Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 21 KR 1291/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 480/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.07.2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob die Beklagte die Kosten für die bei der Klägerin durchgeführten Liposuktionen in Höhe von 15.897,02 EUR übernehmen muss.
Die 1977 geborene Klägerin leidet an einem Lipödem (chronische Fettverteilungsstörung) an Armen sowie Beinen und ist bei der Beklagten gegen das Risiko der Krankheit versichert. Am 12.11.2015 beantragte sie die Kostenübernahme für das operative Entfernen des Fettes mittels Absaugens (Liposuktion - "Daher bitte ich Sie um eine sach- und fachgerechte Bearbeitung und Behandlung meines Antrags zur Kostenübernahme einer Liposuktion bei einem Vertragsarzt mit kassenärztlicher Zulassung (KV Düsseldorf), wie den von mir präferierten Operateuren der D in L Dr. med. D und Dr. med. H"). Dem Antrag fügte sie ein Schreiben des Chirurgen Dr. H bei, in dem dieser unter anderem die Auffassung vertrat, dass die angestrebte Operation ambulant durchgeführt werden könne und Erfolg verspreche. Die ebenfalls beigefügten Kostenvoranschläge enthielten entsprechend ausschließlich Positionen für ambulant durchgeführte Leistungen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 26.11.2015). Die Liposuktion sei eine neue Behandlungsmethode und bisher noch nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) bewertet worden. Die Klägerin legte dagegen am 20.12.2015 Widerspruch ein und schilderte ausführlich ihre zunehmenden Beschwerden und Schmerzen infolge des Lipödems. Sie wies auf die über Jahre erfolglos durchgeführten, alle konventionellen Maßnahmen umfassenden Behandlungen und deren Unwirtschaftlichkeit im Verhältnis zur beantragten Liposuktion hin. Die Entscheidung der Beklagten hierüber wartete die Klägerin indes nicht ab, sondern ließ sich am 04.01. (3.000 ml an jedem Bein), 01.02. (1.400 ml an jedem Arm) und 01.03.2016 (erneut 2.700 ml an jedem Bein) Fett absaugen. Anschließend legte sie die Rechnungen des Operateurs Dr. H vom 06.01., 03.02. und 03.03.2016 über jeweils 4.540,89 EUR sowie der Anästhesistin Dr. H vom 08.01. über 856,92 EUR, vom 04.02. über 595,61 EUR sowie vom 04.03.2016 über 839,37 EUR vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 02.06.2016 zurück. Der GBA habe die unkonventionelle Behandlungsmethode der Liposuktion bisher nicht empfohlen. Ein Ausnahmefall, in dem dennoch die Kosten hierfür übernommen werden könnten, liege nicht vor, insbesondere bestehe kein "Systemmangel" oder eine lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung.
Dagegen hat die Klägerin am 29.06.2016 Klage erhoben und geltend gemacht, die Liposuktionen seien medizinisch notwendig gewesen. Aufgrund des Umfangs der Operationen sei es erforderlich gewesen, anschließend jeweils eine Nacht im Krankenhaus zu verbleiben, was auch geschehen sei. Damit liege eine vollstationäre Behandlung vor, für die es einer Empfehlung des GBA für die strittige Kostenübernahme nicht bedürfe. Auch das Gesundheitsamt der Stadt L habe bestätigt, dass alle konventionellen Behandlungsmethoden zuvor ohne Erfolg durchgeführt worden seien.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2016 zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die Liposuktionen am 04.01., 01.02. und 01.03.2016 zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine vollstationäre Behandlung sei ausweislich der Stellungnahmen des Operauteurs Dr. H und der Anästhesistin Dr. H nicht medizinisch indiziert gewesen.
Das Sozialgericht (SG) Köln hat Befundberichte beigezogen vom Chirurgen Dr. H sowie von Dr. M und der Ärztin I vom Zentrum für Gefäßmedizin und Venenchirurgie in L. Sie haben unter dem 14.11. bzw. 02.12.2016 übereinstimmend die Auffassung vertreten, bei der Klägerin seien Liposuktionen ambulant durchführbar (gewesen). Auf Nachfrage des Gerichtes hat Dr. H mit ergänzender Stellungnahme vom 27.03.2017 ausdrücklich bestätigt, dass die von ihm (mit-)durchgeführten drei Eingriffe ambulant erfolgt seien.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.07.2017). Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, die Kosten für die durchgeführten ambulanten Liposuktionen i.H.v. 15.897,02 EUR erstattet zu erhalten. Versicherte hätten nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nur Anspruch auf Erstattung der Kosten für notwendige, selbstbeschaffte Leistungen, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig habe erbringen können (1. Alternative) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe (2. Alternative) und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschafften Leistungen Kosten entstanden seien. Dieser Kostenerstattungsanspruch setze einen Primäranspruch voraus, d.h. einen Sach- und/oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Der Anspruch gehe nicht weiter als der Primäranspruch (BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 -; Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 -; Urteil vom 24.09.1996 - 1 R Ka 33/95 -). Ein solcher Sachleistungsanspruch auf eine ambulant durchgeführte Liposuktion habe nicht bestanden. Er könne gem. §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V nur solche Leistungen umfassen, die zweckmäßig und wirtschaftlich seien und deren Qualität dem allgemein anerkannten Standard der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Dies sei bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben habe oder ein Ausnahmefall vorliege, in dem dies entbehrlich sei. Daran fehle es für die unkonventionelle Behandlungsmethode der Liposuktion. So sei auch bereits in der höchstrichterlichen und der obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden, dass eine Kostenerstattung für ambulant durchgeführte Liposuktionen nicht in Betracht komme (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12.02.2014 - B 1 KR 30/13 B -; Urteil vom 16.12.2008 -; Senat, Urteil vom 16.11.2015 - L 11 KR 342/15 -). Die Liposuktionen vom 04.01., 01.02. und 01.03.2016 seien sämtlich ambulant durchgeführt worden. Dies ergebe sich eindeutig aus der ergänzenden Stellungnahme des Operateurs Dr. H vom 27.03.2017. Die ambulant durchgeführten Operationen würden auch nicht dadurch zu einer stationären Liposuktion, dass die Klägerin sich anschließend jeweils stationär in das N Krankenhaus St. I in L begeben habe. Die streitbefangenen Liposuktionen würden hierdurch nicht "im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt", wie dies § 137c Abs. 3 SGB V erfordere. Bei der D Klinik von Dr. D und Dr. H handele es sich auch nicht um ein Krankenhaus im Sinne des § 107 Abs. 1 SGB V. Es stehe nicht unter ständiger fachmedizinischer Leitung und sei auch nicht darauf ausgerichtet, mithilfe jederzeit verfügbarer Ärzte, Pflege- sowie weiterem Personal Krankheiten von Patienten zu erkennen sowie ärztlich und pflegerisch zu heilen, ihre Verschlimmerung zu vermeiden, Krankheitsbeschwerden zu lindern, Geburtshilfe zu leisten, Patienten zu verpflegen etc. Im Übrigen wären stationäre Liposuktionen bei der Klägerin auch nicht notwendig gewesen (§ 137c SGB V). Dies hätten die behandelnden Ärzte Dr. H (Befundbericht vom 01.07.2015 sowie ergänzende Stellungnahme vom 14.11.2016) sowie Dr. M und die Ärztin I (Befundbericht vom 02.12.2016) übereinstimmt bestätigt. Für die Frage der Notwendigkeit einer stationären Behandlung komme es allein auf die medizinischen Erfordernisse an und nicht darauf, ob sich der Versicherte unabhängig davon habe stationär behandeln lassen (BSG, Urteil 10.03.2015 - B 1 KR 27/15 R -).
Das Urteil ist der Klägerin am 13.07.2017 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 19.07.2017 Berufung eingelegt und vorgetragen: Die Operationen seien in den Räumlichkeiten des Sankt I Krankenhaus in L durchgeführt worden. Sie habe dort bereits zuvor ein Zimmer bezogen. Es habe festgestanden, dass sie dort postoperativ über Nacht verbleiben werde. Dies habe der Operateur von ihr verlangt. In den drei Rechnungen von Dr. D und Dr. H seien entsprechend jeweils 615,30 EUR für die stationäre Unterbringung enthalten (Position "Besondere Kosten/Auslagen"). Sie sei damit in das Krankenhaus einen Tag und eine Nacht lang organisatorisch eingegliedert gewesen. Dies sei auch medizinisch erforderlich gewesen, da jeweils mehr als 2.000 ml Gewebe entnommen worden seien. Das entspreche der Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Hessen im Urteil vom 05.02.2013 - L 1 KR 391/12 -, das sich dabei auf ein Sachverständigengutachten und die GÄCD Leitlinien zur Liposuktion gestützt habe. Im Übrigen ergäbe sich der Anspruch auch aus einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichtes Köln vom 10.07.2017 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2016 zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die am 04.01., 01.03. sowie 01.02.2016 durchgeführten Liposuktionen zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Aus dem Vortrag in der Berufungsbegründung ergebe sich nichts wesentliches Neues. Bereits den Rechnungen sei zu entnehmen, dass ambulant behandelt worden sei.
Der Senat hat gegenüber den Beteiligten angekündigt, über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für entbehrlich hält. Die Klägerbevollmächtigte hat daraufhin noch einmal die Gerichts- und Verwaltungsakten eingesehen. Eine von ihr angekündigte ergänzende Stellungnahme ist weder bis zum Ende der hierfür gesetzten noch bis zum Ende der auf Antrag der Bevollmächtigten verlängerten Frist erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Senat kann über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist. Die Beteiligten sind hierzu angehört worden.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen; denn der Beschluss des Beklagten vom 26.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Zur Begründung nimmt der Senat auf die Gründe des Bescheids vom 26.11.2015 und des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2016 (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. 136 Abs. 3 SGG) sowie des angefochtenen Urteils vom 10.07.2017 Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG), die er sich nach eingehender Prüfung zu eigen macht.
Ergänzend wird ausgeführt: Das SG geht zu Recht von - vom Operateur Dr. H bestätigten - ambulanten Operationen (Liposuktionen) aus. Wo sich die Klägerin vorher und/oder nacher einquartiert hat und ob dies auf Anraten oder auf Vermittlung des Operateurs erfolgte, ist unerheblich, da es sich um unterschiedliche Räumlichkeiten, Rechtsträger und Rechtsverhältnisse handelte.
Würde man etwas anderes - nämlich stationäre Operationen - unterstellen, so bestände der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch ebenfalls nicht. Die Klägerin hat nämlich mit ihrem Antrag vom 12.11.2015 ausdrücklich keine stationäre Behandlung beantragt, sondern die "Übernahme einer Liposuktion bei einem Vertragsarzt mit Kassenzulassung", also ambulante Leistungen. Dementsprechend betrafen die dem Antrag beigefügten Kostenvoranschläge ebenfalls nur ambulante Operationen und auch dem Begleitschreiben des Operateurs vom 01.07.2015 war zu entnehmen, dass die "Liposculptur" "ambulant durchgeführt werden kann und erfolgversprechend" sei. Nur über die so beantragte ambulante Liposuktion konnte und hat die Beklagte entschieden. Hätte sich die Klägerin anschließend statt der beantragten ambulanten Leistungen stationäre selbst besorgt, so würde es für den strittigen Anspruch auf Kostenerstattung bereits an der notwendigen Leistungsablehnung durch die Beklagte fehlen (§ 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V; Schifferdecker in KassKomm-SGB V, 29. EL., Juli 2017, § 13 Rn. 88; Helbig in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage, 2016, § 13 Rn. 52 m.w.N.).
Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch ergibt sich auch nicht aus einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V. Der Antrag der Klägerin stammt vom 12.11.2015. Hierüber hat die Beklagte binnen zwei Wochen, nämlich bereits am 26.11.2015, entschieden und den Bescheid per Post versandt. Er gilt gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Anhaltspunkte für einen späteren Zugang liegen nicht vor. Ein solcher wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
Ein Anspruch auf Erstattung der zwischenzeitlich der Klägerin in Rechnung gestellten Kosten scheidet darüber hinaus - zumindest zu einem großen Teil - auch deshalb aus, weil ihr keine bzw. deutlich geringere als die eingeklagten Kosten entstanden sind. Die Klägerin war insoweit keiner rechtswirksamen Vergütungsforderung ausgesetzt.
Der Kostenerstattungsanspruch eines Versicherten, der sich die Leistung selbst beschafft hat, setzt nämlich voraus, dass dem behandelnden Arzt gegen ihn ein rechtswirksamer Vergütungsanspruch aus der Behandlung erwachsen ist (BSG, Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R -; Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Senat, Urteil vom 12.07.2017 - L 11 KR 28/16 -). Hier fehlt es bezüglich der Rechnungen des Operateurs Dr. H vom 06.01., 03.02. und 03.03.2016 über jeweils 4.540,89 EUR an ordnungsgemäßen Abrechnungen. Denn geht es - wie vorliegend - um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, so besteht ein Vergütungsanspruch des Arztes nur, wenn dem Patienten darüber eine Abrechnung nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erteilt worden ist. Vorbehaltlich anders lautender Bundesgesetze verpflichtet § 1 Abs. 1 GOÄ alle Ärzte, die Vergütungen für ihre beruflichen Leistungen nach der GOÄ zu berechnen. Erst mit der Erteilung einer den Vorschriften dieser Verordnung entsprechenden Rechnung wird die Vergütung fällig (§ 12 Abs. 1 GOÄ). Vorher trifft den Patienten keine Zahlungsverpflichtung (BSG, Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R -; Senat, Urteil vom 12.07.2017 - L 11 KR 28/16 -).
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GOÄ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr, soweit in den - vorliegend nicht einschlägigen - Absätzen 3 bis 5 nichts anderes bestimmt ist, nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ). In der Regel darf eine Gebühr nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes - sog. Regelspanne - bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ). Überschreitet eine berechnete Gebühr nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ das 2,3fache des Gebührensatzes, ist dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GOÄ). Nach dem Zweck der Pflicht zur schriftlichen Begründung, dem Zahlungspflichtigen eine (lediglich) grobe Handhabe an die Hand zu geben, um die Rechtfertigung des geltend gemachten Gebührenanspruchs abschätzen zu können, sind zwar keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Die vom Arzt gegebene - auf die einzelne Leistung bezogene - Begründung muss aber geeignet sein, das Vorliegen solcher Umstände verständlich und nachvollziehbar zu machen, welche nach dem materiellen Gebührenrecht eine Überschreitung des Schwellenwertes und insbesondere den Ansatz des Höchstsatzes von 3,5 rechtfertigen können. Die Begründung kann nicht durch die schlichte Wiedergabe der Bemessungskriterien erfüllt werden. Es bedarf vielmehr einer individuellen, auf den Behandlungsfall bezogenen Begründung (Landesberufsgericht für Heilberufe Münster, Urteil vom 20.05.2016 - 6t A 2817/13.T -). Diesen Anforderungen genügen nur die Abrechnungen der Anästhesistin Dr. H vom 08.01. (lautend auf 856,92 EUR), vom 04.02. (lautend auf 595,61 EUR) sowie vom 04.03.2016 (lautend auf 839,37 EUR), nicht aber die Rechnungen des Chirurgen Dr. H vom 06.01., 03.02. und 03.03.2016 (lautend jeweils auf 4.540,89 EUR).
Die wiederholten, pauschalen und nicht auf die einzelnen Leistungen bezogenen Begründungen des Chirurgen Dr. H für die Erhöhungen von Gebührenpositionen auf den 3,5 bis 9fachen Satz entsprechen nicht § 12 Abs. 3 GOÄ. Die undifferenzierten Begründungen sind formelhaft und ohne jeden Bezug auf konkrete einzelne Positionen. Dass vorliegend nicht konkret und individuell jede einzelne Operation abgerechnet wurde, sondern (verschleiert) pauschal, legt bereits ein Vergleich der drei Rechnungen des Chirurgen Dr. H untereinander und mit den Rechnungen der Anästhesistin Dr. H nahe. So führten die drei Operationen der Klägerin mit ganz unterschiedlichen Mengen an abzusehendem Fett (zwischen 2.800 ml bis zu 6.000 ml) an unterschiedlichen Körperregionen (Armen und Beinen) bei der Anästhesistin folgerichtig und in sich schlüssig zu drei Rechnungen, die sich sowohl in den Einzelpositionen als auch im Gesamtpreis deutlich unterschieden. Ganz anders die Situation beim Chirurgen Dr. H. Hier entsprechen sich trotz offensichtlich deutlich unterschiedlicher Operationen nicht nur die drei Gesamtpreise; auch die Einzelpositionen sind vollständig identisch bis hin zu den Steigerungsätzen und den hierfür angeführten "Begründungen". Das ist implausibel.
Auch die Analogberechnung erfüllt nicht die Anforderungen von § 12 Abs. 4 GOÄ. Dadurch fehlt es bereits an der Prüffähigkeit der Rechnung (vgl. Landgericht Hamburg, Urteil vom 29.06.2016 - 332 S 61/14 -). Darüber hinaus lässt die Berechnung des 9fachen Satzes an Wucher (§ 138 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch) denken (vgl. dazu BSG, Urteil vom 11.09.2012 - B 1 KR 3/12 R - m.w.N).
Dennoch - d.h. ohne positive Kenntnis dieser Rechtslage - geleistete Zahlungen kann der Patient vom Arzt selbst dann zurückfordern, wenn er sich mit dem Operationsergebnis zufrieden gezeigt hat (BSG, Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R -; BGH, Urteil vom 23.06.2006 - III ZR 223/05 -; Senat, Urteil vom 12.07.2017 - L 11 KR 28/16 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Gründe:
I.
Streitig ist, ob die Beklagte die Kosten für die bei der Klägerin durchgeführten Liposuktionen in Höhe von 15.897,02 EUR übernehmen muss.
Die 1977 geborene Klägerin leidet an einem Lipödem (chronische Fettverteilungsstörung) an Armen sowie Beinen und ist bei der Beklagten gegen das Risiko der Krankheit versichert. Am 12.11.2015 beantragte sie die Kostenübernahme für das operative Entfernen des Fettes mittels Absaugens (Liposuktion - "Daher bitte ich Sie um eine sach- und fachgerechte Bearbeitung und Behandlung meines Antrags zur Kostenübernahme einer Liposuktion bei einem Vertragsarzt mit kassenärztlicher Zulassung (KV Düsseldorf), wie den von mir präferierten Operateuren der D in L Dr. med. D und Dr. med. H"). Dem Antrag fügte sie ein Schreiben des Chirurgen Dr. H bei, in dem dieser unter anderem die Auffassung vertrat, dass die angestrebte Operation ambulant durchgeführt werden könne und Erfolg verspreche. Die ebenfalls beigefügten Kostenvoranschläge enthielten entsprechend ausschließlich Positionen für ambulant durchgeführte Leistungen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 26.11.2015). Die Liposuktion sei eine neue Behandlungsmethode und bisher noch nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) bewertet worden. Die Klägerin legte dagegen am 20.12.2015 Widerspruch ein und schilderte ausführlich ihre zunehmenden Beschwerden und Schmerzen infolge des Lipödems. Sie wies auf die über Jahre erfolglos durchgeführten, alle konventionellen Maßnahmen umfassenden Behandlungen und deren Unwirtschaftlichkeit im Verhältnis zur beantragten Liposuktion hin. Die Entscheidung der Beklagten hierüber wartete die Klägerin indes nicht ab, sondern ließ sich am 04.01. (3.000 ml an jedem Bein), 01.02. (1.400 ml an jedem Arm) und 01.03.2016 (erneut 2.700 ml an jedem Bein) Fett absaugen. Anschließend legte sie die Rechnungen des Operateurs Dr. H vom 06.01., 03.02. und 03.03.2016 über jeweils 4.540,89 EUR sowie der Anästhesistin Dr. H vom 08.01. über 856,92 EUR, vom 04.02. über 595,61 EUR sowie vom 04.03.2016 über 839,37 EUR vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 02.06.2016 zurück. Der GBA habe die unkonventionelle Behandlungsmethode der Liposuktion bisher nicht empfohlen. Ein Ausnahmefall, in dem dennoch die Kosten hierfür übernommen werden könnten, liege nicht vor, insbesondere bestehe kein "Systemmangel" oder eine lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung.
Dagegen hat die Klägerin am 29.06.2016 Klage erhoben und geltend gemacht, die Liposuktionen seien medizinisch notwendig gewesen. Aufgrund des Umfangs der Operationen sei es erforderlich gewesen, anschließend jeweils eine Nacht im Krankenhaus zu verbleiben, was auch geschehen sei. Damit liege eine vollstationäre Behandlung vor, für die es einer Empfehlung des GBA für die strittige Kostenübernahme nicht bedürfe. Auch das Gesundheitsamt der Stadt L habe bestätigt, dass alle konventionellen Behandlungsmethoden zuvor ohne Erfolg durchgeführt worden seien.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2016 zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die Liposuktionen am 04.01., 01.02. und 01.03.2016 zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine vollstationäre Behandlung sei ausweislich der Stellungnahmen des Operauteurs Dr. H und der Anästhesistin Dr. H nicht medizinisch indiziert gewesen.
Das Sozialgericht (SG) Köln hat Befundberichte beigezogen vom Chirurgen Dr. H sowie von Dr. M und der Ärztin I vom Zentrum für Gefäßmedizin und Venenchirurgie in L. Sie haben unter dem 14.11. bzw. 02.12.2016 übereinstimmend die Auffassung vertreten, bei der Klägerin seien Liposuktionen ambulant durchführbar (gewesen). Auf Nachfrage des Gerichtes hat Dr. H mit ergänzender Stellungnahme vom 27.03.2017 ausdrücklich bestätigt, dass die von ihm (mit-)durchgeführten drei Eingriffe ambulant erfolgt seien.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.07.2017). Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, die Kosten für die durchgeführten ambulanten Liposuktionen i.H.v. 15.897,02 EUR erstattet zu erhalten. Versicherte hätten nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nur Anspruch auf Erstattung der Kosten für notwendige, selbstbeschaffte Leistungen, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig habe erbringen können (1. Alternative) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe (2. Alternative) und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschafften Leistungen Kosten entstanden seien. Dieser Kostenerstattungsanspruch setze einen Primäranspruch voraus, d.h. einen Sach- und/oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Der Anspruch gehe nicht weiter als der Primäranspruch (BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 -; Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 -; Urteil vom 24.09.1996 - 1 R Ka 33/95 -). Ein solcher Sachleistungsanspruch auf eine ambulant durchgeführte Liposuktion habe nicht bestanden. Er könne gem. §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V nur solche Leistungen umfassen, die zweckmäßig und wirtschaftlich seien und deren Qualität dem allgemein anerkannten Standard der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Dies sei bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben habe oder ein Ausnahmefall vorliege, in dem dies entbehrlich sei. Daran fehle es für die unkonventionelle Behandlungsmethode der Liposuktion. So sei auch bereits in der höchstrichterlichen und der obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden, dass eine Kostenerstattung für ambulant durchgeführte Liposuktionen nicht in Betracht komme (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12.02.2014 - B 1 KR 30/13 B -; Urteil vom 16.12.2008 -; Senat, Urteil vom 16.11.2015 - L 11 KR 342/15 -). Die Liposuktionen vom 04.01., 01.02. und 01.03.2016 seien sämtlich ambulant durchgeführt worden. Dies ergebe sich eindeutig aus der ergänzenden Stellungnahme des Operateurs Dr. H vom 27.03.2017. Die ambulant durchgeführten Operationen würden auch nicht dadurch zu einer stationären Liposuktion, dass die Klägerin sich anschließend jeweils stationär in das N Krankenhaus St. I in L begeben habe. Die streitbefangenen Liposuktionen würden hierdurch nicht "im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt", wie dies § 137c Abs. 3 SGB V erfordere. Bei der D Klinik von Dr. D und Dr. H handele es sich auch nicht um ein Krankenhaus im Sinne des § 107 Abs. 1 SGB V. Es stehe nicht unter ständiger fachmedizinischer Leitung und sei auch nicht darauf ausgerichtet, mithilfe jederzeit verfügbarer Ärzte, Pflege- sowie weiterem Personal Krankheiten von Patienten zu erkennen sowie ärztlich und pflegerisch zu heilen, ihre Verschlimmerung zu vermeiden, Krankheitsbeschwerden zu lindern, Geburtshilfe zu leisten, Patienten zu verpflegen etc. Im Übrigen wären stationäre Liposuktionen bei der Klägerin auch nicht notwendig gewesen (§ 137c SGB V). Dies hätten die behandelnden Ärzte Dr. H (Befundbericht vom 01.07.2015 sowie ergänzende Stellungnahme vom 14.11.2016) sowie Dr. M und die Ärztin I (Befundbericht vom 02.12.2016) übereinstimmt bestätigt. Für die Frage der Notwendigkeit einer stationären Behandlung komme es allein auf die medizinischen Erfordernisse an und nicht darauf, ob sich der Versicherte unabhängig davon habe stationär behandeln lassen (BSG, Urteil 10.03.2015 - B 1 KR 27/15 R -).
Das Urteil ist der Klägerin am 13.07.2017 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 19.07.2017 Berufung eingelegt und vorgetragen: Die Operationen seien in den Räumlichkeiten des Sankt I Krankenhaus in L durchgeführt worden. Sie habe dort bereits zuvor ein Zimmer bezogen. Es habe festgestanden, dass sie dort postoperativ über Nacht verbleiben werde. Dies habe der Operateur von ihr verlangt. In den drei Rechnungen von Dr. D und Dr. H seien entsprechend jeweils 615,30 EUR für die stationäre Unterbringung enthalten (Position "Besondere Kosten/Auslagen"). Sie sei damit in das Krankenhaus einen Tag und eine Nacht lang organisatorisch eingegliedert gewesen. Dies sei auch medizinisch erforderlich gewesen, da jeweils mehr als 2.000 ml Gewebe entnommen worden seien. Das entspreche der Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Hessen im Urteil vom 05.02.2013 - L 1 KR 391/12 -, das sich dabei auf ein Sachverständigengutachten und die GÄCD Leitlinien zur Liposuktion gestützt habe. Im Übrigen ergäbe sich der Anspruch auch aus einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichtes Köln vom 10.07.2017 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2016 zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die am 04.01., 01.03. sowie 01.02.2016 durchgeführten Liposuktionen zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Aus dem Vortrag in der Berufungsbegründung ergebe sich nichts wesentliches Neues. Bereits den Rechnungen sei zu entnehmen, dass ambulant behandelt worden sei.
Der Senat hat gegenüber den Beteiligten angekündigt, über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für entbehrlich hält. Die Klägerbevollmächtigte hat daraufhin noch einmal die Gerichts- und Verwaltungsakten eingesehen. Eine von ihr angekündigte ergänzende Stellungnahme ist weder bis zum Ende der hierfür gesetzten noch bis zum Ende der auf Antrag der Bevollmächtigten verlängerten Frist erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Senat kann über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist. Die Beteiligten sind hierzu angehört worden.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen; denn der Beschluss des Beklagten vom 26.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Zur Begründung nimmt der Senat auf die Gründe des Bescheids vom 26.11.2015 und des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2016 (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. 136 Abs. 3 SGG) sowie des angefochtenen Urteils vom 10.07.2017 Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG), die er sich nach eingehender Prüfung zu eigen macht.
Ergänzend wird ausgeführt: Das SG geht zu Recht von - vom Operateur Dr. H bestätigten - ambulanten Operationen (Liposuktionen) aus. Wo sich die Klägerin vorher und/oder nacher einquartiert hat und ob dies auf Anraten oder auf Vermittlung des Operateurs erfolgte, ist unerheblich, da es sich um unterschiedliche Räumlichkeiten, Rechtsträger und Rechtsverhältnisse handelte.
Würde man etwas anderes - nämlich stationäre Operationen - unterstellen, so bestände der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch ebenfalls nicht. Die Klägerin hat nämlich mit ihrem Antrag vom 12.11.2015 ausdrücklich keine stationäre Behandlung beantragt, sondern die "Übernahme einer Liposuktion bei einem Vertragsarzt mit Kassenzulassung", also ambulante Leistungen. Dementsprechend betrafen die dem Antrag beigefügten Kostenvoranschläge ebenfalls nur ambulante Operationen und auch dem Begleitschreiben des Operateurs vom 01.07.2015 war zu entnehmen, dass die "Liposculptur" "ambulant durchgeführt werden kann und erfolgversprechend" sei. Nur über die so beantragte ambulante Liposuktion konnte und hat die Beklagte entschieden. Hätte sich die Klägerin anschließend statt der beantragten ambulanten Leistungen stationäre selbst besorgt, so würde es für den strittigen Anspruch auf Kostenerstattung bereits an der notwendigen Leistungsablehnung durch die Beklagte fehlen (§ 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V; Schifferdecker in KassKomm-SGB V, 29. EL., Juli 2017, § 13 Rn. 88; Helbig in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage, 2016, § 13 Rn. 52 m.w.N.).
Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch ergibt sich auch nicht aus einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V. Der Antrag der Klägerin stammt vom 12.11.2015. Hierüber hat die Beklagte binnen zwei Wochen, nämlich bereits am 26.11.2015, entschieden und den Bescheid per Post versandt. Er gilt gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Anhaltspunkte für einen späteren Zugang liegen nicht vor. Ein solcher wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
Ein Anspruch auf Erstattung der zwischenzeitlich der Klägerin in Rechnung gestellten Kosten scheidet darüber hinaus - zumindest zu einem großen Teil - auch deshalb aus, weil ihr keine bzw. deutlich geringere als die eingeklagten Kosten entstanden sind. Die Klägerin war insoweit keiner rechtswirksamen Vergütungsforderung ausgesetzt.
Der Kostenerstattungsanspruch eines Versicherten, der sich die Leistung selbst beschafft hat, setzt nämlich voraus, dass dem behandelnden Arzt gegen ihn ein rechtswirksamer Vergütungsanspruch aus der Behandlung erwachsen ist (BSG, Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R -; Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Senat, Urteil vom 12.07.2017 - L 11 KR 28/16 -). Hier fehlt es bezüglich der Rechnungen des Operateurs Dr. H vom 06.01., 03.02. und 03.03.2016 über jeweils 4.540,89 EUR an ordnungsgemäßen Abrechnungen. Denn geht es - wie vorliegend - um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, so besteht ein Vergütungsanspruch des Arztes nur, wenn dem Patienten darüber eine Abrechnung nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erteilt worden ist. Vorbehaltlich anders lautender Bundesgesetze verpflichtet § 1 Abs. 1 GOÄ alle Ärzte, die Vergütungen für ihre beruflichen Leistungen nach der GOÄ zu berechnen. Erst mit der Erteilung einer den Vorschriften dieser Verordnung entsprechenden Rechnung wird die Vergütung fällig (§ 12 Abs. 1 GOÄ). Vorher trifft den Patienten keine Zahlungsverpflichtung (BSG, Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R -; Senat, Urteil vom 12.07.2017 - L 11 KR 28/16 -).
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GOÄ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr, soweit in den - vorliegend nicht einschlägigen - Absätzen 3 bis 5 nichts anderes bestimmt ist, nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ). In der Regel darf eine Gebühr nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes - sog. Regelspanne - bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ). Überschreitet eine berechnete Gebühr nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ das 2,3fache des Gebührensatzes, ist dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GOÄ). Nach dem Zweck der Pflicht zur schriftlichen Begründung, dem Zahlungspflichtigen eine (lediglich) grobe Handhabe an die Hand zu geben, um die Rechtfertigung des geltend gemachten Gebührenanspruchs abschätzen zu können, sind zwar keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Die vom Arzt gegebene - auf die einzelne Leistung bezogene - Begründung muss aber geeignet sein, das Vorliegen solcher Umstände verständlich und nachvollziehbar zu machen, welche nach dem materiellen Gebührenrecht eine Überschreitung des Schwellenwertes und insbesondere den Ansatz des Höchstsatzes von 3,5 rechtfertigen können. Die Begründung kann nicht durch die schlichte Wiedergabe der Bemessungskriterien erfüllt werden. Es bedarf vielmehr einer individuellen, auf den Behandlungsfall bezogenen Begründung (Landesberufsgericht für Heilberufe Münster, Urteil vom 20.05.2016 - 6t A 2817/13.T -). Diesen Anforderungen genügen nur die Abrechnungen der Anästhesistin Dr. H vom 08.01. (lautend auf 856,92 EUR), vom 04.02. (lautend auf 595,61 EUR) sowie vom 04.03.2016 (lautend auf 839,37 EUR), nicht aber die Rechnungen des Chirurgen Dr. H vom 06.01., 03.02. und 03.03.2016 (lautend jeweils auf 4.540,89 EUR).
Die wiederholten, pauschalen und nicht auf die einzelnen Leistungen bezogenen Begründungen des Chirurgen Dr. H für die Erhöhungen von Gebührenpositionen auf den 3,5 bis 9fachen Satz entsprechen nicht § 12 Abs. 3 GOÄ. Die undifferenzierten Begründungen sind formelhaft und ohne jeden Bezug auf konkrete einzelne Positionen. Dass vorliegend nicht konkret und individuell jede einzelne Operation abgerechnet wurde, sondern (verschleiert) pauschal, legt bereits ein Vergleich der drei Rechnungen des Chirurgen Dr. H untereinander und mit den Rechnungen der Anästhesistin Dr. H nahe. So führten die drei Operationen der Klägerin mit ganz unterschiedlichen Mengen an abzusehendem Fett (zwischen 2.800 ml bis zu 6.000 ml) an unterschiedlichen Körperregionen (Armen und Beinen) bei der Anästhesistin folgerichtig und in sich schlüssig zu drei Rechnungen, die sich sowohl in den Einzelpositionen als auch im Gesamtpreis deutlich unterschieden. Ganz anders die Situation beim Chirurgen Dr. H. Hier entsprechen sich trotz offensichtlich deutlich unterschiedlicher Operationen nicht nur die drei Gesamtpreise; auch die Einzelpositionen sind vollständig identisch bis hin zu den Steigerungsätzen und den hierfür angeführten "Begründungen". Das ist implausibel.
Auch die Analogberechnung erfüllt nicht die Anforderungen von § 12 Abs. 4 GOÄ. Dadurch fehlt es bereits an der Prüffähigkeit der Rechnung (vgl. Landgericht Hamburg, Urteil vom 29.06.2016 - 332 S 61/14 -). Darüber hinaus lässt die Berechnung des 9fachen Satzes an Wucher (§ 138 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch) denken (vgl. dazu BSG, Urteil vom 11.09.2012 - B 1 KR 3/12 R - m.w.N).
Dennoch - d.h. ohne positive Kenntnis dieser Rechtslage - geleistete Zahlungen kann der Patient vom Arzt selbst dann zurückfordern, wenn er sich mit dem Operationsergebnis zufrieden gezeigt hat (BSG, Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R -; BGH, Urteil vom 23.06.2006 - III ZR 223/05 -; Senat, Urteil vom 12.07.2017 - L 11 KR 28/16 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Satz 1 SGG).
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