L 4 P 851/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 P 6047/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 851/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Februar 2017 und der Bescheid der Beklagten vom 12. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2014 werden abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 11. Juli 2016 bis 31. Dezember 2016 um EUR 87,00 monatlich erhöhtes Pflegegeld zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Beklagte erstattet der Klägerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt zusätzliches Pflegegeld wegen einer dauerhaften erheblichen Einschränkung ihrer Alltagskompetenz.

Die bei der Beklagten versicherte, am 1935 geborene Klägerin bezieht seit Februar 2014 Leistungen nach der Pflegestufe II, seit 1. Januar 2017 nach Pflegegrad 3. Die häusliche Pflege in ihrer Wohnung wird durch eine im Haushalt lebende, selbst beschaffte Pflegeperson sichergestellt. Als pflegebegründende Diagnosen wurden im Gutachten der Pflegefachkraft S. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) aufgrund einer Untersuchung in häuslicher Umgebung am 19. Februar 2014 Morbus Parkinson mit Gangstörung, beginnende Inkontinenz und Bewegungseinschränkung bei Zustand nach Spinalkanalstenose und Wirbelkörperfraktur sowie Rhabdomyolose genannt. Eine demenzbedingte Fähigkeitsstörung, geistige Behinderung oder psychische Erkrankung wurde verneint.

Unter dem 7. Juli 2014 beantragte die Klägerin zusätzliche Leistungen bei erheblichem Bedarf an allgemeiner Betreuung und Beaufsichtigung. Im Selbstauskunftsbogen (ausgefüllt vom Sohn der Klägerin) gab sie an, sie verkenne Gefahren, wolle alleine in den Keller und Autofahren. Sie bringe sich durch Fehleinschätzungen selbst in Gefahr und würde ohne Pflegeperson andere Verkehrsteilnehmer gefährden. Sie könne bei fehlender Erinnerung Absprachen nicht mehr einhalten, suche ständig Gegenstände. Hin und wieder sei der Tag-/Nach-Rhythmus gestört. Sie sei dann zeitlich desorientiert und rufe in der Nacht nach der Pflegeperson. Sie sei schnell reizbar, misstraue jedem, auch ihrem Sohn, verkenne Hilfsleistungen und fühle sich schnell bevormundet. Aufgrund erneuter Untersuchung am 5. August 2014 erstattete Pflegefachkraft S. vom MDK ein weiteres Gutachten. Darin wird ausgeführt, dass die Angaben der Klägerin im Selbstauskunftsbogen zur eingeschränkten Alltagskompetenz bei der Begutachtung nicht hätten nachvollzogen werden können. Die Alltagskompetenz sei nicht eingeschränkt.

Mit Bescheid vom 12. August 2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf zusätzliche Betreuungsleistungen ab. Eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz auf Dauer sei nicht gegeben.

Hiergegen legte die Klägerin am 27. August 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung legte sie einen Arztbrief ihres Neurologen Dr. A. vom 29. September 2014 vor.

Nach Einholung einer sozialmedizinischen Fallberatung durch die Pflegefachkraft Z. (MDK) vom 15. Oktober 2014, wonach sich aus den vorliegenden Unterlagen eine Einschränkung der Alltagskompetenz der Klägerin nicht ergebe, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2014 den Widerspruch der Klägerin zurück.

Am 29. Dezember 2014 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Freiburg und beantragte zuletzt die Feststellung einer dauerhaften erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz und die Erhöhung des ihr gewährten Pflegegeldes nach § 123 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Zur Begründung führte sie aus, die Beurteilung des MDK gebe ihren Gesundheitszustand nicht erschöpfend wieder. Ihr Sohn, der im Besitz einer Vorsorgevollmacht sei und täglich in persönlichem Kontakt zu ihr stehe, habe zunehmend Orientierungs- und Selbsteinschätzungsdefizite bei ihr festgestellt, die im Selbstauskunftsbogen wiedergegeben seien. Zur gleichen Einschätzung kämen auch die Mitarbeiterinnen des ambulanten Pflegedienstes. Nach Einschätzung des Neurologen Dr. A. sei sie, die Klägerin, in ihrer Mobilität erheblich eingeschränkt und benötige für die Aktivitäten des täglichen Lebens eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung (Arztbrief vom 29. September 2014). Auch ihre Hausärztin Dr. Se. habe die Neigung zur Selbstüberschätzung und die Notwendigkeit einer Dauerhilfe festgestellt (Attest vom 20. Februar 2015). Der Vorsorgebevollmächtigte organisiere deshalb seit geraumer Zeit eine 24-Stunden-Betreuung der Klägerin, um dieser das Leben im häuslichen Umfeld zu gewährleisten. Er gehe davon aus, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Begutachtung durch den MDK einen "sehr guten Tag" gehabt habe und dabei die geschildeten Probleme der über den ganzen Tag und über die Nacht verteilten vor allem mentalen Ausfälle nicht erkannt werden konnten. Diese schränkten sie jedoch in ihrer Alltagskompetenz so erheblich ein, dass ein eigenständiges Leben ohne 24stündige Anwesenheit einer Betreuungsperson nicht mehr möglich sei. Die Angaben des Neurologen Dr. A. (Attest vom 1. Juli 2015 und sachverständige Zeugenaussage vom 15. Dezember 2015) bestätigten das Vorliegen kognitiver Beeinträchtigungen. Das Gutachten des MDK vom 14. Juni 2016 (dazu sogleich) nach Aktenlage sei unzureichend und nicht geeignet, die Angaben von Dr. A. zu entkräften. Dem Gutachten des Sachverständigen M. könne nicht gefolgt werden, weil das von ihm durchgeführte Assessment auf einer verkürzten Fragestellung beruhe.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie hat ein Gutachten (nach Aktenlage) der Pflegefachkraft H. (MDK) vom 14. Juni 2016 vorgelegt. Die Angaben von Dr. A. auf seine ergänzende Befragung (dazu sogleich) entsprächen exakt den Angaben im Selbstauskunftsbogen und beruhten allein auf den fremdanamnestischen Angaben der Schwiegertochter der Klägerin. Aus den Angaben folge kein regelmäßiger (d.h. täglicher) und dauerhafter (d.h. mindestens sechs Monate andauernder) Bedarf an Beaufsichtigung und Betreuung der Klägerin. Es handele sich um einmalige Vorkommnisse. Zudem ergäben sich keine eindeutigen Hinweise auf Orientierungsschwierigkeiten oder eine schwere Beeinträchtigung des Gedächtnisses. Neu sei die von Dr. A. gestellte Diagnose einer Parkinson-Demenz. Kognitive Funktionseinschränkungen seien jedoch nur in leichter Form dokumentiert. Spezifische Testungen hinsichtlich einer demenziellen Entwicklung habe Dr. A. nicht erhoben.

Das SG hat die Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. A. gab am 15. Dezember 2015 an, in der Vergangenheit sei es aufgrund der Medikamententherapie zu Halluzinationen und unruhigen Träumen gekommen, so dass eine Umstellung der Medikamente erfolgt sei. In der Folge seien dann keine Halluzinationen mehr aufgetreten. Auch wenn eigenanamnestisch die Gedächtnisfunktionen der Klägerin als altersentsprechend angegeben worden seien, spreche das Auftreten von Halluzinationen für die Entwicklung einer kognitiven Störung im Rahmen der Parkinson-Erkrankung. Fremdanamnestisch sei im Juni 2015 ein erhöhter Bedarf an Alltagsbetreuung von Seiten des Sohnes und der Sozialstation festgestellt worden, die Klägerin verkenne zunehmend die Realität. Auch dies spreche für eine kognitive Einschränkung. Eine spezifische Testung hinsichtlich einer dementiellen Entwicklung sei nicht erhoben worden. Hinweise auf ein depressives Syndrom oder eine andere psychiatrische Erkrankung lägen nicht vor. Die Alltagskompetenz der Klägerin sei eingeschränkt, weil sie Hilfe beim Duschen, Toilettengang, Anziehen und Essen benötige. Das Gehen finde selbstständig am Rollator statt. Auf ergänzende Befragung gab Dr. A. unter dem 13. April 2016 an, fremdanamnestisch (Telefonat mit der Schwiegertochter der Klägerin) zeige die Klägerin zeitweise Verwirrtheitsepisoden mit zeitlicher Desorientiertheit, stehe nachts ein bis zwei Mal auf und überschätze ihre motorischen Funktionen. Sie komme im Alltag immer wieder in Situationen, in denen sie ihre motorischen Fähigkeiten überschätze und sich hierdurch in Gefahr begebe (in den Keller gehen und nicht mehr hochkommen, auf die Straße laufen, Autofahren wollen). Intermittierend komme es zu Erinnerungslücken. Es würden häufiger Gegenstände im Haushalt gesucht. Sie sei zeitlich desorientiert. Aufgrund der Parkinson-Demenz komme es zu einer erhöhten Reizbarkeit und Misstrauen gegenüber den Angehörigen. Es komme zu einem sog. herausfordernden Verhalten, bedingt durch die Verkennungen im Alltag. Die Hausärztin Dr. Se. gab an (ohne Datum, eingegangen beim SG am 23. Dezember 2015), sie habe bei der Klägerin keine Befunde im Sinne einer dementiellen Störung, geistigen Behinderung oder psychischen Erkrankung erhoben, und verwies insoweit auf die Behandlung durch Dr. A ...

Das SG holte außerdem von Amts wegen ein Pflegegutachten ein. Der Sachverständige, Dipl. Pflegewirt M., gelangte im Gutachten vom 2. Oktober 2016, das er auf Grundlage einer Untersuchung im häuslichen Umfeld der Klägerin erstattete, zu dem Ergebnis, dass keine eingeschränkte Alltagskompetenz vorliege. Die beschriebenen Auffälligkeiten sollten unter dem Aspekt betrachtet werden, dass die Klägerin bewusst einen massiven körperlichen Fähigkeitsverlust erfahre, ohne etwas dagegen tun zu können. Dies könne Unruhe, Abwehrverhalten und auch Aggressivität hervorrufen. Die ärztlichen Aussagen von Dr. A. beruhten auf Fremdanamnese. Sie seien nicht evident, weil die Assessments fehlten. Das von ihm durchgeführte Assessment habe Einschränkungen lediglich beim Verkennen von Alltagssituationen und inadäquatem Reagieren im Alltag aufgrund geschilderter optischer Halluzinationen (Klägerin sehe manchmal große Fliegen im Raum) ergeben.

Mit Urteil vom 7. Februar 2017 wies das SG die Klage ab und führte zur Begründung aus, die Klage sei auch hinsichtlich des gesonderten Feststellungsbegehrens zulässig, weil eine dauerhaft erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz Voraussetzung für zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b Abs. 1 SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung sowie für erhöhtes Pflegegeld nach § 123 SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung sei. Außerdem führe die Überleitungsvorschrift des § 140 SGB XI in der Fassung ab 1. Januar 2017 dazu, dass die Klägerin bei einer entsprechenden Feststellung in den Pflegegrad 4 anstatt 3 gelangen würde. Die Klage sei auch insoweit zulässig, als die Klägerin zuletzt nur noch die Erhöhung des Pflegegeldes nach § 123 SGB XI begehrt habe und nicht mehr zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Beide Ansprüche könnten unabhängig voneinander geltend gemacht werden. Die Klage sei jedoch unbegründet, weil ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung im Sinne von § 45a SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung nicht festgestellt werden könne. Voraussetzung seien demenzbedingte Fähigkeitsstörungen, geistige Behinderungen oder psychische Erkrankungen, die Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens hätten, welche dauerhaft zu einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz führten. Lediglich sporadisch auftretende Einschränkungen genügten nicht. Wie sich aus der ergänzenden Zeugenaussage von Dr. A. ergebe, liege eine dauerhafte erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz der Klägerin noch nicht vor. Auch aus den vom Sohn der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Beispielsfällen ergebe sich, dass es nur hin und wieder zu Einschränkungen der Alltagskompetenz komme. Die Klägerin neige weder regelmäßig und dauerhaft dazu, den Wohnbereich unkontrolliert zu verlassen, noch sei die Rede davon, dass sie ständig beispielsweise die Herdplatten in der Küche in Betrieb lassen würde, noch sei geltend gemacht worden, dass der Tag- und Nachtrhythmus ständig gestört sei oder dass etwa eine zeitlich überwiegende Hoffnungslosigkeit aufgrund einer therapieresistenten Depression im Zusammenhang mit dem Morbus Parkinson bestehe. Sämtliche von der Klägerseite und dem sachverständigen Zeugen nach Rücksprache mit der Schwiegertochter der Klägerin geschilderten Auswirkungen im Sinne einer Einschränkung der Alltagskompetenz träten nicht dauerhaft oder regelmäßig auf, sondern nur sporadisch/gelegentlich. Das heiße auf der anderen Seite, dass eine Pflegeperson, die der Klägerin zur Verfügung stünde, sie an den meisten Tagen auch noch eine Zeit lang allein zu Hause lassen könne, ohne dass "etwas passiere", oder die Klägerin etwa dann regelmäßig unkontrolliert die Wohnung verlassen würde und sich in Gefahr begeben würde. Soweit die Klägerin überraschend die Absicht oder den Wunsch äußere, draußen einige Reben schneiden zu gehen oder einen Spaziergang zu machen bzw. ins Auto zu steigen, um einkaufen zu gehen, handele es sich in der Regel nicht um von der Klägerin danach auch praktisch realisierte Absichten, sondern um bloße Absichtserklärungen, von denen die Klägerin durch gutes Zureden bzw. durch Zurückführen auf ihre Sitzgelegenheit wieder abgebracht werden könne. Die Einschränkungen der Alltagskompetenz lägen deshalb im Fall der Klägerin bisher nur gelegentlich vor.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 20. Februar 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. März 2017 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das SG stütze seine Entscheidung auf Tatsachen über die es keine Kenntnis habe. Auf eine Feststellung der Dauerhaftigkeit der einzelnen Verhaltensweisen komme es auch nicht an. Mit der Feststellung, dass einzelne Einschränkungen der Alltagskompetenz gemäß den Katalogtatbeständen des § 45a Abs. 2 SGB XI (in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung) vorliegen (Assessment), sei auch deren Dauerhaftigkeit impliziert. Diese Betrachtung sei auch sinnhaft, weil schon ein einmaliges Fehlverhalten zu gravierenden Selbstschädigungen oder Schädigungen Dritter führen könne. Die Neigung der Klägerin zu den beschriebenen Verhaltensweisen verbunden mit dem Unwissen darüber, wann ein solches Verhalten wieder auftrete, ziehe die Erfordernis nach sich, die Klägerin rund um die Uhr zu betreuen. Das Verhalten der Klägerin sei nicht vorhersehbar. Es sei zumindest fahrlässig, die Klägerin ohne Aufsicht zu lassen. Dr. A. bestätige in seiner Auskunft vom 2. Juli 2017 (dazu sogleich) den Vortrag der Klägerin. Das Vorliegen demenzbedingter Fähigkeitsstörungen gehe zwingend mit einer Dauerhaftigkeit derselben und der durch sie verursachten erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz einher.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Februar 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 12. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2014 aufzuheben und festzustellen, dass bei der Klägerin eine dauerhafte erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz vorliegt, und die Beklagte zu verurteilen, das Pflegegeld der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 31. Dezember 2014 um EUR 85,00 und für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2016 um EUR 87,00 monatlich zu erhöhen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Nach den Feststellungen des SG liege eine dauerhafte erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz noch nicht vor. In allen fünf eingeholten Gutachten sei keine Einschränkung der Alltagskompetenz der Klägerin im Sinne von § 45a SGB XI festgestellt worden. Eine dementielle Erkrankung sei nicht nachgewiesen. Zu den ergänzenden Angaben von Dr. A. vom 2. Juli 2017 (dazu sogleich) hat die Beklagte ein weiteres Gutachten des MDK (Dr. P.) vom 31. August 2017 vorgelegt. Danach sei unstreitig, dass die Klägerin kognitive Beeinträchtigungen in den von Dr. A. beschriebenen Bereichen habe. Der Test alleine gebe jedoch noch keinen Aufschluss darüber, ob und wie sich diese Einschränkungen im Alltag auswirkten. Grundvoraussetzung für eine Einschränkung der Alltagskompetenz im Sinne von § 45a SGB XI sei, dass ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Betreuung regelmäßig und auf Dauer vorliege. Dies könne vorliegend nicht bestätigt werden. Die Situationen, in denen die Versicherte noch Auto fahren wolle oder in den Keller gehe, kämen nicht regelmäßig vor und sie habe dies auch nicht durchgeführt, sondern lediglich ihre Absicht geäußert. Das einmalige Verlassen des Wohnbereichs ohne Begleitung könne nicht als dauerhaft gewertet werden. Aufgrund der erheblichen Mobilitätseinschränkungen sei die Klägerin nachvollziehbar auf umfangreiche grundpflegerische Hilfe bei Tag und bei Nacht angewiesen. Dadurch benötige sie bei fast allen Verrichtungen des täglichen Lebens fremde Hilfe und könne nachvollziehbar ihren Alltag ohne Fremdhilfe nicht mehr bestreiten. Ausgeprägte kognitive Einschränkungen bestünden jedoch nicht.

Der Senat hat Dr. A. ergänzend schriftlich befragt. Unter dem 2. Juli 2017 gab er an, seit April 2016 habe sich die Klägerin weitere vier Male bei ihm vorgestellt. Dabei sei es vorwiegend um die medikamentöse Anpassung im Rahmen der Parkinson-Erkrankung gegangen. Eigenanamnestisch habe die Klägerin im Juli 2016 von Schwierigkeiten bei der Durchführung der Aktivitäten des täglichen Lebens (Hygiene, Kochen, Putzen, Waschen) berichtet. Halluzinationen habe sie verneint. Er habe am 11. Juli 2016 ein neuropsychologisches Screening durchgeführt. Dabei habe die Klägerin 15 von 30 möglichen Punkten mit Bestätigung einer Demenz erzielt. Es habe sich eine räumliche Verarbeitungsstörung, geringe Wortfindungsstörung und Aufmerksamkeitsproblematik gezeigt. Die verbale Fluenz (Nennen von Wörtern mit F) sei deutlich reduziert. Das Abfragen einer Wortliste habe deutliche mnestische Defizite gezeigt. Zusätzlich liege eine unscharfe zeitliche Orientierung vor. Insgesamt sei von einer mittelgradigen kognitiven Störung auszugehen. Seit Oktober 2016 bezögen sich die Beschwerden vorliegend auf die motorischen Phänomene des Morbus Parkinson mit zunehmender Gangstörung und medikamenteninduzierte Störungen der Bewegungsabläufe. Dabei sei aufgefallen, dass die Klägerin die Medikation teils unzuverlässig einnehme.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG). Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung. Denn die Klägerin begehrt Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind nur Leistungen nach § 123 SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung. Da die verbesserten Pflegeleistungen für Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz nach § 123 SGB XI mit Wirkung ab 1. Januar 2017 entfallen sind, kann der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf diese Leistungen nur die Zeit vom 7. Juli 2014 (Tag des Antrags; § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB XI) bis 31. Dezember 2016 umfassen. Nicht Gegenstand der Berufung sind Leistungen nach der seit 1. Januar 2017 geltenden Rechtslage. Gegenstand ist des Weiteren das Begehren auf Feststellung der erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz.

3. Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen.

a) Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsbegehrens unzulässig. Es fehlt an einem Feststellungsinteresse der Klägerin an der isolierten Feststellung einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung. Zwar ist diese Feststellung Voraussetzung der Übergangsregelung des § 140 SGB XI. Nach dessen Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Buchst. c werden Versicherte, bei denen eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz festgestellt wurde, bei gleichzeitigem Vorliegen der Pflegestufe II nach den §§ 14 und 15 SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in den Pflegegrad 4 (anstatt 3) übergeleitet. Die begehrte Feststellung ist aber zugleich Voraussetzung des Leistungsbegehrens der Klägerin nach § 123 Abs. 1 SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (dazu sogleich). Die begehrte Feststellung erfolgt inzident, so dass es eines isolierten Feststellungsantrags nicht bedarf.

b) Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist teilweise begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit mit diesem Bescheid die Gewährung höheren Pflegegeldes für die Zeit vom 11. Juli 2016 bis 31. Dezember 2016 abgelehnt wird.

aa) Nach § 123 Abs. 1 SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung haben Versicherte, die wegen erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, neben den Leistungen nach § 45b SGB XI bis zum Inkrafttreten eines Gesetzes, das die Leistungsgewährung aufgrund eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines entsprechenden Begutachtungsverfahrens regelt, Ansprüche auf Pflegeleistungen nach Maßgabe der Abs. 2 bis 4 des § 123 SGB XI. Nach § 123 Abs. 4 SGB XI erhöht sich für Pflegebedürftige der Pflegestufe II das Pflegegeld nach § 37 SGB XI um EUR 87 auf EUR 545 (in der bis 31. Dezember 2014 geltenden Fassung um EUR 85 auf EUR 525).

Die Feststellung des Vorliegens einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung erfolgt gemäß § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB XI jeweils auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Antragstellung (hier der 7. Juli 2014) geltenden Rechts. In der bis 31. Dezember 2014 geltenden Fassung regelte § 45a Abs. 1 SGB XI: Die Leistungen in diesem Abschnitt betreffen Pflegebedürftige in häuslicher Pflege, bei denen neben dem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§§ 14 und 15 SGB XI) ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung gegeben ist. Dies sind (1.) Pflegebedürftige der Pflegestufen I, II und III sowie (2.) Personen, die einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung haben, der nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreicht, mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, bei denen der MDK oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter im Rahmen der Begutachtung nach § 18 SGB XI als Folge der Krankheit oder Behinderung Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens festgestellt haben, die dauerhaft zu einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz geführt haben. Für die Bewertung, ob die Einschränkung der Alltagskompetenz auf Dauer erheblich ist, sind nach § 45a Abs. 2 Satz 1 SGB XI folgende Schädigungen und Fähigkeitsstörungen maßgebend: (1.) unkontrolliertes Verlassen des Wohnbereiches (Weglauftendenz); (2.) Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen; (3.) unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potenziell gefährdenden Substanzen; (4.) tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation; (5.) im situativen Kontext inadäquates Verhalten; (6.) Unfähigkeit, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen; (7.) Unfähigkeit zu einer erforderlichen Kooperation bei therapeutischen oder schützenden Maßnahmen als Folge einer therapieresistenten Depression oder Angststörung; (8.) Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt haben; (9.) Störung des Tag-/Nacht-Rhythmus; (10.) Unfähigkeit, eigenständig den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren; (11.) Verkennen von Alltagssituationen und inadäquates Reagieren in Alltagssituationen; (12.) ausgeprägtes labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten; (13.) zeitlich überwiegend Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit aufgrund einer therapieresistenten Depression. Die Alltagskompetenz ist nach § 45a Abs. 2 Satz 2 SGB XI erheblich eingeschränkt, wenn der Gutachter des MDK oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter bei dem Pflegebedürftigen wenigstens in zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche (1.) bis (9.), dauerhafte und regelmäßige Schädigungen oder Fähigkeitsstörungen feststellen. Der GKV-Spitzenverband Bund der Pflegekassen beschließt nach § 45a Abs. 2 Satz 3 SGB XI mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene, der maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen auf Bundesebene und des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Ergänzung der Richtlinien nach § 17 SGB XI das Nähere zur einheitlichen Begutachtung und Feststellung des erheblichen und dauerhaften Bedarfs an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung. Unter Abschnitt E1 der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) ist das Verfahren zur Feststellung von Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz niedergelegt.

bb) Unter Anlegung dieser Maßstäbe hat die Klägerin Anspruch auf erhöhtes Pflegegeld nach § 123 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 SGB XI für die Zeit vom 11. Juli 2016 bis 31. Dezember 2016. Die Voraussetzungen des § 45a SGB XI sind erfüllt. Eine erhebliche Einschränkung der Klägerin in ihrer Alltagskompetenz ist seit dem 11. Juli 2016 nachgewiesen.

(1) Die Klägerin leidet an Morbus Parkinson Stadium IV mit Gangstörung, beginnender Inkontinenz und Bewegungseinschränkung bei Zustand nach Spinalkanalstenose und Wirbelkörperfraktur sowie Rhabdomyolose. Seit dem 11. Juli 2016 sind zudem mittelgradige kognitive Störungen im Sinne einer Parkinson-Demenz nachgewiesen. Dies entnimmt der Senat den Angaben des behandelnden Neurologen der Klägerin Dr. A ... Dieser hatte am 11. Juli 2016 eine neuropsychologische Screening-Untersuchung durchgeführt. Nach dem Ergebnis dieser Untersuchung liegen bei der Klägerin eine räumliche Verarbeitungsstörung, eine geringe Wortfindungsstörung, eine Aufmerksamkeitsproblematik, eine deutlich reduzierte verbale Fluenz und deutliche mnestische Defizite sowie eine unscharfe zeitliche Orientierung vor.

(2) Damit ist eine psychische Erkrankung im Sinne des § 45a Abs. 1 Satz 2 SGB XI seit 11. Juli 2016 nachgewiesen. Soweit Dr. A. ausführt, dass diese psychische Erkrankung fremdanamnestisch schon Jahre zuvor bestand und progredient war, genügt dies nicht, um von einem früheren Vorliegen der Voraussetzungen des § 45a Abs. 1 Satz 2 SGB XI ausgehen zu können. Auch wenn die Schilderungen der Angehörigen der Klägerin die Vermutung nahelegen, dass die Erkrankung schon zuvor vorlag, wurden erstmals am 11. Juli 2016 entsprechende ärztliche Befunde erhoben.

(3) Eine dauerhafte erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz der Klägerin liegt vor. Es sind in wenigstens zwei der in § 45a Abs. 2 Satz 1 SGB XI aufgeführten Bereichen, davon einmal aus einem der Bereiche (1.) bis (9.), dauerhafte und regelmäßige Schädigungen oder Funktionsstörungen gegeben.

Es liegt ein regelmäßiges Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen im Sinne des 2. Bereichs vor. Der Begriff der Regelmäßigkeit ist im Zusammenhang mit dem geltend gemachten "erheblichen Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung" im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB XI zu sehen. Die Funktionsstörung muss grundsätzlich einen täglichen Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf begründen (vgl. auch Abschnitt E1, S.99, der Begutachtungs-Richtlinien). Je nach Schwere der Funktionsstörung können dabei auch einzelne Ereignisse einen entsprechenden Bedarf rechtfertigen. Die Gefahr muss sich nicht bereits realisiert haben. Die von der Klägerin und Dr. A. bzw. der Schwiegertochter der Klägerin geschilderten Vorkommnisse sind zwar nicht hinsichtlich ihrer Häufigkeit, aber in Bezug auf ihre Schwere von einer solchen Erheblichkeit, dass ein täglicher allgemeiner Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf erforderlich ist. Aus dem Selbstauskunftsbogen der Klägerin ergibt sich, dass sie Gefahren verkennt, alleine in den Keller geht und Autofahren will. Aus der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. A. vom 13. April 2016 ergibt sich aufgrund fremdanamnestischer Angaben der Schwiegertochter der Klägerin, dass die Klägerin im Alltag immer wieder in Situationen kommt, in denen sie ihre motorischen Fähigkeiten überschätzt. Sie geht in den Keller und kommt anschließend nicht mehr hinauf. Hinsichtlich der Gefahren des Autofahrens aufgrund ihrer motorischen Beeinträchtigungen zeigt sie sich wenig einsichtig. Sie berichtete zudem von einem Ereignis, bei der die Klägerin auf die Straße hinausgelaufen ist, als die Pflegekraft für 30 Minuten die Wohnung verlassen hatte. Damit liegt zur Überzeugung des Senats ein regemäßiges Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen vor. Der Gefahr des Autofahrens kann zwar damit begegnet werden, dass der Klägerin die Autoschlüssel abgenommen werden. Das unkontrollierte Verlassen der Wohnung kann aber ohne ständige Beaufsichtigung nicht verhindert werden.

Auch eine Störung der höheren Hirnfunktionen in Form einer Beeinträchtigung des Gedächtnisses der Klägerin, die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt haben (8. Bereich), liegt vor. Die neurologische Screening-Untersuchung durch Dr. A. hat deutliche mnestische Defizite ergeben. Aus dem Selbsteinschätzungsbogen ergibt sich außerdem, dass die Klägerin Absprachen wegen fehlender Erinnerung nicht mehr einhalten kann und ständig Gegenstände im Haushalt verlegt. Dr. A. bestätigt dies in seiner Auskunft vom 13. April 2016 aufgrund fremdanamnestischer Angaben der Schwiegertochter der Klägerin. Insbesondere der Umstand, dass Absprachen aufgrund von Gedächtnisbeeinträchtigungen nicht mehr eingehalten werden können, führt zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen (vgl. auch Abschnitt E1, S.102, der Begutachtungs-Richtlinien). Von regelmäßigen Beeinträchtigungen ist dabei auszugehen, weil nach den glaubhaften Angaben im Selbstauskunftsbogen sogar keinerlei Absprachen mehr möglich sind.

Die vorliegenden Funktionsstörungen sind als dauerhaft, d.h. voraussichtlich mindestens sechs Monate andauernd, einzustufen. Aufgrund der Parkinson-Erkrankung und der damit zusammenhängenden Parkinson-Demenz ist nicht davon auszugehen, dass sich die Funktionsstörungen wieder bessern. Nach den Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. A. ist die psychische Erkrankung progredient.

Vor diesem Hintergrund überzeugen die Ausführungen der MDK-Gutachter und des Sachverständigen M. nicht. Im Gutachten der Pflegefachkraft S. vom 5. August 2014 fehlt eine Auseinandersetzung mit den Angaben der Klägerin im Selbstauskunftsbogen. Ein Screening oder Assessment nach Abschnitt E1 der Begutachtungs-Richtlinien wurde nicht durchgeführt. Die sozialmedizinische Fallberatung durch die Pflegefachkraft Z. vom 15. Oktober 2014 setzt sich lediglich mit dem Gutachten vom 5. August 2014 auseinander und kann deshalb ebenfalls nicht überzeugen. Das Gutachten der Pflegefachkraft H. vom 14. Juni 2016 ist ebenfalls nicht anhand der Vorgaben der Begutachtungs-Richtlinien erstellt worden. Die maßgeblichen Angaben unter Punkt 3 "Screening und Assessment zur Feststellung von Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz” des Formulargutachtens fehlen. Auch im Übrigen überzeugen die Ausführungen nicht, weil insbesondere zum Bereich "Verkennen gefährdender Situationen" keine Stellung bezogen wird. Den fremdanamnestischen Angaben wird fälscherweise keine Bedeutung beigemessen. Nachdem es aber nach Aktenalge an einer zuverlässigen Selbsteinschätzung der Klägerin mangelt, sind auch die fremdanamnestischen Angaben auszuwerten. Das Gutachten des Sachverständige M. vom 2. Oktober 2016 überzeugt ebenfalls nicht, weil dem Verhalten der Klägerin unzutreffend kein Krankheitswert beigemessen wird. Gleiches gilt für das Gutachten von Dr. P. (MDK) vom 31. August 2017. Er legt seiner Einschätzung insbesondere eine fehlerhafte Auslegung der Rechtsbegriffe "erheblich", "regelmäßig" und "dauerhaft" zugrunde.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Die Quote entspricht dem anteiligen Unterliegen und Obsiegen der Beteiligten.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved