L 4 KR 3315/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 1011/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3315/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Krankengeld für die Zeit vom 31. Januar 2012 bis 31. Juli 2013 (Ablauf von 78 Wochen).

Der Kläger war zumindest seit 1. Dezember 2006 als hauptberuflich Selbständiger freiwilliges Mitglied der Beklagten. Er gab am 12. August 2009 eine Wahlerklärung zum Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit mit Beginn zum 1. September 2009 ab.

Nachdem der Kläger monatliche Beiträge zur Krankenversicherung nicht mehr gezahlt hatte, verfügte die Beklagte mit Bescheid vom 8. August 2011, dass der Anspruch des Klägers auf Leistungen der Krankenversicherung ab dem 14. August 2011 ruhe, weil er auch nach Hinweis auf die Folgen fehlender Beitragszahlung (Schreiben vom 20. Juli 2011) einen Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate schulde. Die Beklagte wies darauf hin, ein Leistungsanspruch entstehe erst wieder, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt seien oder wenn der Kläger hilfebedürftig im Sinne des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) bzw. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) werde. In diesem Falle solle er unverzüglich einen entsprechenden Nachweis vorlegen. Diesen Bescheid focht der Kläger nicht an. Er erläuterte der Beklagten lediglich die Gründe, weshalb er mit der Beitragszahlung in Rückstand geraten sei und übersandte den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009. Wegen der rückständigen Beiträge leitete die Beklagte Vollstreckungsmaßnahmen ein, in deren Verlauf der Kläger am 16. April 2012 eine eidesstattliche Versicherung abgab.

Arzt für Allgemeinmedizin Dr. G. bescheinigte Arbeitsunfähigkeit erstmals am 31. Januar 2012 bis voraussichtlich 12. Februar 2012 sowie mit den Folgebescheinigungen vom 13. Februar 2012 bis voraussichtlich 26. Februar 2012, vom 27. Februar 2012 bis voraussichtlich 11. März 2012 vom 12. März 2012 bis voraussichtlich 23. März 2012 (Diagnose jeweils F10.9 [Nicht näher bezeichnete psychische und Verhaltensstörung]). Der Kläger reichte am 28. März 2012 bei der Beklagten den Auszahlschein des Dr. G. vom 26. März 2012 aufgrund der Vorstellung am selben Tag ein, wonach weiterhin Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestehe. Anlässlich eines Telefonats zwischen dem Kläger und der Beklagten am 17. April 2012 riet ein Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger, sich beim Arbeitsamt zu melden und dort Arbeitslosengeld II zu beantragen. Unter Bezugnahme auf dieses Telefonat fragte der Kläger bei der Beklagten an (Schreiben vom 1. Mai "2010", richtig 2012), ob sie ihm bei Bezug von Arbeitslosengeld II Krankengeld in welcher Höhe zahle, und verwies auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 19. Mai 2005 (L 1 KR 54/04, juris).

Die Beklagte lehnte es ab, ab 31. Januar 2012 Krankengeld zu zahlen (Bescheid vom 27. Juli 2012). Sie verwies auf ihren Bescheid vom 8. August 2011 sowie weiter, dass die Beitragsrückstände weiterhin bestünden.

Der Kläger verwies mit E-Mail vom 31. Juli 2012 auf sein früheres Schreiben an die Beklagte vom 1. Mai 2012. Unter Bezugnahme hierauf blieb die Beklagte im Bescheid vom 14. August 2012 (mit Rechtsbehelfsbelehrung) bei ihrer im Bescheid vom 27. Juli 2012 mitgeteilten Entscheidung. Das angeführte Urteil des LSG Rheinland-Pfalz stamme aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 16 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Gegen den Bescheid vom 14. August 2012 erhob der Kläger Widerspruch.

Auf Anfrage der Beklagten gab Dr. G. unter dem 28. August 2012 an, die die Arbeitsunfähigkeit seit 31. Januar 2012 auslösenden Diagnosen seien eine alkoholbedingte Verhaltensstörung sowie eine Depression. Die kontinuierliche ca. 14-tägige Behandlung habe zu keinem Erfolg geführt.

Das Jobcenter R.-N.-Kreis (im Folgenden Jobcenter) bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 28. September 2012 ab 1. September 2012 Leistungen nach dem SGB II. Dies teilte das Jobcenter der Beklagten mit Schreiben vom 13. November 2012 mit. Ab 1. September 2012 war er wegen des Bezugs von Leistungen nach dem (SGB II) versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten.

Die Beklagte übersandte dem Kläger eine Aufstellung vom 27. August 2012 über die rückständigen Beiträge (einschließlich Säumniszuschläge und Verwaltungsgebühren insgesamt EUR 15.564,23) und forderte ihn auf, für die Zeit vom 31. Januar bis 23. März 2012 einen Nachweis des zuständigen örtlichen Trägers über die Voraussetzungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende vorzulegen (Schreiben vom 24. Oktober 2012). Der Kläger gab daraufhin an, nach telefonischer Auskunft des Jobcenters erteile dieses eine derartige Bescheinigung nicht (Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 26. November 2012). Die Beklagte wandte sich daraufhin direkt an das Jobcenter. Dieses teilte mit (Schreiben vom 6. Dezember 2012), dass nach aktuellem Sachstand eine Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 31. Januar bis 23. März 2012 unmöglich sei, weil keine Unterlagen des Klägers für den genannten Prüfzeitraum vorlägen. Auf telefonische Anfrage der Beklagten am 24. Januar 2013 wiederholte es, dass eine Prüfung nur möglich sei, wenn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers für den genannten Zeitraum bekannt seien. Auch hierüber unterrichtete die Beklagte den Kläger (Schreiben vom 30. Januar 2013). Dieser verwies darauf (Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28. Februar 2013), am 16. April 2012 die eidesstattliche Versicherung abgegeben sowie im Jahr 2012 weder über Einkünfte noch verwertbaren Vermögenswerte verfügt zu haben. Es sei Sache der Beklagten, das Verfahren mit dem Jobcenter zu koordinieren. Die angeforderten Belege könne er nicht vorlegen, weil sie nicht existierten. Am 4. März 2013 übersandte er der Beklagten den Bescheid des Jobcenters. Ferner legte er einen ihm von der Beklagten übersandten Vordruck "Selbstauskunft zu den wirtschaftlichen Verhältnissen" vor, den er unter dem 26. Januar 2014 ausgefüllt hatte.

Bereits mit Bescheid vom 12. Dezember 2012 verfügte die Beklagte das Ende des Ruhens der Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung zum 31. August 2012, weil ab dem 1. September 2012 die Voraussetzungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende erfüllt seien. Mit Bescheid vom 5. März 2014 hob die Beklagte nach "erneute[r] Prüfung" aufgrund des Widerspruchs wegen der Zahlung von Krankengeld ab dem 12. März 2012 das Ruhen des Leistungsanspruchs ab 1. September 2012 auf, lehnte jedoch zugleich für die Zeit davor dies ab, weil ein Nachweis, dass der Kläger bereits vor dem 1. September 2012 z.B. Sozialgeld für den Bedarf von Unterkunft und Heizung erhalten habe, bislang nicht vorliege. Sie wies zudem darauf hin, auch nach erneuter Prüfung bestehe für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit ab dem 31. Januar 2012 kein Anspruch auf Krankengeld, welches ab dem 12. März 2012 hätte ausgezahlt werden können.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 26. März 2014). Er führte zur Begründung aus, der Anspruch (auf Krankengeld) habe vom 14. August 2011 (Verweis auf den bestandskräftigen Bescheid vom 8. August 2011) bis 31. August 2012 wegen Beitragsrückständen geruht. Eine Beendigung des Ruhens der Leistung vor dem 1. September 2012 wegen Hilfebedürftigkeit sei nicht möglich, da die gesetzlich vorgeschriebenen Nachweise nicht erbracht worden seien. Obwohl der Kläger darüber informiert worden sei, welche Nachweise für seine Hilfebedürftigkeit für Zeiten vor dem 1. September 2012 vorzulegen seien, hätten diese nicht erbracht werden können. Der Kläger gehöre als freiwillig Versicherter selbständig Tätiger nicht zum Personenkreis der pflichtversicherten Mitgliedern nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, auf die § 256a SGB V anzuwenden sei. Hinzu komme, dass der Kläger eine Arbeitsunfähigkeit weder bis zum 31. August 2012 noch bis zur Leistungsunterbrechung nachgewiesen habe. Ab dem 1. September 2012 bestehe wieder ein vollständiger Leistungsanspruch wegen des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II. Dieser Anspruch beinhalte jedoch keinen Anspruch auf Krankengeld.

Der Kläger erhob am 28. März 2014 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er begehrte, ihm vom 31. Januar 2012 "bis zur Beendigung der Arbeitsunfähigkeit, längstens bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer" Krankengeld zu bewilligen. Er habe bereits mit Schreiben vom 1. Mai "2010" und wiederholend im Schreiben vom 25. März 2012 die Beklagte auf seine Hilfebedürftigkeit hingewiesen, im Widerspruchsverfahren Belege über seine Vermögenslosigkeit und den Bescheid des Jobcenters vom 28. September 2012 vorgelegt sowie angegeben, seit dem 31. Januar 2012 keinerlei Einkünfte erzielt zu haben. Er habe aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs einen Anspruch auf Krankengeld vor dem 1. September 2012, weil die Beklagte ihn fehlerhaft beraten habe. Denn sie habe die Rechtslage im Schreiben vom 27. Juli 2012 und im Bescheid vom 14. August 2012 fehlerhaft dargestellt. Die Beklagte hätte ihn zum einen darüber aufklären müssen, dass ein Anspruch auf Krankengeld sofort wieder auflebe, sofern das Jobcenter seine Hilfebedürftigkeit feststelle und zum anderen ihn darauf hinweisen müssen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Leistungsanspruch gegen das Jobcenter oder das Sozialamt bestehe. Dies habe sie unterlassen. Spätestens nach Vorlage des Bescheides des Jobcenters vom 28. September 2012 hätte die Beklagte Krankengeld ab dem 1. September 2012 in voller Höhe gewähren müssen. Erst durch die absichtliche Fehlberatung der Beklagten sei er gezwungen gewesen, Leistungen nach dem SGB II zu beantragen. Wäre er ordnungsgemäß beraten worden, hätte von Anfang an ein Anspruch auf Krankengeld bestanden. Mit dem Bescheid vom 12. Dezember 2012, der weder ihm noch seinen Prozessbevollmächtigten zugestellt worden und erst bei der Akteneinsicht im Klageverfahren aufgetaucht sei, habe die Beklagte das Ende des Ruhens der Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung festgestellt. Er legte die Bescheinigung des Dr. G. vom 6. Juli 2012, wonach der Kläger aufgrund der Diagnose alkoholbedingte Verhaltensstörung von ihm seit dem 31. Januar 2012 ununterbrochen arbeitsunfähig geschrieben sei, sowie auf Anforderung des SG Kontoauszüge für die Zeit von Januar bis September 2012 vor.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid vom 26. März 2014 entgegen. Für Bezieher von Arbeitslosengeld II sei ein Anspruch auf Krankengeld ausdrücklich ausgeschlossen. Im Bescheid vom 8. August 2011 sei eindeutig mitgeteilt, wie das Ruhen des Leistungsanspruchs ende. Wenn der Kläger sich zum Ende des Ruhens des Leistungsanspruches unzureichend beraten gefühlt habe, hätte er weitere Informationen in einem Beratungsgespräch aktiv einfordern müssen. Unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe, könne nur das zuständige Jobcenter beurteilen. Arbeitsunfähigkeit sei lediglich bis zum 26. März 2012 nachgewiesen.

Das SG hörte Dr. G. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser verwies auf den seiner Auskunft vom 4. November 2014 beigefügten Entlassungsbericht der Ärztin für Innere Medizin Dr. F. vom 17. Juli 2013 über die stationäre medizinische Rehabilitation vom 6. März bis 26. Juni 2013 (Diagnosen: Alkoholabhängigkeit, Tabakabhängigkeit, Zustand nach Achillessehnenruptur links atraumatisch am 28. März 2013), aus der der Kläger arbeitsunfähig entlassen wurde. In der weiteren Auskunft (beim SG am 29. Januar 2015 eingegangen, gab er an, der letzte diagnostische und therapeutische Kontakt habe Anfang 2012 stattgefunden was nach telefonischer Rücksprache des Kammervorsitzenden die Praxis des Dr. G. dahin präzisierte, dass am 13. Februar 2012 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden sei und in der Folge es nicht mehr zu einem Arzt-Patienten Kontakt gekommen sei.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 26. Juni 2015 ab. Arbeitsunfähigkeit sei für die Zeit vom 31. Januar bis 13. Februar 2012 ärztlich festgestellt und der Beklagten durch Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch rechtzeitig mitgeteilt. Für den nachfolgenden Zeitraum fehle es jedoch an einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Nach den Angaben des Dr. G. sei nach dem 31. Januar 2012 keine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit mehr erfolgt, die aufgrund ärztlicher Untersuchung festgestellt worden sei. Da der Kläger als hauptberuflich selbständig Erwerbstätiger einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld erst ab der siebten Kalenderwoche gehabt habe, habe die Beklagte den Antrag zu Recht bereits am 31. Januar 2012 abgelehnt. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Leistungsanspruch grundsätzlich wegen rückständiger Beiträge geruht habe. Auf die Frage der Hilfebedürftigkeit komme es nicht an.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 22. Juli 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. August 2015 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren auf Zahlung von Krankengeld für denselben Zeitraum wie beim SG weiter. Er hat sein Begehren dahin präzisiert, Krankengeld vom 31. Januar 2012 bis 31. Juli 2013 (Ablauf von 78 Wochen) zu beanspruchen. Das SG habe erst in der mündlichen Verhandlung seine Absicht offenbart, die Klage wegen angeblichen nicht ordnungsgemäßen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen abzuweisen. Dr. G. habe in der (im Klageverfahren vorgelegten) Bescheinigung vom 6. Juli 2012 bestätigt, dass er (Dr. G.) ihn (den Kläger) ununterbrochen "arbeitsunfähig geschrieben" habe. Die weiteren schriftlichen Angaben des Dr. G. widersprächen dieser Erklärung. Er (der Kläger) habe sich wegen Depressionen, die nicht wie äußerlich erkennbare Verletzungen einer äußerlichen Begutachtung durch Augenschein zugänglich seien, in Behandlung des Dr. G. befunden, so dass eine erneute persönliche er sie Untersuchung nach der ärztlichen Erstfeststellung nicht mehr erforderlich gewesen sei. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit nach dem 26. März 2012 habe er nicht vorgelegt, obwohl er weiterhin "krankgeschrieben" gewesen sei. Der Bezug von Leistungen nach dem SGB II sei Folge einer offensichtlichen Fehlberatung durch die Beklagte.

Der Kläger beantragt,

das Urteil Sozialgerichts Mannheim vom 26. Juni 2015 und die Bescheide der Beklagten vom 27. Juli und 14. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit vom 31. Januar 2012 bis 31. Juli 2013 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf erneut auf ihren Widerspruchsbescheid vom 26. März 2014 sowie auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des SG.

Der Kläger hat dem Senat am 9. Oktober 2017 u.a. weitere Auszahlscheine für Krankengeld des Dr. G. vom 26. April, 6. Juli, 4. September und 5. November 2012 sowie vom 24. Januar 2013 - jeweils aufgrund der Vorstellung am selben Tag - vorgelegt. Danach habe jeweils weiterhin Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Denn der Kläger begehrt laufende Leistungen (Krankengeld) für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (31. Januar 2012 bis 30. Juli 2013).

2. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Bescheide vom 27. Juli und 14. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2014, die Gegenstand des Rechtsstreits sind (dazu a)), sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 31. Januar 2012 bis 30. Juli 2013 (dazu b)).

a) Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide der Beklagten vom 27. Juli und 14. August 2012, mit welchen die Beklagte die Zahlung von Krankengeld für die ab 31. Januar 2012 bestehende Arbeitsunfähigkeit ablehnte, sowie der auf den Widerspruch des Klägers hiergegen ergangene Widerspruchsbescheid vom 26. März 2014.

Nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide der Beklagten vom 12. Dezember 2012 und 5. März 2014. Denn sie sind nicht Gegenstand des bei ihrem Erlass anhängigen Widerspruchsverfahrens wegen der Bescheide der Beklagten vom 27. Juli und 14. August 2012 geworden. Nach § 86 erster Halbsatz SGG wird, wenn während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert wird, auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens. Die Bescheide vom 12. Dezember 2012 und 5. März 2014 ändern die Bescheide vom 27. Juli und 14. August 2012 nicht ab. Die Bescheide vom 12. Dezember 2012 und 5. März 2014 regeln allein das Ruhen des Leistungsanspruchs des Klägers, nämlich insoweit, als nunmehr für die Zeit ab 1. September 2012 der Leistungsanspruch nicht mehr ruht. Der Sache nach handelt es sich um eine teilweise Aufhebung des Bescheids vom 8. August 2011 nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wegen Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, weil der Kläger ab dem 1. September 2012 hilfebedürftig im Sinne des SGB II wurde (§ 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V in der bis 22. Juli 2015 geltenden Fassung des Art. 15 Nr. 01 Buchst. a Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 [BGBl. I, S. 1990]). Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass die Beklagte im Bescheid vom 5. März 2014 auch ausführte, sie sei auch "nach erneuter Prüfung", zu dem Ergebnis gekommen, bezüglich der Arbeitsunfähigkeit ab dem 31. Januar 2012 bestehe kein Anspruch auf Zahlung von Krankengeld ab dem 12. März 2012. Denn dies ist keine erneute Regelung (Ablehnung) des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs, sondern nur eine wiederholende Verfügung (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 38/13 R – juris, Rn. 27).

Die Bescheide vom 12. Dezember 2012 und 5. März 2014, die mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung bezüglich eines Widerspruches innerhalb eines Monats versehen sind, focht der Kläger weder mit Widerspruch noch mit Klage an, so dass diese bestandskräftig sind (§ 77 SGG).

b) Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) behandelt werden. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krankengeld vorliegt (ständige Rechtsprechung z.B. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 9 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R – juris, Rn. 8 m.w.N.).

Der Kläger war jedenfalls bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 31. Januar 2012 mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Denn er hatte als hauptberuflich selbständig Erwerbstätiger gegenüber der Beklagten erklärt (Wahlerklärung vom 12. August 2009), dass seine Mitgliedschaft ab 1. September 2009 den Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit umfassen soll (§§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 53 Abs. 6 SGB V). Ein Anspruch auf Krankengeld bestand jedoch nicht, weder für die Zeit vom 31. Januar bis 12. März 2012 (aa)) noch für die Zeit vom 13. März bis 31. August 2012 (bb) und auch nicht für die Zeit vom 1. September 2012 bis 30. Juli 2013 (cc)). Der Kläger kann einen Anspruch auf Krankengeld auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen (dd)).

aa) Ein Anspruch auf Krankengeld vom 31. Januar bis 12. März 2012 bestand trotz der abgegebenen Wahlerklärung vom 12. August 2009 nicht, weil der Kläger aufgrund der abgegebenen Wahlerklärung Anspruch auf Krankengeld erst ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit hatte. Dies war der 13. März 2012.

bb) Vom 13. März bis 31. August 2012 bestand ein Anspruch auf Krankengeld nicht, weil der Anspruch des Klägers auf Leistungen ruhte. Dies steht aufgrund des bestandskräftigen Bescheids vom 8. August 2011 in der Fassung der bestandskräftigen Bescheide vom 12. Dezember 2012 und 5. März 2014 fest. Der Bescheid vom 8. August 2011 ist für die Zeit vor dem 1. September 2012 weiterhin wirksam (§ 39 Abs. 2 SGB X), weil die Beklagte ihn lediglich für die Zeit ab 1. September 2012 aufgehoben hat, nicht jedoch für die Zeit davor. Er erledigte sich auch nicht durch Zeitablauf oder auf andere Weise.

Es ist damit nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger bis 31. August 2012 hilfebedürftig im Sinne des SGB II wurde (§ 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V in der bis 22. Juli 2015 geltenden Fassung des Art. 15 Nr. 01 Buchst. a Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 [BGBl. I, S. 1990]).

cc) Auch für die Zeit vom 1. September bis 30. Juli 2013 bestand kein Anspruch auf Krankengeld. Zwar ruhte ab dem 1. September 2012 der Anspruch des Klägers auf Leistungen nicht mehr, weil die Beklagte mit den bestandskräftigen Bescheiden vom 12. Dezember 2012 und 5. März 2014 den Bescheid vom 8. August 2011 für die Zeit ab 1. September 2014 aufhob (siehe oben bb)). Allerdings bestand ab dem 1. September 2012 kein Anspruch auf Krankengeld, weil der Kläger ab diesem Tage nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert war. Denn nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V haben keinen Anspruch auf Krankengeld unter anderem die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V Versicherten. Danach sind versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem SGB II beziehen. Hierzu gehörte der Kläger ab dem 1. September 2012, weil er Arbeitslosengeld II bezog.

dd) Der Kläger kann einen Anspruch auf Krankengeld auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt nach ständiger Rechtsprechung des BSG auf der Tatbestandsseite eine dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnende Pflichtverletzung voraus, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist (z.B. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 19/14 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – juris, Rn. 39 m.w.N.; BSG, Urteil vom 4. September 2013 – B 12 AL 2/12 R – juris, Rn. 19). Rechtsfolge des Bestehens eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist der Anspruch gegen die Behörde auf Vornahme einer rechtlich zulässigen Amtshandlung, durch den der Zustand wiederhergestellt werden könnte, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (etwa BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – juris, Rn. 39; BSG, Urteil vom 3. April 2014 – B 5 R 5/13 R – juris, Rn. 37; BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 R – juris, Rn. 24).

Eine der Beklagten zuzurechnende Pflichtverletzung liegt nicht vor. Dass bis zum 31. August 2012 die Beklagte Krankengeld nicht zahlte, beruhte – wie oben dargelegt – auf dem mit bestandskräftigem Bescheid vom 8. August 2011 verfügten Ruhen des Anspruchs auf Leistungen. Dieser Bescheid war dem Kläger bekannt (siehe Schreiben des Klägers vom 21. August 2011). In diesem Bescheid gab die Beklagte auch an, wann der Leistungsanspruch wieder entsteht, unter anderem dann, wenn der Kläger hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder des SGB XII werden wird, sowie dass dies durch Vorlage eines entsprechenden Nachweises des zuständigen örtlichen Trägers zu erfolgen hat. Damit konnte der Kläger erkennen, was er veranlassen musste, um das Ruhen des Anspruchs zu beenden. Einer (zusätzlichen) Beratung durch die Beklagte bedurfte es deshalb nicht.

Auch ein Hinweis der Beklagten, der Kläger solle (früher als tatsächlich erfolgt) Leistungen nach dem SGB II beantragen, hätte nicht zu einem Anspruch auf Krankengeld geführt. Denn mit dem (auch früheren) Beginn des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II wäre der Kläger pflichtversichertes Mitglied der Beklagten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V geworden und hätte nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V keinen Anspruch auf Krankengeld gehabt (siehe oben cc)).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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