Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 22 R 327/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 250/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 78/17 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. Januar 2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird endgültig auf 40.289,73 EUR festgelegt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Klägerin zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Fremd-Geschäftsführerin im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 i.H.v. 40.289,73 EUR streitig.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Gegenstand die Sanierung und Abdichtung von Bauten aller Art und anderes ist. Alleiniger Gesellschafter der Klägerin ist D. D. mit einem Anteil von 100 % am Stammkapital. Der Alleingesellschafter der Klägerin und die Beigeladene zu 1) sind verheiratet.
Die Beigeladene zu 1) und die Klägerin schlossen am 29. März 2006 einen Anstellungsvertrag beginnend am gleichen Tag. Damit wurden der Beigeladenen zu 1) die Aufgaben einer Geschäftsführerin übertragen mit der Befreiung von den Beschränkungen nach § 181 BGB (§ 2 GF-Vertrag). Es wurde ein Jahresgehalt i.H.v. 4.800 EUR in gleichen monatlichen Teilbeträgen und die Fortzahlung der Bezüge im Falle der Krankheit oder sonstiger unverschuldeter Verhinderung für die Dauer von neun Monaten (§ 3 GF- Vertrag) und ein Anspruch auf Jahresurlaub im Umfang von 30 Arbeitstagen (§ 4 GF- Vertrag) vereinbart. Weiter wurde für die Beigeladene zu 1) eine Kündigungsfrist von einem Jahr jeweils zum Schluss des Kalenderjahres (§ 1 (1) GF- Vertrag) und für die Klägerin eine Kündigung nur aus wichtigen Grund vereinbart, auch als wichtiger Grund gelte das Ausscheiden der Beigeladenen zu 1) aus der Gesellschaft (§ 1 (2) GF- Vertrag). Des Weiteren wurde vereinbart, dass Änderung oder Ergänzung des Vertrages der Schriftform bedürfen (§ 5 (2) GF- Vertrag).
Die Klägerin zahlte der Beigeladene zu 1) ein monatliches Gehalt (VwA Bl. 41 ff.) im Zeitraum
März 2008 bis Juni 2008 i.H.v. 797,80 EUR,
September 2008 bis Oktober 2008 i.H.v. 1.647,80 EUR,
November 2008 bis Juli 2009 i.H.v. 2.073,00 EUR,
August 2009 bis Juni 2010 i.H.v. 8.723,00 EUR,
Juli 2010 bis Dezember 2010 i.H.v. 923,00 EUR.
Die Beklagte führte bei der Klägerin am 12. November 2012 eine Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 durch. Dabei stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin für die Beigeladene zu 1) im Prüfungszeitraum keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hatte.
Auf die Anhörung der Beklagten zur beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Fremd-Geschäftsführerin im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2012, trug die Klägerin vor, die Beigeladene zu 1) sei, wirtschaftlich betrachtet als ihre Gesellschafterin anzusehen. Im Rahmen ihrer Sanierung seit 2008 habe die Beigeladene zu 1) für Bankverbindlichkeiten i.H.v. 255.000 EUR sowie i.H.v. 65.000 EUR Sicherheiten in Form von Grundschulden auf ihr Wohnungseigentum gestellt. Sie sei von dem Verbot der Selbstkontrahierung nach § 181 BGB befreit. Die Beigeladene zu 1) sei in ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin in zeitlicher und räumlicher Hinsicht frei. Ihr seien keine konkreten Vorgaben durch die Gesellschafterversammlung erteilt worden und es habe keine Kontrolle bzw. Überwachung ihrer Tätigkeit gegeben.
Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 setzte die Beklagte aufgrund der Betriebsprüfung eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 i.H.v. 40.289,73 EUR fest. Unter Bezug auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (im Weiteren: BSG) sei die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Fremd-Geschäftsführerin als abhängige Beschäftigung zu betrachten.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und legte einen Antrag vom 19. März 2013 auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1) vor nebst einem Antrag der Beigeladenen zu 1) ebenfalls vom 19. März 2013. Darin gab die Beigeladene zu 1) an, an der Gesellschaft nicht beteiligt zu sein. Sie vertrete die Klägerin nach außen. Zu ihren Aufgaben gehöre die Kontrolle der Mitarbeiter, eine Strategieplanung durchzuführen sowie Marketingmaßnahmen zur Verbesserung der Auftragslage, Vertragsunterzeichnung, Rentabilitätskontrollen und die Schaffung eines reibungslosen Geschäftsablaufs. In der Auftragsausführung werde sie von der Gesellschaft kontrolliert. Vorgaben für sie ergäben sich aus einer von einem Wirtschaftsberater erstellten "Soll - Planung". Sie arbeite vier Tage in der Woche bei gleichzeitiger Abstimmung mit dem Betriebsleiter und der Technik. Sie sei darüber hinaus jederzeit erreichbar. Die Tätigkeit werde in der Regel in der Geschäftsstelle der Klägerin ausgeführt. Sie sei insbesondere durch die monatlichen Strategiebesprechungen mit dem Gesellschafter, dem Wirtschaftsberater und Steuerberater in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Sie handele im Namen der Klägerin. Kapital habe sie nicht eingebracht. Sie hafte für Entscheidungen aus der Geschäftsführung nicht mit Kapital.
Ergänzend führte die Klägerin aus, sie habe im Jahr 2007 die Firma E. GmbH übernommen. Diese sei eine Franchisenehmerin der Klägerin gewesen. Im Jahr 2008 sei diese liquidiert und deren Kunden auf sie übertragen worden. Im Gegenzug habe sich Herr D. gegenüber der Beigeladenen zu 1) verpflichtet, sie künftig am Gewinn und am Veräußerungserlös hälftig zu beteiligen. Herr D. halte daher die Hälfte der Klägerin treuhänderisch für seine Frau und die Beigeladene zu 1) sei spätestens seit diesem Zeitpunkt vollkommen gleichberechtigt neben dem Alleingesellschafter. Der im Arbeitsvertrag geregelte Urlaubsanspruch werde nicht ernsthaft umgesetzt. Darüber hinaus sei zwischen Herrn D. und der Beigeladene zu 1) eine Vereinbarung vom 1. Juni 2008 geschlossen werden. Dort heißt es:
"PRÄAMBEL
Es gilt die Ehefrau CC. wirtschaftlich abzusichern. Dieses auch im Hinblick darauf, dass die finanzierende Bank der A. GmbH von CC. eine persönliche Bankbürgschaft wünscht, die die weitere Finanzierung der A. GmbH ermöglichen soll. Ferner ist seitens der finanzierenden Bank gewünscht, dass für das in Eigentum bei CC. stehende Haus, eine Grundschuld bestellt wird. Damit CC. der Forderung der Bank gerecht wird erfolgt eine Absicherung CC. die hier im vertraglichen geregelt werden soll. Da die Gesellschaft A. GmbH sich noch in der Wiederaufbauphase befindet, soll dieses nicht über eine Gewinnbeteiligung erfolgen, sondern als Anteil an Geschäftsanteilen. Dieses zumindest solange bis die Geschäftslage eine Änderung der wirtschaftlichen Absicherung von CC. möglich macht. Wann dies der Fall ist, liegt ausschließlich im Ermessen von CC. und kann von AG nicht beeinflusst werden.
VERTRAG:
Die Eheleute vereinbaren wie folgt:
1. AG hält für CC. 50 % der Gesellschaftsanteile treuhänderisch.
2. AG ist es strikt untersagt über die Anteile von CC. zu verfügen.
3. Beschlussfassungen sind im Vorfeld von AG und CC. abzustimmen, Beschlussfassungen erfolgen dann analog dieser Abstimmung.
4. CC. ist Geschäftsführerin der A. GmbH und kann als solche seitens AG nicht abberufen werden.
5. CC. hat uneingeschränkt Zugang zum Gehaltskonto AG.
6. Im Innenverhältnis ist CC. von AG strikt wie ein Anteilseigner zu behandeln, insofern sich dieses ergibt bzw. hier nicht gesondert aufgeführt ist.
7. Insofern gegen die vorgetragenen Punkte handelt hat AG eine Strafe zu zahlen die mindestens 125.000,- EUR beträgt oder aber den sich ergebenden tatsächlich für CC. darstellenden Schaden."
Die Klägerin trug im Rahmen ihres Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 27. Februar 2014 beim Sozialgerichts Wiesbaden (Az. S 8 R 208/14 ER) vor, die Vergütung der Beigeladenen zu 1) habe sich an ihrem wirtschaftlichen Ertrag orientiert. Dies zeigten die Schwankungen der Vergütung zwischen 400,- EUR brutto und 8.723,- EUR brutto. Dies sei untypisch für einen Arbeitnehmer. Wegen der familiären Zusammengehörigkeit, aber auch aufgrund des vorgelegten Treuhandvertrags sei die Beigeladene zu 1) faktisch Mitgesellschafterin. Im Innenverhältnis sei sie gleichberechtigt. Einige Angaben im Statusfeststellungsbogen seien fehlerhaft, da der Steuerberater diesen ausgefüllt und der Beigeladenen zu 1) lediglich zur Unterschrift vorgelegt habe. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 31. Juli 2014 (Az. S 8 R 208/14 ER) den Antrag abgelehnt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2014 zurück. Es komme bei der Beurteilung eines Vertragsverhältnisses auf die tatsächlichen Beziehungen an, wenn eine Abbedingung der schriftlichen Vertragsregelungen auch rechtlich zulässig sei.
Dagegen hat die Klägerin am 16. Oktober 2014 Klage beim Sozialgericht Wiesbaden erhoben mit dem Ziel der Aufhebung der Bescheide der Beklagten.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Rechtsprechung des BSG sei vorliegend nicht übertragbar, da der Gesellschafter sich lediglich rechtlichen Beschränkungen unterworfen habe. Es handele sich um eine Art Unterbeteiligung. Nicht zuletzt aufgrund der erheblichen Vertragsstrafe ergebe sich eine faktische Gesellschafterstellung im Umfang von 50 %. Aufgrund dieser Vereinbarung könne die Beigeladene zu 1) die Erteilung von Weisungen verhindern. Zudem trage sie aufgrund der übernommenen Bürgschaft sowie der Grundschuld ein finanzielles Risiko.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25. Januar 2016 die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Die Beigeladene zu 1) sei bei der Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen. Es bestehe aufgrund dessen Sozialversicherungs- und Beitragspflicht. Grundlage der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) sei zunächst der Anstellungsvertrag vom 29. März 2006, der typische Elemente eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aufweise. Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als selbständig zuließen, lägen nicht vor. Weder begründeten die Wahrnehmung weitreichender Befugnisse eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) noch die die Tatsache, dass diese bislang tatsächlich keinen Weisungen unterlegen habe. Entscheidend sei die fehlende Rechtsmacht der Beigeladenen zu 1), die laut des Gesellschaftsvertrags gerade nicht Gesellschafterin des Unternehmens sei. Dem stehe auch weder die zwischen dem Gesellschafter und der Beigeladenen zu 1) geschlossene Vereinbarung und auch die familiäre Bindung nicht entgegen.
Gegen das am 19. Mai 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. Juni 2016 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht erhoben.
Die Klägerin wiederholt ihren bisherigen Vortrag und trägt ergänzend vor, da der mit der Beigeladenen zu 1) am 29. März 2006 geschlossene Anstellungsvertrag untypische Vereinbarungen enthalte (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder sonstigen unverschuldeter Verhinderung bei einem Entgelt von 400 EUR monatlich) sei kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis anzunehmen. Auch sei die vereinbarte Zahlung von Tantiemen als erfolgsabhängige Bezahlung anzusehen. Es könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich das Entgelt der Beigeladenen zu 1) nachweislich nach dem wirtschaftlichen Erfolg gerichtet habe. Auch sei die Regelung des § 15 Abs. 3 GmbHG nicht anwendbar. Mit der Vereinbarung vom 1. Juni 2008 zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1) sei eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts hinsichtlich des GmbH-Anteils geschlossen worden. Es handele sich um eine Unterbeteiligung an den Geschäftsanteilen des Hauptgesellschafters. Auch wenn dies nicht geregelt sei, sei sie rechtlich anerkannt und werde als Gesellschaft Bürgerlichen Rechts angesehen, auf die Elemente der stillen Gesellschaft anzuwenden seien, angesehen. Dieser Vertrag enthalte keine Stimmrechtsübertragung, die gegen das Abspaltungsverbot verstoßen würde. Die Gesellschafterstellung und das Stimmrecht seien unverändert bei ihm verblieben, er unterliege lediglich im Innenverhältnis der Unterbeteiligung und den Weisungen der Beigeladenen zu 1). In diesem Umfang sei die Beigeladene zu 1) auch die wirtschaftlich Begünstigte. Die Macht der Beigeladenen zu 1) zeige auch die vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe von 125.000 EUR für den Fall der Beschlussfassung entgegen den Weisungen der Beigeladenen zu 1).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. Januar 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 11. September 2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Sozialgericht habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge und haben sich zur Sache nicht geäußert.
Der Senat hat die Beteiligten zu einer Entscheidung des Rechtsstreits durch die Berufsrichter des Senats ohne mündliche Verhandlung angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.
Das Urteil des Sozialgerichts 25. Januar 2016 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat rechtmäßig das Vorliegen der Versicherungs- und Beitragspflicht der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Geschäftsführerin der Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind formell rechtmäßig. Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern unter anderem, ob diese ihre Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere prüfen sie die Richtigkeit der Beitragszahlungen. Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die genannten Träger im Rahmen der Prüfung u.a. Verwaltungsakte zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Von dieser Befugnis hat die Beklagte mit der Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht.
Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Fremd-Geschäftsführerin der Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 stellt eine abhängige und sozialversicherungspflichtige Tätigkeit dar.
Versicherungs- und beitragspflichtig sind in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRsprg., vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 13/14 R –, juris m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit: BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29. August 2012, – Az. B 12 KR 25/10 R –, juris, Rn. 16).
Ein geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH, der weder über eine mindestens 50prozentige Kapitalbeteiligung und auch nicht über eine Sperrminorität verfügt, ist in aller Regel abhängig beschäftigt. Denn er unterliegt der Prüfung und Überwachung durch die Gesellschafterversammlung (§ 46 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG) und ist an deren Weisungen gebunden (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Deshalb machen selbst weitreichende Entscheidungsbefugnisse einen "leitenden Angestellten" aus diesem noch keinen Selbständigen, selbst wenn er innerhalb des Betriebs als "Chef" angesehen wird. Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter im Rechtssinne entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Regelungen zum Nichtbestehen von Versicherungspflicht bei den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 4 SGB VI sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III). Diese Personen sind sozialversicherungsrechtlich den für Beschäftigte geltenden Regelungen unterworfen, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft des Unternehmens Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen; denn sie bleiben von der Entscheidungsbefugnis der Organe der Gesellschaft abhängig. Auch dann, wenn einer mit dem Firmeninhaber nicht identischen Person in der betrieblichen Realität ein weitreichender Einfluss auf die Firmenleitung eingeräumt ist, bleibt die Rechtsmacht des Betriebsinhabers maßgeblich, etwa im Fall eines Zerwürfnisses die betreffende Person zu entlassen und an seiner Stelle eine andere Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen einzustellen, ohne dass der "Betriebsleiter" die Rechtsmacht hat, dem mit Erfolgsaussicht entgegenzutreten (BSG, Urteil vom 29. August 2012, - B 12 KR 25/10 R , juris, Rn. 32). Eine selbständige Tätigkeit kommt bei einem GmbH-Geschäftsführer daher nur in Betracht, wenn die Weisungsunterworfenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung in rechtlich zulässiger Form abbedungen ist. Soweit demgegenüber früher eine selbständige Tätigkeit auch dann für möglich erachtet wurde, wenn der Geschäftsführer als "Kopf und Seele" des Betriebs faktisch über eine dominante Position in der Gesellschaft verfügte und die Mehrheitsgesellschafter ihn agieren ließen, hat das BSG diese Rspr. ausdrücklich aufgegeben (vgl. BSG, Urteile vom 11. November 2015, - B 12 R 2/14 R - , juris, Rn. 42 und vom 19. August 2015, - B 12 KR 9/14 R, juris, Rn. 35). Denn die Statuszuordnung kann nicht vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Gesellschafter abhängig gemacht werden; eine derartige bloße "Schönwetterselbständigkeit" ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (BSG a.a.O.).
Wie das Sozialgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, zeigt der Arbeitsvertrag der Beigeladenen zu 1) vom 29. März 2006 das Bild einer abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Der Senat macht sich die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil zur Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in die betriebliche Ordnung der Klägerin und das Fehlen eines unternehmerischen Risikos zu eigen verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe.
Soweit die Klägerin vorträgt, einer abhängigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) stehe entgegen, dass ihr bei einem Entgelt von zunächst 400,00 EUR einen Anspruch auf ungeschmälerte Weiterzahlung für die Dauer von neun Monaten im Krankheitsfall vertraglich eingeräumt worden sei, lässt diese Vereinbarung keine Rückschlüsse auf das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit nach den bereits genannten Grundsätzen zu.
Auch die Vereinbarung vom 1. Juni 2008 änderte nichts rechtlich Entscheidendes an der Weisungsgebundenheit der Beigeladenen zu 1) als Geschäftsführerin der Klägerin.
Die vorliegend streitige Vereinbarung vom 1. Juni 2008 ist mit einer Sperrminorität nicht vergleichbar. Zum einem sind bei der Statusentscheidung (im engeren Sinne) gesellschaftliche Wertungen und Gestaltungen für die sozialversicherungsrechtliche Abwägungsentscheidung nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht strikt zu übernehmen. Eine uneingeschränkte Parallelität sozialversicherungsrechtlich – bzw. arbeitsrechtlich – und im Gesellschaftsrecht relevanter Beziehungen liegen insoweit nicht vor (BSG, Urteil vom 11. November 2015, - B 12 KR 13/14 R, juris, Rn. 24). Im Hinblick hierauf genügt für die sozialversicherungsrechtliche Stellung nicht allein die gesellschaftsvertraglich mögliche Einräumung einer Stellung. Die Rechtsprechung orientiert sich hierfür primär an den vom Gesetzgeber in § 7 Abs. 1 SGB IV genannten - richterrechtlich näher ausgeformten - Abgrenzungskriterien. Ob also Gestaltungen des Gesellschaftsrechts- bzw. Gesellschaftsvertragsrechtslage (überhaupt) für die Abwägungsentscheidung bedeutsam sind, und - falls ja - mit welchem Indiz-Charakter und welcher Gewichtung, beurteilt sich damit ohne strikte "Parallelwertung" allein im vorliegend thematisch einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen - Kontext des § 7 Abs. 1 SGB IV (BSG, Urteil vom 11. November 2015, - B 12 KR 13/14 R -, juris, Rn. 24 m.w.N.). Es ist somit für die Entscheidung über die Sozialversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) nicht maßgeblich, ob es sich bei der Vereinbarung vom 1. Juni 2008 um eine Unterbeteiligung an den Geschäftsanteilen des Hauptgesellschafters oder eine Stimmrechtsübertragung handelt. Nach der zitierten Rsprg. des BSG sind für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des GmbH-Geschäftsführers ausschließlich solche Rechte von Belang, welche im Gesellschaftsvertrag vereinbart worden sind. Nur solche Minderheitenrechte, die im Gesellschaftsvertrag vereinbart sind, sind für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Gesamtbildes der Tätigkeit so verlässlich, dass aus ihnen eine Selbstständigkeit hergeleitet werden kann. Denn insoweit ergeben sich wesentlich höhere Anforderungen an die Aufhebung solcher satzungsmäßiger Regelungen, weil hierfür notarielle Form, Handelsregisteranmeldung und qualifizierte Mehrheiten erforderlich sind. Ist eine echte Übertragung von Gesellschaftsanteilen nicht gewollt, kommt wegen des gesellschaftsrechtlichen Verbots der Stimmrechtsabspaltung vom Geschäftsanteil nicht mehr als eine schuldrechtliche Abrede zwischen den Gesellschaftern über das Abstimmungsverhalten in der Gesellschafterversammlung oder eine Stimmrechtsvollmacht in Betracht. Solche Abreden sind nach der neueren Rsprg. des BSG jedoch immer – zumindest aus wichtigem Grund – kündbar mit der Folge, dass ihnen die für die Statusbeurteilung notwendige Rechtsbeständigkeit fehlt (vgl. BSG, Urteile vom 11. November 2015, B 12 R 2/14 R, juris Rn.32).
Die Klägerin wird auch nicht mit der Behauptung gehört, die Beigeladene zu 1) habe im Arbeitsalltag von der Klägerin keine Weisungen erhalten und sei auch nicht kontrolliert worden. Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 29. Juli 2015 (B 12 KR 23/13 R, juris, Rn. 25) ausgeführt hat, kann aus der Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden. Auch weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in der funktionsgerecht dienenden Teilnahme am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, führen nicht zur Annahme der Selbständigkeit, selbst wenn diese Umstände auf besondere Rücksichtnahme innerhalb eines Familienunternehmens beruhen (zuletzt BSG, Urteil vom 19. August 2015, B 12 KR 9/14 R -, juris, Rn. 21).
Sonstige Anhaltspunkte, die einer Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) im streitigen Zeitraum in der Kranken- und dem folgend in der Pflegeversicherung, in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 und Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG).
Die Revision war nicht zuzulassen da die Voraussetzungen des §§ 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird endgültig auf 40.289,73 EUR festgelegt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Klägerin zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Fremd-Geschäftsführerin im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 i.H.v. 40.289,73 EUR streitig.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Gegenstand die Sanierung und Abdichtung von Bauten aller Art und anderes ist. Alleiniger Gesellschafter der Klägerin ist D. D. mit einem Anteil von 100 % am Stammkapital. Der Alleingesellschafter der Klägerin und die Beigeladene zu 1) sind verheiratet.
Die Beigeladene zu 1) und die Klägerin schlossen am 29. März 2006 einen Anstellungsvertrag beginnend am gleichen Tag. Damit wurden der Beigeladenen zu 1) die Aufgaben einer Geschäftsführerin übertragen mit der Befreiung von den Beschränkungen nach § 181 BGB (§ 2 GF-Vertrag). Es wurde ein Jahresgehalt i.H.v. 4.800 EUR in gleichen monatlichen Teilbeträgen und die Fortzahlung der Bezüge im Falle der Krankheit oder sonstiger unverschuldeter Verhinderung für die Dauer von neun Monaten (§ 3 GF- Vertrag) und ein Anspruch auf Jahresurlaub im Umfang von 30 Arbeitstagen (§ 4 GF- Vertrag) vereinbart. Weiter wurde für die Beigeladene zu 1) eine Kündigungsfrist von einem Jahr jeweils zum Schluss des Kalenderjahres (§ 1 (1) GF- Vertrag) und für die Klägerin eine Kündigung nur aus wichtigen Grund vereinbart, auch als wichtiger Grund gelte das Ausscheiden der Beigeladenen zu 1) aus der Gesellschaft (§ 1 (2) GF- Vertrag). Des Weiteren wurde vereinbart, dass Änderung oder Ergänzung des Vertrages der Schriftform bedürfen (§ 5 (2) GF- Vertrag).
Die Klägerin zahlte der Beigeladene zu 1) ein monatliches Gehalt (VwA Bl. 41 ff.) im Zeitraum
März 2008 bis Juni 2008 i.H.v. 797,80 EUR,
September 2008 bis Oktober 2008 i.H.v. 1.647,80 EUR,
November 2008 bis Juli 2009 i.H.v. 2.073,00 EUR,
August 2009 bis Juni 2010 i.H.v. 8.723,00 EUR,
Juli 2010 bis Dezember 2010 i.H.v. 923,00 EUR.
Die Beklagte führte bei der Klägerin am 12. November 2012 eine Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 durch. Dabei stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin für die Beigeladene zu 1) im Prüfungszeitraum keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hatte.
Auf die Anhörung der Beklagten zur beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Fremd-Geschäftsführerin im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2012, trug die Klägerin vor, die Beigeladene zu 1) sei, wirtschaftlich betrachtet als ihre Gesellschafterin anzusehen. Im Rahmen ihrer Sanierung seit 2008 habe die Beigeladene zu 1) für Bankverbindlichkeiten i.H.v. 255.000 EUR sowie i.H.v. 65.000 EUR Sicherheiten in Form von Grundschulden auf ihr Wohnungseigentum gestellt. Sie sei von dem Verbot der Selbstkontrahierung nach § 181 BGB befreit. Die Beigeladene zu 1) sei in ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin in zeitlicher und räumlicher Hinsicht frei. Ihr seien keine konkreten Vorgaben durch die Gesellschafterversammlung erteilt worden und es habe keine Kontrolle bzw. Überwachung ihrer Tätigkeit gegeben.
Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 setzte die Beklagte aufgrund der Betriebsprüfung eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 i.H.v. 40.289,73 EUR fest. Unter Bezug auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (im Weiteren: BSG) sei die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Fremd-Geschäftsführerin als abhängige Beschäftigung zu betrachten.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und legte einen Antrag vom 19. März 2013 auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1) vor nebst einem Antrag der Beigeladenen zu 1) ebenfalls vom 19. März 2013. Darin gab die Beigeladene zu 1) an, an der Gesellschaft nicht beteiligt zu sein. Sie vertrete die Klägerin nach außen. Zu ihren Aufgaben gehöre die Kontrolle der Mitarbeiter, eine Strategieplanung durchzuführen sowie Marketingmaßnahmen zur Verbesserung der Auftragslage, Vertragsunterzeichnung, Rentabilitätskontrollen und die Schaffung eines reibungslosen Geschäftsablaufs. In der Auftragsausführung werde sie von der Gesellschaft kontrolliert. Vorgaben für sie ergäben sich aus einer von einem Wirtschaftsberater erstellten "Soll - Planung". Sie arbeite vier Tage in der Woche bei gleichzeitiger Abstimmung mit dem Betriebsleiter und der Technik. Sie sei darüber hinaus jederzeit erreichbar. Die Tätigkeit werde in der Regel in der Geschäftsstelle der Klägerin ausgeführt. Sie sei insbesondere durch die monatlichen Strategiebesprechungen mit dem Gesellschafter, dem Wirtschaftsberater und Steuerberater in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Sie handele im Namen der Klägerin. Kapital habe sie nicht eingebracht. Sie hafte für Entscheidungen aus der Geschäftsführung nicht mit Kapital.
Ergänzend führte die Klägerin aus, sie habe im Jahr 2007 die Firma E. GmbH übernommen. Diese sei eine Franchisenehmerin der Klägerin gewesen. Im Jahr 2008 sei diese liquidiert und deren Kunden auf sie übertragen worden. Im Gegenzug habe sich Herr D. gegenüber der Beigeladenen zu 1) verpflichtet, sie künftig am Gewinn und am Veräußerungserlös hälftig zu beteiligen. Herr D. halte daher die Hälfte der Klägerin treuhänderisch für seine Frau und die Beigeladene zu 1) sei spätestens seit diesem Zeitpunkt vollkommen gleichberechtigt neben dem Alleingesellschafter. Der im Arbeitsvertrag geregelte Urlaubsanspruch werde nicht ernsthaft umgesetzt. Darüber hinaus sei zwischen Herrn D. und der Beigeladene zu 1) eine Vereinbarung vom 1. Juni 2008 geschlossen werden. Dort heißt es:
"PRÄAMBEL
Es gilt die Ehefrau CC. wirtschaftlich abzusichern. Dieses auch im Hinblick darauf, dass die finanzierende Bank der A. GmbH von CC. eine persönliche Bankbürgschaft wünscht, die die weitere Finanzierung der A. GmbH ermöglichen soll. Ferner ist seitens der finanzierenden Bank gewünscht, dass für das in Eigentum bei CC. stehende Haus, eine Grundschuld bestellt wird. Damit CC. der Forderung der Bank gerecht wird erfolgt eine Absicherung CC. die hier im vertraglichen geregelt werden soll. Da die Gesellschaft A. GmbH sich noch in der Wiederaufbauphase befindet, soll dieses nicht über eine Gewinnbeteiligung erfolgen, sondern als Anteil an Geschäftsanteilen. Dieses zumindest solange bis die Geschäftslage eine Änderung der wirtschaftlichen Absicherung von CC. möglich macht. Wann dies der Fall ist, liegt ausschließlich im Ermessen von CC. und kann von AG nicht beeinflusst werden.
VERTRAG:
Die Eheleute vereinbaren wie folgt:
1. AG hält für CC. 50 % der Gesellschaftsanteile treuhänderisch.
2. AG ist es strikt untersagt über die Anteile von CC. zu verfügen.
3. Beschlussfassungen sind im Vorfeld von AG und CC. abzustimmen, Beschlussfassungen erfolgen dann analog dieser Abstimmung.
4. CC. ist Geschäftsführerin der A. GmbH und kann als solche seitens AG nicht abberufen werden.
5. CC. hat uneingeschränkt Zugang zum Gehaltskonto AG.
6. Im Innenverhältnis ist CC. von AG strikt wie ein Anteilseigner zu behandeln, insofern sich dieses ergibt bzw. hier nicht gesondert aufgeführt ist.
7. Insofern gegen die vorgetragenen Punkte handelt hat AG eine Strafe zu zahlen die mindestens 125.000,- EUR beträgt oder aber den sich ergebenden tatsächlich für CC. darstellenden Schaden."
Die Klägerin trug im Rahmen ihres Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 27. Februar 2014 beim Sozialgerichts Wiesbaden (Az. S 8 R 208/14 ER) vor, die Vergütung der Beigeladenen zu 1) habe sich an ihrem wirtschaftlichen Ertrag orientiert. Dies zeigten die Schwankungen der Vergütung zwischen 400,- EUR brutto und 8.723,- EUR brutto. Dies sei untypisch für einen Arbeitnehmer. Wegen der familiären Zusammengehörigkeit, aber auch aufgrund des vorgelegten Treuhandvertrags sei die Beigeladene zu 1) faktisch Mitgesellschafterin. Im Innenverhältnis sei sie gleichberechtigt. Einige Angaben im Statusfeststellungsbogen seien fehlerhaft, da der Steuerberater diesen ausgefüllt und der Beigeladenen zu 1) lediglich zur Unterschrift vorgelegt habe. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 31. Juli 2014 (Az. S 8 R 208/14 ER) den Antrag abgelehnt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2014 zurück. Es komme bei der Beurteilung eines Vertragsverhältnisses auf die tatsächlichen Beziehungen an, wenn eine Abbedingung der schriftlichen Vertragsregelungen auch rechtlich zulässig sei.
Dagegen hat die Klägerin am 16. Oktober 2014 Klage beim Sozialgericht Wiesbaden erhoben mit dem Ziel der Aufhebung der Bescheide der Beklagten.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Rechtsprechung des BSG sei vorliegend nicht übertragbar, da der Gesellschafter sich lediglich rechtlichen Beschränkungen unterworfen habe. Es handele sich um eine Art Unterbeteiligung. Nicht zuletzt aufgrund der erheblichen Vertragsstrafe ergebe sich eine faktische Gesellschafterstellung im Umfang von 50 %. Aufgrund dieser Vereinbarung könne die Beigeladene zu 1) die Erteilung von Weisungen verhindern. Zudem trage sie aufgrund der übernommenen Bürgschaft sowie der Grundschuld ein finanzielles Risiko.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25. Januar 2016 die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Die Beigeladene zu 1) sei bei der Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen. Es bestehe aufgrund dessen Sozialversicherungs- und Beitragspflicht. Grundlage der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) sei zunächst der Anstellungsvertrag vom 29. März 2006, der typische Elemente eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aufweise. Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als selbständig zuließen, lägen nicht vor. Weder begründeten die Wahrnehmung weitreichender Befugnisse eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) noch die die Tatsache, dass diese bislang tatsächlich keinen Weisungen unterlegen habe. Entscheidend sei die fehlende Rechtsmacht der Beigeladenen zu 1), die laut des Gesellschaftsvertrags gerade nicht Gesellschafterin des Unternehmens sei. Dem stehe auch weder die zwischen dem Gesellschafter und der Beigeladenen zu 1) geschlossene Vereinbarung und auch die familiäre Bindung nicht entgegen.
Gegen das am 19. Mai 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. Juni 2016 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht erhoben.
Die Klägerin wiederholt ihren bisherigen Vortrag und trägt ergänzend vor, da der mit der Beigeladenen zu 1) am 29. März 2006 geschlossene Anstellungsvertrag untypische Vereinbarungen enthalte (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder sonstigen unverschuldeter Verhinderung bei einem Entgelt von 400 EUR monatlich) sei kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis anzunehmen. Auch sei die vereinbarte Zahlung von Tantiemen als erfolgsabhängige Bezahlung anzusehen. Es könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich das Entgelt der Beigeladenen zu 1) nachweislich nach dem wirtschaftlichen Erfolg gerichtet habe. Auch sei die Regelung des § 15 Abs. 3 GmbHG nicht anwendbar. Mit der Vereinbarung vom 1. Juni 2008 zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1) sei eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts hinsichtlich des GmbH-Anteils geschlossen worden. Es handele sich um eine Unterbeteiligung an den Geschäftsanteilen des Hauptgesellschafters. Auch wenn dies nicht geregelt sei, sei sie rechtlich anerkannt und werde als Gesellschaft Bürgerlichen Rechts angesehen, auf die Elemente der stillen Gesellschaft anzuwenden seien, angesehen. Dieser Vertrag enthalte keine Stimmrechtsübertragung, die gegen das Abspaltungsverbot verstoßen würde. Die Gesellschafterstellung und das Stimmrecht seien unverändert bei ihm verblieben, er unterliege lediglich im Innenverhältnis der Unterbeteiligung und den Weisungen der Beigeladenen zu 1). In diesem Umfang sei die Beigeladene zu 1) auch die wirtschaftlich Begünstigte. Die Macht der Beigeladenen zu 1) zeige auch die vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe von 125.000 EUR für den Fall der Beschlussfassung entgegen den Weisungen der Beigeladenen zu 1).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. Januar 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 11. September 2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Sozialgericht habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge und haben sich zur Sache nicht geäußert.
Der Senat hat die Beteiligten zu einer Entscheidung des Rechtsstreits durch die Berufsrichter des Senats ohne mündliche Verhandlung angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.
Das Urteil des Sozialgerichts 25. Januar 2016 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat rechtmäßig das Vorliegen der Versicherungs- und Beitragspflicht der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Geschäftsführerin der Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind formell rechtmäßig. Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern unter anderem, ob diese ihre Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere prüfen sie die Richtigkeit der Beitragszahlungen. Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die genannten Träger im Rahmen der Prüfung u.a. Verwaltungsakte zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Von dieser Befugnis hat die Beklagte mit der Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht.
Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Fremd-Geschäftsführerin der Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 stellt eine abhängige und sozialversicherungspflichtige Tätigkeit dar.
Versicherungs- und beitragspflichtig sind in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRsprg., vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 13/14 R –, juris m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit: BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29. August 2012, – Az. B 12 KR 25/10 R –, juris, Rn. 16).
Ein geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH, der weder über eine mindestens 50prozentige Kapitalbeteiligung und auch nicht über eine Sperrminorität verfügt, ist in aller Regel abhängig beschäftigt. Denn er unterliegt der Prüfung und Überwachung durch die Gesellschafterversammlung (§ 46 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG) und ist an deren Weisungen gebunden (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Deshalb machen selbst weitreichende Entscheidungsbefugnisse einen "leitenden Angestellten" aus diesem noch keinen Selbständigen, selbst wenn er innerhalb des Betriebs als "Chef" angesehen wird. Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter im Rechtssinne entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Regelungen zum Nichtbestehen von Versicherungspflicht bei den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 4 SGB VI sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III). Diese Personen sind sozialversicherungsrechtlich den für Beschäftigte geltenden Regelungen unterworfen, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft des Unternehmens Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen; denn sie bleiben von der Entscheidungsbefugnis der Organe der Gesellschaft abhängig. Auch dann, wenn einer mit dem Firmeninhaber nicht identischen Person in der betrieblichen Realität ein weitreichender Einfluss auf die Firmenleitung eingeräumt ist, bleibt die Rechtsmacht des Betriebsinhabers maßgeblich, etwa im Fall eines Zerwürfnisses die betreffende Person zu entlassen und an seiner Stelle eine andere Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen einzustellen, ohne dass der "Betriebsleiter" die Rechtsmacht hat, dem mit Erfolgsaussicht entgegenzutreten (BSG, Urteil vom 29. August 2012, - B 12 KR 25/10 R , juris, Rn. 32). Eine selbständige Tätigkeit kommt bei einem GmbH-Geschäftsführer daher nur in Betracht, wenn die Weisungsunterworfenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung in rechtlich zulässiger Form abbedungen ist. Soweit demgegenüber früher eine selbständige Tätigkeit auch dann für möglich erachtet wurde, wenn der Geschäftsführer als "Kopf und Seele" des Betriebs faktisch über eine dominante Position in der Gesellschaft verfügte und die Mehrheitsgesellschafter ihn agieren ließen, hat das BSG diese Rspr. ausdrücklich aufgegeben (vgl. BSG, Urteile vom 11. November 2015, - B 12 R 2/14 R - , juris, Rn. 42 und vom 19. August 2015, - B 12 KR 9/14 R, juris, Rn. 35). Denn die Statuszuordnung kann nicht vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Gesellschafter abhängig gemacht werden; eine derartige bloße "Schönwetterselbständigkeit" ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (BSG a.a.O.).
Wie das Sozialgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, zeigt der Arbeitsvertrag der Beigeladenen zu 1) vom 29. März 2006 das Bild einer abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Der Senat macht sich die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil zur Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in die betriebliche Ordnung der Klägerin und das Fehlen eines unternehmerischen Risikos zu eigen verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe.
Soweit die Klägerin vorträgt, einer abhängigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) stehe entgegen, dass ihr bei einem Entgelt von zunächst 400,00 EUR einen Anspruch auf ungeschmälerte Weiterzahlung für die Dauer von neun Monaten im Krankheitsfall vertraglich eingeräumt worden sei, lässt diese Vereinbarung keine Rückschlüsse auf das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit nach den bereits genannten Grundsätzen zu.
Auch die Vereinbarung vom 1. Juni 2008 änderte nichts rechtlich Entscheidendes an der Weisungsgebundenheit der Beigeladenen zu 1) als Geschäftsführerin der Klägerin.
Die vorliegend streitige Vereinbarung vom 1. Juni 2008 ist mit einer Sperrminorität nicht vergleichbar. Zum einem sind bei der Statusentscheidung (im engeren Sinne) gesellschaftliche Wertungen und Gestaltungen für die sozialversicherungsrechtliche Abwägungsentscheidung nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht strikt zu übernehmen. Eine uneingeschränkte Parallelität sozialversicherungsrechtlich – bzw. arbeitsrechtlich – und im Gesellschaftsrecht relevanter Beziehungen liegen insoweit nicht vor (BSG, Urteil vom 11. November 2015, - B 12 KR 13/14 R, juris, Rn. 24). Im Hinblick hierauf genügt für die sozialversicherungsrechtliche Stellung nicht allein die gesellschaftsvertraglich mögliche Einräumung einer Stellung. Die Rechtsprechung orientiert sich hierfür primär an den vom Gesetzgeber in § 7 Abs. 1 SGB IV genannten - richterrechtlich näher ausgeformten - Abgrenzungskriterien. Ob also Gestaltungen des Gesellschaftsrechts- bzw. Gesellschaftsvertragsrechtslage (überhaupt) für die Abwägungsentscheidung bedeutsam sind, und - falls ja - mit welchem Indiz-Charakter und welcher Gewichtung, beurteilt sich damit ohne strikte "Parallelwertung" allein im vorliegend thematisch einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen - Kontext des § 7 Abs. 1 SGB IV (BSG, Urteil vom 11. November 2015, - B 12 KR 13/14 R -, juris, Rn. 24 m.w.N.). Es ist somit für die Entscheidung über die Sozialversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) nicht maßgeblich, ob es sich bei der Vereinbarung vom 1. Juni 2008 um eine Unterbeteiligung an den Geschäftsanteilen des Hauptgesellschafters oder eine Stimmrechtsübertragung handelt. Nach der zitierten Rsprg. des BSG sind für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des GmbH-Geschäftsführers ausschließlich solche Rechte von Belang, welche im Gesellschaftsvertrag vereinbart worden sind. Nur solche Minderheitenrechte, die im Gesellschaftsvertrag vereinbart sind, sind für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Gesamtbildes der Tätigkeit so verlässlich, dass aus ihnen eine Selbstständigkeit hergeleitet werden kann. Denn insoweit ergeben sich wesentlich höhere Anforderungen an die Aufhebung solcher satzungsmäßiger Regelungen, weil hierfür notarielle Form, Handelsregisteranmeldung und qualifizierte Mehrheiten erforderlich sind. Ist eine echte Übertragung von Gesellschaftsanteilen nicht gewollt, kommt wegen des gesellschaftsrechtlichen Verbots der Stimmrechtsabspaltung vom Geschäftsanteil nicht mehr als eine schuldrechtliche Abrede zwischen den Gesellschaftern über das Abstimmungsverhalten in der Gesellschafterversammlung oder eine Stimmrechtsvollmacht in Betracht. Solche Abreden sind nach der neueren Rsprg. des BSG jedoch immer – zumindest aus wichtigem Grund – kündbar mit der Folge, dass ihnen die für die Statusbeurteilung notwendige Rechtsbeständigkeit fehlt (vgl. BSG, Urteile vom 11. November 2015, B 12 R 2/14 R, juris Rn.32).
Die Klägerin wird auch nicht mit der Behauptung gehört, die Beigeladene zu 1) habe im Arbeitsalltag von der Klägerin keine Weisungen erhalten und sei auch nicht kontrolliert worden. Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 29. Juli 2015 (B 12 KR 23/13 R, juris, Rn. 25) ausgeführt hat, kann aus der Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden. Auch weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in der funktionsgerecht dienenden Teilnahme am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, führen nicht zur Annahme der Selbständigkeit, selbst wenn diese Umstände auf besondere Rücksichtnahme innerhalb eines Familienunternehmens beruhen (zuletzt BSG, Urteil vom 19. August 2015, B 12 KR 9/14 R -, juris, Rn. 21).
Sonstige Anhaltspunkte, die einer Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) im streitigen Zeitraum in der Kranken- und dem folgend in der Pflegeversicherung, in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 und Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG).
Die Revision war nicht zuzulassen da die Voraussetzungen des §§ 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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