Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 26 U 751/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4716/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.11.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Abfindung ihrer Verletztenrente.
Bei der am 1966 geborenen Klägerin ist seit 1988 als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung eine "Virushepatitis NonA-NonB (im Gesundheitsdienst erworbene Infektionskrankheit)" mit einem Versicherungsfall vom Juli 1986 und einem Anspruch auf Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. anerkannt (Bescheid vom 13. Dezember 1988). Diese, nach alter Nomenklatur anerkannte Hepatitisart entspricht nach aktuellem Wissenstand einer chronischen Virushepatitis C (Gutachten des Dr. S. , Chefarzt der Klinik W. , vom 07.11.2013, Bl. 408 ff., 414 VA), die bei der Klägerin nur gering aktiv ist (Gutachten des Dr. S. vom 07.11.2013, Bl. 415 VA; Gutachten des Dr. S. vom 14.01.2016, Bl. 440 ff., 447 VA), jedoch durchgehend eine MdE um 20 v.H. bedingt (zuletzt Gutachten des Dr. S. vom 14.01.2016, a.a.O.).
Seit Ende des Jahres 2014 stehen für diese Erkrankung interferonfreie Therapieoptionen zur Verfügung. Für die Klägerin käme eine orale Therapie mit einer Tablette täglich über acht Wochen in Betracht (Gutachten des Dr. S. vom 14.01.2016, Bl. 447 VA), die mit einer Erfolgswahrscheinlichkeit von über 95 % zu einer virologischen Ausheilung der Erkrankung führen würde und damit zu einer MdE unter 20 v.H. (ergänzende Stellungnahme des Dr. S. vom 29.02.2016, Bl. 464 f. VA). Nachdem die Klägerin anlässlich der Untersuchung im Januar 2016 von Dr. S. über diese Therapieoption informiert worden war, äußerte sie sich dahingehend, sich diese Therapieoption zunächst offenhalten zu wollen und weitere Erfahrungen mit dem neuen Medikament abzuwarten. Dies hielt Dr. S. angesichts der stabilen Befundlage für vertretbar (Bl. 447 VA).
Am 26.01.2016 beantragte die Klägerin die Abfindung ihrer Rente. Mit Bescheid vom 11.03.2016 und Widerspruchsbescheid vom 27.05.2016 lehnte die Beklagte eine Abfindung der Rente ab, weil angesichts der vorhandenen Therapieoptionen eine ernsthafte Möglichkeit bestehe, dass die MdE sinke.
Gegen die Ablehnung der Abfindung hat die Klägerin am 29.06.2016 das Sozialgericht Heilbronn angerufen und u.a. angegeben, Zweck der Abfindung sei die Finanzierung ihres Studiums. Medikamente gegen die Viruserkrankung nehme sie nicht, die Interferontherapie habe sie wegen möglicher Nebenwirkungen abgelehnt. In Bezug auf das neue Medikament gebe es noch keine Langzeitstudien, wenn es zehn Jahre auf dem Markt sei, könne man über eine Therapie nachdenken.
Mit Urteil vom 22.11.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es sei wahrscheinlich, dass sich die Klägerin irgendwann doch einer Therapie unterziehen werde, so dass zu erwarten sei, dass die MdE wesentlich sinke.
Gegen das ihr am 24.11.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.12.2016 Berufung eingelegt. Sie meint, sie könne nicht verpflichtet werden, sich einer Therapie zu unterziehen. Bis zum heutigen Zeitpunkt sei sie ohne medikamentöse Behandlung ausgekommen und habe auch noch keine gravierenden Dauerschäden davongetragen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat sie auf mögliche Nebenwirkungen der Medikamente hingewiesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.11.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2016 zu verpflichten, die bewilligte Verletztenrente abzufinden, hilfsweise, ihren Antrag auf Abfindung der Verletztenrente unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist unter Vorlage von Therapieempfehlungen der Fachgesellschaften (vgl. Bl. 20 ff. LSG-Akte) auf lediglich geringfügige Nebenwirkungen und auf die zu erwartende Zulassung weiterer Medikamente.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Klägerin hat weder Anspruch auf Abfindung ihrer Rente noch darauf, dass die Beklagte ihren Antrag unter Ausübung von Ermessen erneut bescheidet. Denn eine Abfindung ist ausgeschlossen.
Anspruchsgrundlage für eine Abfindung der der Klägerin zuerkannten Verletztenrente ist § 76 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach können Versicherte, die Anspruch auf Rente wegen einer MdE von weniger als 40 v.H. haben, auf ihren Antrag mit einem dem Kapitalwert der Rente entsprechenden Betrag abgefunden werden. Bestimmt wird der Kapitalwert auf der Grundlage der Ermächtigung in § 76 Abs. 1 Satz 3 SGB VII durch die Verordnung über die Berechnung des Kapitalwertes bei Abfindung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vom 17.08.1965 (BGBl. I, Seite 894; AbfindungsVO).
Allerdings darf nach § 76 Abs. 2 SGB VII eine Abfindung nur bewilligt werden, wenn nicht zu erwarten ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit wesentlich sinkt.
Es handelt sich bei § 76 Abs. 2 SGB VII um ein negatives Tatbestandsmerkmal (BSG, Urteil vom 09.11.2010, B 2 U 10/10 R in SozR4-2700 § 76 Nr. 2). Ein Anspruch auf Abfindung bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durch den Unfallversicherungsträger setzt somit voraus, dass alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 76 SGB VII erfüllt sind, also auch dieses negative Tatbestandsmerkmal (BSG a.a.O.).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass für einen Erfolg der Klage und damit der Berufung das Vorliegen des negativen Tatbestandsmerkmales des § 76 Abs. 2 SGB VII nachzuweisen wäre. Dabei vermag der Senat - wie das Sozialgericht - aber gerade nicht auszuschließen, dass die MdE wesentlich sinkt. Vielmehr bejaht der Senat die - grundsätzlich ausreichende (vgl. z.B. Ricke in KassKom. Sozialversicherungsrecht, § 76 Rdnr. 7) - ernsthafte Möglichkeit, dass es zu einer MdE-relevanten Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin und einem Absinken der MdE unter die rentenberechtigende Grenze - bei fehlendem sog. Stützrententatbestand - von 20 v.H. (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) kommen wird.
Der Senat stützt sich insoweit zunächst - wie die Beklagte und das Sozialgericht - auf die Ausführungen des Dr. S. in seinem Gutachten vom 14.01.2016 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29.02.2016. Auf Grund der seit Ende 2014 zur Verfügung stehenden interferonfreien Medikamente zur Behandlung der Hepatitis C ist im Falle der Klägerin bei entsprechender oraler Therapie (eine Tablette täglich für acht Wochen) von einer Erfolgswahrscheinlichkeit von mehr als 95 % für eine virologische Ausheilung auszugehen. Entsprechend würde die MdE dann unter 20 v.H. sinken (so ausdrücklich Dr. S. in der erwähnten ergänzenden Stellungnahme). Soweit die Klägerin in ihrer Berufung rügt, das Sozialgericht habe keine Amtsermittlungen durchgeführt und sich hinsichtlich der Erfolgswahrscheinlichkeit einer Therapie nur auf Behauptungen der Beklagten gestützt, trifft dies somit nicht zu und ist angesichts erfolgter Akteneinsicht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits im Widerspruchsverfahren (vgl. Bl. 480, 481 VA) nicht nachvollziehbar. Im Übrigen hat das Sozialgericht im Tatbestand seines Urteiles auf die Ausführungen von Dr. S. ausdrücklich hingewiesen.
Nach den objektiven Gegebenheiten ist somit davon auszugehen, dass für die Berufskrankheit der Klägerin eine hochwirksame Therapieoption zu Verfügung steht, die zu einer Ausheilung führen und damit den Anspruch auf Verletztenrente in Wegfall bringen würde.
Der Senat lässt offen, ob der subjektive Entschluss, eine Therapieoption nicht wahrzunehmen, im Rahmen des § 76 Abs. 2 SGB VII und der anzustellenden Prognose von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Jedenfalls vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin tatsächlich, auch für die Zukunft, für sich eine solche Therapieoption ausschließt. Tatsächlich hat die Klägerin bis in das Berufungsverfahren eine solche Therapie gerade nicht dauerhaft ausgeschlossen. Gegenüber Dr. S. gab sie an, sie wolle sich eine solche Therapieoption zunächst offenhalten und weitere Erfahrungen mit dem neuen Medikament abwarten. Gegenüber dem Sozialgericht hat sie angegeben, über eine Therapie nachdenken zu wollen, wenn das Medikament zehn Jahre auf dem Markt sei. Diese zehn Jahre laufen im Jahr 2024 ab. Bei einem für die Klägerin geltenden Kapitalwert von zwischenzeitlich 13,5 Jahren (vgl. Anlage 2 der AbfindungsVO) ist somit innerhalb der für die Berechnung der Abfindung zu Grunde gelegten Bezugsdauer (13,5 Jahre) ein positiver Therapieentschluss der Klägerin nicht auszuschließen. Soweit die Klägerin in dem im April 2018 durchgeführten Termin zur Erörterung des Sachverhaltes nunmehr eine Therapie ausdrücklich ausgeschlossen hat, hat der Senat am Wahrheitsgehalt dieser Aussage durchschlagende Zweifel. Denn unmittelbar vor dieser Aussage ist die Klägerin vom Vorsitzenden darauf hingewiesen worden, dass nach ihren bisherigen Angaben ein solcher Ausschluss gerade nicht erfolgt ist. Entsprechend geht der Senat von einer ergebnisorientierten Aussage aus, die im Rahmen der Prognose nicht zu Grunde gelegt werden kann.
Soweit die Klägerin im Laufe des Berufungsverfahren behauptet hat, die in Rede stehende Therapie könne eine "schlummernde" Hepatitis B zum Aufflammen bringen, ist dies ohne Bedeutung. Entgegen der Behauptung der Klägerin liegt bei ihr keine "schlummernde" Hepatitis B vor. Denn eine solche Erkrankung wurde von Anfang an ausgeschlossen ("NonA-NonB, s. das zur Anerkennung der Berufskrankheit führende Gutachten vom September 1987, Bl. 44 ff. VA).
Soweit sich die Klägerin zur Begründung ihrer Aussage im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes auf eine von ihr angegebene Studie beruft, in der als Nebenwirkung der neuen Medikamente Leberversagen aufgeführt werde, braucht der Senat dem nicht weiter nachzugehen. Denn ob und in welchem Ausmaß Nebenwirkungen bei bestimmten Präparaten zu erwarten sind und inwieweit solche Nebenwirkungen durch Einsatz alternativer Präparate vermieden oder wenigstens reduziert werden können, beurteilt sich grundsätzlich anhand des konkreten Krankheitsbildes. Die von der Klägerin selbst beschafften Informationen über besonders schwere Nebenwirkungen stellen aus Sicht des Senats deshalb keine hinreichende Grundlage für eine sachgerechte individuelle Entscheidung über die Durchführung einer Therapie dar. Ohnehin stehen diesen Angaben der Klägerin die von der Beklagten vorgelegten Therapieempfehlungen gegenüber, die von einer nebenwirkungsarmen Therapie (Bl. 20 LSG-Akte) und Therapieanpassungen im Falle von Nebenwirkungen (Bl. 28 LSG-Akte) ausgehen. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht auszuschließen, dass sich die Klägerin bei individueller und fachkundiger Beratung doch zu einer entsprechenden Therapie innerhalb des "Abfindungszeitraumes" von 13,5 Jahren entschließt. Dies gilt umso mehr als - so die Beklagte unter Vorlage entsprechender Dokumentation zutreffend - mit der Zulassung neuerer Medikamente zu rechnen ist (vgl. die Empfehlung zur Therapie der chronischen Hepatitis, Bl. 26 LSG-Akte).
Damit kommt auch der Diskussion der Beteiligten im Berufungsverfahren über die Frage einer Pflicht zur Durchführung und insbesondere der Zumutbarkeit der in Rede stehenden Therapie angesichts von Nebenwirkungen keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Denn maßgebend ist bei der hier anzustellenden Beurteilung nicht, ob die Beklagte die Klägerin zur Durchführung dieser Therapie "zwingen" könnte, sondern ob auszuschließen ist, dass die Klägerin nach Abwägung von Nutzen und Schaden sich zur Durchführung einer solchen Therapie entschließt. Nur am Rande weist der Senat darauf hin, dass für das von Dr. S. empfohlene Medikament die Nebenwirkungen (vgl. Bl. 34 LSG-Akte) - im Verhältnis zum Erfolg einer Ausheilung der Erkrankung und angesichts eines überschaubaren Behandlungs- und damit beschränkten Nebenwirkungszeitraumes von acht Wochen - nicht schwerwiegend erscheinen. So sind sehr häufig nur Müdigkeit und Kopfschmerzen, häufig z.B. Übelkeit, Durchfall und Schlaflosigkeit. Bei nur drei Prozent der Patienten kommt es zum Anstieg bestimmter Laborparameter, der allerdings bei nur 1,2 Prozent zu einem Therapieabbruch führt. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass im Regelfall die interferonfreie Therapie der Hepatitis C zu keinen wesentlichen Nebenwirkungen führt (vgl. die erwähnte Therapieempfehlung, Bl. 20 LSG-Akte), dass im Falle von Nebenwirkungen alternative Präparate zur Verfügung stehen (vgl. die erwähnte Therapieempfehlung, Bl. 22 ff.) und dass kontinuierlich an der Optimierung der Therapie durch weitere Medikamentenzulassungen gearbeitet wird (vgl. die erwähnte Therapieempfehlung, Bl. 26).
Im Ergebnis vermag der Senat somit nicht auszuschließen, dass sich die Klägerin bei individueller fachkundiger ärztlicher Beratung, also unter Berücksichtigung ihres konkreten Zustandes mit Analyse bei ihr möglicher/wahrscheinlicher/unwahrscheinlicher Nebenwirkungen, der Art und Schwere dieser Nebenwirkungen sowie alternativer Präparate unter Abwägung der Gefahren bei fortbestehender chronischer Virusinfektion (erhöhtes Karzinomrisiko, vgl. Dr. S. , Bl. 447 VA) bzw. im Falle einer möglichen Verschlechterung der Auswirkungen der Erkrankung (s. Angaben der Klägerin gegenüber dem Sozialgericht: sei energieloser, habe mehr Bedarf an Erholung) doch für eine solche Virustherapie entscheidet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Abfindung ihrer Verletztenrente.
Bei der am 1966 geborenen Klägerin ist seit 1988 als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung eine "Virushepatitis NonA-NonB (im Gesundheitsdienst erworbene Infektionskrankheit)" mit einem Versicherungsfall vom Juli 1986 und einem Anspruch auf Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. anerkannt (Bescheid vom 13. Dezember 1988). Diese, nach alter Nomenklatur anerkannte Hepatitisart entspricht nach aktuellem Wissenstand einer chronischen Virushepatitis C (Gutachten des Dr. S. , Chefarzt der Klinik W. , vom 07.11.2013, Bl. 408 ff., 414 VA), die bei der Klägerin nur gering aktiv ist (Gutachten des Dr. S. vom 07.11.2013, Bl. 415 VA; Gutachten des Dr. S. vom 14.01.2016, Bl. 440 ff., 447 VA), jedoch durchgehend eine MdE um 20 v.H. bedingt (zuletzt Gutachten des Dr. S. vom 14.01.2016, a.a.O.).
Seit Ende des Jahres 2014 stehen für diese Erkrankung interferonfreie Therapieoptionen zur Verfügung. Für die Klägerin käme eine orale Therapie mit einer Tablette täglich über acht Wochen in Betracht (Gutachten des Dr. S. vom 14.01.2016, Bl. 447 VA), die mit einer Erfolgswahrscheinlichkeit von über 95 % zu einer virologischen Ausheilung der Erkrankung führen würde und damit zu einer MdE unter 20 v.H. (ergänzende Stellungnahme des Dr. S. vom 29.02.2016, Bl. 464 f. VA). Nachdem die Klägerin anlässlich der Untersuchung im Januar 2016 von Dr. S. über diese Therapieoption informiert worden war, äußerte sie sich dahingehend, sich diese Therapieoption zunächst offenhalten zu wollen und weitere Erfahrungen mit dem neuen Medikament abzuwarten. Dies hielt Dr. S. angesichts der stabilen Befundlage für vertretbar (Bl. 447 VA).
Am 26.01.2016 beantragte die Klägerin die Abfindung ihrer Rente. Mit Bescheid vom 11.03.2016 und Widerspruchsbescheid vom 27.05.2016 lehnte die Beklagte eine Abfindung der Rente ab, weil angesichts der vorhandenen Therapieoptionen eine ernsthafte Möglichkeit bestehe, dass die MdE sinke.
Gegen die Ablehnung der Abfindung hat die Klägerin am 29.06.2016 das Sozialgericht Heilbronn angerufen und u.a. angegeben, Zweck der Abfindung sei die Finanzierung ihres Studiums. Medikamente gegen die Viruserkrankung nehme sie nicht, die Interferontherapie habe sie wegen möglicher Nebenwirkungen abgelehnt. In Bezug auf das neue Medikament gebe es noch keine Langzeitstudien, wenn es zehn Jahre auf dem Markt sei, könne man über eine Therapie nachdenken.
Mit Urteil vom 22.11.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es sei wahrscheinlich, dass sich die Klägerin irgendwann doch einer Therapie unterziehen werde, so dass zu erwarten sei, dass die MdE wesentlich sinke.
Gegen das ihr am 24.11.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.12.2016 Berufung eingelegt. Sie meint, sie könne nicht verpflichtet werden, sich einer Therapie zu unterziehen. Bis zum heutigen Zeitpunkt sei sie ohne medikamentöse Behandlung ausgekommen und habe auch noch keine gravierenden Dauerschäden davongetragen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat sie auf mögliche Nebenwirkungen der Medikamente hingewiesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.11.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2016 zu verpflichten, die bewilligte Verletztenrente abzufinden, hilfsweise, ihren Antrag auf Abfindung der Verletztenrente unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist unter Vorlage von Therapieempfehlungen der Fachgesellschaften (vgl. Bl. 20 ff. LSG-Akte) auf lediglich geringfügige Nebenwirkungen und auf die zu erwartende Zulassung weiterer Medikamente.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Klägerin hat weder Anspruch auf Abfindung ihrer Rente noch darauf, dass die Beklagte ihren Antrag unter Ausübung von Ermessen erneut bescheidet. Denn eine Abfindung ist ausgeschlossen.
Anspruchsgrundlage für eine Abfindung der der Klägerin zuerkannten Verletztenrente ist § 76 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach können Versicherte, die Anspruch auf Rente wegen einer MdE von weniger als 40 v.H. haben, auf ihren Antrag mit einem dem Kapitalwert der Rente entsprechenden Betrag abgefunden werden. Bestimmt wird der Kapitalwert auf der Grundlage der Ermächtigung in § 76 Abs. 1 Satz 3 SGB VII durch die Verordnung über die Berechnung des Kapitalwertes bei Abfindung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vom 17.08.1965 (BGBl. I, Seite 894; AbfindungsVO).
Allerdings darf nach § 76 Abs. 2 SGB VII eine Abfindung nur bewilligt werden, wenn nicht zu erwarten ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit wesentlich sinkt.
Es handelt sich bei § 76 Abs. 2 SGB VII um ein negatives Tatbestandsmerkmal (BSG, Urteil vom 09.11.2010, B 2 U 10/10 R in SozR4-2700 § 76 Nr. 2). Ein Anspruch auf Abfindung bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durch den Unfallversicherungsträger setzt somit voraus, dass alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 76 SGB VII erfüllt sind, also auch dieses negative Tatbestandsmerkmal (BSG a.a.O.).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass für einen Erfolg der Klage und damit der Berufung das Vorliegen des negativen Tatbestandsmerkmales des § 76 Abs. 2 SGB VII nachzuweisen wäre. Dabei vermag der Senat - wie das Sozialgericht - aber gerade nicht auszuschließen, dass die MdE wesentlich sinkt. Vielmehr bejaht der Senat die - grundsätzlich ausreichende (vgl. z.B. Ricke in KassKom. Sozialversicherungsrecht, § 76 Rdnr. 7) - ernsthafte Möglichkeit, dass es zu einer MdE-relevanten Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin und einem Absinken der MdE unter die rentenberechtigende Grenze - bei fehlendem sog. Stützrententatbestand - von 20 v.H. (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) kommen wird.
Der Senat stützt sich insoweit zunächst - wie die Beklagte und das Sozialgericht - auf die Ausführungen des Dr. S. in seinem Gutachten vom 14.01.2016 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29.02.2016. Auf Grund der seit Ende 2014 zur Verfügung stehenden interferonfreien Medikamente zur Behandlung der Hepatitis C ist im Falle der Klägerin bei entsprechender oraler Therapie (eine Tablette täglich für acht Wochen) von einer Erfolgswahrscheinlichkeit von mehr als 95 % für eine virologische Ausheilung auszugehen. Entsprechend würde die MdE dann unter 20 v.H. sinken (so ausdrücklich Dr. S. in der erwähnten ergänzenden Stellungnahme). Soweit die Klägerin in ihrer Berufung rügt, das Sozialgericht habe keine Amtsermittlungen durchgeführt und sich hinsichtlich der Erfolgswahrscheinlichkeit einer Therapie nur auf Behauptungen der Beklagten gestützt, trifft dies somit nicht zu und ist angesichts erfolgter Akteneinsicht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits im Widerspruchsverfahren (vgl. Bl. 480, 481 VA) nicht nachvollziehbar. Im Übrigen hat das Sozialgericht im Tatbestand seines Urteiles auf die Ausführungen von Dr. S. ausdrücklich hingewiesen.
Nach den objektiven Gegebenheiten ist somit davon auszugehen, dass für die Berufskrankheit der Klägerin eine hochwirksame Therapieoption zu Verfügung steht, die zu einer Ausheilung führen und damit den Anspruch auf Verletztenrente in Wegfall bringen würde.
Der Senat lässt offen, ob der subjektive Entschluss, eine Therapieoption nicht wahrzunehmen, im Rahmen des § 76 Abs. 2 SGB VII und der anzustellenden Prognose von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Jedenfalls vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin tatsächlich, auch für die Zukunft, für sich eine solche Therapieoption ausschließt. Tatsächlich hat die Klägerin bis in das Berufungsverfahren eine solche Therapie gerade nicht dauerhaft ausgeschlossen. Gegenüber Dr. S. gab sie an, sie wolle sich eine solche Therapieoption zunächst offenhalten und weitere Erfahrungen mit dem neuen Medikament abwarten. Gegenüber dem Sozialgericht hat sie angegeben, über eine Therapie nachdenken zu wollen, wenn das Medikament zehn Jahre auf dem Markt sei. Diese zehn Jahre laufen im Jahr 2024 ab. Bei einem für die Klägerin geltenden Kapitalwert von zwischenzeitlich 13,5 Jahren (vgl. Anlage 2 der AbfindungsVO) ist somit innerhalb der für die Berechnung der Abfindung zu Grunde gelegten Bezugsdauer (13,5 Jahre) ein positiver Therapieentschluss der Klägerin nicht auszuschließen. Soweit die Klägerin in dem im April 2018 durchgeführten Termin zur Erörterung des Sachverhaltes nunmehr eine Therapie ausdrücklich ausgeschlossen hat, hat der Senat am Wahrheitsgehalt dieser Aussage durchschlagende Zweifel. Denn unmittelbar vor dieser Aussage ist die Klägerin vom Vorsitzenden darauf hingewiesen worden, dass nach ihren bisherigen Angaben ein solcher Ausschluss gerade nicht erfolgt ist. Entsprechend geht der Senat von einer ergebnisorientierten Aussage aus, die im Rahmen der Prognose nicht zu Grunde gelegt werden kann.
Soweit die Klägerin im Laufe des Berufungsverfahren behauptet hat, die in Rede stehende Therapie könne eine "schlummernde" Hepatitis B zum Aufflammen bringen, ist dies ohne Bedeutung. Entgegen der Behauptung der Klägerin liegt bei ihr keine "schlummernde" Hepatitis B vor. Denn eine solche Erkrankung wurde von Anfang an ausgeschlossen ("NonA-NonB, s. das zur Anerkennung der Berufskrankheit führende Gutachten vom September 1987, Bl. 44 ff. VA).
Soweit sich die Klägerin zur Begründung ihrer Aussage im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes auf eine von ihr angegebene Studie beruft, in der als Nebenwirkung der neuen Medikamente Leberversagen aufgeführt werde, braucht der Senat dem nicht weiter nachzugehen. Denn ob und in welchem Ausmaß Nebenwirkungen bei bestimmten Präparaten zu erwarten sind und inwieweit solche Nebenwirkungen durch Einsatz alternativer Präparate vermieden oder wenigstens reduziert werden können, beurteilt sich grundsätzlich anhand des konkreten Krankheitsbildes. Die von der Klägerin selbst beschafften Informationen über besonders schwere Nebenwirkungen stellen aus Sicht des Senats deshalb keine hinreichende Grundlage für eine sachgerechte individuelle Entscheidung über die Durchführung einer Therapie dar. Ohnehin stehen diesen Angaben der Klägerin die von der Beklagten vorgelegten Therapieempfehlungen gegenüber, die von einer nebenwirkungsarmen Therapie (Bl. 20 LSG-Akte) und Therapieanpassungen im Falle von Nebenwirkungen (Bl. 28 LSG-Akte) ausgehen. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht auszuschließen, dass sich die Klägerin bei individueller und fachkundiger Beratung doch zu einer entsprechenden Therapie innerhalb des "Abfindungszeitraumes" von 13,5 Jahren entschließt. Dies gilt umso mehr als - so die Beklagte unter Vorlage entsprechender Dokumentation zutreffend - mit der Zulassung neuerer Medikamente zu rechnen ist (vgl. die Empfehlung zur Therapie der chronischen Hepatitis, Bl. 26 LSG-Akte).
Damit kommt auch der Diskussion der Beteiligten im Berufungsverfahren über die Frage einer Pflicht zur Durchführung und insbesondere der Zumutbarkeit der in Rede stehenden Therapie angesichts von Nebenwirkungen keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Denn maßgebend ist bei der hier anzustellenden Beurteilung nicht, ob die Beklagte die Klägerin zur Durchführung dieser Therapie "zwingen" könnte, sondern ob auszuschließen ist, dass die Klägerin nach Abwägung von Nutzen und Schaden sich zur Durchführung einer solchen Therapie entschließt. Nur am Rande weist der Senat darauf hin, dass für das von Dr. S. empfohlene Medikament die Nebenwirkungen (vgl. Bl. 34 LSG-Akte) - im Verhältnis zum Erfolg einer Ausheilung der Erkrankung und angesichts eines überschaubaren Behandlungs- und damit beschränkten Nebenwirkungszeitraumes von acht Wochen - nicht schwerwiegend erscheinen. So sind sehr häufig nur Müdigkeit und Kopfschmerzen, häufig z.B. Übelkeit, Durchfall und Schlaflosigkeit. Bei nur drei Prozent der Patienten kommt es zum Anstieg bestimmter Laborparameter, der allerdings bei nur 1,2 Prozent zu einem Therapieabbruch führt. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass im Regelfall die interferonfreie Therapie der Hepatitis C zu keinen wesentlichen Nebenwirkungen führt (vgl. die erwähnte Therapieempfehlung, Bl. 20 LSG-Akte), dass im Falle von Nebenwirkungen alternative Präparate zur Verfügung stehen (vgl. die erwähnte Therapieempfehlung, Bl. 22 ff.) und dass kontinuierlich an der Optimierung der Therapie durch weitere Medikamentenzulassungen gearbeitet wird (vgl. die erwähnte Therapieempfehlung, Bl. 26).
Im Ergebnis vermag der Senat somit nicht auszuschließen, dass sich die Klägerin bei individueller fachkundiger ärztlicher Beratung, also unter Berücksichtigung ihres konkreten Zustandes mit Analyse bei ihr möglicher/wahrscheinlicher/unwahrscheinlicher Nebenwirkungen, der Art und Schwere dieser Nebenwirkungen sowie alternativer Präparate unter Abwägung der Gefahren bei fortbestehender chronischer Virusinfektion (erhöhtes Karzinomrisiko, vgl. Dr. S. , Bl. 447 VA) bzw. im Falle einer möglichen Verschlechterung der Auswirkungen der Erkrankung (s. Angaben der Klägerin gegenüber dem Sozialgericht: sei energieloser, habe mehr Bedarf an Erholung) doch für eine solche Virustherapie entscheidet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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