachverständigengutachten des Dr. H. vom 10.08.2015 (Blatt 73 SG-Akte) entnimmt, der ausführt, dass seit der letzten Begutachtung 2009 beidseitige Schulteroperationen stattgefunden haben, bei denen der Rotatorenmanschettendefekt nur partiell verschlossen werden konnte, sodass eine Bewegungseinschränkung bis zur Horizontalen aktiv und passiv besteht. Allerdings beschreibt Dr. H. den Rotatorenmanschettenschaden als muskulär gut kompensiert und sieht nachvollziehbar qualitative Einschränkungen dahingehend, dass keine Armvorhalte- und Überkopftätigkeiten mehr verrichtet werden können. Im Übrigen hat Dr. H. eine freie Beweglichkeit der HWS und altersentsprechend leichte Höhenminderungen der Zwischenwirbelräume an der LWS ohne Zunahme seit 2009 festgestellt. Am linken Kniegelenk bestand eine freie Funktion, rechts zeigte sich ein Beschwerdebild mit einseitigem Anpressdruck der Kniescheibe und Schmerzen im Bereich der Entnahmestelle der Kniescheibensehne, wobei eine Bandstabilität des Gelenks gegeben war und sich nur ein diskreter Unterschied zu links zeigte, eine giving-way-Symptomatik wurde nicht beschrieben und ein höhergradiger Reizzustand lag nicht vor.

Nichts anderes ergibt sich auf nervenärztlichem Fachgebiet. Abgesehen davon, dass sich der Kläger nicht in fachärztlicher Behandlung befindet und keine Anhaltspunkte für relevante psychische Beeinträchtigungen bestehen, sind solche selbst unter Berücksichtigung des gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. B. eingeholten Sachverständigengutachtens nicht festzustellen. Der Sachverständige beschreibt traurige Gesichtszüge bei nicht angespannter Psychomotorik, die Bewusstseinslage war klar, Orientierungs- und Wahrnehmungsstörungen bestanden ebenso nicht wie Störungen der Ich-Funktion und des Gedankenganges. Die Stimmungslage wird als gedrückte und besorgte Grundstimmung angegeben, die Affektivität als eingeengt in Richtung des depressiven Pols. Die testpsychologischen Untersuchungen (Beck-Depressions-Inventar und Hamilton-Depression-Scala) lagen im Bereich einer mäßigen bzw. leichten Depression (Blatt 69/70 Senatsakte). Entsprechend dem Befund gelangt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Kläger seit Jahren mehr oder weniger traurig verstimmt sei und von einem phasenhaften Verlauf einer depressiven Erkrankung auszugehen ist, die man derzeit als chronische Dysthymie einzustufen hat. Zu dieser Diagnose hat Dr. E. (Blatt 99 Senatsakte) für den Senat überzeugen dargelegt, dass es sich bei der Dysthymie um eine chronisch subdepressive Verstimmung handelt, die nicht einmal den Schweregrad einer leichten depressiven Symptomatik annimmt, sodass sich quantitative Leistungseinschränkungen hieraus nicht begründen lassen. Die gegenteiligen Ausführungen des Sachverständigen überzeugen schon vor dem Hintergrund nicht, dass dieser die Einschränkungen des Leistungsvermögens nicht auf seinem Fachgebiet zu begründen vermag, sondern mit Einschränkungen auf anderen Fachgebieten zu rechtfertigen versucht, ohne auf die entsprechenden Befunde einzugehen. Seine Annahme, die Einschränkungen bestünden bereits seit 2006 ist ebenfalls weder nachvollziehbar, noch ergeben sich tragfähige Anhaltspunkte hierfür aus den Verwaltungsakten.

Im Übrigen beschreibt der Sachverständige Prof. Dr. B. den Kläger in gutem Allgemein- und Kräftezustand bei mäßigem Übergewicht, was mit der Angabe, dass er nur noch ein Schatten seiner selbst sei (Blatt 57 Senatsakte), nicht in Einklang zu bringen ist.

Hinsichtlich des internistischen Fachgebietes stellt der Senat, gestützt auf den Bericht des Internisten Dr. H. (Blatt 25 SG-Akte) fest, dass ein Hypertonieherz mit geringgradiger Tricuspidal- und Mitralinsuffizienz besteht, wobei sich eine ventrikuläre und supraventrikuläre Extrasystole zeigt, woraus sich jedoch keine Einschränkungen des zeitlichen Leistungsvermögens ergeben. Dass Dr. H. aufgrund orthopädischer Beeinträchtigungen eine solche annehmen will, führt zu keiner anderen Beurteilung, da auf orthopädischen Fachgebiet, wie oben dargelegt, ein vollschichtiges Leistungsvermögen besteht.

Letztlich kann der Senat keine zeitlichen Leistungseinschränkungen aufgrund von Gesundheitsstörungen auf urologischen Fachgebiet feststellen. Zwar wurde bei dem Kläger im Oktober 2016 ein Blasentumor entfernt, jedoch fand sich kein Hinweis auf einen malignen Tumor und die Kontrolluntersuchung ergab keinen Hinweis auf ein Rezidiv (Bericht des Klinikums L. vom 07.12.2016, Blatt 110 Senatsakte). Die von dem Urologen T. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft (Blatt 117 Senatsakte) beschriebenen Einschränkungen in Form von Beschwerden in der rechten Flanke und Pollakisurie (häufige Entleerung kleiner Harnmengen, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Seite 1702), bedingen keine zeitlichen Einschränkungen des Leistungsvermögens, wie Dr. J. in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme für den Senat überzeugend dargelegt hat.

Ein Rentenanspruch ergibt sich auch nicht ausnahmsweise daraus, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts wegen eines nur eine Teilzeit erlaubenden Erwerbsvermögens oder wegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung keine Tätigkeit finden würde (vgl. dazu nur BSG (GS), Urt. v. 19.12.1996 - GS 2/95, BSGE 80, S. 24 ff.; Urt. v. 10.12.2003 – B 5 RJ 64/02 R, Breith. 2005, S. 309 ff; Bay. LSG, Urt. v. 14.05.2009 – L 14 R 377/08, juris, alle m. w. N.). Wie oben dargelegt, liegt der Schwerpunkt der Erkrankungen des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet, die Gesundheitsstörungen auf internistischem, urologischen und neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet wirken sich auf das Leistungsvermögen nicht relevant aus und sind nicht geeignet, eine Summierung zu begründen.

Auch kann der Senat eine Einschränkung der Wegefähigkeit nicht feststellen. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit dabei insbesondere auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die dem Versicherten dies nicht erlaubt, stellt eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz eines vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (BSG GS 19.12.1996 - GS 2/95 - juris). Eine Erwerbsminderung setzt danach grundsätzlich voraus, dass ein Versicherter gehindert ist, vier Mal am Tag Wegstrecken von über 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und ferner zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Insofern stellt der Senat, gestützt auf das Sachverständigengutachten des Dr. H. , fest, dass der Kläger in der Lage gewesen ist, von einem mehr als 500 m entfernten Parkhaus die Praxis des Sachverständigen aufzusuchen und ohne auf die Benutzung von Gehhilfen anwiesen zu sein. Im Übrigen hat der Kläger gegenüber dem Sachverständigen angegeben, eine bis eineinhalb Stunden problemlos mit dem Auto fahren zu können und hat die mögliche Gehstrecke mit einem Kilometer angegeben.

Letztlich kann der Kläger die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) nicht beanspruchen, da der Senat, ebenso wie das SG in dem Urteil vom 12.05.2010 (S 3 R 3443/07), zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Polsterer keinen Facharbeiterstatus beanspruchen kann und daher auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist, für den ein, wie oben ausgeführt, hinreichendes Leistungsvermögen besteht. Unabhängig davon konnte der Senat feststellen, dass der Kläger jedenfalls auf die von der Beklagten im Verfahren S 3 R 3443/07 benannte Tätigkeit eines Registrators zumutbar verweisbar ist, sodass eine Berufsunfähigkeit auch aus diesem Grund ausscheidet. Dem stünde auch nicht die jetzt vom Sachverständigen Dr. H. beschriebene Einschränkung der Armhebung bis zur Horizontalen entgegen. Aus berufskundlicher Sicht kommt "Überkopfarbeit" bei Tätigkeiten in Registraturen nur gelegentlich bei Handhabung von Archivmaterial aus höheren Regalen vor und ist unter Verwendung von üblichen Hilfsmitteln, wie Leitern, Trittstufen weitgehende kompensierbar (st. Rspr. vgl. BSG B. v. 10.07.2012 – B 13 R 315/11 B -, juris).

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 193 SGG. Die Kosten des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. B. sowie die baren Auslagen des Klägers, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch mit der Kostenentscheidung im Urteil entscheiden kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 1 U 3854/06 KO-B -, juris; Urteil des Senats vom 23.11.2012 - L 8 U 3868/11 -, unveröffentlicht), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Der Kläger hat diese daher endgültig selbst zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 109 RdNr. 11).

Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten des Gutachtens von Prof. Dr. B. auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gutachten hat den Rechtsstreit nicht objektiv gefördert und nicht zu seiner Erledigung beigetragen, wie sich aus dem oben Ausgeführten ergibt.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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