Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AL 6/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 271/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, in welcher Höhe das Einkommen der Ehefrau des Klägers bei der Berechnung der an ihn zu leistenden Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu berücksichtigen ist.
Der am 00.00.1954 geborene Kläger arbeitete bis 1991 in der UdSSR, dort zuletzt als Berufsfachlehrer. Seit Februar 1991 lebt er in Deutschland und bezog dort zuletzt bis zum 25.12.2003 Arbeitslosengeld (Alg).
In seinem am 19.12.2003 gestellten Antrag auf Alhi machte er geltend, dass vom Einkommen seiner Ehefrau Ausgaben für Arzneimittel, ärztliche Behandlungen und Physiotherapie abzusetzen seien und verwies zur Begründung auf ein Attest der Ärztin für Naturheilverfahren Frau T und diverse Quittungen. Weiterhin abzusetzen seien Aufwendungen für Versicherungen (jeweils zwei Lebens- und Krankenversicherungen und jeweils eine Unfall-, Pflichthaftpflicht-, Kraftfahrzeug- und Rechtsschutzversicherung) in Höhe von jährlich 4749,76 Euro.
Mit Bescheid vom 04.03.2004 zahlte die Beklagte dem Kläger ab dem 26.12.2003 Alhi i.H.v. wöchentlich 5,25 Euro. Höhere Alhi komme deswegen nicht in Betracht, weil das Einkommens der Ehefrau mit wöchentlich 92,26 Euro auf die Alhi anzurechnen sei.
Seinen am 29.03.2004 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, seine Ehefrau sei als schwerbehindert anerkannt; außerdem trüge die Familie außergewöhnliche Belastungen in Form von Aufwendungen für Versicherungen, Arzneimittel und ärztliche Behandlungen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 21.04.2004 zurück und führte aus, Aufwendungen für Versicherungen könnten nur in Höhe eines Pauschbetrag von 3 % des Einkommens berücksichtigt werden, was bei der Berechnung auch geschehen sei. Ausgaben für Arzneimittel und dergleichen seien keine vom Einkommen abzusetzende Aufwendungen und müßten daher unberücksichtigt bleiben.
Hiergegen richtet sich die am 18.05.2004 erhobene Klage.
Der Kläger weist darauf hin, dass er erst seit 1991 in Deutschland lebe und eine weit geringere Rente aus der deutschen Rentenversicherung zu erwarten habe als ein durchschnittlicher Erwerbstätiger. Er sei daher gezwungen, diese erwartete Einkommenseinbuße im Wege privater Lebensversicherungen auszugleichen. Aus der Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung von Altersvorsorgevermögen ergebe sich, dass im Rahmen des Alhi-Bezugs nicht nur der Bestand, sondern auch der Erwerb solcher Guthaben geschützt sein müsse.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 04.03.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2004 zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe unter Abzug der antragsgemäß geltend gemachten tatsächlichen Aufwendungen für ärztliche Behandlung und Arzneimittel sowie für Versicherungen vom zu berücksichtigenden Einkommen seiner Ehefrau zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer bisherigen Auffassung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die übrige Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da er keinen Anspruch auf höhere Alhi hat.
Nach § 190 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) haben Arbeitnehmer nach näherer Maßgabe der folgenden Vorschriften Anspruch auf Alhi. Streitig ist im vorliegenden Fall allein das Ausmaß der Bedürftigkeit des Klägers. Nach § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III erhalten nur bedürftige Arbeitnehmer Alhi. Nach § 193 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitsloser u.a. dann bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Zu berücksichtigendes Einkommen ist nach § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III auch das Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, soweit es den Freibetrag übersteigt. Vom Einkommen des Ehegatten abzusetzen sind u.a. die Beiträge zu privaten Versicherungen, soweit sie gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind (§ 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III) sowie die notwendigen Aufwendungen für den Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III). § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III wird durch die aufgrund § 206 Nr. 1 bis 4 SGB III erlassene Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 13.12.2001 (AlhiV) näher konkretisiert, die in § 3 eine Regelung über Pauschbeträge für die vom Einkommen abzusetzenden Beträge enthält. § 3 Abs. 2 AlhiV bestimmt einen Pauschbetrag in Höhe von 3 Prozent des Einkommens für die nach § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III abzusetzenden Beiträge zu privaten Versicherungen, wenn der Arbeitslose und sein Ehegatte in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig sind.
Die Beklagte hat diese Vorschriften zutreffend angewandt. Vom Einkommen der Ehefrau des Klägers keine höheren Beträge abzusetzen.
Aufwendungen für ärztliche Behandlung, Arzneimittel, Physiotherapie und dergleichen sind nicht abzusetzen, weil es sich hierbei nicht um notwendige Aufwendungen für den Erwerb oder zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen i.S.d. § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III handelt. Die Umschreibung in § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III entspricht (bis auf den Vorbehalt der Notwendigkeit) dem steuerrechtlichen Begriff der Werbungskosten in § 9 Abs. 1 des Einkommenssteuergesetzes (EStG), der im Anwendungsbereich von § 194 SGB III nur insoweit zu modifizieren ist, als Sinn und Zweck der Alhi dies erfordern (BSG, Urteil vom 10.07.2003 - B 11 AL 71/02 R m.w.N.; LSG Brandenburg, Urteil vom 20.09.2002 - L 10 AL 161/00). Entscheidend ist hierbei, ob und inwieweit das Einkommen berufsbedingt gemindert wird und somit für den Lebensunterhalt nicht zur Verfügung steht (BSG, a.a.O.). Aufwendungen für ärztliche Behandlung etc. fallen hierunter nicht, da es sich nach steuerrechtlicher Würdigung nicht um Werbungskosten, sondern um außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EstG) handelt (Bayerisches LSG, Urteil vom 13.09.2001 - L 9 AL 227/97). Diese Aufwendungen weisen keinen Kausalzusammenhang zur Berufstätigkeit des Ehegatten auf und sind somit gerade nicht berufsbedingt. Nicht die Berufstätigkeit der Ehefrau des Klägers veranlasst diese zu Ausgaben für ärztliche Behandlung, Arzneimittel und Physiotherapie, sondern ihr Gesundheitszustand. Demnach ist es Sache der Krankenversicherung, ob und inwieweit die betreffenden Ausgaben erstattet oder übernommen werden, nicht jedoch der Arbeitsförderung.
Auch die Aufwendungen für Versicherungen sind nur in Höhe des in § 3 Abs. 2 AlhiV angeordneten Pauschbetrags nach § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III abzusetzen. Die Beklagte hat beide Vorschriften ihrem Wortlaut nach zutreffend angewandt; Berechnungsfehler u.ä. hat der Kläger weder gerügt noch sind sie dem Gericht ersichtlich. Die Klage kann demnach nur dann Erfolg haben, wenn beide Vorschriften aufgrund mangelnder Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht nicht oder anders (d.h. im Sinne des Klageantrags) anzuwenden wären. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Kammer verkennt nicht, dass eine Reihe von Gerichten die Nichtigkeit von § 3 Abs. 2 AlhiV angenommen hat, kann sich dem jedoch - jedenfalls für Fälle wie den vorliegenden - nicht anschließen. Sie hält § 3 Abs. 2 AlhiV nicht wegen Verstosses gegen höherrangiges Recht für rechtswidrig (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 28.01.2004 - L 12 AL 104/03 und 175/03 = info also 2004, 156 ff; weiterhin auch Urteil vom 04.02.2004 - L 12 AL 216/03 und vom 07.04.2004 - L 12 AL 247/03; ebenso SG Berlin, Urteil vom 30.08.2002 - S 58 AL 2103/02, info also 2003, 23 ff; SG Mannheim, Urteil vom 25.04.2002 - S 11 AL 1260/01).
Zwar vollzieht § 3 Abs. 2 AlhiV die in § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III enthaltene Differenzierung zwischen gesetzlich vorgeschriebenen und angemessenen Beiträgen zu privaten Versicherungen nicht mehr nach und bezieht insbesondere auch die Beiträge zu gesetzlich vorgeschriebenen Privatversicherungen in den Pauschbetrag ein. Diese Form der Pauschalierung liegt jedoch im Rahmen des nach § 206 Nr. 4 SGB III Zulässigen. In § 206 Nr. 4 SGB III eröffnet der Gesetz- dem Verordnungsgeber die Möglichkeit, zu bestimmen, ob und welche Pauschbeträge für die vom Einkommen abzusetzenden Beträge zu berücksichtigen sind. Der Verordnungsgeber darf demnach nicht nur die Höhe der Pauschbeträge festlegen, sondern auch entscheiden, für welche vom Einkommen des Ehegatten abzusetzenden Ausgaben er überhaupt Pauschbeträge vorsieht. Dass ihm hierbei eine Erfassung auch der Beiträge zu gesetzlich vorgeschriebenen privaten Versicherungen verbaut wäre, ist nicht ersichtlich. Insbesondere handelt es sich hierbei um Versicherungspflichten, die Arbeitslose nur dann treffen, wenn sie einen bestimmten Tatbestand erfüllen, der wiederum (wie etwa die Eigenschaft als Halter eines Kraftfahrzeugs) mit der Arbeitslosigkeit und auch der Arbeitsförderung in keinem inhaltlichen Zusammenhang steht. Ein Abzug der entsprechenden Beitragsaufwendungen in voller Höhe bedeutete nach Auffassung der Kammer vielmehr eine Benachteiligung derjenigen, die sich bereits während des Alg-Bezugs veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen und aufwändige private Versicherungspflichten vermeiden. Nach Auffassung der Kammer liegt in diesem Unterschied zwischen einerseits der schlechthin verbindlichen Sozialversicherung einschließlich Arbeitsförderung (§ 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 1.Alt SGB III) und andererseits den gesetzlichen Versicherungspflichten bei Erfüllung bestimmter sozialversicherungsfremder Tatbestände (§ 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 2.Alt SGB III) - also bei "vermeidbarer Versicherungspflicht" - ein hinreichendes Kriterium zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Unterscheidung in § 3 Abs. 2 AlhiV.
Ebensowenig verstößt der Verordnungsgeber dadurch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), dass er sich am Einkommen anstatt am versicherten Risiko orientiert (so aber LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.; ähnlich SG Mannheim, a.a.O.). Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn verschiedene Gruppen von Normadressaten unterschiedlich behandelt werden, obwohl keine derart gravierenden Unterscheide zwischen beiden Gruppen bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (BVerfG SozR 3-4100 § 137 Nr. 3). Bei der Frage, was er gleich und was er ungleich behandelt, kommt dem Gesetzgeber (i.w.S.) gerade im Sozialrecht ein weiter Ermessens- und Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 81, 156, 204; 89, 365, 376; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl., 2004, Art. 3, Rn. 54). Demnach hat das Gericht nicht zu überprüfen, ob der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber im Einzelfall tatsächlich die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.04.2004 - L 12 (9) AL 265/03). Der vom Verordnungsgeber gewählte Anknüpfungspunkt des Einkommens erscheint jedenfalls nicht sachwidrig, denn auch das Gesetz stellt bei den Voraussetzungen des Alhi-Anspruchs auf die Bedürftigkeit ab, §§ 190 Abs. 1 Nr. 5, 193 SGB III, und orientiert sich in § 194 SGB III nicht an den vom Arbeitslosen und seinem Ehegatten vorgenommenen wirtschaftlichen Dispositionen, sondern an den tatsächlichen Einkommensverhältnissen. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht wirkürlich, in den Fällen vermeidbarer Versicherungspflicht auf das tatsächliche Einkommen als - untechnisch gesprochen - wirtschaftliche Bemessungsgröße für eine sinnvolle wirtschaftliche Lebensgestaltung abzustellen (vgl. SG Aachen, Urteil vom 12.12.2003 - S 8 AL 76/03).
Auch die Gründe, aus denen das SG Berlin (a.a.O.) die Pauschbetragsregelung in § 3 Abs. 2 AlhiV für verfassungswidrig und somit nichtig hält, überzeugen die Kammer nicht. Das SG Berlin gründet seine Überlegungen auf einen nach Wegfall der originären Alhi gestärkten versicherungsrechtlichen Kontext der Alhi, die dem Arbeitslosen als Entgeltersatzleistung einen prozentualen Anteil seines bisherigen Lebensstandards erhalten solle. Nach Auffassung der Kammer greift jedoch auch angesichts dessen der Verweis auf die Bedürftigkeitsabhängigkeit der (aus Steuermitteln und nicht aus Beiträgen finanzierten) Alhi, bei deren Einschränkung dem Gesetzgeber ein erheblicher Einschätzungsspielraum zusteht, der insbesondere pauschalierende Regelungen ermöglicht (vgl. SG Aachen, a.a.O.).
Zu Unrecht verweist der Kläger schließlich auf die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Altersvorsorgevermögen (und insbesondere bereits vorhandener Guthaben aus Lebensversicherungen), denn selbst bei Annahme einer generellen Unverwertbarkeit ergibt sich hieraus nicht, dass die Alhi zugleich auch dem Erwerb solcher Guthaben dient. Auch der Einwand des Klägers, er habe aufgrund seiner Lebensgeschichte nur eine unterdurchschnittliche Rente zu erwarten und müsse diesen Ausfall nunmehr im Wege einer Lebensversicherung kompensieren, geht fehl. Ihm ist bereits entgegenzuhalten, dass es auch Art. 3 Abs. 1 GG nicht gebietet, von den historischen Fakten, aus denen sich derartige Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Einen besonderen Ausgleich für nachteilige Entwicklungen rein biografischer Natur sieht das Sozialrecht gerade nicht vor (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 31/01 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, in welcher Höhe das Einkommen der Ehefrau des Klägers bei der Berechnung der an ihn zu leistenden Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu berücksichtigen ist.
Der am 00.00.1954 geborene Kläger arbeitete bis 1991 in der UdSSR, dort zuletzt als Berufsfachlehrer. Seit Februar 1991 lebt er in Deutschland und bezog dort zuletzt bis zum 25.12.2003 Arbeitslosengeld (Alg).
In seinem am 19.12.2003 gestellten Antrag auf Alhi machte er geltend, dass vom Einkommen seiner Ehefrau Ausgaben für Arzneimittel, ärztliche Behandlungen und Physiotherapie abzusetzen seien und verwies zur Begründung auf ein Attest der Ärztin für Naturheilverfahren Frau T und diverse Quittungen. Weiterhin abzusetzen seien Aufwendungen für Versicherungen (jeweils zwei Lebens- und Krankenversicherungen und jeweils eine Unfall-, Pflichthaftpflicht-, Kraftfahrzeug- und Rechtsschutzversicherung) in Höhe von jährlich 4749,76 Euro.
Mit Bescheid vom 04.03.2004 zahlte die Beklagte dem Kläger ab dem 26.12.2003 Alhi i.H.v. wöchentlich 5,25 Euro. Höhere Alhi komme deswegen nicht in Betracht, weil das Einkommens der Ehefrau mit wöchentlich 92,26 Euro auf die Alhi anzurechnen sei.
Seinen am 29.03.2004 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, seine Ehefrau sei als schwerbehindert anerkannt; außerdem trüge die Familie außergewöhnliche Belastungen in Form von Aufwendungen für Versicherungen, Arzneimittel und ärztliche Behandlungen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 21.04.2004 zurück und führte aus, Aufwendungen für Versicherungen könnten nur in Höhe eines Pauschbetrag von 3 % des Einkommens berücksichtigt werden, was bei der Berechnung auch geschehen sei. Ausgaben für Arzneimittel und dergleichen seien keine vom Einkommen abzusetzende Aufwendungen und müßten daher unberücksichtigt bleiben.
Hiergegen richtet sich die am 18.05.2004 erhobene Klage.
Der Kläger weist darauf hin, dass er erst seit 1991 in Deutschland lebe und eine weit geringere Rente aus der deutschen Rentenversicherung zu erwarten habe als ein durchschnittlicher Erwerbstätiger. Er sei daher gezwungen, diese erwartete Einkommenseinbuße im Wege privater Lebensversicherungen auszugleichen. Aus der Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung von Altersvorsorgevermögen ergebe sich, dass im Rahmen des Alhi-Bezugs nicht nur der Bestand, sondern auch der Erwerb solcher Guthaben geschützt sein müsse.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 04.03.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2004 zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe unter Abzug der antragsgemäß geltend gemachten tatsächlichen Aufwendungen für ärztliche Behandlung und Arzneimittel sowie für Versicherungen vom zu berücksichtigenden Einkommen seiner Ehefrau zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer bisherigen Auffassung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die übrige Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da er keinen Anspruch auf höhere Alhi hat.
Nach § 190 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) haben Arbeitnehmer nach näherer Maßgabe der folgenden Vorschriften Anspruch auf Alhi. Streitig ist im vorliegenden Fall allein das Ausmaß der Bedürftigkeit des Klägers. Nach § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III erhalten nur bedürftige Arbeitnehmer Alhi. Nach § 193 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitsloser u.a. dann bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Zu berücksichtigendes Einkommen ist nach § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III auch das Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, soweit es den Freibetrag übersteigt. Vom Einkommen des Ehegatten abzusetzen sind u.a. die Beiträge zu privaten Versicherungen, soweit sie gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind (§ 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III) sowie die notwendigen Aufwendungen für den Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III). § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III wird durch die aufgrund § 206 Nr. 1 bis 4 SGB III erlassene Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 13.12.2001 (AlhiV) näher konkretisiert, die in § 3 eine Regelung über Pauschbeträge für die vom Einkommen abzusetzenden Beträge enthält. § 3 Abs. 2 AlhiV bestimmt einen Pauschbetrag in Höhe von 3 Prozent des Einkommens für die nach § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III abzusetzenden Beiträge zu privaten Versicherungen, wenn der Arbeitslose und sein Ehegatte in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig sind.
Die Beklagte hat diese Vorschriften zutreffend angewandt. Vom Einkommen der Ehefrau des Klägers keine höheren Beträge abzusetzen.
Aufwendungen für ärztliche Behandlung, Arzneimittel, Physiotherapie und dergleichen sind nicht abzusetzen, weil es sich hierbei nicht um notwendige Aufwendungen für den Erwerb oder zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen i.S.d. § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III handelt. Die Umschreibung in § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III entspricht (bis auf den Vorbehalt der Notwendigkeit) dem steuerrechtlichen Begriff der Werbungskosten in § 9 Abs. 1 des Einkommenssteuergesetzes (EStG), der im Anwendungsbereich von § 194 SGB III nur insoweit zu modifizieren ist, als Sinn und Zweck der Alhi dies erfordern (BSG, Urteil vom 10.07.2003 - B 11 AL 71/02 R m.w.N.; LSG Brandenburg, Urteil vom 20.09.2002 - L 10 AL 161/00). Entscheidend ist hierbei, ob und inwieweit das Einkommen berufsbedingt gemindert wird und somit für den Lebensunterhalt nicht zur Verfügung steht (BSG, a.a.O.). Aufwendungen für ärztliche Behandlung etc. fallen hierunter nicht, da es sich nach steuerrechtlicher Würdigung nicht um Werbungskosten, sondern um außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EstG) handelt (Bayerisches LSG, Urteil vom 13.09.2001 - L 9 AL 227/97). Diese Aufwendungen weisen keinen Kausalzusammenhang zur Berufstätigkeit des Ehegatten auf und sind somit gerade nicht berufsbedingt. Nicht die Berufstätigkeit der Ehefrau des Klägers veranlasst diese zu Ausgaben für ärztliche Behandlung, Arzneimittel und Physiotherapie, sondern ihr Gesundheitszustand. Demnach ist es Sache der Krankenversicherung, ob und inwieweit die betreffenden Ausgaben erstattet oder übernommen werden, nicht jedoch der Arbeitsförderung.
Auch die Aufwendungen für Versicherungen sind nur in Höhe des in § 3 Abs. 2 AlhiV angeordneten Pauschbetrags nach § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III abzusetzen. Die Beklagte hat beide Vorschriften ihrem Wortlaut nach zutreffend angewandt; Berechnungsfehler u.ä. hat der Kläger weder gerügt noch sind sie dem Gericht ersichtlich. Die Klage kann demnach nur dann Erfolg haben, wenn beide Vorschriften aufgrund mangelnder Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht nicht oder anders (d.h. im Sinne des Klageantrags) anzuwenden wären. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Kammer verkennt nicht, dass eine Reihe von Gerichten die Nichtigkeit von § 3 Abs. 2 AlhiV angenommen hat, kann sich dem jedoch - jedenfalls für Fälle wie den vorliegenden - nicht anschließen. Sie hält § 3 Abs. 2 AlhiV nicht wegen Verstosses gegen höherrangiges Recht für rechtswidrig (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 28.01.2004 - L 12 AL 104/03 und 175/03 = info also 2004, 156 ff; weiterhin auch Urteil vom 04.02.2004 - L 12 AL 216/03 und vom 07.04.2004 - L 12 AL 247/03; ebenso SG Berlin, Urteil vom 30.08.2002 - S 58 AL 2103/02, info also 2003, 23 ff; SG Mannheim, Urteil vom 25.04.2002 - S 11 AL 1260/01).
Zwar vollzieht § 3 Abs. 2 AlhiV die in § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III enthaltene Differenzierung zwischen gesetzlich vorgeschriebenen und angemessenen Beiträgen zu privaten Versicherungen nicht mehr nach und bezieht insbesondere auch die Beiträge zu gesetzlich vorgeschriebenen Privatversicherungen in den Pauschbetrag ein. Diese Form der Pauschalierung liegt jedoch im Rahmen des nach § 206 Nr. 4 SGB III Zulässigen. In § 206 Nr. 4 SGB III eröffnet der Gesetz- dem Verordnungsgeber die Möglichkeit, zu bestimmen, ob und welche Pauschbeträge für die vom Einkommen abzusetzenden Beträge zu berücksichtigen sind. Der Verordnungsgeber darf demnach nicht nur die Höhe der Pauschbeträge festlegen, sondern auch entscheiden, für welche vom Einkommen des Ehegatten abzusetzenden Ausgaben er überhaupt Pauschbeträge vorsieht. Dass ihm hierbei eine Erfassung auch der Beiträge zu gesetzlich vorgeschriebenen privaten Versicherungen verbaut wäre, ist nicht ersichtlich. Insbesondere handelt es sich hierbei um Versicherungspflichten, die Arbeitslose nur dann treffen, wenn sie einen bestimmten Tatbestand erfüllen, der wiederum (wie etwa die Eigenschaft als Halter eines Kraftfahrzeugs) mit der Arbeitslosigkeit und auch der Arbeitsförderung in keinem inhaltlichen Zusammenhang steht. Ein Abzug der entsprechenden Beitragsaufwendungen in voller Höhe bedeutete nach Auffassung der Kammer vielmehr eine Benachteiligung derjenigen, die sich bereits während des Alg-Bezugs veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen und aufwändige private Versicherungspflichten vermeiden. Nach Auffassung der Kammer liegt in diesem Unterschied zwischen einerseits der schlechthin verbindlichen Sozialversicherung einschließlich Arbeitsförderung (§ 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 1.Alt SGB III) und andererseits den gesetzlichen Versicherungspflichten bei Erfüllung bestimmter sozialversicherungsfremder Tatbestände (§ 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 2.Alt SGB III) - also bei "vermeidbarer Versicherungspflicht" - ein hinreichendes Kriterium zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Unterscheidung in § 3 Abs. 2 AlhiV.
Ebensowenig verstößt der Verordnungsgeber dadurch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), dass er sich am Einkommen anstatt am versicherten Risiko orientiert (so aber LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.; ähnlich SG Mannheim, a.a.O.). Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn verschiedene Gruppen von Normadressaten unterschiedlich behandelt werden, obwohl keine derart gravierenden Unterscheide zwischen beiden Gruppen bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (BVerfG SozR 3-4100 § 137 Nr. 3). Bei der Frage, was er gleich und was er ungleich behandelt, kommt dem Gesetzgeber (i.w.S.) gerade im Sozialrecht ein weiter Ermessens- und Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 81, 156, 204; 89, 365, 376; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl., 2004, Art. 3, Rn. 54). Demnach hat das Gericht nicht zu überprüfen, ob der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber im Einzelfall tatsächlich die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.04.2004 - L 12 (9) AL 265/03). Der vom Verordnungsgeber gewählte Anknüpfungspunkt des Einkommens erscheint jedenfalls nicht sachwidrig, denn auch das Gesetz stellt bei den Voraussetzungen des Alhi-Anspruchs auf die Bedürftigkeit ab, §§ 190 Abs. 1 Nr. 5, 193 SGB III, und orientiert sich in § 194 SGB III nicht an den vom Arbeitslosen und seinem Ehegatten vorgenommenen wirtschaftlichen Dispositionen, sondern an den tatsächlichen Einkommensverhältnissen. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht wirkürlich, in den Fällen vermeidbarer Versicherungspflicht auf das tatsächliche Einkommen als - untechnisch gesprochen - wirtschaftliche Bemessungsgröße für eine sinnvolle wirtschaftliche Lebensgestaltung abzustellen (vgl. SG Aachen, Urteil vom 12.12.2003 - S 8 AL 76/03).
Auch die Gründe, aus denen das SG Berlin (a.a.O.) die Pauschbetragsregelung in § 3 Abs. 2 AlhiV für verfassungswidrig und somit nichtig hält, überzeugen die Kammer nicht. Das SG Berlin gründet seine Überlegungen auf einen nach Wegfall der originären Alhi gestärkten versicherungsrechtlichen Kontext der Alhi, die dem Arbeitslosen als Entgeltersatzleistung einen prozentualen Anteil seines bisherigen Lebensstandards erhalten solle. Nach Auffassung der Kammer greift jedoch auch angesichts dessen der Verweis auf die Bedürftigkeitsabhängigkeit der (aus Steuermitteln und nicht aus Beiträgen finanzierten) Alhi, bei deren Einschränkung dem Gesetzgeber ein erheblicher Einschätzungsspielraum zusteht, der insbesondere pauschalierende Regelungen ermöglicht (vgl. SG Aachen, a.a.O.).
Zu Unrecht verweist der Kläger schließlich auf die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Altersvorsorgevermögen (und insbesondere bereits vorhandener Guthaben aus Lebensversicherungen), denn selbst bei Annahme einer generellen Unverwertbarkeit ergibt sich hieraus nicht, dass die Alhi zugleich auch dem Erwerb solcher Guthaben dient. Auch der Einwand des Klägers, er habe aufgrund seiner Lebensgeschichte nur eine unterdurchschnittliche Rente zu erwarten und müsse diesen Ausfall nunmehr im Wege einer Lebensversicherung kompensieren, geht fehl. Ihm ist bereits entgegenzuhalten, dass es auch Art. 3 Abs. 1 GG nicht gebietet, von den historischen Fakten, aus denen sich derartige Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Einen besonderen Ausgleich für nachteilige Entwicklungen rein biografischer Natur sieht das Sozialrecht gerade nicht vor (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 31/01 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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