Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 P 3189/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 3123/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Juni 2016 und die Bescheide der Beklagten vom 18. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2014 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern als Gesamtschuldner für die Zeit vom 1. November 2013 bis 25. April 2015 Pflegegeld nach der Pflegestufe III anstelle erhöhten Pflegegeldes nach der Pflegestufe II zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Kläger des erstinstanzlichen Verfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 3.151,50 festgesetzt.
Tatbestand:
Die Kläger begehren als Rechtsnachfolger ihrer am 1937 geborenen und 2015 verstorbenen Mutter (im Folgenden Versicherte) Pflegegeld nach der Pflegestufe III anstelle erhöhten Pflegegeldes nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 1. November 2013 bis 25. April 2015.
Die Versicherte war Mitglied der Beklagten in der sozialen Pflegeversicherung. Die Beklagte bewilligte der Versicherten ab 1. September 2012 Pflegegeld nach der Pflegestufe II (Bescheid vom 9. Oktober 2012). Dem zugrunde lag das Gutachten der Pflegefachkraft S., Medizinischer Dienst der Krankversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 26. September 2012. Sie schätzte den täglichen Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege auf 159 Minuten (Körperpflege 83 Minuten, Ernährung zehn Minuten, Mobilität 66 Minuten) und nannte als pflegebegründende Diagnosen Rollstuhlpflicht bei Lockerung der Hüft-Totalendoprothese, schwere Durchblutungsstörungen, chronische Lymphödeme, diabetische Polyneuropathie, Adipositas (Körpergröße 174 cm, Gewicht 124 kg), körperliche Schwäche sowie Harninkontinenz mit Katheterversorgung. Die Pflege der Versicherten müsse weitgehend übernommen werden, weil sie schwach sei und aufgrund ihres Übergewichtes nicht alle Körperstellen erreiche. Die Pflege der Zahnprothese sowie das Säubern und das Richten der Bekleidung nach einem Toilettengang müsse übernommen werden, weil sie derzeit im Bett gepflegt werde. Der Harn werde derzeit über einen Blasendauerkatheter abgeleitet und der Beutel müsse ebenso wie der zur Stuhlausscheidung genutzte Toilettenstuhl regelmäßig entleert werden. Sie benötige Hilfe beim Einschenken von Getränken und beim Kleinschneiden von Speisen. Alle Transfers müssten unter erschwerten Bedingungen in Form vollständiger Übernahme durchgeführt werden. Sie sei nicht in der Lage, ihre Liegeposition im Bett zu wechseln und müsse gelagert werden. Die Kleidung müsse übergestreift werden. Sie müsse außerhalb des Bettes im Rollstuhl durch die Wohnung geschoben werden.
Die Versicherte befand sich vom 11. Juli bis 9. September 2013 in stationärer Krankenhausbehandlung. Am 29. Juli 2013 erfolgte nach septischer Lockerung der Hüft-Totalendoprothese rechts eine Re-Implantation und eine Osteosynthese einer intraoperativ entstandenen Femurfraktur sowie am 8. August 2013 eine Revision (vorläufiger Entlassungsbericht des Oberarztes Dr. H. vom 25. Oktober 2013).
Die Versicherte beantragte am 21. November 2013 die "Höherstufung" wegen zunehmender Immobilität und Kraftminderung.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Pflegefachkraft L., MDK, ihr Gutachten vom 17. Dezember 2013. Sie schätzte den täglichen Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege auf 126 Minuten (Körperpflege 65 Minuten, Ernährung sieben Minuten, Mobilität 54 Minuten) und nannte als pflegebegründende Diagnosen Mobilitäts- und Bewegungseinschränkungen bei Zustand nach mehrfachen Komplikationen durch Entzündungen nach Hüft-Totalendoprothese rechts mit Fistelbildung, septischer Lockerung mit Ausbau der Hüft-Totalendoprothese rechts und intraoperativer Femurfraktur, diabetische Polyneuropathie, Adipositas, depressive Verstimmung sowie Darminkontinenz. Bei der Körperwäsche könne die Versicherte sich Gesicht, Hände und einen Teil des vorderen Oberkörpers waschen. Alle anderen Verrichtungen müssten übernommen werden. Zahnpflege und Kämmen der Haare könne sie nach Motivation selbständig ausführen. Transfers aus dem Bett in den Rollstuhl oder auf den Toilettenstuhl und zurück seien nur mit personeller Hilfe möglich. Sie könne beidhändig mit Messer und Gabel umgehen und selbständig essen und trinken. Wenn sie im Bett esse, würden ihr die Speisen mundgerecht vorbereitet, da eine passende Unterlage fehle. Der Wechsel der Inkontinenzartikel müsse durch die Pflegeperson, teilweise mehrmals täglich, erfolgen. Aufgrund der depressiven Stimmungslage sei sie häufig nicht in der Lage, ihren Tagesablauf selbst zu strukturieren und benötige immer wieder motivierende Anleitungen. Täglich würden Kompressionsverbände bis zum Oberschenkel angelegt. Pflegeerschwerend sei das Gewicht über 80 kg. Nächtlicher Grundpflegebedarf bestehe durch Lagerung und Windelwechsel. Ihre Alltagskompetenz sei erheblich eingeschränkt.
Die Beklagte lehnte es sinngemäß ab, Pflegegeld nach Pflegestufe III zu zahlen (Bescheid vom 18. Dezember 2013). Sie bewilligte ab 1. Dezember 2013 zusätzliches Pflegegeld der Pflegestufe II in Höhe von EUR 85,00 (Bescheid vom 18. Dezember 2013).
Die Versicherte erhob Widerspruch. Sie übersandte eine von der Klägerin zu 1 verfasste Aufstellungen mit deren Pflegetätigkeiten für die Zeit vom 5. bis 24. Januar 2014 und führte aus, die Grundpflege betrage deutlich mehr als 240 Minuten täglich.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Pflegefachkraft He., MDK, ihr Gutachten vom 9. April 2014. Sie schätzte den täglichen Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege auf 144 Minuten (Körperpflege 85 Minuten, Ernährung sieben Minuten, Mobilität 52 Minuten) und nannte als pflegebegründende Diagnosen Zustand nach septischer Lockerung der Hüft-Totalendoprothese mit Ausbau rechts und intraoperativer Femurfraktur im Juli 2013, Zustand nach dekompensierter Herzinsuffizienz und Stauungspneumonie im Juli 2013, Zustand nach Knie-Totalendoprothese rechts, Adipositas, chronische Lymphödeme, chronische Polyneuropathie, Katheter versorgte Blaseninkontinenz, Zustand nach Amputation des Vorfußes links und mehrere Zehen beider Füße, chronische Obstipation, kognitive Leistungsminderung bei Antriebslosigkeit und Depression, insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II, Durchblutungsstörungen beider Unterschenkel sowie Gang- und Standunsicherheit. Ein zusätzlicher Hilfebedarf könne im Vergleich zu Vorgutachten (der Pflegefachkraft L.) bei zusätzlichen Toilettengängen angenommen werden. Der Hilfebedarf im Bereich der täglichen Körperpflege, der Nahrungsaufnahme und der Mobilität sei umfangreich und vollständig gewürdigt. Reine Präsenzzeiten sowie Leistungen zur Sicherung der ärztlichen Therapie seien nicht zu würdigen.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Versicherten zurück (Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2014). Zur Begründung nahm er auf die Gutachten der Pflegefachkräfte L. und He. Bezug.
Gegen den ihrer Behauptung nach am 11. Juni 2014 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob die Versicherte am 9. Juli 2014 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes verwies sie auf den vorläufigen Entlassungsbericht des Oberarztes Dr. H. vom 25. Oktober 2013 und vertrat die Auffassung, der tägliche Hilfebedarf belaufe sich auf 316 Minuten, der sich wie folgt ergebe: Ganzkörperwäsche 22 Minuten (wie im Gutachten der Pflegefachkraft L.) Teilwäsche Unterkörper 15 Minuten (wie im Gutachten der Pflegefachkraft L.) Teilwäsche Hände/Gesicht vier Minuten (wie im Gutachten der Pflegefachkraft He.) Zahnpflege drei Minuten Kämmen eine Minute Stuhlgang 60 Minuten (viermal täglich [wie im Gutachten der Pflegefachkraft He.], jedoch jeweils 15 Minuten) Richten der Bekleidung acht Minuten (wie im Gutachten der Pflegefachkraft He.) Wechseln der Windeln 60 Minuten (15 Minuten [wie im Gutachten der Pflegefachkraft L.], jedoch viermal täglich) Entleerung des Urinbeutels 21 Minuten (drei Minuten [wie im Gutachten der Pflegefachkraft L.], siebenmal täglich [wie im Gutachten der Pflegefachkraft He.] Messen des Blutzuckers, Spritzen mit Insulin und richten der Tabletten (in den Gutachten nicht berücksichtigt) 15 Minuten mundgerechte Zubereitung der Nahrung fünf Minuten (wie in beiden Gutachten) Aufnahme der Nahrung 30 Minuten (dreimal täglich mindestens zehn Minuten) Aufstehen/Zubettgehen 20 Minuten (wie im Gutachten der Pflegefachkraft He.) Umlagern 30 Minuten (drei Minuten [wie im Gutachten der Pflegefachkraft L.], zehnmal täglich). Die im Gutachten der Pflegefachkraft He. genannten Zeiten für das Ankleiden gesamt (acht Minuten) und des Ober-/Unterkörpers (vier Minuten), das Entkleiden gesamt (vier Minuten) und das Entkleiden des Ober-/Unterkörpers (zwei Minuten) sowie das Gehen (vier Minuten) würden akzeptiert.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen. Dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Arzt für Innere und Allgemeinmedizin Dr. Gr. (dazu sogleich) sei nicht zu folgen. Nach dem (vorgelegten) Gutachten nach Aktenlage der Pflegefachkraft K., MDK, vom 15. Oktober 2015 habe der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege 177 Minuten (Körperpflege 105 Minuten, Ernährung sieben Minuten, Mobilität 65 Minuten) betragen. Der viermal tägliche Hilfebedarf beim Stuhlgang sei nicht nachvollziehbar, denn die Versicherte habe an einer Koprostase (Stauung von Kot im Dickdarm) gelitten und sei einmal wöchentlich mit einem Klistier behandelt worden. Der verrichtungsbezogene Zeitaufwand betrage drei Minuten wöchentlich. Im Rahmen des erforderlichen Wechsels von Inkontinenzprodukten sei der zeitliche Aufwand der Intimhygiene und der Entsorgung inbegriffen. Weiter sei der Aufwand von 60 Minuten täglich für Transfers zusätzlich zum Aufstehen und Zubettgehen nicht nachvollziehbar. Die Körperpflege finde im Bett liegend statt und zum Mittagessen sei die Versicherte an den Esstisch mobilisiert worden, so dass sich maximal vier Transfers täglich ergäben. Schließlich sei nicht nachvollziehbar eine zusätzliche Oberkörperwäsche täglich sowie die vollständige Übernahme beim Waschen der Hände und des Gesichts sechsmal täglich. Nach Bereitstellen der Pflegeutensilien habe die Versicherte sich selbst Gesicht und Hände waschen können.
Vom 30. Juni bis 21. Juli 2014 befand sich die Versicherte in stationärer geriatrischer Rehabilitation zur Mobilisierung, allgemeinen Kräftigung und Wundversorgung an beiden Unterschenkeln. Unter intensiver physio- und ergotherapeutischer Behandlung hätten nur leichte Fortschritte im Bereich der Mobilität und der selbständigen grundpflegerischen Versorgung erzielt werden können (Bericht des Arztes für Neurologie und Klinische Geriatrie Dr. B. vom 21. Juli 2014).
Dr. Gr. schätzte in seinem Gutachten vom 8. Mai 2015 aufgrund eines Hausbesuchs am 16. Oktober 2014 den täglichen Hilfebedarf bei der Grundpflege auf 268 Minuten (Körperpflege 136 Minuten, Ernährung sechs Minuten, Mobilität 126 Minuten). Verrichtung Art der Hilfe Frequenz Minuten täglich Ganzkörperwäsche Volle Übernahme 1-mal wöchentlich 22 Teilwäsche (obere/untere Körperhälfte) Volle Übernahme 1-mal täglich 10 Teilwäsche (Hände/Gesicht) Volle Übernahme 6-mal täglich 10 Zahnpflege Unterstützung 3-mal täglich 4 Kämmen Unterstützung 2-mal täglich 2 Stuhlgang Volle Übernahme 3-mal täglich, davon 1-mal nachts 40 Richten der Bekleidung volle Übernahme 4-mal täglich 16 Wechsel von Inkontinenzartikeln volle Übernahme 4-mal täglich 24 Wechseln/Entleerung von Auffanggefäßen volle Übernahme 4-mal täglich 8 mundgerechte Zubereitung der Nahrung volle Übernahme 3-mal täglich 6 Aufstehen/Zubettgehen volle Übernahme 4-mal täglich 20 Umlagern volle Übernahme 3-mal täglich, davon 1-mal nachts 12 An- und Auskleiden volle Übernahme 2-mal täglich 18 Gehen volle Übernahme 4-mal täglich 16 Stehen (Transfer) volle Übernahme 10-mal täglich 60 Beim der Verrichtung Stuhlgang berücksichtigte er als behandlungspflegerische, verrichtungsbezogene Pflegemaßnahme das regelmäßige Einführung eines Klysmas bei Verstopfungen einmal wöchentlich mit zehn Minuten. Pflegebegründende Diagnosen seien ein funktionell nicht benutzbares rechtes Bein wegen Knie- und Hüft-Totalendoprothese, letztere mit Neuversorgung im Juli 2013 und osteosynthetischer Versorgung einer Oberschenkelfraktur, ein peri- und postoperatives Herzkreislaufversagen mit catecholamidpflichtiger Kreislaufunterstützung, ein akutes Nierenversagen, eine Blutungsanämie mit Transfusion, eine Beinvenenthrombose rechts, die Anlage eines Blasendauerkatheters, eine Urininkontinenz, eine Gang- und Standunsicherheit bei Zehenamputation, eine Minderung der kognitiven Leistungen bei Antriebslosigkeit und Depression, ein deutlich reduzierter Allgemeinzustand bei Multimorbidität, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine Polyneuropathie, ein Bluthochdruck, ein postthrombotisches Syndrom beidseits ein Ulcus cruris beidseits, ein Leberschaden, eine chronische Magenschleimhautentzündung, eine Osteoporose, eine Stauung der Beine sowie eine chronische Verstopfungsneigung. Pflegeerschwerend sei eine Adipositas (Körpergröße 164 cm, Gewicht 105 kg, BMI 35). Die Versicherte benötige bei sämtlichen Verrichtungen der Mobilität (Transfer in und aus dem Bett, in und aus dem Rollstuhl, in und aus dem Toilettenstuhl, auf das Steckbecken sowie beim Aufsitzen an den Bettrand zum Einnehmen der Mahlzeiten) Unterstützung und in Anbetracht der pflegeerschwerenden Faktoren einen hohen Zeitaufwand. Die Körperpflege erfolge liegend im Bett, da aufgrund der offenen Beine Badewanne und Dusche nicht genutzt werden könnten. Sie könne nur wenige Schritte am Rollator in Begleitung einer Pflegeperson gehen. Erforderlich seien Lagerungshilfen. Nahrungsmittel müssten mundgerecht zubereitet werden, bei Aufnahme der Nahrung und Flüssigkeit sei sie selbständig. Nicht der Grundpflege zuzuordnen seien Insulininjektionen, Kontrollen des Blutzuckers, Verbandswechsel und elastische Wicklungen beider Beine. Die bei seiner Begutachtung vorgefundenen grundpflegerischen Aufwendungen entsprächen ungefähr denen während des Aufenthaltes zur Rehabilitation. Da seit dem Antrag auf Höherstufung sich keine neuen Erkrankungen ergeben hätten, gehe er davon aus, dass der von ihm festgestellte grundpflegerische Zeitaufwand bereits zum Zeitpunkt des Antrags auf Höherstufung bestanden habe. Abweichungen zu Vorgutachten der Pflegefachkraft He. ergäben sich aufgrund eines deutlich höheren Pflegeaufwands bei der Hilfe beim Stuhlgang, dem Richten der Kleidung vor und nach dem Toilettengang sowie in Bezug auf die Mobilität.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 23. Juni 2016 ab. Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Gr. ergebe sich, dass entgegen dessen Zeitangaben der Hilfebedarf der Versicherten im Bereich der Grundpflege weniger als 240 Minuten betragen habe. Überhöht seien der Ansatz für eine wöchentliche Ganzkörperwäsche von 22 Minuten täglich, was einem Zeitaufwand von 154 Minuten pro Verrichtung entspreche, sowie für die Hilfe beim Stuhlgang und das Stehen (Transfer). Die Annahme, es sei dreimal täglich Hilfe beim Stuhlgang erforderlich, sei nicht nachvollziehbar. Denn einerseits gehe der Sachverständige von drei Studiengängen täglich aus, andererseits halte er einen wöchentlichen Einlauf für erforderlich. Die Anzahl der Transfers sei nicht nachvollziehbar, da der Sachverständige selbst von der Benutzung eines Toilettenstuhls ausgehe. Die Ansätze sein auch nach der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch – SGB XI – (Begutachtungs-Richtlinie) überhöht. Nach dieser sei der individuelle Pflegebedarf zu objektivieren. Zusätzlicher Hilfebedarf folge nicht aus den Verrichtungen im Zusammenhang mit der Diabetes-Erkrankung (Messen des Blutzuckers, Spritzen von Insulin, Berechnung und Dokumentation der Insulingabe, Überwachung der Einhaltung des Ess-Spritz-Abstandes sowie Vorbereiten und Reichen von Tabletten), da dies bei der Grundpflege nicht zu berücksichtigende Behandlungspflege sei. Die angesetzten Zeiten für die Aufnahme der Nahrung sei nicht zu kurz, weil nur von einem Beaufsichtigungsbedarf ausgegangen worden sei.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 18. Juli 2016 zugestellte Urteil haben die Kläger am 18. August 2016 Berufung eingelegt. Das SG habe nicht darauf hingewiesen, die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht zu akzeptieren.
Die Kläger beantragen (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Juni 2016 und die Bescheide der Beklagten vom 18. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen als Gesamtschuldner für die Zeit vom 1. November 2013 bis zum 25. April 2015 Pflegegeld nach der Pflegestufe III anstelle erhöhten Pflegegeldes nach der Pflegestufe II zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend, auch unter Berücksichtigung der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Dr. Gr ... Hierzu hat sie das Gutachten der Pflegefachkraft De., MDK, vom 14. Dezember 2017 vorgelegt. Pflegefachkraft K. habe in ihrem Gutachten vom 15. Oktober 2015 und das SG in seinem Urteil dargestellt, dass die von Dr. Gr. berücksichtigten überhöhten Zeitwerte bei den Transfers, dem Schieben des Rollstuhls, der Lagerung und beim Aufstehen/Zubettgehen pflegefachlich nicht begründbar seien.
Der Senat hat Dr. Gr. zu den Einwendungen der Beklagten angehört. In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 25. Juli 2017 ist er bei dem im seinem Gutachten festgestellten täglichen Hilfebedarf verblieben. Da die Versicherte nicht in der Lage gewesen sei, Positionswechsel selbständig durchzuführen oder gar im Bett zu sitzen und sich die Arme, den Bauch, das Gesicht und die Hände selbständig zu waschen, habe sie für diese Verrichtungen ständig Hilfe benötigt. Aufgrund der insulinpflichtigen Zuckererkrankung und der Leibesfülle habe sie unter starkem Schwitzen gelitten, so dass abends eine weitere Körperpflege im Bett liegend habe durchgeführt werden müssen. Dasselbe gelte für das Waschen der Hände und des Gesichts sowohl morgens und abends sowie nach jeder Mahlzeit. Als Folge der insulinpflichtigen Zuckererkrankung habe sie wohl auch an einer intestinalen Neuropathie mit unregelmäßigen Stuhlabgängen, sei es in breiiger oder flüssiger Form abwechselnd mit Obstipation, gelitten. An Tagen mit Verstopfungen sei im Schnitt einmal wöchentlich ein Klysma verabreicht worden, den anderen Tagen habe sie zwischen vier und fünf Stuhlgänge gehabt, die sie aufgrund der intestinalen Neuropathie nicht habe regulieren können. Bei Stuhlverschmierungen seien vier große Windeln täglich im Bett liegend gewechselt worden, was wegen der Mobilitätseinschränkungen, der Begleiterkrankung insbesondere der Adipositas einen vermehrten Zeitaufwand erforderlich gemacht habe. Aufgrund der Leibesfülle seien teilweise zwei Pflegepersonen involviert gewesen. Bei fünfmaligem Stuhlgang ergäben sich zehn Transfers täglich, wobei teilweise zwei Pflegepersonen erforderlich gewesen sein, um einen Sturz zu vermeiden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Kläger ist zulässig. Sie haben die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn die Kläger begehren höhere Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Gegenstand des Rechtsstreits sind die beiden am 18. Dezember 2013 ergangenen Bescheide der Beklagten, zum einen der Bescheid betreffend die Ablehnung der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III, zum anderen der Bescheid betreffend die Bewilligung erhöhten Pflegegeldes nach § 123 Abs. 4 SGB XI, eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 2013 durch Art. 1 Nr. 48 Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (PNG) vom 23. Oktober 2012 (BGBl. I, S. 2246), geändert mit Wirkung vom 1. Januar 2015 durch Art. 1 Nr. 29 Buchst. c Erstes Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (PSG I) vom 17. Dezember 2014 (BGBl. I, S. 2222), außer Kraft getreten am 31. Dezember 2016. Denn bei einem Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe III entfällt insgesamt der Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II, auch das erhöhte Pflegegeld nach § 123 Abs. 4 SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung. Ein erhöhtes Pflegegeld für die Pflegestufe III war gesetzlich nicht vorgesehen.
3. Die zulässige Berufung der Kläger ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 18. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2014 sind rechtswidrig und verletzen die Versicherte in ihren Rechten. Sie hatte für die Zeit vom 1. November 2013 bis zum 25. April 2015 Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe III anstelle erhöhten Pflegegeldes nach der Pflegestufe II. Der tägliche Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege betrug jedenfalls ab 1. November 2013 mehr als 240 Minuten.
a) Ein Anspruch der Versicherten auf Geldleistung (hier höheres Pflegegeld) kann den Klägern nur als Erben nach § 58 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zustehen. Soweit fällige Ansprüche auf Geldleistungen nicht nach den §§ 56 und 57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, werden sie nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs vererbt. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten den Kindern zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Keiner der Kläger lebte mit der Versicherten am 25. April 2015 in einem gemeinsamen Haushalt. Dies folgt schon aus unterschiedlichen Anschriften der Kläger und der Versicherten. Aufgrund der für das erstinstanzliche Verfahren erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe fehlen auch jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Versicherte die Kläger wesentlich unterhielt.
b) Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf Pflegegeld nach Pflegestufe III anstelle des gezahlten erhöhten Pflegegelds nach Pflegestufe II ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 7. Juli 2005 – B 3 P 8/04 R – juris, Rn. 16). Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte. Die Feststellung einer wesentlichen Änderung richtet sich damit nach dem für die Leistung maßgeblichen materiellen Recht (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 1. Juni 2017 – B 5 R 2/16 R – juris, Rn. 11).
aa) Da die Versicherte den Antrag auf höheres Pflegegeld am 21. November 2013, mithin vor dem 31. Dezember 2016 stellte, beurteilt sich nach § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB XI ihr Anspruch nach den Vorschriften des SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (SGB XI a.F.).
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI a.F. Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI a.F.) der Hilfe bedürfen. Gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Absatzes 1 sind nach § 14 Abs. 4 SGB XI a.F.: 1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung, 2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, 3. im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, 4. im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI a.F.). Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI a.F. Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI a.F.). Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XI a.F.), in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB XI a.F.).
Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI a.F. stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2002 – B 3 P 12/01 R – juris, Rn. 12 ff.; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Begutachtungs-Richtlinie (in der bis 31. Dezember 2016 maßgeblichen, hier noch anzuwendenden Fassung) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinie; vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 7/97 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 P 7/03 R – juris, Rn. 32 m.w.N.; BSG, Urteil vom 6. Februar 2006 – B 3 P 26/05 B – juris, Rn. 8; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (BSG, Urteil vom 10. März 2010 – B 3 P 10/08 R – juris, Rn. 20 m.w.N.).
bb) Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 – B 3 P 8/04 R – juris, Rn. 19). Maßgeblicher Vergleichszeitpunkt sind damit die tatsächlichen Verhältnisse, die zur Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II mit Bescheid vom 9. Oktober 2012 führten. Dem zugrunde lag das Gutachten der Pflegefachkraft S. vom 26. September 2012, welches insoweit das maßgebliche Vergleichsgutachten ist.
cc) Eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen war jedenfalls seit dem 1. November 2013 eingetreten.
Zum Zeitpunkt der Bewilligung von Pflegegeld nach Pflegestufe II war die Versicherte mit einer Hüft-Totalendoprothese rechts und einer Knie-Totalendoprothese rechts versorgt. Ferner bestanden als Folge der Diabetes-Erkrankung Teilamputationen im Bereich beider Vorfüße und der Zehen sowie eine Polyneuropathie, eine Adipositas (Körpergröße 174 cm, Gewicht 124 kg), eine körperliche Schwäche und eine Harninkontinenz mit Katheterversorgung. Die Versicherte war bereits damals in ihrer Beweglichkeit erheblich eingeschränkt. Sie war nicht mehr selbständig gehfähig und konnte auch die Liegeposition im Bett nicht selbständig wechseln. Bis auf das Kämmen mussten alle Verrichtungen vollständig von der Pflegeperson übernommen werden. Sämtliche Transfers mussten unter erschwerten Bedingungen durchgeführt werden. Wegen der Adipositas war die Pflege erschwert. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Pflegefachkraft S. vom 26. September 2012, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R – juris, Rn. 13).
Daran änderte sich nichts nach der im Juli 2013 erfolgten Re-Implantation der Hüft-Totalendoprothese rechts. Auch danach war die Versicherte weiterhin gehunfähig und in ihrer Beweglichkeit nahezu vollständig eingeschränkt. Bis auf die Zahnpflege und das Kämmen mussten alle Verrichtungen vollständig von der Pflegeperson übernommen werden und die Pflege war durch die Adipositas erschwert, auch wenn nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Gr. das Körpergewicht mit 105 kg geringer war. Dies ergibt sich sowohl aus den Gutachten der Pflegefachkräfte L. und He., die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R – juris, Rn. 13), als auch aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Gr. und dessen ergänzender Stellungnahme. Bestätigt wird dies durch den Bericht des Dr. B. vom 21. Juli 2014 über die stationäre geriatrische Rehabilitation, in der nur leichte Fortschritte im Bereich der Mobilität und der selbständigen grundpflegerischen Versorgung erzielt werden konnten.
Eine Änderung ist insofern eingetreten, als die Versicherte im November 2013 nunmehr auch an einer Darminkontinenz litt, die im Gutachten der Pflegefachkraft S. vom 26. September 2012 nicht beschrieben war. Wegen der Darminkontinenz erhöhte sich die Anzahl der täglichen Stuhlgänge und es war das Wechseln von Inkontinenzartikeln erforderlich geworden, so dass sich auch der tägliche Hilfebedarf erhöhte.
dd) Der Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege war jedenfalls ab 1. November 2013 auf über 240 Minuten täglich angestiegen. Denn er lag bei 250 Minuten täglich. Der Senat folgt insoweit mit Ausnahme des zeitlichen Hilfebedarfs für die Ganzkörperwäsche dem Gutachten des Dr. Gr. und dessen ergänzender gutachterlicher Stellungnahme. Von dem von Dr. Gr. angenommenen Hilfebedarf von 268 Minuten täglich sind 18 Minuten täglich abzuziehen, so dass 250 Minuten täglich verbleiben.
(1) Der von Dr. Gr. angegebene Hilfebedarf bei der Ganzkörperwäsche mit 22 Minuten täglich ist – wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat – fehlerhaft. Die Ganzkörperwäsche erfolgt einmal pro Woche. Legt man den Höchstwert von 25 Minuten für diese Verrichtung (F. 4.1.1. Begutachtungs-Richtlinie in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung) zugrunde, ergibt sich umgerechnet auf den Tag ein Hilfebedarf von aufgerundet vier Minuten (25 ÷ 7 = 3,6).
(2) Im Übrigen sind die von Dr. Gr. angegebenen zeitlichen Hilfebedarfe für den Senat nachvollziehbar und die Einwendungen der Beklagten greifen insoweit nicht durch.
Der Einwand der Beklagten in der vorgelegten Stellungnahme der Pflegefachkraft K. vom 15. Oktober 2015, der vom gerichtlichen Sachverständigen Dr. Gr. festgestellte viermalige tägliche Hilfebedarf beim Stuhlgang sei nicht nachvollziehbar, überzeugt bereits deshalb nicht, weil Pflegefachkraft He. in ihrem Gutachten vom 9. April 2014 ebenfalls den Hilfebedarf in diesem Umfang annahm.
Auch wenn F. 4.1.7. Begutachtungs-Richtlinie in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung beim Stuhlgang einen Orientierungswert von höchstens sechs Minuten vorsah, ist für den Senat unter Berücksichtigung der die Pflege erschwerenden erheblichen Adipositas der Versicherten der von Dr. Gr. angenommene Zeitaufwand von zehn Minuten je Stuhlgang, bei vier Stuhlgängen mithin 40 Minuten, nachvollziehbar.
Der Einwand von Pflegefachkraft K., eine zusätzliche Oberkörperwäsche täglich sei nicht nachvollziehbar, greift im Ergebnis nicht durch, unabhängig davon, dass Dr. Gr. in seiner ergänzenden Stellungnahme eine solche für erforderlich hielt. In seinem Gutachten führte Dr. Gr. eine Ganzkörperwäsche in der Woche an, so dass jedenfalls an diesem Tag eine weitere Teilwäsche der oberen und unteren Körperhälfte nicht erforderlich erscheint, mithin eine Teilwäsche der oberen und unteren Körperhälfte nur an sechs Tagen anzusetzen ist. Bei einem täglichen Hilfebedarf von zehn Minuten ergäbe sich ein täglicher Hilfebedarf von aufgerundet neun Minuten (6 × 10 ÷ 7 = 8,6). Unter Berücksichtigung der die Pflege erschwerenden Adipositas ist der von Dr. Gr. angenommene Hilfebedarf von zehn Minuten jedenfalls nicht außerhalb der mit der Schätzung verbundenen Unschärfe.
Eine sechsmalige Wäsche der Hände täglich ist schon deswegen plausibel, weil vor und nach jeder Mahlzeit ein Waschen der Hände aus hygienischen Gründen angezeigt erscheint. Bei drei Mahlzeiten täglich, ergibt sich dann die Frequenz von sechsmal täglich, wie dies im Übrigen auch Pflegefachkraft He. in ihrem Gutachten vom 9. April 2014 annahm. Schon im Hinblick darauf sind die Einwände der Beklagten nicht verständlich.
Schließlich hat Dr. Gr. in seiner ergänzenden Stellungnahme für den Senat nachvollziehbar die Häufigkeit der Transfers dargestellt und auch insoweit zutreffend auf die die pflegeerschwerende Adipositas der Versicherten verwiesen.
ee) Der für die Pflegestufe III erforderliche nächtliche Grundpflegebedarf bestand. Ein Pflegebedarf "rund um die Uhr, auch nachts" als Voraussetzung für die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zur Pflegestufe III ist nur dann gegeben, wenn ein nächtlicher Grundpflegebedarf für zumindest eine der in § 14 Abs. 4 SGB XI a.F. aufgeführten Verrichtungen grundsätzlich jede Nacht (zwischen 22.00 Uhr abends und 6.00 Uhr morgens) entsteht und objektiv erforderlich ist (z.B. BSG, Urteil vom 31. August 2000 – B 3 P 16/99 R – juris, Rn. 13). Erforderlich war ein nächtlicher Toilettengang oder Stuhlgang. Dies entnimmt der Senat den Gutachten der Pflegefachkräfte L. und He. und des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Gr ...
4. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Im Berufungsverfahren gehören weder die Kläger noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen. Die Kläger gehören nicht zu diesem Personenkreis, weil sie den Rechtsstreit nicht als Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I führen (siehe oben).
Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG. Denn die Versicherte gehörte zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis.
5. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG sowie §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 47 Abs. 1 Satz 1 und 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Differenz zwischen dem Pflegegeld nach Pflegestufe III und dem erhöhten Pflegegeld nach Pflegestufe II beträgt in der Zeit vom 1. November 2013 bis 31. Dezember 2014 EUR 175,00 monatlich, mithin für 14 Monate EUR 2.450,00, für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2015 EUR 183,00 monatlich, mithin für drei Monate EUR 549,00 und für den Monat April 2015 anteilmäßig EUR 152,50 (EUR 183,00 ÷ 30 Tage × 25 Tage), insgesamt damit EUR 3.151,50.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Kläger des erstinstanzlichen Verfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 3.151,50 festgesetzt.
Tatbestand:
Die Kläger begehren als Rechtsnachfolger ihrer am 1937 geborenen und 2015 verstorbenen Mutter (im Folgenden Versicherte) Pflegegeld nach der Pflegestufe III anstelle erhöhten Pflegegeldes nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 1. November 2013 bis 25. April 2015.
Die Versicherte war Mitglied der Beklagten in der sozialen Pflegeversicherung. Die Beklagte bewilligte der Versicherten ab 1. September 2012 Pflegegeld nach der Pflegestufe II (Bescheid vom 9. Oktober 2012). Dem zugrunde lag das Gutachten der Pflegefachkraft S., Medizinischer Dienst der Krankversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 26. September 2012. Sie schätzte den täglichen Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege auf 159 Minuten (Körperpflege 83 Minuten, Ernährung zehn Minuten, Mobilität 66 Minuten) und nannte als pflegebegründende Diagnosen Rollstuhlpflicht bei Lockerung der Hüft-Totalendoprothese, schwere Durchblutungsstörungen, chronische Lymphödeme, diabetische Polyneuropathie, Adipositas (Körpergröße 174 cm, Gewicht 124 kg), körperliche Schwäche sowie Harninkontinenz mit Katheterversorgung. Die Pflege der Versicherten müsse weitgehend übernommen werden, weil sie schwach sei und aufgrund ihres Übergewichtes nicht alle Körperstellen erreiche. Die Pflege der Zahnprothese sowie das Säubern und das Richten der Bekleidung nach einem Toilettengang müsse übernommen werden, weil sie derzeit im Bett gepflegt werde. Der Harn werde derzeit über einen Blasendauerkatheter abgeleitet und der Beutel müsse ebenso wie der zur Stuhlausscheidung genutzte Toilettenstuhl regelmäßig entleert werden. Sie benötige Hilfe beim Einschenken von Getränken und beim Kleinschneiden von Speisen. Alle Transfers müssten unter erschwerten Bedingungen in Form vollständiger Übernahme durchgeführt werden. Sie sei nicht in der Lage, ihre Liegeposition im Bett zu wechseln und müsse gelagert werden. Die Kleidung müsse übergestreift werden. Sie müsse außerhalb des Bettes im Rollstuhl durch die Wohnung geschoben werden.
Die Versicherte befand sich vom 11. Juli bis 9. September 2013 in stationärer Krankenhausbehandlung. Am 29. Juli 2013 erfolgte nach septischer Lockerung der Hüft-Totalendoprothese rechts eine Re-Implantation und eine Osteosynthese einer intraoperativ entstandenen Femurfraktur sowie am 8. August 2013 eine Revision (vorläufiger Entlassungsbericht des Oberarztes Dr. H. vom 25. Oktober 2013).
Die Versicherte beantragte am 21. November 2013 die "Höherstufung" wegen zunehmender Immobilität und Kraftminderung.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Pflegefachkraft L., MDK, ihr Gutachten vom 17. Dezember 2013. Sie schätzte den täglichen Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege auf 126 Minuten (Körperpflege 65 Minuten, Ernährung sieben Minuten, Mobilität 54 Minuten) und nannte als pflegebegründende Diagnosen Mobilitäts- und Bewegungseinschränkungen bei Zustand nach mehrfachen Komplikationen durch Entzündungen nach Hüft-Totalendoprothese rechts mit Fistelbildung, septischer Lockerung mit Ausbau der Hüft-Totalendoprothese rechts und intraoperativer Femurfraktur, diabetische Polyneuropathie, Adipositas, depressive Verstimmung sowie Darminkontinenz. Bei der Körperwäsche könne die Versicherte sich Gesicht, Hände und einen Teil des vorderen Oberkörpers waschen. Alle anderen Verrichtungen müssten übernommen werden. Zahnpflege und Kämmen der Haare könne sie nach Motivation selbständig ausführen. Transfers aus dem Bett in den Rollstuhl oder auf den Toilettenstuhl und zurück seien nur mit personeller Hilfe möglich. Sie könne beidhändig mit Messer und Gabel umgehen und selbständig essen und trinken. Wenn sie im Bett esse, würden ihr die Speisen mundgerecht vorbereitet, da eine passende Unterlage fehle. Der Wechsel der Inkontinenzartikel müsse durch die Pflegeperson, teilweise mehrmals täglich, erfolgen. Aufgrund der depressiven Stimmungslage sei sie häufig nicht in der Lage, ihren Tagesablauf selbst zu strukturieren und benötige immer wieder motivierende Anleitungen. Täglich würden Kompressionsverbände bis zum Oberschenkel angelegt. Pflegeerschwerend sei das Gewicht über 80 kg. Nächtlicher Grundpflegebedarf bestehe durch Lagerung und Windelwechsel. Ihre Alltagskompetenz sei erheblich eingeschränkt.
Die Beklagte lehnte es sinngemäß ab, Pflegegeld nach Pflegestufe III zu zahlen (Bescheid vom 18. Dezember 2013). Sie bewilligte ab 1. Dezember 2013 zusätzliches Pflegegeld der Pflegestufe II in Höhe von EUR 85,00 (Bescheid vom 18. Dezember 2013).
Die Versicherte erhob Widerspruch. Sie übersandte eine von der Klägerin zu 1 verfasste Aufstellungen mit deren Pflegetätigkeiten für die Zeit vom 5. bis 24. Januar 2014 und führte aus, die Grundpflege betrage deutlich mehr als 240 Minuten täglich.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Pflegefachkraft He., MDK, ihr Gutachten vom 9. April 2014. Sie schätzte den täglichen Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege auf 144 Minuten (Körperpflege 85 Minuten, Ernährung sieben Minuten, Mobilität 52 Minuten) und nannte als pflegebegründende Diagnosen Zustand nach septischer Lockerung der Hüft-Totalendoprothese mit Ausbau rechts und intraoperativer Femurfraktur im Juli 2013, Zustand nach dekompensierter Herzinsuffizienz und Stauungspneumonie im Juli 2013, Zustand nach Knie-Totalendoprothese rechts, Adipositas, chronische Lymphödeme, chronische Polyneuropathie, Katheter versorgte Blaseninkontinenz, Zustand nach Amputation des Vorfußes links und mehrere Zehen beider Füße, chronische Obstipation, kognitive Leistungsminderung bei Antriebslosigkeit und Depression, insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II, Durchblutungsstörungen beider Unterschenkel sowie Gang- und Standunsicherheit. Ein zusätzlicher Hilfebedarf könne im Vergleich zu Vorgutachten (der Pflegefachkraft L.) bei zusätzlichen Toilettengängen angenommen werden. Der Hilfebedarf im Bereich der täglichen Körperpflege, der Nahrungsaufnahme und der Mobilität sei umfangreich und vollständig gewürdigt. Reine Präsenzzeiten sowie Leistungen zur Sicherung der ärztlichen Therapie seien nicht zu würdigen.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Versicherten zurück (Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2014). Zur Begründung nahm er auf die Gutachten der Pflegefachkräfte L. und He. Bezug.
Gegen den ihrer Behauptung nach am 11. Juni 2014 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob die Versicherte am 9. Juli 2014 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes verwies sie auf den vorläufigen Entlassungsbericht des Oberarztes Dr. H. vom 25. Oktober 2013 und vertrat die Auffassung, der tägliche Hilfebedarf belaufe sich auf 316 Minuten, der sich wie folgt ergebe: Ganzkörperwäsche 22 Minuten (wie im Gutachten der Pflegefachkraft L.) Teilwäsche Unterkörper 15 Minuten (wie im Gutachten der Pflegefachkraft L.) Teilwäsche Hände/Gesicht vier Minuten (wie im Gutachten der Pflegefachkraft He.) Zahnpflege drei Minuten Kämmen eine Minute Stuhlgang 60 Minuten (viermal täglich [wie im Gutachten der Pflegefachkraft He.], jedoch jeweils 15 Minuten) Richten der Bekleidung acht Minuten (wie im Gutachten der Pflegefachkraft He.) Wechseln der Windeln 60 Minuten (15 Minuten [wie im Gutachten der Pflegefachkraft L.], jedoch viermal täglich) Entleerung des Urinbeutels 21 Minuten (drei Minuten [wie im Gutachten der Pflegefachkraft L.], siebenmal täglich [wie im Gutachten der Pflegefachkraft He.] Messen des Blutzuckers, Spritzen mit Insulin und richten der Tabletten (in den Gutachten nicht berücksichtigt) 15 Minuten mundgerechte Zubereitung der Nahrung fünf Minuten (wie in beiden Gutachten) Aufnahme der Nahrung 30 Minuten (dreimal täglich mindestens zehn Minuten) Aufstehen/Zubettgehen 20 Minuten (wie im Gutachten der Pflegefachkraft He.) Umlagern 30 Minuten (drei Minuten [wie im Gutachten der Pflegefachkraft L.], zehnmal täglich). Die im Gutachten der Pflegefachkraft He. genannten Zeiten für das Ankleiden gesamt (acht Minuten) und des Ober-/Unterkörpers (vier Minuten), das Entkleiden gesamt (vier Minuten) und das Entkleiden des Ober-/Unterkörpers (zwei Minuten) sowie das Gehen (vier Minuten) würden akzeptiert.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen. Dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Arzt für Innere und Allgemeinmedizin Dr. Gr. (dazu sogleich) sei nicht zu folgen. Nach dem (vorgelegten) Gutachten nach Aktenlage der Pflegefachkraft K., MDK, vom 15. Oktober 2015 habe der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege 177 Minuten (Körperpflege 105 Minuten, Ernährung sieben Minuten, Mobilität 65 Minuten) betragen. Der viermal tägliche Hilfebedarf beim Stuhlgang sei nicht nachvollziehbar, denn die Versicherte habe an einer Koprostase (Stauung von Kot im Dickdarm) gelitten und sei einmal wöchentlich mit einem Klistier behandelt worden. Der verrichtungsbezogene Zeitaufwand betrage drei Minuten wöchentlich. Im Rahmen des erforderlichen Wechsels von Inkontinenzprodukten sei der zeitliche Aufwand der Intimhygiene und der Entsorgung inbegriffen. Weiter sei der Aufwand von 60 Minuten täglich für Transfers zusätzlich zum Aufstehen und Zubettgehen nicht nachvollziehbar. Die Körperpflege finde im Bett liegend statt und zum Mittagessen sei die Versicherte an den Esstisch mobilisiert worden, so dass sich maximal vier Transfers täglich ergäben. Schließlich sei nicht nachvollziehbar eine zusätzliche Oberkörperwäsche täglich sowie die vollständige Übernahme beim Waschen der Hände und des Gesichts sechsmal täglich. Nach Bereitstellen der Pflegeutensilien habe die Versicherte sich selbst Gesicht und Hände waschen können.
Vom 30. Juni bis 21. Juli 2014 befand sich die Versicherte in stationärer geriatrischer Rehabilitation zur Mobilisierung, allgemeinen Kräftigung und Wundversorgung an beiden Unterschenkeln. Unter intensiver physio- und ergotherapeutischer Behandlung hätten nur leichte Fortschritte im Bereich der Mobilität und der selbständigen grundpflegerischen Versorgung erzielt werden können (Bericht des Arztes für Neurologie und Klinische Geriatrie Dr. B. vom 21. Juli 2014).
Dr. Gr. schätzte in seinem Gutachten vom 8. Mai 2015 aufgrund eines Hausbesuchs am 16. Oktober 2014 den täglichen Hilfebedarf bei der Grundpflege auf 268 Minuten (Körperpflege 136 Minuten, Ernährung sechs Minuten, Mobilität 126 Minuten). Verrichtung Art der Hilfe Frequenz Minuten täglich Ganzkörperwäsche Volle Übernahme 1-mal wöchentlich 22 Teilwäsche (obere/untere Körperhälfte) Volle Übernahme 1-mal täglich 10 Teilwäsche (Hände/Gesicht) Volle Übernahme 6-mal täglich 10 Zahnpflege Unterstützung 3-mal täglich 4 Kämmen Unterstützung 2-mal täglich 2 Stuhlgang Volle Übernahme 3-mal täglich, davon 1-mal nachts 40 Richten der Bekleidung volle Übernahme 4-mal täglich 16 Wechsel von Inkontinenzartikeln volle Übernahme 4-mal täglich 24 Wechseln/Entleerung von Auffanggefäßen volle Übernahme 4-mal täglich 8 mundgerechte Zubereitung der Nahrung volle Übernahme 3-mal täglich 6 Aufstehen/Zubettgehen volle Übernahme 4-mal täglich 20 Umlagern volle Übernahme 3-mal täglich, davon 1-mal nachts 12 An- und Auskleiden volle Übernahme 2-mal täglich 18 Gehen volle Übernahme 4-mal täglich 16 Stehen (Transfer) volle Übernahme 10-mal täglich 60 Beim der Verrichtung Stuhlgang berücksichtigte er als behandlungspflegerische, verrichtungsbezogene Pflegemaßnahme das regelmäßige Einführung eines Klysmas bei Verstopfungen einmal wöchentlich mit zehn Minuten. Pflegebegründende Diagnosen seien ein funktionell nicht benutzbares rechtes Bein wegen Knie- und Hüft-Totalendoprothese, letztere mit Neuversorgung im Juli 2013 und osteosynthetischer Versorgung einer Oberschenkelfraktur, ein peri- und postoperatives Herzkreislaufversagen mit catecholamidpflichtiger Kreislaufunterstützung, ein akutes Nierenversagen, eine Blutungsanämie mit Transfusion, eine Beinvenenthrombose rechts, die Anlage eines Blasendauerkatheters, eine Urininkontinenz, eine Gang- und Standunsicherheit bei Zehenamputation, eine Minderung der kognitiven Leistungen bei Antriebslosigkeit und Depression, ein deutlich reduzierter Allgemeinzustand bei Multimorbidität, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine Polyneuropathie, ein Bluthochdruck, ein postthrombotisches Syndrom beidseits ein Ulcus cruris beidseits, ein Leberschaden, eine chronische Magenschleimhautentzündung, eine Osteoporose, eine Stauung der Beine sowie eine chronische Verstopfungsneigung. Pflegeerschwerend sei eine Adipositas (Körpergröße 164 cm, Gewicht 105 kg, BMI 35). Die Versicherte benötige bei sämtlichen Verrichtungen der Mobilität (Transfer in und aus dem Bett, in und aus dem Rollstuhl, in und aus dem Toilettenstuhl, auf das Steckbecken sowie beim Aufsitzen an den Bettrand zum Einnehmen der Mahlzeiten) Unterstützung und in Anbetracht der pflegeerschwerenden Faktoren einen hohen Zeitaufwand. Die Körperpflege erfolge liegend im Bett, da aufgrund der offenen Beine Badewanne und Dusche nicht genutzt werden könnten. Sie könne nur wenige Schritte am Rollator in Begleitung einer Pflegeperson gehen. Erforderlich seien Lagerungshilfen. Nahrungsmittel müssten mundgerecht zubereitet werden, bei Aufnahme der Nahrung und Flüssigkeit sei sie selbständig. Nicht der Grundpflege zuzuordnen seien Insulininjektionen, Kontrollen des Blutzuckers, Verbandswechsel und elastische Wicklungen beider Beine. Die bei seiner Begutachtung vorgefundenen grundpflegerischen Aufwendungen entsprächen ungefähr denen während des Aufenthaltes zur Rehabilitation. Da seit dem Antrag auf Höherstufung sich keine neuen Erkrankungen ergeben hätten, gehe er davon aus, dass der von ihm festgestellte grundpflegerische Zeitaufwand bereits zum Zeitpunkt des Antrags auf Höherstufung bestanden habe. Abweichungen zu Vorgutachten der Pflegefachkraft He. ergäben sich aufgrund eines deutlich höheren Pflegeaufwands bei der Hilfe beim Stuhlgang, dem Richten der Kleidung vor und nach dem Toilettengang sowie in Bezug auf die Mobilität.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 23. Juni 2016 ab. Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Gr. ergebe sich, dass entgegen dessen Zeitangaben der Hilfebedarf der Versicherten im Bereich der Grundpflege weniger als 240 Minuten betragen habe. Überhöht seien der Ansatz für eine wöchentliche Ganzkörperwäsche von 22 Minuten täglich, was einem Zeitaufwand von 154 Minuten pro Verrichtung entspreche, sowie für die Hilfe beim Stuhlgang und das Stehen (Transfer). Die Annahme, es sei dreimal täglich Hilfe beim Stuhlgang erforderlich, sei nicht nachvollziehbar. Denn einerseits gehe der Sachverständige von drei Studiengängen täglich aus, andererseits halte er einen wöchentlichen Einlauf für erforderlich. Die Anzahl der Transfers sei nicht nachvollziehbar, da der Sachverständige selbst von der Benutzung eines Toilettenstuhls ausgehe. Die Ansätze sein auch nach der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch – SGB XI – (Begutachtungs-Richtlinie) überhöht. Nach dieser sei der individuelle Pflegebedarf zu objektivieren. Zusätzlicher Hilfebedarf folge nicht aus den Verrichtungen im Zusammenhang mit der Diabetes-Erkrankung (Messen des Blutzuckers, Spritzen von Insulin, Berechnung und Dokumentation der Insulingabe, Überwachung der Einhaltung des Ess-Spritz-Abstandes sowie Vorbereiten und Reichen von Tabletten), da dies bei der Grundpflege nicht zu berücksichtigende Behandlungspflege sei. Die angesetzten Zeiten für die Aufnahme der Nahrung sei nicht zu kurz, weil nur von einem Beaufsichtigungsbedarf ausgegangen worden sei.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 18. Juli 2016 zugestellte Urteil haben die Kläger am 18. August 2016 Berufung eingelegt. Das SG habe nicht darauf hingewiesen, die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht zu akzeptieren.
Die Kläger beantragen (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Juni 2016 und die Bescheide der Beklagten vom 18. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen als Gesamtschuldner für die Zeit vom 1. November 2013 bis zum 25. April 2015 Pflegegeld nach der Pflegestufe III anstelle erhöhten Pflegegeldes nach der Pflegestufe II zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend, auch unter Berücksichtigung der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Dr. Gr ... Hierzu hat sie das Gutachten der Pflegefachkraft De., MDK, vom 14. Dezember 2017 vorgelegt. Pflegefachkraft K. habe in ihrem Gutachten vom 15. Oktober 2015 und das SG in seinem Urteil dargestellt, dass die von Dr. Gr. berücksichtigten überhöhten Zeitwerte bei den Transfers, dem Schieben des Rollstuhls, der Lagerung und beim Aufstehen/Zubettgehen pflegefachlich nicht begründbar seien.
Der Senat hat Dr. Gr. zu den Einwendungen der Beklagten angehört. In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 25. Juli 2017 ist er bei dem im seinem Gutachten festgestellten täglichen Hilfebedarf verblieben. Da die Versicherte nicht in der Lage gewesen sei, Positionswechsel selbständig durchzuführen oder gar im Bett zu sitzen und sich die Arme, den Bauch, das Gesicht und die Hände selbständig zu waschen, habe sie für diese Verrichtungen ständig Hilfe benötigt. Aufgrund der insulinpflichtigen Zuckererkrankung und der Leibesfülle habe sie unter starkem Schwitzen gelitten, so dass abends eine weitere Körperpflege im Bett liegend habe durchgeführt werden müssen. Dasselbe gelte für das Waschen der Hände und des Gesichts sowohl morgens und abends sowie nach jeder Mahlzeit. Als Folge der insulinpflichtigen Zuckererkrankung habe sie wohl auch an einer intestinalen Neuropathie mit unregelmäßigen Stuhlabgängen, sei es in breiiger oder flüssiger Form abwechselnd mit Obstipation, gelitten. An Tagen mit Verstopfungen sei im Schnitt einmal wöchentlich ein Klysma verabreicht worden, den anderen Tagen habe sie zwischen vier und fünf Stuhlgänge gehabt, die sie aufgrund der intestinalen Neuropathie nicht habe regulieren können. Bei Stuhlverschmierungen seien vier große Windeln täglich im Bett liegend gewechselt worden, was wegen der Mobilitätseinschränkungen, der Begleiterkrankung insbesondere der Adipositas einen vermehrten Zeitaufwand erforderlich gemacht habe. Aufgrund der Leibesfülle seien teilweise zwei Pflegepersonen involviert gewesen. Bei fünfmaligem Stuhlgang ergäben sich zehn Transfers täglich, wobei teilweise zwei Pflegepersonen erforderlich gewesen sein, um einen Sturz zu vermeiden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Kläger ist zulässig. Sie haben die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn die Kläger begehren höhere Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Gegenstand des Rechtsstreits sind die beiden am 18. Dezember 2013 ergangenen Bescheide der Beklagten, zum einen der Bescheid betreffend die Ablehnung der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III, zum anderen der Bescheid betreffend die Bewilligung erhöhten Pflegegeldes nach § 123 Abs. 4 SGB XI, eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 2013 durch Art. 1 Nr. 48 Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (PNG) vom 23. Oktober 2012 (BGBl. I, S. 2246), geändert mit Wirkung vom 1. Januar 2015 durch Art. 1 Nr. 29 Buchst. c Erstes Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (PSG I) vom 17. Dezember 2014 (BGBl. I, S. 2222), außer Kraft getreten am 31. Dezember 2016. Denn bei einem Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe III entfällt insgesamt der Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II, auch das erhöhte Pflegegeld nach § 123 Abs. 4 SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung. Ein erhöhtes Pflegegeld für die Pflegestufe III war gesetzlich nicht vorgesehen.
3. Die zulässige Berufung der Kläger ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 18. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2014 sind rechtswidrig und verletzen die Versicherte in ihren Rechten. Sie hatte für die Zeit vom 1. November 2013 bis zum 25. April 2015 Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe III anstelle erhöhten Pflegegeldes nach der Pflegestufe II. Der tägliche Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege betrug jedenfalls ab 1. November 2013 mehr als 240 Minuten.
a) Ein Anspruch der Versicherten auf Geldleistung (hier höheres Pflegegeld) kann den Klägern nur als Erben nach § 58 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zustehen. Soweit fällige Ansprüche auf Geldleistungen nicht nach den §§ 56 und 57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, werden sie nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs vererbt. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten den Kindern zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Keiner der Kläger lebte mit der Versicherten am 25. April 2015 in einem gemeinsamen Haushalt. Dies folgt schon aus unterschiedlichen Anschriften der Kläger und der Versicherten. Aufgrund der für das erstinstanzliche Verfahren erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe fehlen auch jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Versicherte die Kläger wesentlich unterhielt.
b) Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf Pflegegeld nach Pflegestufe III anstelle des gezahlten erhöhten Pflegegelds nach Pflegestufe II ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 7. Juli 2005 – B 3 P 8/04 R – juris, Rn. 16). Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte. Die Feststellung einer wesentlichen Änderung richtet sich damit nach dem für die Leistung maßgeblichen materiellen Recht (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 1. Juni 2017 – B 5 R 2/16 R – juris, Rn. 11).
aa) Da die Versicherte den Antrag auf höheres Pflegegeld am 21. November 2013, mithin vor dem 31. Dezember 2016 stellte, beurteilt sich nach § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB XI ihr Anspruch nach den Vorschriften des SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (SGB XI a.F.).
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI a.F. Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI a.F.) der Hilfe bedürfen. Gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Absatzes 1 sind nach § 14 Abs. 4 SGB XI a.F.: 1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung, 2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, 3. im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, 4. im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI a.F.). Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI a.F. Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI a.F.). Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XI a.F.), in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB XI a.F.).
Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI a.F. stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2002 – B 3 P 12/01 R – juris, Rn. 12 ff.; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Begutachtungs-Richtlinie (in der bis 31. Dezember 2016 maßgeblichen, hier noch anzuwendenden Fassung) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinie; vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 7/97 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 P 7/03 R – juris, Rn. 32 m.w.N.; BSG, Urteil vom 6. Februar 2006 – B 3 P 26/05 B – juris, Rn. 8; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (BSG, Urteil vom 10. März 2010 – B 3 P 10/08 R – juris, Rn. 20 m.w.N.).
bb) Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 – B 3 P 8/04 R – juris, Rn. 19). Maßgeblicher Vergleichszeitpunkt sind damit die tatsächlichen Verhältnisse, die zur Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II mit Bescheid vom 9. Oktober 2012 führten. Dem zugrunde lag das Gutachten der Pflegefachkraft S. vom 26. September 2012, welches insoweit das maßgebliche Vergleichsgutachten ist.
cc) Eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen war jedenfalls seit dem 1. November 2013 eingetreten.
Zum Zeitpunkt der Bewilligung von Pflegegeld nach Pflegestufe II war die Versicherte mit einer Hüft-Totalendoprothese rechts und einer Knie-Totalendoprothese rechts versorgt. Ferner bestanden als Folge der Diabetes-Erkrankung Teilamputationen im Bereich beider Vorfüße und der Zehen sowie eine Polyneuropathie, eine Adipositas (Körpergröße 174 cm, Gewicht 124 kg), eine körperliche Schwäche und eine Harninkontinenz mit Katheterversorgung. Die Versicherte war bereits damals in ihrer Beweglichkeit erheblich eingeschränkt. Sie war nicht mehr selbständig gehfähig und konnte auch die Liegeposition im Bett nicht selbständig wechseln. Bis auf das Kämmen mussten alle Verrichtungen vollständig von der Pflegeperson übernommen werden. Sämtliche Transfers mussten unter erschwerten Bedingungen durchgeführt werden. Wegen der Adipositas war die Pflege erschwert. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Pflegefachkraft S. vom 26. September 2012, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R – juris, Rn. 13).
Daran änderte sich nichts nach der im Juli 2013 erfolgten Re-Implantation der Hüft-Totalendoprothese rechts. Auch danach war die Versicherte weiterhin gehunfähig und in ihrer Beweglichkeit nahezu vollständig eingeschränkt. Bis auf die Zahnpflege und das Kämmen mussten alle Verrichtungen vollständig von der Pflegeperson übernommen werden und die Pflege war durch die Adipositas erschwert, auch wenn nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Gr. das Körpergewicht mit 105 kg geringer war. Dies ergibt sich sowohl aus den Gutachten der Pflegefachkräfte L. und He., die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R – juris, Rn. 13), als auch aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Gr. und dessen ergänzender Stellungnahme. Bestätigt wird dies durch den Bericht des Dr. B. vom 21. Juli 2014 über die stationäre geriatrische Rehabilitation, in der nur leichte Fortschritte im Bereich der Mobilität und der selbständigen grundpflegerischen Versorgung erzielt werden konnten.
Eine Änderung ist insofern eingetreten, als die Versicherte im November 2013 nunmehr auch an einer Darminkontinenz litt, die im Gutachten der Pflegefachkraft S. vom 26. September 2012 nicht beschrieben war. Wegen der Darminkontinenz erhöhte sich die Anzahl der täglichen Stuhlgänge und es war das Wechseln von Inkontinenzartikeln erforderlich geworden, so dass sich auch der tägliche Hilfebedarf erhöhte.
dd) Der Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege war jedenfalls ab 1. November 2013 auf über 240 Minuten täglich angestiegen. Denn er lag bei 250 Minuten täglich. Der Senat folgt insoweit mit Ausnahme des zeitlichen Hilfebedarfs für die Ganzkörperwäsche dem Gutachten des Dr. Gr. und dessen ergänzender gutachterlicher Stellungnahme. Von dem von Dr. Gr. angenommenen Hilfebedarf von 268 Minuten täglich sind 18 Minuten täglich abzuziehen, so dass 250 Minuten täglich verbleiben.
(1) Der von Dr. Gr. angegebene Hilfebedarf bei der Ganzkörperwäsche mit 22 Minuten täglich ist – wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat – fehlerhaft. Die Ganzkörperwäsche erfolgt einmal pro Woche. Legt man den Höchstwert von 25 Minuten für diese Verrichtung (F. 4.1.1. Begutachtungs-Richtlinie in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung) zugrunde, ergibt sich umgerechnet auf den Tag ein Hilfebedarf von aufgerundet vier Minuten (25 ÷ 7 = 3,6).
(2) Im Übrigen sind die von Dr. Gr. angegebenen zeitlichen Hilfebedarfe für den Senat nachvollziehbar und die Einwendungen der Beklagten greifen insoweit nicht durch.
Der Einwand der Beklagten in der vorgelegten Stellungnahme der Pflegefachkraft K. vom 15. Oktober 2015, der vom gerichtlichen Sachverständigen Dr. Gr. festgestellte viermalige tägliche Hilfebedarf beim Stuhlgang sei nicht nachvollziehbar, überzeugt bereits deshalb nicht, weil Pflegefachkraft He. in ihrem Gutachten vom 9. April 2014 ebenfalls den Hilfebedarf in diesem Umfang annahm.
Auch wenn F. 4.1.7. Begutachtungs-Richtlinie in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung beim Stuhlgang einen Orientierungswert von höchstens sechs Minuten vorsah, ist für den Senat unter Berücksichtigung der die Pflege erschwerenden erheblichen Adipositas der Versicherten der von Dr. Gr. angenommene Zeitaufwand von zehn Minuten je Stuhlgang, bei vier Stuhlgängen mithin 40 Minuten, nachvollziehbar.
Der Einwand von Pflegefachkraft K., eine zusätzliche Oberkörperwäsche täglich sei nicht nachvollziehbar, greift im Ergebnis nicht durch, unabhängig davon, dass Dr. Gr. in seiner ergänzenden Stellungnahme eine solche für erforderlich hielt. In seinem Gutachten führte Dr. Gr. eine Ganzkörperwäsche in der Woche an, so dass jedenfalls an diesem Tag eine weitere Teilwäsche der oberen und unteren Körperhälfte nicht erforderlich erscheint, mithin eine Teilwäsche der oberen und unteren Körperhälfte nur an sechs Tagen anzusetzen ist. Bei einem täglichen Hilfebedarf von zehn Minuten ergäbe sich ein täglicher Hilfebedarf von aufgerundet neun Minuten (6 × 10 ÷ 7 = 8,6). Unter Berücksichtigung der die Pflege erschwerenden Adipositas ist der von Dr. Gr. angenommene Hilfebedarf von zehn Minuten jedenfalls nicht außerhalb der mit der Schätzung verbundenen Unschärfe.
Eine sechsmalige Wäsche der Hände täglich ist schon deswegen plausibel, weil vor und nach jeder Mahlzeit ein Waschen der Hände aus hygienischen Gründen angezeigt erscheint. Bei drei Mahlzeiten täglich, ergibt sich dann die Frequenz von sechsmal täglich, wie dies im Übrigen auch Pflegefachkraft He. in ihrem Gutachten vom 9. April 2014 annahm. Schon im Hinblick darauf sind die Einwände der Beklagten nicht verständlich.
Schließlich hat Dr. Gr. in seiner ergänzenden Stellungnahme für den Senat nachvollziehbar die Häufigkeit der Transfers dargestellt und auch insoweit zutreffend auf die die pflegeerschwerende Adipositas der Versicherten verwiesen.
ee) Der für die Pflegestufe III erforderliche nächtliche Grundpflegebedarf bestand. Ein Pflegebedarf "rund um die Uhr, auch nachts" als Voraussetzung für die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zur Pflegestufe III ist nur dann gegeben, wenn ein nächtlicher Grundpflegebedarf für zumindest eine der in § 14 Abs. 4 SGB XI a.F. aufgeführten Verrichtungen grundsätzlich jede Nacht (zwischen 22.00 Uhr abends und 6.00 Uhr morgens) entsteht und objektiv erforderlich ist (z.B. BSG, Urteil vom 31. August 2000 – B 3 P 16/99 R – juris, Rn. 13). Erforderlich war ein nächtlicher Toilettengang oder Stuhlgang. Dies entnimmt der Senat den Gutachten der Pflegefachkräfte L. und He. und des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Gr ...
4. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Im Berufungsverfahren gehören weder die Kläger noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen. Die Kläger gehören nicht zu diesem Personenkreis, weil sie den Rechtsstreit nicht als Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I führen (siehe oben).
Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG. Denn die Versicherte gehörte zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis.
5. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG sowie §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 47 Abs. 1 Satz 1 und 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Differenz zwischen dem Pflegegeld nach Pflegestufe III und dem erhöhten Pflegegeld nach Pflegestufe II beträgt in der Zeit vom 1. November 2013 bis 31. Dezember 2014 EUR 175,00 monatlich, mithin für 14 Monate EUR 2.450,00, für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2015 EUR 183,00 monatlich, mithin für drei Monate EUR 549,00 und für den Monat April 2015 anteilmäßig EUR 152,50 (EUR 183,00 ÷ 30 Tage × 25 Tage), insgesamt damit EUR 3.151,50.
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