Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 39 P 11/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 P 6/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 34/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB zurückgewiesen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 04.12.2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 30.04.2016.
Die am 00.00.1929 geborene Klägerin ist bei der beklagten privaten Pflegeversicherung im Umfang von 30 v.H. gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit versichert. Sie erhielt von dem Beklagten vom 05.01.2007 bis 30.06.2008 Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I. Vom 01.07.2008 an gewährte der Beklagte Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe II. Die Grundlage hierfür bildeten Gutachten des Internisten Q, L, vom 31.07.2008, 30.12.2008 und 27.08.2009. In dem letztgenannten Gutachten hatte der Sachverständige u.a. ausgeführt, dass bei der Körperpflege ein Hilfebedarf von 86 Minuten, bei der Ernährung von 6 Minuten und bei der Mobilität von 30 Minuten -jeweils- täglich, insgesamt somit 122 Minuten bei der Grundpflege bestehe.
Der von dem Beklagten mit einer Untersuchung und Begutachtung der Klägerin beauftragte Dr. T gelangte in seinem Gutachten vom 30.11.2012 zu folgenden Ergebnissen: Im Bereich der Körperpflege benötige die Versicherte bei der Ganzkörperwäsche und beim Duschen Hilfe im Umfang von 8 Minuten täglich, bei der Ernährung von 2 Minuten täglich und im Bereich der Mobilität, beim An- und Auskleiden sowie Gehen im Umfang von 10 Minuten täglich. Insgesamt bestehe damit im Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von 20 Minuten; im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung ein solcher von 45 Minuten täglich. Es sei eine deutliche Besserung eingetreten. Eine solche Änderung bei dem Lebensalter sei ungewöhnlich, es sei der Hilfebedarf ausdrücklich mehrfach mit Fragen an die Klägerin sowie ihren Sohn erörtert worden.
Der Beklagte stellte daraufhin die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I oder II ab 01.01.2013 ein (Schreiben vom 20.12.2012).
Die Klägerin hat am 04.01.2013 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben.
Zur Begründung hat sie vorgetragen: Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehe weiterhin ein erheblicher Hilfebedarf, insbesondere im Bereich der Körperpflege und der Mobilität. Sie hat geltend gemacht, dass sie nahezu gar nicht mehr selbständig laufen könne und ganz überwiegend im Rollstuhl sitze. Dazu hat sie einen Befundbericht des Dr. N, Facharzt für Orthopädie, V, vom 18.11.2014 vorgelegt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin über den 31.12.2012 Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit zu erbringen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, das von ihm eingeholte Gutachten des Dr. T sei verbindlich, weil es nicht offensichtlich unrichtig sei. Der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich erheblich verbessert, der Pflegebedarf habe sich erheblich verringert.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 04.12.2014 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 11.12.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.01.2014 (Montag) Berufung eingelegt. Aufgrund der im Laufe des Berufungsverfahrens durchgeführten Beweisaufnahme hat der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.05.2017 das Vorliegen der Voraussetzungen für die Pflegestufe I ab Dezember 2013 sowie die der Pflegestufe II ab Mai 2016 anerkannt; die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Zur Begründung bringt sie vor: Ihr Gesundheitszustand habe sich nicht verbessert. Es habe auch von Januar 2013 bis April 2016 ein Hilfebedarf bestanden, der demjenigen der Pflegestufe II entspreche. Dies könne ihre Hausärztin I bestätigen. Die von dem Sachverständigen T zitierten Äußerungen, die sie angeblich zu der eingetretenen Besserung ihres Gesundheitszustandes gemacht habe, seien nicht zutreffend. Insbesondere habe sich auch im Hinblick auf die bei ihr bestehende Harninkontinenz eine Besserung des Gesundheitszustandes nicht ergeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 04.12.2014 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr in der Zeit vom 01.01.2013 bis 30.04.2016 Leistungen nach der Pflegestufe II zu gewähren.
Die Klägerin beantragt weiterhin,
die Einholung eines geriatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis für die Tatsache, dass die von Dr. T im Gutachten vom 30.11.2012 ausgeführten tatsächlichen gesundheitlichen Verbesserungen der Klägerin und die Verringerung des Grundpflegebedarfes im konkreten Fall von August 2009 bis November 2012 medizinisch unmöglich ist.
Weiterhin beantragt die Klägerin,
Frau Dr. I zum Beweis für die Tatsache zu vernehmen, dass der Betreuer der Klägerin dieser bereits im Jahr 2010, als er die Klägerin wieder vom Bett in den Rollstuhl verlegt hat, diese weiterhin wegen der bestehenden Inkontinenz mit selbst besorgten Inkontinenzmaterialien versorgt hat.
Die Klägerin benennt weiterhin Herrn Dr. Q als Zeugen zum Beweis für die Tatsache,
dass die in seinem Gutachten vom 07.02.2010 nicht aus eigener Anschauung erfahren hat, die Klägerin sei nicht mehr inkontinent.
Die Klägerin beantragt weiterhin,
Frau Prof. Dr. C zur Erläuterung ihres Sachverständigengutachtens zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält an der Ansicht fest, dass in dem Zeitraum vom 01.01.2013 bis 30.04.2016 die Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nicht erfüllt gewesen seien.
Der Senat hat zunächst Befund- und Behandlungsberichte des Orthopäden Dr. N, V, vom 30.06.2015 sowie der Ärztin für Allgemeinmedizin I, I, vom 24.07.2015 und des Prof. Dr. T1, Chefarzt der Chirurgischen Klinik der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken C vom 06.01.2015 eingeholt. Ferner hat der Senat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens der Prof. C, Department für Pflegewissenschaft, Universität X/I gGmbH, X, vom 30.05.2016. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die eingeholten Befundberichte sowie das Gutachten der Prof. C vom 30.05.2016 sowie die ergänzende Stellungnahme dieser Sachverständigen vom 24.09.2016.
Ferner hat der Senat eine Auskunft des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV NRW) vom 14.02.2017 eingeholt, in der mitgeteilt worden ist, dass die Klägerin Aufwendungen für Inkontinenzartikel mit Belegdatum vom 30.09.2010 und dann erst wieder mit Belegdatum vom 02.12.2013 an geltend gemacht hat.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.05.2017 hat der Senat die Schwester der Klägerin, Frau X, als Zeugin gehört. Wegen der Einzelheiten der Bekundungen der Zeugin wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Akten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. In dem Zeitraum vom 01.01.2013 bis 30.04.2016 bestand für die Klägerin kein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe II (dazu I.) Der Senat musste den (weiteren, hilfsweise neben dem Hauptantrag) gestellten Beweisanträgen der Klägerin nicht nachgehen (dazu II.)
I. Zulässige Klageart ist die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin ist bei dem Beklagten privat pflegeversichert. Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Gewährung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 01.01.2013 bis 30.04.2016 ist § 192 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Verbindung mit dem zwischen Klägerin und Beklagtem geschlossenen Vertrag über eine private Pflegeversicherung in Verbindung mit dem Bedingungsteil MB/PPV sowie dem Tarif PV für die private Pflegepflichtversicherung. Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftigkeit) ist gemäß § 1 Absatz 1 MB/PVV der Eintritt des Versicherungsfalls der Pflegebedürftigkeit (§ 1 Absatz 2 Satz 2 MB/PVV) und die Zuordnung zur Pflegestufe II nach Maßgabe der in § 1 Absatz 6 Buchstabe b) und Absatz 8 Buchstabe b) der MB/PVV normierten Voraussetzungen. Diese erfüllt die Klägerin in dem hier (noch) streitbefangenen Zeitraum vom 01.01.2013 - 30.04.2016 nicht mehr, denn gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die die Grundlage für die Leistungszusage des Beklagten bildeten (Gutachten des Internisten Dr. Q, L, vom 31.07.2008, 30.12.2008 und 27.08.2009), der Klägerin ab 01.07.2008 Leistungen nach der Pflegestufe II zu gewähren, ist ab 01.01. 2013 eine Änderung (Besserung) eingetreten. Diese berechtigte den Beklagten, seine Leistungszusage zu ändern und der Klägerin ab 01.01.2013 keine Leistungen mehr zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) findet die im Recht der sozialen Pflegeversicherung im Falle des Eintritts einer wesentlichen Änderung anzuwendende Vorschrift auf Leistungszusagen der privaten Pflegeversicherung weder unmittelbar noch mittelbar Anwendung (vergl. BSG, Urteil vom 23.07.2002, B 3 P 9/01 R). Vielmehr ist die Leistungszusage des Beklagten als deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu werten, an das der Beklagte bis zum Eintritt rechtlichen oder tatsächlichen Änderung gebunden bleibt und für deren Eintritt er die Beweislast trägt (BSG vom 23.07.2002 aaO).
Nach § 1 Absatz 2 Satz 2 MB/PVV sind Personen pflegebedürftig, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Gemäß § 1 Abs. 5 MB/PPV sind gewöhnliche und wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Absatzes 2 Satz 2:
a) im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung,
b) im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung,
c) im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung,
d) im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen.
Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind gemäß § 1 Abs. 6 Buchst. b) MB/PPV Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. b) MB/PPV wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens 3 Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens 2 Stunden entfallen.
Diese Voraussetzungen lagen bei der Klägerin in dem streitigen Zeitraum nicht mehr vor. Der bei ihr bestehende Hilfebedarf in der Grundpflege betrug im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 30.04.2016 nicht mehr wöchentlich mindestens 2 Stunden im Tagesdurchschnitt. Vielmehr erreichte der Hilfebedarf bis zum 30.11.2012 nicht einmal den für die Pflegestufe I erforderlichen Umfang von mehr als 45 Minuten in der Grundpflege; diese zeitliche Grenze wurde erst ab 01.12.2013 wieder überschritten. Das steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Feststellungen des von dem Beklagten beauftragten Sachverständigen Dr. T in dem Gutachten vom 30.11.2012, der hier zu einem Hilfebedarf von im Bereich der Grundpflege im Umfang von 20 Minuten täglich gelangt war, auch dann nicht für den Senat bindend wären, wenn sie nicht offenbar von der wirklichen Sachlage abweichen würden (vergl. dazu BSG, Urteil vom 22.04.2015, B 3 P 8/13 R).
Die gerichtliche Sachverständige Prof. C ist in dem Gutachten vom 30.05.2016, dass auf einer Untersuchung der Klägerin am 04.05.2016 beruht, zu dem Ergebnis gelangt, dass im Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von insgesamt 132 Minuten besteht; dabei entfällt auf die notwendige Hilfe bei der Darm-/Blasenentleerung ein zeitlicher Anteil von 24 Minuten täglich. Hinzu kommt, dass die Sachverständige es für notwendig gehalten hat, dass der Klägerin bei der Wäsche des Unterkörpers 3 mal täglich Hilfe im zeitlichen Umfang von je 6 Minuten, als insgesamt 18 Minuten gewährt wird. Soweit die Sachverständige in dem Gutachten insoweit " 24 Minuten" festhält, ist davon auszugehen, dass es sich um einen Rechenfehler handelt, denn die Sachverständige bezeichnet die Anzahl und die Dauer der Verrichtung. Tatsächlich beträgt der Hilfebedarf im Rahmen der Grundpflege damit 126 Minuten täglich. Dieses Ergebnis (allerdings einschließlich der auf dem erwähnten Rechenfehler beruhenden weiteren 6 Minuten) hat die gerichtliche Sachverständige in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 24.09.2016 bekräftigt. Sie hat in ihrem Gutachten ferner ausgeführt, "es müsse davon ausgegangen werden, dass sich der Unterstützungsbedarf kontinuierlich erhöht hat. Dieses zeigen auch die ärztlichen Berichte aus den Jahren 2014 - 2015". Die Klägerin hat die Richtigkeit dieser Feststellungen der Prof. C nicht bezweifelt; auch der Senat sieht keinen Anlass, diesem Ergebnis - bezogen auf die Zeit ab der Untersuchung der Klägerin durch die Sachverständige - nicht zu folgen. Schließlich hat auch der Beklagte diesem Beweisergebnis dadurch Rechnung getragen, dass er das Vorliegen der Pflegestufe II ab 01.05.2016 anerkannt hat.
Im Übrigen hat die Sachverständige Prof. C in der ergänzenden Stellungnahme vom 24.09.2016 ausgeführt, "ein genaues Datum, ab wann der Bedarf der Pflegestufe II eingetreten ist, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, jedoch handelt es sich nicht um einen erst vor der Begutachtung eingetretenen Bedarf". Hinsichtlich des Zeitraums ab 01.01.2013 folgt der Senat deshalb den Ergebnissen des Gutachtens des Dr. T vom 30.11.2012, wonach bei der Klägerin kein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mehr als 45 Minuten vorgelegen hat. Dieser Sachverständige hat sich in seinem Gutachten ausdrücklich und ausführlich damit auseinandergesetzt, dass bei der Klägerin eine derart umfassende Besserung eingetreten ist. Er hat das von ihm gefundene Ergebnis im Einzelnen nachvollziehbar begründet. In diesem Zusammenhang ist nicht entscheidend, dass allein Dr. T eine derartige Besserung beschreibt. Dies erklärt sich schon aus dem Umstand, dass die vorherige Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Internisten Q im Jahre 2009 erfolgte, und die nächste, auf Dr. T folgende Begutachtung erst im Jahre 2016 durch die gerichtliche Sachverständige Prof. C. Ferner hat Prof. C in ihrem Gutachten eine kontinuierliche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin beschrieben und dabei auf die ärztlichen Berichte aus den Jahren 2014 und 2015 abgestellt. In diesem Zusammenhang hat der Senat im Rahmen der Beweiswürdigung folgende Umstände zu berücksichtigt: Der Klägerin sind nach September 2010 erst wieder im Dezember 2013 Inkontinenzartikel ("Tena Lady Super Einlagen") durch ihre behandelnde Ärztin I verordnet worden (Auskunft der praktischen Ärztin I vom 24.01.2017). Dies deckt sich weitgehend mit den Angaben des Beklagten und der Beihilfestelle bei dem Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW, wonach erst im Dezember 2013 (nach September 2010 bzw. März 2009) wieder Aufwendungen für Inkontinenzartikel geltend gemacht worden sind. Die Zeugin X hat bei ihrer Vernehmung am 18.05.2017 ebenfalls nicht bekundet, dass die Klägerin spezielle Inkontinenzartikel benutzen mußte; vielmehr hat sie ausdrücklich angegeben, dass die Klägerin die gleichen in Supermärkten und Drogeriemärkten ohne ärztliche Verordnung erhältlichen Einlagen benutzte wie sie selbst, die nicht an einer Inkontinenz litt. Auch die Angaben zur Häufigkeit und Dauer der Toilettenbesuche der Klägerin weisen nicht darauf hin, dass hier ein umfangreicherer Hilfebedarf bestand. Diese Umstände sprechen insgesamt für eine hinsichtlich der Inkontinenz etwa ab Ende 2010 eingetretene Besserung, die bis Dezember 2013 anhielt. Erst danach ist wieder von einer kontinuierlichen Verschlechterung auszugehen. Deshalb ist ab Dezember 2013 vom Vorliegen der Voraussetzungen der Pflegestufe I auszugehen. Dem hat der Beklagte durch sein Anerkenntnis Rechnung getragen. Berücksichtigt man ferner, dass der zeitliche Hilfebedarf der Klägerin mit 126 Minuten in der Grundpflege erst im Mai 2016 die zeitliche Grenze von 2 Stunden knapp überschritt, so kann bei dieser Sachlage vor Mai 2016 das erneute Vorliegen der Voraussetzungen der Pflegestufe II nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.
Den im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.05.2017- hilfsweise - gestellten Beweisanträgen musste der Senat nicht nachgehen:
Der Antrag auf Einholung eines geriatrischen Sachverständigengutachtens bezieht sich auf die Verringerung des Grundpflegebedarfs im Zeitraum von August 2009 bis November 2012 - dieser Zeitraum ist jedoch für den von der Klägerin hier verfolgten Anspruch gänzlich unerheblich. In diesem Zeitraum hat die Klägerin vielmehr (noch) Leistungen der Pflegestufe II erhalten.
Die praktische Ärztin I mußte der Senat nicht als Zeugin zu der Versorgung mit selbstbesorgten Inkontinenzmaterialien im Jahre 2010 vernehmen, weil der Senat in seiner Entscheidung zum einen davon ausgegangen ist, dass die Klägerin noch im September 2010 Inkontinenzartikel ("Tena Pants Plus") von der Ärztin I verordnet worden sind; soweit die Klägerin mit dem Begriff "Inkontinenzartikel" Einlagen der von der Zeugin X beschriebenen Art gemeint haben sollte, ist der Senat von einem fortlaufenden Ge- und Verbrauch dieser Artikel durch die Klägerin (auch über das Jahr 2010 hinaus) ausgegangen. Schließlich ist die Versorgung der Klägerin im Jahr 2010 mit Inkontinenzartikeln (gleich welcher Art) für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich.
Die Zeugenvernehmung des Internisten Q war nicht erforderlich, weil das Gutachten dieses Arztes vom 07.02.2010 für die Entscheidung des Rechtsstreits bedeutungslos war und der Senat davon ausgeht, dass es nach Aktenlage erstattet worden ist.
Dem Antrag, die Sachverständige Prof. C zur Erläuterung ihres Gutachtens zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden, mußte der Senat nicht nachkommen, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, warum und inwieweit ein Bedarf zur Erläuterung des Gutachtens besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 30.04.2016.
Die am 00.00.1929 geborene Klägerin ist bei der beklagten privaten Pflegeversicherung im Umfang von 30 v.H. gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit versichert. Sie erhielt von dem Beklagten vom 05.01.2007 bis 30.06.2008 Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I. Vom 01.07.2008 an gewährte der Beklagte Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe II. Die Grundlage hierfür bildeten Gutachten des Internisten Q, L, vom 31.07.2008, 30.12.2008 und 27.08.2009. In dem letztgenannten Gutachten hatte der Sachverständige u.a. ausgeführt, dass bei der Körperpflege ein Hilfebedarf von 86 Minuten, bei der Ernährung von 6 Minuten und bei der Mobilität von 30 Minuten -jeweils- täglich, insgesamt somit 122 Minuten bei der Grundpflege bestehe.
Der von dem Beklagten mit einer Untersuchung und Begutachtung der Klägerin beauftragte Dr. T gelangte in seinem Gutachten vom 30.11.2012 zu folgenden Ergebnissen: Im Bereich der Körperpflege benötige die Versicherte bei der Ganzkörperwäsche und beim Duschen Hilfe im Umfang von 8 Minuten täglich, bei der Ernährung von 2 Minuten täglich und im Bereich der Mobilität, beim An- und Auskleiden sowie Gehen im Umfang von 10 Minuten täglich. Insgesamt bestehe damit im Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von 20 Minuten; im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung ein solcher von 45 Minuten täglich. Es sei eine deutliche Besserung eingetreten. Eine solche Änderung bei dem Lebensalter sei ungewöhnlich, es sei der Hilfebedarf ausdrücklich mehrfach mit Fragen an die Klägerin sowie ihren Sohn erörtert worden.
Der Beklagte stellte daraufhin die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I oder II ab 01.01.2013 ein (Schreiben vom 20.12.2012).
Die Klägerin hat am 04.01.2013 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben.
Zur Begründung hat sie vorgetragen: Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehe weiterhin ein erheblicher Hilfebedarf, insbesondere im Bereich der Körperpflege und der Mobilität. Sie hat geltend gemacht, dass sie nahezu gar nicht mehr selbständig laufen könne und ganz überwiegend im Rollstuhl sitze. Dazu hat sie einen Befundbericht des Dr. N, Facharzt für Orthopädie, V, vom 18.11.2014 vorgelegt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin über den 31.12.2012 Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit zu erbringen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, das von ihm eingeholte Gutachten des Dr. T sei verbindlich, weil es nicht offensichtlich unrichtig sei. Der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich erheblich verbessert, der Pflegebedarf habe sich erheblich verringert.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 04.12.2014 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 11.12.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.01.2014 (Montag) Berufung eingelegt. Aufgrund der im Laufe des Berufungsverfahrens durchgeführten Beweisaufnahme hat der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.05.2017 das Vorliegen der Voraussetzungen für die Pflegestufe I ab Dezember 2013 sowie die der Pflegestufe II ab Mai 2016 anerkannt; die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Zur Begründung bringt sie vor: Ihr Gesundheitszustand habe sich nicht verbessert. Es habe auch von Januar 2013 bis April 2016 ein Hilfebedarf bestanden, der demjenigen der Pflegestufe II entspreche. Dies könne ihre Hausärztin I bestätigen. Die von dem Sachverständigen T zitierten Äußerungen, die sie angeblich zu der eingetretenen Besserung ihres Gesundheitszustandes gemacht habe, seien nicht zutreffend. Insbesondere habe sich auch im Hinblick auf die bei ihr bestehende Harninkontinenz eine Besserung des Gesundheitszustandes nicht ergeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 04.12.2014 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr in der Zeit vom 01.01.2013 bis 30.04.2016 Leistungen nach der Pflegestufe II zu gewähren.
Die Klägerin beantragt weiterhin,
die Einholung eines geriatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis für die Tatsache, dass die von Dr. T im Gutachten vom 30.11.2012 ausgeführten tatsächlichen gesundheitlichen Verbesserungen der Klägerin und die Verringerung des Grundpflegebedarfes im konkreten Fall von August 2009 bis November 2012 medizinisch unmöglich ist.
Weiterhin beantragt die Klägerin,
Frau Dr. I zum Beweis für die Tatsache zu vernehmen, dass der Betreuer der Klägerin dieser bereits im Jahr 2010, als er die Klägerin wieder vom Bett in den Rollstuhl verlegt hat, diese weiterhin wegen der bestehenden Inkontinenz mit selbst besorgten Inkontinenzmaterialien versorgt hat.
Die Klägerin benennt weiterhin Herrn Dr. Q als Zeugen zum Beweis für die Tatsache,
dass die in seinem Gutachten vom 07.02.2010 nicht aus eigener Anschauung erfahren hat, die Klägerin sei nicht mehr inkontinent.
Die Klägerin beantragt weiterhin,
Frau Prof. Dr. C zur Erläuterung ihres Sachverständigengutachtens zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält an der Ansicht fest, dass in dem Zeitraum vom 01.01.2013 bis 30.04.2016 die Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nicht erfüllt gewesen seien.
Der Senat hat zunächst Befund- und Behandlungsberichte des Orthopäden Dr. N, V, vom 30.06.2015 sowie der Ärztin für Allgemeinmedizin I, I, vom 24.07.2015 und des Prof. Dr. T1, Chefarzt der Chirurgischen Klinik der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken C vom 06.01.2015 eingeholt. Ferner hat der Senat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens der Prof. C, Department für Pflegewissenschaft, Universität X/I gGmbH, X, vom 30.05.2016. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die eingeholten Befundberichte sowie das Gutachten der Prof. C vom 30.05.2016 sowie die ergänzende Stellungnahme dieser Sachverständigen vom 24.09.2016.
Ferner hat der Senat eine Auskunft des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV NRW) vom 14.02.2017 eingeholt, in der mitgeteilt worden ist, dass die Klägerin Aufwendungen für Inkontinenzartikel mit Belegdatum vom 30.09.2010 und dann erst wieder mit Belegdatum vom 02.12.2013 an geltend gemacht hat.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.05.2017 hat der Senat die Schwester der Klägerin, Frau X, als Zeugin gehört. Wegen der Einzelheiten der Bekundungen der Zeugin wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Akten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. In dem Zeitraum vom 01.01.2013 bis 30.04.2016 bestand für die Klägerin kein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe II (dazu I.) Der Senat musste den (weiteren, hilfsweise neben dem Hauptantrag) gestellten Beweisanträgen der Klägerin nicht nachgehen (dazu II.)
I. Zulässige Klageart ist die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin ist bei dem Beklagten privat pflegeversichert. Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Gewährung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 01.01.2013 bis 30.04.2016 ist § 192 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Verbindung mit dem zwischen Klägerin und Beklagtem geschlossenen Vertrag über eine private Pflegeversicherung in Verbindung mit dem Bedingungsteil MB/PPV sowie dem Tarif PV für die private Pflegepflichtversicherung. Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftigkeit) ist gemäß § 1 Absatz 1 MB/PVV der Eintritt des Versicherungsfalls der Pflegebedürftigkeit (§ 1 Absatz 2 Satz 2 MB/PVV) und die Zuordnung zur Pflegestufe II nach Maßgabe der in § 1 Absatz 6 Buchstabe b) und Absatz 8 Buchstabe b) der MB/PVV normierten Voraussetzungen. Diese erfüllt die Klägerin in dem hier (noch) streitbefangenen Zeitraum vom 01.01.2013 - 30.04.2016 nicht mehr, denn gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die die Grundlage für die Leistungszusage des Beklagten bildeten (Gutachten des Internisten Dr. Q, L, vom 31.07.2008, 30.12.2008 und 27.08.2009), der Klägerin ab 01.07.2008 Leistungen nach der Pflegestufe II zu gewähren, ist ab 01.01. 2013 eine Änderung (Besserung) eingetreten. Diese berechtigte den Beklagten, seine Leistungszusage zu ändern und der Klägerin ab 01.01.2013 keine Leistungen mehr zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) findet die im Recht der sozialen Pflegeversicherung im Falle des Eintritts einer wesentlichen Änderung anzuwendende Vorschrift auf Leistungszusagen der privaten Pflegeversicherung weder unmittelbar noch mittelbar Anwendung (vergl. BSG, Urteil vom 23.07.2002, B 3 P 9/01 R). Vielmehr ist die Leistungszusage des Beklagten als deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu werten, an das der Beklagte bis zum Eintritt rechtlichen oder tatsächlichen Änderung gebunden bleibt und für deren Eintritt er die Beweislast trägt (BSG vom 23.07.2002 aaO).
Nach § 1 Absatz 2 Satz 2 MB/PVV sind Personen pflegebedürftig, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Gemäß § 1 Abs. 5 MB/PPV sind gewöhnliche und wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Absatzes 2 Satz 2:
a) im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung,
b) im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung,
c) im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung,
d) im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen.
Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind gemäß § 1 Abs. 6 Buchst. b) MB/PPV Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. b) MB/PPV wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens 3 Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens 2 Stunden entfallen.
Diese Voraussetzungen lagen bei der Klägerin in dem streitigen Zeitraum nicht mehr vor. Der bei ihr bestehende Hilfebedarf in der Grundpflege betrug im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 30.04.2016 nicht mehr wöchentlich mindestens 2 Stunden im Tagesdurchschnitt. Vielmehr erreichte der Hilfebedarf bis zum 30.11.2012 nicht einmal den für die Pflegestufe I erforderlichen Umfang von mehr als 45 Minuten in der Grundpflege; diese zeitliche Grenze wurde erst ab 01.12.2013 wieder überschritten. Das steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Feststellungen des von dem Beklagten beauftragten Sachverständigen Dr. T in dem Gutachten vom 30.11.2012, der hier zu einem Hilfebedarf von im Bereich der Grundpflege im Umfang von 20 Minuten täglich gelangt war, auch dann nicht für den Senat bindend wären, wenn sie nicht offenbar von der wirklichen Sachlage abweichen würden (vergl. dazu BSG, Urteil vom 22.04.2015, B 3 P 8/13 R).
Die gerichtliche Sachverständige Prof. C ist in dem Gutachten vom 30.05.2016, dass auf einer Untersuchung der Klägerin am 04.05.2016 beruht, zu dem Ergebnis gelangt, dass im Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von insgesamt 132 Minuten besteht; dabei entfällt auf die notwendige Hilfe bei der Darm-/Blasenentleerung ein zeitlicher Anteil von 24 Minuten täglich. Hinzu kommt, dass die Sachverständige es für notwendig gehalten hat, dass der Klägerin bei der Wäsche des Unterkörpers 3 mal täglich Hilfe im zeitlichen Umfang von je 6 Minuten, als insgesamt 18 Minuten gewährt wird. Soweit die Sachverständige in dem Gutachten insoweit " 24 Minuten" festhält, ist davon auszugehen, dass es sich um einen Rechenfehler handelt, denn die Sachverständige bezeichnet die Anzahl und die Dauer der Verrichtung. Tatsächlich beträgt der Hilfebedarf im Rahmen der Grundpflege damit 126 Minuten täglich. Dieses Ergebnis (allerdings einschließlich der auf dem erwähnten Rechenfehler beruhenden weiteren 6 Minuten) hat die gerichtliche Sachverständige in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 24.09.2016 bekräftigt. Sie hat in ihrem Gutachten ferner ausgeführt, "es müsse davon ausgegangen werden, dass sich der Unterstützungsbedarf kontinuierlich erhöht hat. Dieses zeigen auch die ärztlichen Berichte aus den Jahren 2014 - 2015". Die Klägerin hat die Richtigkeit dieser Feststellungen der Prof. C nicht bezweifelt; auch der Senat sieht keinen Anlass, diesem Ergebnis - bezogen auf die Zeit ab der Untersuchung der Klägerin durch die Sachverständige - nicht zu folgen. Schließlich hat auch der Beklagte diesem Beweisergebnis dadurch Rechnung getragen, dass er das Vorliegen der Pflegestufe II ab 01.05.2016 anerkannt hat.
Im Übrigen hat die Sachverständige Prof. C in der ergänzenden Stellungnahme vom 24.09.2016 ausgeführt, "ein genaues Datum, ab wann der Bedarf der Pflegestufe II eingetreten ist, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, jedoch handelt es sich nicht um einen erst vor der Begutachtung eingetretenen Bedarf". Hinsichtlich des Zeitraums ab 01.01.2013 folgt der Senat deshalb den Ergebnissen des Gutachtens des Dr. T vom 30.11.2012, wonach bei der Klägerin kein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mehr als 45 Minuten vorgelegen hat. Dieser Sachverständige hat sich in seinem Gutachten ausdrücklich und ausführlich damit auseinandergesetzt, dass bei der Klägerin eine derart umfassende Besserung eingetreten ist. Er hat das von ihm gefundene Ergebnis im Einzelnen nachvollziehbar begründet. In diesem Zusammenhang ist nicht entscheidend, dass allein Dr. T eine derartige Besserung beschreibt. Dies erklärt sich schon aus dem Umstand, dass die vorherige Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Internisten Q im Jahre 2009 erfolgte, und die nächste, auf Dr. T folgende Begutachtung erst im Jahre 2016 durch die gerichtliche Sachverständige Prof. C. Ferner hat Prof. C in ihrem Gutachten eine kontinuierliche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin beschrieben und dabei auf die ärztlichen Berichte aus den Jahren 2014 und 2015 abgestellt. In diesem Zusammenhang hat der Senat im Rahmen der Beweiswürdigung folgende Umstände zu berücksichtigt: Der Klägerin sind nach September 2010 erst wieder im Dezember 2013 Inkontinenzartikel ("Tena Lady Super Einlagen") durch ihre behandelnde Ärztin I verordnet worden (Auskunft der praktischen Ärztin I vom 24.01.2017). Dies deckt sich weitgehend mit den Angaben des Beklagten und der Beihilfestelle bei dem Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW, wonach erst im Dezember 2013 (nach September 2010 bzw. März 2009) wieder Aufwendungen für Inkontinenzartikel geltend gemacht worden sind. Die Zeugin X hat bei ihrer Vernehmung am 18.05.2017 ebenfalls nicht bekundet, dass die Klägerin spezielle Inkontinenzartikel benutzen mußte; vielmehr hat sie ausdrücklich angegeben, dass die Klägerin die gleichen in Supermärkten und Drogeriemärkten ohne ärztliche Verordnung erhältlichen Einlagen benutzte wie sie selbst, die nicht an einer Inkontinenz litt. Auch die Angaben zur Häufigkeit und Dauer der Toilettenbesuche der Klägerin weisen nicht darauf hin, dass hier ein umfangreicherer Hilfebedarf bestand. Diese Umstände sprechen insgesamt für eine hinsichtlich der Inkontinenz etwa ab Ende 2010 eingetretene Besserung, die bis Dezember 2013 anhielt. Erst danach ist wieder von einer kontinuierlichen Verschlechterung auszugehen. Deshalb ist ab Dezember 2013 vom Vorliegen der Voraussetzungen der Pflegestufe I auszugehen. Dem hat der Beklagte durch sein Anerkenntnis Rechnung getragen. Berücksichtigt man ferner, dass der zeitliche Hilfebedarf der Klägerin mit 126 Minuten in der Grundpflege erst im Mai 2016 die zeitliche Grenze von 2 Stunden knapp überschritt, so kann bei dieser Sachlage vor Mai 2016 das erneute Vorliegen der Voraussetzungen der Pflegestufe II nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.
Den im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.05.2017- hilfsweise - gestellten Beweisanträgen musste der Senat nicht nachgehen:
Der Antrag auf Einholung eines geriatrischen Sachverständigengutachtens bezieht sich auf die Verringerung des Grundpflegebedarfs im Zeitraum von August 2009 bis November 2012 - dieser Zeitraum ist jedoch für den von der Klägerin hier verfolgten Anspruch gänzlich unerheblich. In diesem Zeitraum hat die Klägerin vielmehr (noch) Leistungen der Pflegestufe II erhalten.
Die praktische Ärztin I mußte der Senat nicht als Zeugin zu der Versorgung mit selbstbesorgten Inkontinenzmaterialien im Jahre 2010 vernehmen, weil der Senat in seiner Entscheidung zum einen davon ausgegangen ist, dass die Klägerin noch im September 2010 Inkontinenzartikel ("Tena Pants Plus") von der Ärztin I verordnet worden sind; soweit die Klägerin mit dem Begriff "Inkontinenzartikel" Einlagen der von der Zeugin X beschriebenen Art gemeint haben sollte, ist der Senat von einem fortlaufenden Ge- und Verbrauch dieser Artikel durch die Klägerin (auch über das Jahr 2010 hinaus) ausgegangen. Schließlich ist die Versorgung der Klägerin im Jahr 2010 mit Inkontinenzartikeln (gleich welcher Art) für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich.
Die Zeugenvernehmung des Internisten Q war nicht erforderlich, weil das Gutachten dieses Arztes vom 07.02.2010 für die Entscheidung des Rechtsstreits bedeutungslos war und der Senat davon ausgeht, dass es nach Aktenlage erstattet worden ist.
Dem Antrag, die Sachverständige Prof. C zur Erläuterung ihres Gutachtens zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden, mußte der Senat nicht nachkommen, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, warum und inwieweit ein Bedarf zur Erläuterung des Gutachtens besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Rechtskraft
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NRW
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