Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 18 U 307/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 U 441/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.06.2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Klägerin ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) als Folge eines am 30.10.2006 erlittenen Arbeitsunfalles anzuerkennen und Verletztenrente zu gewähren ist.
Die 1948 geborene Klägerin war Verwaltungsangestellte beim Kreis V. Bei dieser Tätigkeit erlitt sie am 30.10.2006 einen Verkehrsunfall, als sie sich auf dem Weg von einer dienstlichen Veranstaltung zum Kreishaus befand.
Die Klägerin wurde am gleichen Tag von Dr. T, L-Hospital, Abteilung Chirurgie/Unfallchirurgie, untersucht, der eine Distorsion der Halswirbelsäule, Schürfwunden am Handgelenk beidseits, ein stumpfes Thoraxtrauma, ein stumpfes Bauchtrauma und Knieprellungen beidseitig diagnostizierte. In den Nachschauberichten vom 08.11.2006 und 07.12.2006 diagnostizierte Dr. K darüber hinaus multiple Körperprellungen. Er vertrat die Auffassung, dass seit dem 30.11.2006 Arbeitsfähigkeit bestehe (Nachschaubericht vom 07.12.2006). Aufgrund anhaltender Beschwerden im Bereich der Hände stellte sich die Klägerin im Folgenden ua bei Dr. B und Dr. K vor. Diese führten die Beschwerden auf arthrotische Veränderungen im Bereich der Hände zurück und schlossen insofern einen unfallbedingten Schaden aus.
Am 14.12.2009 teilte die Klägerin mit, sie sei seit dem 23.03.2009 wegen zunehmender Beschwerden an der rechten Hand arbeitsunfähig krank. Diese Beschwerden seien auf den Verkehrsunfall vom 30.10.2006 zurückzuführen. Im Folgenden legte sie einen Arztbrief des Oberarztes der neurologischen Klinik und Polilklinik - CRPS/Sudeckprojekt - F, Dr. N, vom 19.01.2010 vor, wo die Diagnose eines CRPS I (=M. Sudeck) der rechten Hand gestellt worden war. Aussagen zur Verursachungskausalität finden sich in diesem Bericht nicht. In einem Attest vom 26.01.2007 vertrat der behandelnde Internist der Klägerin (Dr. N) die Auffassung, bei den Beschwerden im Bereich der Hände handele es sich am ehesten um einen Folgezustand nach erlittenen Prellungen bei dem Verkehrsunfall vom 30.10.2006. Die Beklagte zog eine beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Chirurgie Dr. N1 vom 03.05.2010 bei, der die Auffassung vertrat, dass ein Morbus Sudeck nach einer Extremitätenprellung nicht ungewöhnlich sei. Offensichtlich hätten Brückenbefunde und -symptome bestanden, die erst spät zu der entsprechenden Diagnose geführt hätten. Er empfahl die Begutachtung der Klägerin. Die Klägerin führte im Folgenden aus, sie sei seit dem Unfall niemals beschwerdefrei gewesen. Insbesondere habe sie schon unmittelbar nach dem Unfall über Beschwerden in beiden Händen geklagt. Hierzu übersandte sie eine "Chronologie der Arztbesuche seit dem Unfall am 30.10.2006", ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Westfalen-Lippe vom 30.09.2009 und einen Auszug des Reha-Entlassungsberichts der Moorlandklinik Bad T vom 30.03.2010.
Die Beklagte holte ein handchirurgisches Gutachten von Prof. Dr. T, Direktor der Klinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte, Handchirurgisches Zentrum des C Universitätsklinikum C, vom 19.08.2010 ein. Dieser stellte als Verletzungsfolgen Dauerschmerzen im Bereich der Handgelenke, eine deutliche Bewegungseinschränkung beider Hände, einen eingeschränkten Faustschluss, eine deutliche Kraftminderung von 5/10 sowie Schmerzen im Bereich der Knie beidseits fest. Zur Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei eine Klärung der Sudeck-Symptomatik und Schmerzsymptomatik durch Einholung eines schmerztherapeutischen Gutachtens erforderlich. Ein entsprechendes Zusatzgutachten von Prof. Dr. N, Leitender Arzt der Abteilung für Schmerztherapie der Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv-, Paleativ- und Schmerzmedizin des BG Universitätsklinikum C C, sei veranlasst worden.
In seinem algesiologischen Zusatzgutachten vom 10.12.2010 vertrat Prof. Dr. N die Auffassung, die erhobenen klinischen Befunde würden nicht die typischen Symptome des CRPS-Syndroms zeigen. Auch die durchgeführte Langzeittemperaturmessung im Kontext mit der klinischen Untersuchung schließe ein CRPS aus. In den vorgelegten Befunden fänden sich mehrfach Hinweise auf eine Heberden-Polyarthrose der Finger, die sowohl in der klinischen Beurteilung, als auch in der durchgeführten radiologischen Untersuchung habe bestätigt werden können. Hinweise auf eine kleinfleckige ossäre Entkalkung, die häufig bei einer CRPS-Erkrankung zu beobachten sei, hätten sich in den Röntgenbildern nicht gefunden. Zwecks Einschätzung einer möglicherweise vorliegenden Schmerzverarbeitungsstörung werde die Begutachtung der Klägerin in der Spezialambulanz für Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) nach Unfällen am Arbeitsplatz durch Prof. U1 empfohlen. Ein CRPS (M. Sudeck) könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Die von der Klägerin vorgebrachte Schmerzsymptomatik sei nicht unfallbedingt, sondern resultiere am ehesten aus einer degenerativ-rheumatologischen Erkrankung. Eine unfallbedingte MdE bestehe nicht.
Die Beklagte zog im Folgenden die Verwaltungsakte der Schwerbehindertenangelegenheit der Klägerin bei und holte ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten von Prof. Dr. U1 vom 27.06.2011 ein, der die Auffassung vertrat, dass bei der Klägerin die Aufrechterhaltung bzw Verschlimmerung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen in Form von noch aktualisierten Entlastungs- und Versorgungswünschen bestehe. Es handele sich durchgängig um nicht unfallabhängige, persönlichkeits- und motivational begründete Fehlverarbeitungsmechanismen, die das körperliche Beschwerdebild maßgeblich mit beeinflussen würden. Es bestehe keine vom Unfall abhängige psychische oder neurologische Störung von Krankheitswert. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit oder messbare MdE sei auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht begründet. In einer Stellungnahme vom 23.08.2011 bewertete Prof. Dr. T die Gesamt-MdE der Klägerin auf kleiner als 10 vH. In seiner Stellungnahme vom 08.11.2011 führte er aus, dass es sich bei der Erkrankung der Klägerin um eine unfallfremde Anlage handele, die allenfalls im Sinne eines Anlassgeschehens durch das Ereignis vom 30.10.2006 symptomatisch geworden sei. Bei dem Anlassgeschehen handele es sich um eine vorbestehende Anlage, die so gering sei, dass sie in naher Zukunft auch ohne das gegenständliche Ereignis symptomatisch geworden wäre. Die subjektiven Beschwerden der Klägerin seien nicht mit dem Unfall vom 30.10.2006 in Verbindung zu bringen.
Mit Bescheid vom 07.12.2011 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 30.10.2006 als Arbeitsunfall mit einer folgenlos ausgeheilten Halswirbelsäulen-Distorsion und multiplen Körperprellungen an. Die Anerkennung einer Konzentrationsstörung, von Kopfschmerzen, einer Leberbelastung und seelischen Belastung nach langjähriger Schimmelpilzexposition, einer Fingerpolyarthrose beidseits, einer Gonarthrose beidseits, eines chronisches HWS- und LWS-Syndroms, eines Asthma bronchiale sowie eines Zustandes nach Contusio cerebri bei Verkehrsunfall 1969 als Folgen des Unfalls wurde abgelehnt. Das Vorliegen eines unfallbedingten CRPS (M. Sudeck) sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen worden. Eine MdE in rentenberechtigendem Grade über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus liege nicht vor. Die Entscheidung wurde auf das Ergebnis der eingeholten medizinischen Gutachten gestützt.
Zur Begründung des hiergegen am 16.12.2011 eingelegten Widerspruchs erhob die Klägerin Einwände gegen die durch die Beklagte eingeholten Gutachten und verwies auf ein im Rahmen des Schwerbehindertenverfahrens der Klägerin durch das Sozialgericht Dortmund (SG; Az: S 43 SB 2762/10) eingeholtes neurologisches Gutachten von Prof. Dr. N vom 04.06.2012, worin dieser ausführte, aufgrund der objektiven Befunde zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung sei derzeit nicht mehr von einem CRPS an der rechten Hand auszugehen. Vielmehr liege ein Residualzustand eines CRPS vor. Aktuell sei die Symptomatik nicht mehr als Vollbild vorhanden. Die Diagnosekriterien für ein CRPS seien auch an beiden Knien oder der linken Hand nicht erfüllt. Die Residualsymptomatik des CRPS an der rechten oberen Extremität sei mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten.
In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 24.10.2012 nahm der Nachfolger von Prof. Dr. T, Prof. Dr. M zu dem Gutachten von Prof. Dr. N Stellung und führte aus, dass sich keine Befundänderung aus dem zusätzlichen Gutachten ergebe. Unter Bezugnahme auf die durch die Beklagte eingeholten Gutachten vertrat er die Meinung, dass das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren abgeschlossen werden müsse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und nahm zur Begründung auf die Stellungnahme vom Prof. Dr. M Bezug. Ein unfallbedingtes CRPS sei zu Recht abgelehnt worden, da ein entsprechender Unfallzusammenhang nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne. Es liege eine unfallfremde Anlage vor, die allenfalls im Sinne einer Gelegenheitsursache durch das Ereignis vom 30.10.2006 symptomatisch geworden sei. Das Gutachten von Prof. Dr. N aus dem Schwerbehindertenrecht berücksichtige nicht die Kausalitätsprüfung nach der Theorie der rechtlich wesentlichen Bedingung.
Am 17.04.2013 hat die Klägerin bei dem SG Klage erhoben und zur Begründung zunächst ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und auf ein gerichtliches Gutachten von Prof. Dr. L vom 06.01.2015 aus einem Verfahren vor dem Landgericht Dortmund (Az: 4 O 86/13) gegen die früher behandelnden Ärzte Dr. M und K wegen einer vermeintlichen Fehlbehandlung verwiesen. Prof. Dr. L vertrat die Auffassung, bei der Klägerin liege eine CRPS I - Erkrankung der rechten Hand vor. Mit dem schädigenden Ereignis vom 30.10.2006 sei ein "Initialfaktor" zur Auslösung der CRPS-Erkrankung gegeben.
Auf Antrag der Klägerin gem § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ein Gutachten von Dr. B1 vom 16.06.2014 eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten sowie einer ergänzenden Stellungnahme hierzu vom 06.01.2015 das Vorliegen eines CRPS I in einem Residualzustand festgestellt. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs sei von einer zurechenbaren Verursachung durch das Unfallereignis auszugehen, zumal sich die Klägerin bei dem Unfall auch Verletzungen der Hände zugezogen habe. Die MdE bewertete er mit 30 vH.
Hierzu hat die Beklagte kritische beratungsärztliche Stellungnahmen von Dr. X vom 09.08.2014 und 31.01.2015 vorgelegt.
Das SG hat von Amts wegen ein handchirurgisches Gutachten von Dr. T2 vom 01.12.2015 eingeholt. Dieser diagnostizierte ua eine schwere Arthrose mit Destruktion aller Endgelenke an der rechten Hand (schwere Heberden-Arthrose), eine schwere Heberden-Arthrose der linken Hand mit partiell noch erhaltenen Endgelenken, eine schwere beidseitige Arthrose der Daumensattelgelenke, eine Arthrose der Mittelgelenke aller Finger an beiden Händen, eine erhebliche Minderung der Einsatzfähigkeit der rechten Hand bei unvollständigem Faustschluss und eingeschränktem Spitzgriff sowie eine Minderung der groben Kraft rechts und Minderung der Muskulatur rechts. Die Gesundheitsschädigungen ließen sich nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Verkehrsunfall vom 30.10.2006 zurückführen. Ein CRPS im Bereich der rechten Hand lasse sich nicht nachweisen. Die Klägerin leide unter einer Hand-Polyarthrose. Die seitens der Klägerin geschilderten Beschwerden würden sich durch die schwere deformierende Arthrose der Endgelenke in vollem Umfang erklären lassen. Auch die abnormen Schwellungen der Endgelenke und die leicht veränderte, gespannte Haut seien bei einer schweren Heberden-Arthrose nicht ungewöhnlich und würden sich durch eine entzündliche Begleitreaktion im Rahmen der Arthrose erklären. Die für ein CRPS typische Schwellung am Handrücken liege nicht vor. Lediglich über den radiologisch schwer veränderten Endgelenken fänden sich Schwellungen und Veränderungen der Haut. Darüber hinaus ließen sich an keiner Stelle der rechten Hand eine abnorme Hautfarbe oder eine Schwellung feststellen. Bei Palpation der Hände sei die Temperatur der Klägerin nicht seitendifferent. Auch Ödeme, verändertes Haarwachstum oder ein verändertes Nagelwachstum lägen nicht vor. Die Budapest-Kriterien zur Diagnose eines CRPS seien nicht erfüllt. Auch der Verlauf der Erkrankung spreche gegen das Vorliegen eines CRPS. Vielmehr entspreche der Verlauf einer schwerwiegenden Arthrose. Diese sei unfallunabhängig entstanden.
Mit Urteil vom 23.06.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung eines CRPS als Folge des Arbeitsunfalles vom 30.10.2006 oder die Gewährung einer Verletztenrente. Die Klägerin habe durch den Unfall eine folgenlos ausgeheilte Halswirbelsäulendistorsion sowie multiple Körperprellungen erlitten. Weitere Unfallfolgen seien nicht festzustellen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liege bei der Klägerin kein hinreichend bewiesenes CRPS als Folge des Arbeitsunfalls vor. Die Kammer folge den Darlegungen des Sachverständigen Dr. T2. Nach dessen überzeugenden Ausführungen bestünden bei der Klägerin im Bereich der Hände unfallunabhängig eine schwere Arthrose mit Destruktion aller Gelenke an der rechten Hand (schwere Herberden-Arthrose), eine schwere Herberden-Arthrose an der linken Hand mit partiell noch erhaltenen Endgelenken, eine schwere beidseitige Arthrose der Daumensattelgelenke und eine Arthrose der Mittelgelenke aller Finger an beiden Händen. Dem widerspreche auch der Sachverständige Dr. B1 nicht. Für diese Auffassung sprächen zudem die eindeutigen radiologischen Befunde und der Umstand, dass die Klägerin auch an anderen Gelenken zunehmende arthrotische Veränderungen ausbilde (Schultergelenke, HWS, Kniegelenke). Dieses Leiden habe sich schicksalhaft und unabhängig vom Arbeitsunfall entwickelt. Ein unfallbedingtes CRPS könne neben diesen Leiden nicht nachgewiesen werden. Im zeitlichen Querschnitt lägen nicht die notwendigen Symptome für die Diagnose eines CRPS vor. Nach Auffassung des Sachverständigen Dr. T2 sei der Verlauf untypisch für ein CRPS aber typisch für eine schwere Handgelenks-Polyarthrose. Dr. T2 habe das Vorliegen der Erkrankung CRPS anhand der von keiner Seite als unzutreffend bezeichneten Budapest-Kriterien geprüft. Bei einem CRPS sei danach eine Schwellung am Handrücken und den Fingern zu erwarten gewesen, so dass die Hautfalten über den Mittelgelenken der Finger nicht zur Darstellung kommen. Eine solche habe bei der Klägerin nicht vorgelegen. Es hätten auch keine Veränderungen der Hautfarbe oder Schwellungen an nicht von den arthrotischen Veränderungen betroffenen Stellen vorgelegen. Weder eine abnorme Schweißbildung noch eine veränderte Temperatur seien gegeben gewesen. Es habe auch keine ödematöse Wassereinlagerung im Bereich des Handrückens und der streckseitigen Handgelenke oder ein seitendifferenter Haarwuchs bestanden. Eine Veränderung im Nagelwachstum habe der Sachverständige ebenfalls nicht feststellen können. Nach den Diagnosekriterien müsse ein abnormer Schmerz bestehen, der durch das Anfangstrauma oder andere Erkrankungen nicht zu erklären ist. Die von der Klägerin geklagten Schmerzen könnten aber auf die arthrotischen Gelenksdestruktionen zurückgeführt werden. Sofern die Klägerin darauf hinweise, dass sie in der Vergangenheit angegeben habe, dass ihre Nägel an der betroffenen Hand schneller gewachsen seien, könne dieser Umstand zu keinem anderen Ergebnis führen, da es sich hierbei um eines von vielen Diagnosekriterien handele. Die Darstellung des Sachverständigen Dr. B1 überzeuge die Kammer nicht. Dieser habe nicht auf die einschlägigen Budapest-Kriterien verwiesen. Eine kritische Prüfung der Kriterien der von der Klägerin vorgetragenen Erkrankung habe nicht stattgefunden. Auch sei keine Abgrenzung der Symptome zu der ebenfalls von ihm gesehenen Handpolyarthrose erfolgt. Auch das Gutachten von Prof. Dr. L führe zu keiner anderen Sichtweise. In diesem Gutachten würden die Budapest-Kriterien ebenfalls nicht dargestellt. Eine kritische Prüfung der Symptome unter Berücksichtigung der sonstigen Erkrankungen der Klägerin sein nicht erfolgt. Mangels einer MdE über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus sei auch keine Verletztenrente zu gewähren.
Gegen das am 12.07.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.07.2016 Berufung eingelegt. Das Gericht habe sich nicht hinreichend mit den Feststellungen von Prof. Dr. N, Prof. Dr. L und Dr. B1 auseinander gesetzt. Von diesen sei übereinstimmend ein CRPS diagnostiziert worden. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. T2 weise indes schwere Mängel auf. Bei der Klägerin habe bis zum Unfall nur eine Arthrose im Daumensattelgelenk vorgelegen. Trotz dieser Arthrose habe sie vor dem Unfall überhaupt keine Beschwerden gehabt. Diese hätten sich erst als Folge der CRPS-Erkrankung verstärkt. Auf den am 22.01.2007 gefertigten Röntgenbildern sei keine ausgeprägte Arthrose erkennbar gewesen. Dies habe der Sachverständige völlig außer Acht gelassen. Dr. T2 habe die arthrotischen Befunde der Klägerin einseitig in den Vordergrund gestellt, um daraus abzuleiten, dass sich hieraus sämtliche Beschwerden erst entwickelt hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.06.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2013 zu verurteilen, ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) als Folge des Arbeitsunfalls vom 30.10.2006 anzuerkennen und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 01.03.2007 Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. T2 vom 12.10.2016 eingeholt, in welcher dieser an seiner Auffassung festgehalten hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, nachdem die Klägerin ihren Antrag in der mündlichen Verhandlung auf die Anerkennung des CRPS als Unfallfolge und die Gewährung von Verletztenrente entsprechend dem Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheides beschränkt hat.
Die Berufung ist aber unbegründet, denn der angefochtene Bescheid vom 07.12.2011 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung eines CRPS als Folge des Arbeitsunfalls vom 30.10.2006 und Zahlung von Verletztenrente nach § 56 Abs 1 S 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Gemäß § 56 Abs 1 S 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Mindern die Folgen des Versicherungsfalls die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vH, besteht für den Versicherungsfall gem § 56 Abs 1 S 2 u. 3 SGB VII Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit in Folge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die vom Hundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs 3 S 2 SGB VII wird bei einer MdE Teilrente in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente geleistet, der dem Grad der MdE entspricht. Ein hier allein als Versicherungsfall (§ 7 Abs 1 SGB VII) in Betracht kommender Arbeitsunfall (§ 8 Abs 1 SGB VII) liegt vor, wenn es bei einer der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Verrichtung des Versicherten zu einem von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis- gekommen ist, das einen Gesundheits(erst)schaden (Gesundheitsbeeinträchtigung, Krankheit oder Tod des Versicherten) verursacht hat (sogenannte haftungsbegründende Kausalität). Dieser Gesundheitserstschaden ist eine den Versicherungsfall selbst begründende Tatbestandsvoraussetzung, während das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (sogenannte haftungsausfüllende Kausalität) Voraussetzung für weitergehende Leistungsansprüche, wie zB die Gewährung einer Verletztenrente ist (vgl BSG SozR 4-2007 § 8 Nr 30 Rn 10 mwN).
Das Vorliegen eines Gesundheitserstschadens bzw eines Gesundheitsfolgeschadens (Unfallfolgen) muss im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen. Dagegen genügt für den Nachweis der (wesentlichen) Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserst- bzw -folgeschaden die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings nur die bloße Möglichkeit (vgl BSG Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R - in juris Rn 16).
Die Klägerin hat zwar am 30.10.2006 einen Wegeunfall bei Verrichtung einer nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherten Tätigkeit erlitten. Dieser Unfall hat aber keine Gesundheitsstörungen verursacht, die eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß bedingen. Als Folge dieses Unfalls hat sie eine Halswirbelsäulen-Distorsion, multiple Körperprellungen und Schürfwunden an den Handgelenken erlitten. Diese Gesundheitsstörungen sind jedoch folgenlos verheilt und bedingen keine MdE über die 26. Woche hinaus. Dies ergibt sich aus den Nachschauberichten vom 08.11.2006, 07.12.2006, 29.12.2006,19.01.2007 und 22.01.2007 sowie dem Gutachten von Dr. T2. Auch die Klägerin hat insofern nichts diesen ärztlichen Feststellungen entgegen stehendes vorgetragen.
Weitere Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls, insbesondere in Form eines CRPS, liegen nicht vor. Es kann weder festgestellt werden, dass ein CRPS bei der Klägerin vorliegt noch kann ein Zusammenhang der Beschwerden im Bereich der Hände - und hier insbesondere der rechten Hand - mit dem Unfall vom 30.10.2006 wahrscheinlich gemacht werden. Dies ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten von Dr. T2. Dieser hat mit nachvollziehbarer Begründung das Vorliegen eines CRPS bei der Klägerin ausgeschlossen und die Beschwerden der Klägerin -insbesondere im Bereich der Hand- auf eine aus körpereigenen Gründen entstandene schwere Arthrose an ganz unterschiedlichen Gelenkregionen zurückgeführt. Bei der Klägerin liegen schwerste Gelenkschwellungen und Verformungen der Endgelenke vor. Auch die Mittelgelenke zeigten arthrotische Veränderungen. Röntgenologisch und klinisch sind auch beide Daumensattelgelenke in schwerster Weise arthrotisch betroffen. Es handelt sich um eine schwere rechtsbetonte Hand-Polyarthrose, die weit überdurchschnittlich schwer ausgebildet ist. Diese schweren arthrotischen Veränderungen bestanden radiologisch nachweisbar bereits in den Jahren 2007, 2009 und 2010. Demgegenüber konnte Dr. T2 die Diagnose eines CRPS in Anwendung der insofern anerkannten und einschlägigen Budapest-Kriterien nicht stellen. Dr. T2 hat ausgeführt, dass die geschilderten Beschwerden der Klägerin durch die schweren deformierenden Arthrosen der Endgelenke in vollem Umfang erklärt seien. Auch die abnormen Schwellungen der Endgelenke und die hier leicht veränderte, gespannte Haut, sind bei einer schweren Heberden-Arthrose nicht ungewöhnlich und erklären sich durch einen entzündliche Begleitreaktion im Rahmen der Arthrose. Die nach den Budapest-Kriterien zu erwartenden Veränderungen der Hautfarbe oder Schwellungen lagen bei der Klägerin nur dort vor, wo auch die schwerwiegende Arthrose besteht. Über die arthrotischen Veränderungen hinaus haben sich bei der Klägerin an keiner Stelle eine abnorme Hautfarbe oder eine Schwellung feststellen lassen. Eine abnorme Schweißbildung bestand im Bereich der besonders betroffenen rechten Hand nicht. Eine veränderte Temperatur der Hände konnte Dr. T2 nicht feststellen. Dieser Befund entspricht auch der Feststellung von Prof. Dr. N anlässlich dessen Untersuchung der Klägerin vom 08.12.2010. Auch Wassereinlagerungen, seitendifferenten Haarwuchs und Veränderungen im Nagelwachstum konnte Dr. T2 nicht feststellen. Soweit die Klägerin anführt, in der Vergangenheit habe eine Störung des Nagelwachstums vorgelegen, hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme darauf hingewiesen, dass Störungen des Nagelwachstums nicht nur durch ein CRPS, sondern auch durch schwere arthrotische Veränderungen an den Endgelenken verursacht werden. Schließlich liegt auch ein nach den Budapest-Kriterien erforderlicher abnormer Schmerz, der durch das Anfangstrauma oder andere Erkrankungen nicht zu erklären ist, nicht vor. Vielmehr können die bei der Klägerin vorliegenden Schmerzen durch die schweren arthrotischen Veränderungen im Bereich der Hand erklärt werden. Dr. T2 hat auch darauf hingewiesen, dass der Verlauf der Erkrankung der Klägerin untypisch für ein CRPS ist. Anders als bei einem CRPS zu erwarten, ist es bei der Klägerin zu einer Steigerung der lokalen Symptome in der rechten Hand und besonders zu einer Verschlimmerung der radiologisch nachweisbaren Dekonstruktion der Endgelenke gekommen. Auch die linke Hand wird durch die Klägerin als zunehmend schmerzhaft empfunden. Auch dieser Umstand spricht dagegen, dass die Beschwerden der Klägerin auf ein unfallbedingtes CRPS zurückzuführen sind. Denn die Klägerin hat gegenüber Dr. T2 angeführt, dass die Schmerzen im Bereich der linken Hand seit ca zwei Jahren (vor der Untersuchung am 24.11.2015) verstärkt bestünden. Das Auftreten dieser Beschwerden ca sieben Jahre nach dem Unfall spricht damit ebenfalls gegen einen Kausalzusammenhang.
Schließlich fehlt es auch an ärztlich dokumentierten Brückensymptomen zwischen dem letzten Durchgangsarztbericht vom 09.03.2007 und der Untersuchung durch Prof. Dr. N am 19.01.2010. Soweit dieser in seinem Untersuchungsbericht vom gleichen Tage entsprechende Brückensymptome zugrunde legt, stützt er sich allein auf die anamnestischen Angaben der Klägerin, nicht aber auf zwischenzeitlich ärztlich erhobene und dokumentierte Befunde. Das Fehlen entsprechend dokumentierter Brückensymptome spricht nach Auffassung des Senates ebenfalls gewichtig gegen einen Kausalzusammenhang zwischen dem 2006 erlittenen Unfall und den aktuellen Beschwerden der Klägerin.
Demgegenüber vermag das Gutachten von Dr. B1 ebenso wenig zu überzeugen wie die außerhalb des vorliegenden Verfahrens erstellten Stellungnahmen und Gutachten von Prof. Dr. N und Prof. Dr. L. Prof. Dr. N stützt seine Beurteilung zwar ebenfalls auf die Budapest-Kriterien. Er übersieht jedoch, dass sowohl die von ihm festgestellten Befunde als auch die Schmerzzustände der Klägerin entgegen den Erfordernissen der Budapest-Kriterien durch die alternative Diagnose der nachweisbar vorliegenden arthrotischen Veränderungen zu erklären sind. Es finden sich keinerlei Hinweise in seinem Gutachten, dass er diese Veränderungen überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Gleiches gilt für das Gutachten von Prof. Dr. L. Auch dieser verneint das Vorliegen konkurrierender Ursachen für den Gesundheitsschaden an der rechten Hand und kommt dementsprechend zu dem unzutreffenden Ergebnis, dass die Beschwerden auf ein CRPS zurückzuführen sind. Im Ergebnis ist auch seine Beurteilung nicht mit dem Budapest-Kriterien in Einklang zu bringen. Schließlich vermag auch das Gutachten von Dr. B1 nicht zu überzeugen. Dieser referiert zwar den Akteninhalt. Es ist aber nicht ersichtlich und dargelegt, dass und anhand welcher Kriterien er seine Diagnose in Anwendung der Budapest-Kriterien gestellt hat. Vielmehr stützt er diese auf die Feststellungen von Prof. Dr. N sowie der Durchgangsärzte Dr. C vom 03.02.2011 und Hilal vom 22.09.2010, welche die Diagnose CRPS offensichtlich kritiklos aus dem Gutachten bzw der Stellungnahme von Prof. Dr. N übernommen haben. Dies ersetzt eine eigene Begründung nicht. Soweit Dr. B1 -insoweit in Übereinstimmung mit Dr. T2- eine Heberden-Arthrose der Endgelenke diagnostiziert, wird deren Ursächlichkeit für die Beschwerden der Klägerin nicht hinreichend diskutiert. Entgegen den Ausführungen von Dr. B1 lassen auch die zeitnah zum Unfall angefertigten Röntgenaufnahmen ausgeprägte Arthrosen der Endgelenke erkennen. Bereits auf den Röntgenaufnahmen vom 19.07.2010 finden sich die für eine Finger-Polyarthrose typischen Veränderungen an allen Mittelgelenken der Finger, am Daumenendgelenk und Daumengrundgelenk. Auch der beratende Arzt der Beklagten Dr. X hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass -entgegen der Auffassung von Dr. B1- konkurrierende Veränderungen als Ursache der Beschwerden der Klägerin feststellbar sind. Der von Dr. B1 gesehene enge zeitliche Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Auftreten der Beschwerden liegt bei fehlenden ärztlich dokumentierten Brückensymptomen zwischen 2007 und 2010 ebenfalls nicht vor.
Sonstige Unfallfolgen sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) sind nicht gegeben.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Klägerin ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) als Folge eines am 30.10.2006 erlittenen Arbeitsunfalles anzuerkennen und Verletztenrente zu gewähren ist.
Die 1948 geborene Klägerin war Verwaltungsangestellte beim Kreis V. Bei dieser Tätigkeit erlitt sie am 30.10.2006 einen Verkehrsunfall, als sie sich auf dem Weg von einer dienstlichen Veranstaltung zum Kreishaus befand.
Die Klägerin wurde am gleichen Tag von Dr. T, L-Hospital, Abteilung Chirurgie/Unfallchirurgie, untersucht, der eine Distorsion der Halswirbelsäule, Schürfwunden am Handgelenk beidseits, ein stumpfes Thoraxtrauma, ein stumpfes Bauchtrauma und Knieprellungen beidseitig diagnostizierte. In den Nachschauberichten vom 08.11.2006 und 07.12.2006 diagnostizierte Dr. K darüber hinaus multiple Körperprellungen. Er vertrat die Auffassung, dass seit dem 30.11.2006 Arbeitsfähigkeit bestehe (Nachschaubericht vom 07.12.2006). Aufgrund anhaltender Beschwerden im Bereich der Hände stellte sich die Klägerin im Folgenden ua bei Dr. B und Dr. K vor. Diese führten die Beschwerden auf arthrotische Veränderungen im Bereich der Hände zurück und schlossen insofern einen unfallbedingten Schaden aus.
Am 14.12.2009 teilte die Klägerin mit, sie sei seit dem 23.03.2009 wegen zunehmender Beschwerden an der rechten Hand arbeitsunfähig krank. Diese Beschwerden seien auf den Verkehrsunfall vom 30.10.2006 zurückzuführen. Im Folgenden legte sie einen Arztbrief des Oberarztes der neurologischen Klinik und Polilklinik - CRPS/Sudeckprojekt - F, Dr. N, vom 19.01.2010 vor, wo die Diagnose eines CRPS I (=M. Sudeck) der rechten Hand gestellt worden war. Aussagen zur Verursachungskausalität finden sich in diesem Bericht nicht. In einem Attest vom 26.01.2007 vertrat der behandelnde Internist der Klägerin (Dr. N) die Auffassung, bei den Beschwerden im Bereich der Hände handele es sich am ehesten um einen Folgezustand nach erlittenen Prellungen bei dem Verkehrsunfall vom 30.10.2006. Die Beklagte zog eine beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Chirurgie Dr. N1 vom 03.05.2010 bei, der die Auffassung vertrat, dass ein Morbus Sudeck nach einer Extremitätenprellung nicht ungewöhnlich sei. Offensichtlich hätten Brückenbefunde und -symptome bestanden, die erst spät zu der entsprechenden Diagnose geführt hätten. Er empfahl die Begutachtung der Klägerin. Die Klägerin führte im Folgenden aus, sie sei seit dem Unfall niemals beschwerdefrei gewesen. Insbesondere habe sie schon unmittelbar nach dem Unfall über Beschwerden in beiden Händen geklagt. Hierzu übersandte sie eine "Chronologie der Arztbesuche seit dem Unfall am 30.10.2006", ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Westfalen-Lippe vom 30.09.2009 und einen Auszug des Reha-Entlassungsberichts der Moorlandklinik Bad T vom 30.03.2010.
Die Beklagte holte ein handchirurgisches Gutachten von Prof. Dr. T, Direktor der Klinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte, Handchirurgisches Zentrum des C Universitätsklinikum C, vom 19.08.2010 ein. Dieser stellte als Verletzungsfolgen Dauerschmerzen im Bereich der Handgelenke, eine deutliche Bewegungseinschränkung beider Hände, einen eingeschränkten Faustschluss, eine deutliche Kraftminderung von 5/10 sowie Schmerzen im Bereich der Knie beidseits fest. Zur Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei eine Klärung der Sudeck-Symptomatik und Schmerzsymptomatik durch Einholung eines schmerztherapeutischen Gutachtens erforderlich. Ein entsprechendes Zusatzgutachten von Prof. Dr. N, Leitender Arzt der Abteilung für Schmerztherapie der Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv-, Paleativ- und Schmerzmedizin des BG Universitätsklinikum C C, sei veranlasst worden.
In seinem algesiologischen Zusatzgutachten vom 10.12.2010 vertrat Prof. Dr. N die Auffassung, die erhobenen klinischen Befunde würden nicht die typischen Symptome des CRPS-Syndroms zeigen. Auch die durchgeführte Langzeittemperaturmessung im Kontext mit der klinischen Untersuchung schließe ein CRPS aus. In den vorgelegten Befunden fänden sich mehrfach Hinweise auf eine Heberden-Polyarthrose der Finger, die sowohl in der klinischen Beurteilung, als auch in der durchgeführten radiologischen Untersuchung habe bestätigt werden können. Hinweise auf eine kleinfleckige ossäre Entkalkung, die häufig bei einer CRPS-Erkrankung zu beobachten sei, hätten sich in den Röntgenbildern nicht gefunden. Zwecks Einschätzung einer möglicherweise vorliegenden Schmerzverarbeitungsstörung werde die Begutachtung der Klägerin in der Spezialambulanz für Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) nach Unfällen am Arbeitsplatz durch Prof. U1 empfohlen. Ein CRPS (M. Sudeck) könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Die von der Klägerin vorgebrachte Schmerzsymptomatik sei nicht unfallbedingt, sondern resultiere am ehesten aus einer degenerativ-rheumatologischen Erkrankung. Eine unfallbedingte MdE bestehe nicht.
Die Beklagte zog im Folgenden die Verwaltungsakte der Schwerbehindertenangelegenheit der Klägerin bei und holte ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten von Prof. Dr. U1 vom 27.06.2011 ein, der die Auffassung vertrat, dass bei der Klägerin die Aufrechterhaltung bzw Verschlimmerung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen in Form von noch aktualisierten Entlastungs- und Versorgungswünschen bestehe. Es handele sich durchgängig um nicht unfallabhängige, persönlichkeits- und motivational begründete Fehlverarbeitungsmechanismen, die das körperliche Beschwerdebild maßgeblich mit beeinflussen würden. Es bestehe keine vom Unfall abhängige psychische oder neurologische Störung von Krankheitswert. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit oder messbare MdE sei auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht begründet. In einer Stellungnahme vom 23.08.2011 bewertete Prof. Dr. T die Gesamt-MdE der Klägerin auf kleiner als 10 vH. In seiner Stellungnahme vom 08.11.2011 führte er aus, dass es sich bei der Erkrankung der Klägerin um eine unfallfremde Anlage handele, die allenfalls im Sinne eines Anlassgeschehens durch das Ereignis vom 30.10.2006 symptomatisch geworden sei. Bei dem Anlassgeschehen handele es sich um eine vorbestehende Anlage, die so gering sei, dass sie in naher Zukunft auch ohne das gegenständliche Ereignis symptomatisch geworden wäre. Die subjektiven Beschwerden der Klägerin seien nicht mit dem Unfall vom 30.10.2006 in Verbindung zu bringen.
Mit Bescheid vom 07.12.2011 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 30.10.2006 als Arbeitsunfall mit einer folgenlos ausgeheilten Halswirbelsäulen-Distorsion und multiplen Körperprellungen an. Die Anerkennung einer Konzentrationsstörung, von Kopfschmerzen, einer Leberbelastung und seelischen Belastung nach langjähriger Schimmelpilzexposition, einer Fingerpolyarthrose beidseits, einer Gonarthrose beidseits, eines chronisches HWS- und LWS-Syndroms, eines Asthma bronchiale sowie eines Zustandes nach Contusio cerebri bei Verkehrsunfall 1969 als Folgen des Unfalls wurde abgelehnt. Das Vorliegen eines unfallbedingten CRPS (M. Sudeck) sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen worden. Eine MdE in rentenberechtigendem Grade über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus liege nicht vor. Die Entscheidung wurde auf das Ergebnis der eingeholten medizinischen Gutachten gestützt.
Zur Begründung des hiergegen am 16.12.2011 eingelegten Widerspruchs erhob die Klägerin Einwände gegen die durch die Beklagte eingeholten Gutachten und verwies auf ein im Rahmen des Schwerbehindertenverfahrens der Klägerin durch das Sozialgericht Dortmund (SG; Az: S 43 SB 2762/10) eingeholtes neurologisches Gutachten von Prof. Dr. N vom 04.06.2012, worin dieser ausführte, aufgrund der objektiven Befunde zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung sei derzeit nicht mehr von einem CRPS an der rechten Hand auszugehen. Vielmehr liege ein Residualzustand eines CRPS vor. Aktuell sei die Symptomatik nicht mehr als Vollbild vorhanden. Die Diagnosekriterien für ein CRPS seien auch an beiden Knien oder der linken Hand nicht erfüllt. Die Residualsymptomatik des CRPS an der rechten oberen Extremität sei mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten.
In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 24.10.2012 nahm der Nachfolger von Prof. Dr. T, Prof. Dr. M zu dem Gutachten von Prof. Dr. N Stellung und führte aus, dass sich keine Befundänderung aus dem zusätzlichen Gutachten ergebe. Unter Bezugnahme auf die durch die Beklagte eingeholten Gutachten vertrat er die Meinung, dass das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren abgeschlossen werden müsse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und nahm zur Begründung auf die Stellungnahme vom Prof. Dr. M Bezug. Ein unfallbedingtes CRPS sei zu Recht abgelehnt worden, da ein entsprechender Unfallzusammenhang nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne. Es liege eine unfallfremde Anlage vor, die allenfalls im Sinne einer Gelegenheitsursache durch das Ereignis vom 30.10.2006 symptomatisch geworden sei. Das Gutachten von Prof. Dr. N aus dem Schwerbehindertenrecht berücksichtige nicht die Kausalitätsprüfung nach der Theorie der rechtlich wesentlichen Bedingung.
Am 17.04.2013 hat die Klägerin bei dem SG Klage erhoben und zur Begründung zunächst ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und auf ein gerichtliches Gutachten von Prof. Dr. L vom 06.01.2015 aus einem Verfahren vor dem Landgericht Dortmund (Az: 4 O 86/13) gegen die früher behandelnden Ärzte Dr. M und K wegen einer vermeintlichen Fehlbehandlung verwiesen. Prof. Dr. L vertrat die Auffassung, bei der Klägerin liege eine CRPS I - Erkrankung der rechten Hand vor. Mit dem schädigenden Ereignis vom 30.10.2006 sei ein "Initialfaktor" zur Auslösung der CRPS-Erkrankung gegeben.
Auf Antrag der Klägerin gem § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ein Gutachten von Dr. B1 vom 16.06.2014 eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten sowie einer ergänzenden Stellungnahme hierzu vom 06.01.2015 das Vorliegen eines CRPS I in einem Residualzustand festgestellt. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs sei von einer zurechenbaren Verursachung durch das Unfallereignis auszugehen, zumal sich die Klägerin bei dem Unfall auch Verletzungen der Hände zugezogen habe. Die MdE bewertete er mit 30 vH.
Hierzu hat die Beklagte kritische beratungsärztliche Stellungnahmen von Dr. X vom 09.08.2014 und 31.01.2015 vorgelegt.
Das SG hat von Amts wegen ein handchirurgisches Gutachten von Dr. T2 vom 01.12.2015 eingeholt. Dieser diagnostizierte ua eine schwere Arthrose mit Destruktion aller Endgelenke an der rechten Hand (schwere Heberden-Arthrose), eine schwere Heberden-Arthrose der linken Hand mit partiell noch erhaltenen Endgelenken, eine schwere beidseitige Arthrose der Daumensattelgelenke, eine Arthrose der Mittelgelenke aller Finger an beiden Händen, eine erhebliche Minderung der Einsatzfähigkeit der rechten Hand bei unvollständigem Faustschluss und eingeschränktem Spitzgriff sowie eine Minderung der groben Kraft rechts und Minderung der Muskulatur rechts. Die Gesundheitsschädigungen ließen sich nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Verkehrsunfall vom 30.10.2006 zurückführen. Ein CRPS im Bereich der rechten Hand lasse sich nicht nachweisen. Die Klägerin leide unter einer Hand-Polyarthrose. Die seitens der Klägerin geschilderten Beschwerden würden sich durch die schwere deformierende Arthrose der Endgelenke in vollem Umfang erklären lassen. Auch die abnormen Schwellungen der Endgelenke und die leicht veränderte, gespannte Haut seien bei einer schweren Heberden-Arthrose nicht ungewöhnlich und würden sich durch eine entzündliche Begleitreaktion im Rahmen der Arthrose erklären. Die für ein CRPS typische Schwellung am Handrücken liege nicht vor. Lediglich über den radiologisch schwer veränderten Endgelenken fänden sich Schwellungen und Veränderungen der Haut. Darüber hinaus ließen sich an keiner Stelle der rechten Hand eine abnorme Hautfarbe oder eine Schwellung feststellen. Bei Palpation der Hände sei die Temperatur der Klägerin nicht seitendifferent. Auch Ödeme, verändertes Haarwachstum oder ein verändertes Nagelwachstum lägen nicht vor. Die Budapest-Kriterien zur Diagnose eines CRPS seien nicht erfüllt. Auch der Verlauf der Erkrankung spreche gegen das Vorliegen eines CRPS. Vielmehr entspreche der Verlauf einer schwerwiegenden Arthrose. Diese sei unfallunabhängig entstanden.
Mit Urteil vom 23.06.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung eines CRPS als Folge des Arbeitsunfalles vom 30.10.2006 oder die Gewährung einer Verletztenrente. Die Klägerin habe durch den Unfall eine folgenlos ausgeheilte Halswirbelsäulendistorsion sowie multiple Körperprellungen erlitten. Weitere Unfallfolgen seien nicht festzustellen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liege bei der Klägerin kein hinreichend bewiesenes CRPS als Folge des Arbeitsunfalls vor. Die Kammer folge den Darlegungen des Sachverständigen Dr. T2. Nach dessen überzeugenden Ausführungen bestünden bei der Klägerin im Bereich der Hände unfallunabhängig eine schwere Arthrose mit Destruktion aller Gelenke an der rechten Hand (schwere Herberden-Arthrose), eine schwere Herberden-Arthrose an der linken Hand mit partiell noch erhaltenen Endgelenken, eine schwere beidseitige Arthrose der Daumensattelgelenke und eine Arthrose der Mittelgelenke aller Finger an beiden Händen. Dem widerspreche auch der Sachverständige Dr. B1 nicht. Für diese Auffassung sprächen zudem die eindeutigen radiologischen Befunde und der Umstand, dass die Klägerin auch an anderen Gelenken zunehmende arthrotische Veränderungen ausbilde (Schultergelenke, HWS, Kniegelenke). Dieses Leiden habe sich schicksalhaft und unabhängig vom Arbeitsunfall entwickelt. Ein unfallbedingtes CRPS könne neben diesen Leiden nicht nachgewiesen werden. Im zeitlichen Querschnitt lägen nicht die notwendigen Symptome für die Diagnose eines CRPS vor. Nach Auffassung des Sachverständigen Dr. T2 sei der Verlauf untypisch für ein CRPS aber typisch für eine schwere Handgelenks-Polyarthrose. Dr. T2 habe das Vorliegen der Erkrankung CRPS anhand der von keiner Seite als unzutreffend bezeichneten Budapest-Kriterien geprüft. Bei einem CRPS sei danach eine Schwellung am Handrücken und den Fingern zu erwarten gewesen, so dass die Hautfalten über den Mittelgelenken der Finger nicht zur Darstellung kommen. Eine solche habe bei der Klägerin nicht vorgelegen. Es hätten auch keine Veränderungen der Hautfarbe oder Schwellungen an nicht von den arthrotischen Veränderungen betroffenen Stellen vorgelegen. Weder eine abnorme Schweißbildung noch eine veränderte Temperatur seien gegeben gewesen. Es habe auch keine ödematöse Wassereinlagerung im Bereich des Handrückens und der streckseitigen Handgelenke oder ein seitendifferenter Haarwuchs bestanden. Eine Veränderung im Nagelwachstum habe der Sachverständige ebenfalls nicht feststellen können. Nach den Diagnosekriterien müsse ein abnormer Schmerz bestehen, der durch das Anfangstrauma oder andere Erkrankungen nicht zu erklären ist. Die von der Klägerin geklagten Schmerzen könnten aber auf die arthrotischen Gelenksdestruktionen zurückgeführt werden. Sofern die Klägerin darauf hinweise, dass sie in der Vergangenheit angegeben habe, dass ihre Nägel an der betroffenen Hand schneller gewachsen seien, könne dieser Umstand zu keinem anderen Ergebnis führen, da es sich hierbei um eines von vielen Diagnosekriterien handele. Die Darstellung des Sachverständigen Dr. B1 überzeuge die Kammer nicht. Dieser habe nicht auf die einschlägigen Budapest-Kriterien verwiesen. Eine kritische Prüfung der Kriterien der von der Klägerin vorgetragenen Erkrankung habe nicht stattgefunden. Auch sei keine Abgrenzung der Symptome zu der ebenfalls von ihm gesehenen Handpolyarthrose erfolgt. Auch das Gutachten von Prof. Dr. L führe zu keiner anderen Sichtweise. In diesem Gutachten würden die Budapest-Kriterien ebenfalls nicht dargestellt. Eine kritische Prüfung der Symptome unter Berücksichtigung der sonstigen Erkrankungen der Klägerin sein nicht erfolgt. Mangels einer MdE über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus sei auch keine Verletztenrente zu gewähren.
Gegen das am 12.07.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.07.2016 Berufung eingelegt. Das Gericht habe sich nicht hinreichend mit den Feststellungen von Prof. Dr. N, Prof. Dr. L und Dr. B1 auseinander gesetzt. Von diesen sei übereinstimmend ein CRPS diagnostiziert worden. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. T2 weise indes schwere Mängel auf. Bei der Klägerin habe bis zum Unfall nur eine Arthrose im Daumensattelgelenk vorgelegen. Trotz dieser Arthrose habe sie vor dem Unfall überhaupt keine Beschwerden gehabt. Diese hätten sich erst als Folge der CRPS-Erkrankung verstärkt. Auf den am 22.01.2007 gefertigten Röntgenbildern sei keine ausgeprägte Arthrose erkennbar gewesen. Dies habe der Sachverständige völlig außer Acht gelassen. Dr. T2 habe die arthrotischen Befunde der Klägerin einseitig in den Vordergrund gestellt, um daraus abzuleiten, dass sich hieraus sämtliche Beschwerden erst entwickelt hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.06.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2013 zu verurteilen, ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) als Folge des Arbeitsunfalls vom 30.10.2006 anzuerkennen und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 01.03.2007 Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. T2 vom 12.10.2016 eingeholt, in welcher dieser an seiner Auffassung festgehalten hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, nachdem die Klägerin ihren Antrag in der mündlichen Verhandlung auf die Anerkennung des CRPS als Unfallfolge und die Gewährung von Verletztenrente entsprechend dem Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheides beschränkt hat.
Die Berufung ist aber unbegründet, denn der angefochtene Bescheid vom 07.12.2011 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung eines CRPS als Folge des Arbeitsunfalls vom 30.10.2006 und Zahlung von Verletztenrente nach § 56 Abs 1 S 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Gemäß § 56 Abs 1 S 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Mindern die Folgen des Versicherungsfalls die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vH, besteht für den Versicherungsfall gem § 56 Abs 1 S 2 u. 3 SGB VII Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit in Folge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die vom Hundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs 3 S 2 SGB VII wird bei einer MdE Teilrente in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente geleistet, der dem Grad der MdE entspricht. Ein hier allein als Versicherungsfall (§ 7 Abs 1 SGB VII) in Betracht kommender Arbeitsunfall (§ 8 Abs 1 SGB VII) liegt vor, wenn es bei einer der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Verrichtung des Versicherten zu einem von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis- gekommen ist, das einen Gesundheits(erst)schaden (Gesundheitsbeeinträchtigung, Krankheit oder Tod des Versicherten) verursacht hat (sogenannte haftungsbegründende Kausalität). Dieser Gesundheitserstschaden ist eine den Versicherungsfall selbst begründende Tatbestandsvoraussetzung, während das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (sogenannte haftungsausfüllende Kausalität) Voraussetzung für weitergehende Leistungsansprüche, wie zB die Gewährung einer Verletztenrente ist (vgl BSG SozR 4-2007 § 8 Nr 30 Rn 10 mwN).
Das Vorliegen eines Gesundheitserstschadens bzw eines Gesundheitsfolgeschadens (Unfallfolgen) muss im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen. Dagegen genügt für den Nachweis der (wesentlichen) Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserst- bzw -folgeschaden die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings nur die bloße Möglichkeit (vgl BSG Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R - in juris Rn 16).
Die Klägerin hat zwar am 30.10.2006 einen Wegeunfall bei Verrichtung einer nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherten Tätigkeit erlitten. Dieser Unfall hat aber keine Gesundheitsstörungen verursacht, die eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß bedingen. Als Folge dieses Unfalls hat sie eine Halswirbelsäulen-Distorsion, multiple Körperprellungen und Schürfwunden an den Handgelenken erlitten. Diese Gesundheitsstörungen sind jedoch folgenlos verheilt und bedingen keine MdE über die 26. Woche hinaus. Dies ergibt sich aus den Nachschauberichten vom 08.11.2006, 07.12.2006, 29.12.2006,19.01.2007 und 22.01.2007 sowie dem Gutachten von Dr. T2. Auch die Klägerin hat insofern nichts diesen ärztlichen Feststellungen entgegen stehendes vorgetragen.
Weitere Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls, insbesondere in Form eines CRPS, liegen nicht vor. Es kann weder festgestellt werden, dass ein CRPS bei der Klägerin vorliegt noch kann ein Zusammenhang der Beschwerden im Bereich der Hände - und hier insbesondere der rechten Hand - mit dem Unfall vom 30.10.2006 wahrscheinlich gemacht werden. Dies ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten von Dr. T2. Dieser hat mit nachvollziehbarer Begründung das Vorliegen eines CRPS bei der Klägerin ausgeschlossen und die Beschwerden der Klägerin -insbesondere im Bereich der Hand- auf eine aus körpereigenen Gründen entstandene schwere Arthrose an ganz unterschiedlichen Gelenkregionen zurückgeführt. Bei der Klägerin liegen schwerste Gelenkschwellungen und Verformungen der Endgelenke vor. Auch die Mittelgelenke zeigten arthrotische Veränderungen. Röntgenologisch und klinisch sind auch beide Daumensattelgelenke in schwerster Weise arthrotisch betroffen. Es handelt sich um eine schwere rechtsbetonte Hand-Polyarthrose, die weit überdurchschnittlich schwer ausgebildet ist. Diese schweren arthrotischen Veränderungen bestanden radiologisch nachweisbar bereits in den Jahren 2007, 2009 und 2010. Demgegenüber konnte Dr. T2 die Diagnose eines CRPS in Anwendung der insofern anerkannten und einschlägigen Budapest-Kriterien nicht stellen. Dr. T2 hat ausgeführt, dass die geschilderten Beschwerden der Klägerin durch die schweren deformierenden Arthrosen der Endgelenke in vollem Umfang erklärt seien. Auch die abnormen Schwellungen der Endgelenke und die hier leicht veränderte, gespannte Haut, sind bei einer schweren Heberden-Arthrose nicht ungewöhnlich und erklären sich durch einen entzündliche Begleitreaktion im Rahmen der Arthrose. Die nach den Budapest-Kriterien zu erwartenden Veränderungen der Hautfarbe oder Schwellungen lagen bei der Klägerin nur dort vor, wo auch die schwerwiegende Arthrose besteht. Über die arthrotischen Veränderungen hinaus haben sich bei der Klägerin an keiner Stelle eine abnorme Hautfarbe oder eine Schwellung feststellen lassen. Eine abnorme Schweißbildung bestand im Bereich der besonders betroffenen rechten Hand nicht. Eine veränderte Temperatur der Hände konnte Dr. T2 nicht feststellen. Dieser Befund entspricht auch der Feststellung von Prof. Dr. N anlässlich dessen Untersuchung der Klägerin vom 08.12.2010. Auch Wassereinlagerungen, seitendifferenten Haarwuchs und Veränderungen im Nagelwachstum konnte Dr. T2 nicht feststellen. Soweit die Klägerin anführt, in der Vergangenheit habe eine Störung des Nagelwachstums vorgelegen, hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme darauf hingewiesen, dass Störungen des Nagelwachstums nicht nur durch ein CRPS, sondern auch durch schwere arthrotische Veränderungen an den Endgelenken verursacht werden. Schließlich liegt auch ein nach den Budapest-Kriterien erforderlicher abnormer Schmerz, der durch das Anfangstrauma oder andere Erkrankungen nicht zu erklären ist, nicht vor. Vielmehr können die bei der Klägerin vorliegenden Schmerzen durch die schweren arthrotischen Veränderungen im Bereich der Hand erklärt werden. Dr. T2 hat auch darauf hingewiesen, dass der Verlauf der Erkrankung der Klägerin untypisch für ein CRPS ist. Anders als bei einem CRPS zu erwarten, ist es bei der Klägerin zu einer Steigerung der lokalen Symptome in der rechten Hand und besonders zu einer Verschlimmerung der radiologisch nachweisbaren Dekonstruktion der Endgelenke gekommen. Auch die linke Hand wird durch die Klägerin als zunehmend schmerzhaft empfunden. Auch dieser Umstand spricht dagegen, dass die Beschwerden der Klägerin auf ein unfallbedingtes CRPS zurückzuführen sind. Denn die Klägerin hat gegenüber Dr. T2 angeführt, dass die Schmerzen im Bereich der linken Hand seit ca zwei Jahren (vor der Untersuchung am 24.11.2015) verstärkt bestünden. Das Auftreten dieser Beschwerden ca sieben Jahre nach dem Unfall spricht damit ebenfalls gegen einen Kausalzusammenhang.
Schließlich fehlt es auch an ärztlich dokumentierten Brückensymptomen zwischen dem letzten Durchgangsarztbericht vom 09.03.2007 und der Untersuchung durch Prof. Dr. N am 19.01.2010. Soweit dieser in seinem Untersuchungsbericht vom gleichen Tage entsprechende Brückensymptome zugrunde legt, stützt er sich allein auf die anamnestischen Angaben der Klägerin, nicht aber auf zwischenzeitlich ärztlich erhobene und dokumentierte Befunde. Das Fehlen entsprechend dokumentierter Brückensymptome spricht nach Auffassung des Senates ebenfalls gewichtig gegen einen Kausalzusammenhang zwischen dem 2006 erlittenen Unfall und den aktuellen Beschwerden der Klägerin.
Demgegenüber vermag das Gutachten von Dr. B1 ebenso wenig zu überzeugen wie die außerhalb des vorliegenden Verfahrens erstellten Stellungnahmen und Gutachten von Prof. Dr. N und Prof. Dr. L. Prof. Dr. N stützt seine Beurteilung zwar ebenfalls auf die Budapest-Kriterien. Er übersieht jedoch, dass sowohl die von ihm festgestellten Befunde als auch die Schmerzzustände der Klägerin entgegen den Erfordernissen der Budapest-Kriterien durch die alternative Diagnose der nachweisbar vorliegenden arthrotischen Veränderungen zu erklären sind. Es finden sich keinerlei Hinweise in seinem Gutachten, dass er diese Veränderungen überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Gleiches gilt für das Gutachten von Prof. Dr. L. Auch dieser verneint das Vorliegen konkurrierender Ursachen für den Gesundheitsschaden an der rechten Hand und kommt dementsprechend zu dem unzutreffenden Ergebnis, dass die Beschwerden auf ein CRPS zurückzuführen sind. Im Ergebnis ist auch seine Beurteilung nicht mit dem Budapest-Kriterien in Einklang zu bringen. Schließlich vermag auch das Gutachten von Dr. B1 nicht zu überzeugen. Dieser referiert zwar den Akteninhalt. Es ist aber nicht ersichtlich und dargelegt, dass und anhand welcher Kriterien er seine Diagnose in Anwendung der Budapest-Kriterien gestellt hat. Vielmehr stützt er diese auf die Feststellungen von Prof. Dr. N sowie der Durchgangsärzte Dr. C vom 03.02.2011 und Hilal vom 22.09.2010, welche die Diagnose CRPS offensichtlich kritiklos aus dem Gutachten bzw der Stellungnahme von Prof. Dr. N übernommen haben. Dies ersetzt eine eigene Begründung nicht. Soweit Dr. B1 -insoweit in Übereinstimmung mit Dr. T2- eine Heberden-Arthrose der Endgelenke diagnostiziert, wird deren Ursächlichkeit für die Beschwerden der Klägerin nicht hinreichend diskutiert. Entgegen den Ausführungen von Dr. B1 lassen auch die zeitnah zum Unfall angefertigten Röntgenaufnahmen ausgeprägte Arthrosen der Endgelenke erkennen. Bereits auf den Röntgenaufnahmen vom 19.07.2010 finden sich die für eine Finger-Polyarthrose typischen Veränderungen an allen Mittelgelenken der Finger, am Daumenendgelenk und Daumengrundgelenk. Auch der beratende Arzt der Beklagten Dr. X hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass -entgegen der Auffassung von Dr. B1- konkurrierende Veränderungen als Ursache der Beschwerden der Klägerin feststellbar sind. Der von Dr. B1 gesehene enge zeitliche Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Auftreten der Beschwerden liegt bei fehlenden ärztlich dokumentierten Brückensymptomen zwischen 2007 und 2010 ebenfalls nicht vor.
Sonstige Unfallfolgen sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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