L 9 AL 24/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AL 111/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 24/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11a/11 AL 71/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 12. Dezember 2003 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit ab Juli 2003, den die Beklagte unter Bezugnahme auf den Rückkaufswert einer Kapitallebensversicherung des Klägers wegen mangelnder Bedürftigkeit abgelehnt hat.

Der am 00.00.00 geborene Kläger arbeitete von August 1969 bis 30.06.1993 als kaufmännischer Angestellter und bezog anschließend vom 01.07.1993 bis 29.06.1994 Arbeitslosengeld (Alg). Seit der Erschöpfung seines Alg-Anspruchs im Juni 1994 bewilligte die Beklagte auf der Grundlage einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.01.1997 (11 RAr 21/96) Anschluss-Alhi. Insofern war auch hinsichtlich der für die Zeit ab 30.06.1994 beantragten Alhi zunächst streitig, ob eine von dem Kläger und seiner am 14.09.1951 geborenen Ehefrau im Jahre 1976 bei den X-Versicherungen abgeschlossene und am 01.01.2006 fällig werdende Kapitallebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 40.000,- DM den Alhi-Anspruch mangels Bedürftigkeit ausschloß. Das BSG hielt die Berücksichtigung der Lebensversicherung bei der speziellen Bedürftigkeitsprüfung schon deshalb für ausgeschlossen, weil sie dem Kläger und seiner Ehefrau nicht zumutbar sei. Bei der Kapitallebensversicherung, mit der durch Kindererziehung bedingte Lücken im Versicherungsverlauf der Ehefrau des Klägers geschlossen werden sollten, handele es sich um eine - auch in Stufen zu verwirklichende - ergänzende Alterssicherung, die von dem Regelbeispiel des § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 der Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiV) erfasst werde, wonach nicht zumutbar die Verwertung von Vermögen sei, das zum Aufbau oder zur Sicherung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt war. Auch nach Inkrafttreten der Neufassung der AlhiV 2002 vom 13.12.2001 (BGBl I Seite 3734) zahlte die Beklagte auf der Grundlage der Übergangsvorschrift des § 4 Abs. 2 AlhiV 2002 für den Bewilligungsabschnitt vom 01.07.2002 bis zum 30.06.2003 weiterhin Alhi ohne Berücksichtigung des noch bestehenden Lebensversicherungsvertrags.

Zu seinem Fortzahlungsantrag auf Alhi vom 06.06.2003 legte der Kläger eine Bescheinigung der X-Versicherungen vor. Nach deren Inhalt hatte der Kläger am 01.07.2003 Beiträge iHv 19.805,14 Euro eingezahlt. Der Rückkaufswert der Kapitallebensversicherung betrug 43.928,42 Euro. Bei der Lebensversicherung handelt es sich nicht um eine im Rahmen der "Riester-Rente" geförderte Versicherung. Auch sind weder der Kläger noch seine Ehefrau von der Rentenversicherungspflicht befreit. Der Kläger gab weiter ein Sparguthaben iHv 2268,19 Euro an.

Mit Bescheid vom 17.07.2003 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alhi mangels Bedürftigkeit ab. Dabei ging die Beklagte von einem Vermögen iHv 46.196,60 Euro aus. Hiervon setzte sie Freibeträge für den Kläger und seine Ehefrau iHv jeweils 10.200,- Euro ab, so dass nach Auffassung der Beklagten ein verwertbares Vermögen iHv 25.796,60 Euro verblieb. Mit seinem Widerspruch macht der Kläger mit Bezug auf eine Bescheinigung der X-Versicherungen vom 01.10.2002 geltend, die Verwertung der Lebensversicherung sei unwirtschaftlich, da der Rückkaufswert zum Stichtag 01.07.2003 um ca. 20 % unter dem im Jahre 2006 fällig werdenden Betrag liege. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Frage der Unwirtschaftlichkeit der Verwertbarkeit der Lebensversicherung stellte sie auf die Relation der eingezahlten Beiträge zum Rückkaufswert ab. Die Verwertung der Lebensversicherung sei nur dann als unzumutbar anzusehen, wenn der Rückkaufswert der Lebensversicherung 10 % unter den eingezahlten Beiträgen liege.

Mit seiner am 24.09.2003 bei dem Sozialgericht (SG) Aachen erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, angesichts seiner langen Arbeitslosigkeit und der langjährigen Teilzeitbeschäftigung seiner Ehefrau sei er dringend auf eine Aufstockung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung angewiesen. Im Übrigen ergebe sich bei der Laufzeit seiner Lebensversicherung von 30 Jahren bei einer Auflösung kurz vor dem Stichtag ein erheblicher Verlust.

Das SG hat mit Urteil vom 12.12.2003 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von Alhi ab 01.07.2003 verurteilt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, zweifelhaft sei bereits, ob die Anrechnung der Kapital-Lebensversicherung des Klägers nicht an einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit ihrer Verwertung iSd § 1 Abs. 3 Nr. 6 AlhiV 2002 scheitere. Zwar liege eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit grundsätzlich nur vor, wenn der eingezahlte Betrag den Auszahlungsbetrag wesentlich übersteige, da die Regelungen des Sozialgesetzbuchs nicht dazu dienten, renditestarke Anlageformen gegenüber weniger renditestarken Anlageformen zu bevorzugen. Die Kammer brauche jedoch nicht abschließend zu entscheiden, ob von diesem Grundsatz eine Ausnahme zu machen sei, wenn der reguläre Fälligkeitstermin relativ zeitnah liege (hier: innerhalb von drei Jahren nach Beginn des geltend gemachten Anspruchs) und die Gewinnerwartung den aktuellen Auszahlungsbetrag erheblich übersteige sowie der Auszahlungsbetrag sich mit der Gewinnerwartung immer noch im Rahmen einer angemessenen Altersversorgung bewege. Da die Freibetragsregelung des § 1 Abs. 2 AlhiV 2002 in der Fassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit einem Freibetrag von 200,- Euro je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners in Verbindung mit dem Wegfall von § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AlhiV 1974 mit höherrangigem Recht nicht zu vereinbaren sei, müsse sich die Beklagte weiter an dem bis dahin geltenden Freibetrag iHv 520,- Euro je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners orientieren, weshalb die Bedürftigkeit des Klägers zu bejahen sei. Die Herabsetzung der Freibeträge sei nicht mit der Ermächtigungsnorm des § 206 Nr. 1 SGB III vereinbar. Der in § 193 Abs. 2 SGB III enthaltene Begriff der Rechtfertigung der Bewilligung von Alhi trotz vorhandenen Vermögens stelle den Verordnungsgeber vor die Aufgabe, ein mit den Strukturprinzipien des Alhi-Rechts kompatibles Schonvermögenskonzept zu entwickeln. Insofern sei grundsätzlich eine schonende Behandlung von Vermögen, das für die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt sei, geboten, da der Lebensstandard im Alter nicht ausschließlich durch die gesetzliche Rentenversicherung gesichert werde. Die jetzt geltende Freibetragsregelung ermögliche keine angemessene Alterssicherung des Klägers und seiner Ehefrau mehr, da sich aus einem freizustellenden Vermögen von ca. 20.000,- Euro für einen 60-jährigen männlichen Arbeitslosen bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 15,36 Jahren nach Vollendung des 65. Lebensjahres durch Kapitalverbrauch ohne Berücksichtigung der Verzinsung monatlich ein zusätzliches Alterseinkommen von ca. 111,- Euro für den Kläger und seine Ehefrau ergebe. Unabhängig hiervon habe der Verordnungsgeber mit der drastischen Absenkung der Freibetragsregelung die Grenzen des Rechts- und Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 28 Abs. 1 GG) verletzt. Die Absenkung des Freibetrages stelle eine tatbestandliche Rückanknüpfung (sog. unechte Rückwirkung) dar, die gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit und den Vertrauensschutzgrundsatz verstoße. Insofern fördere der zu niedrige Freibetrag die Verschleuderung von Altersvorsorgevermögen, entlaste den Bundeshaushalt im Ergebnis nicht und stehe der gesellschaftlich und politisch gewünschten Bildung von privatem Altersvorsorgevermögen entgegen. Die drastische Absenkung des Freibetrags sei auch unangemessen, da der Kläger mit der Zahlung der Versicherungsprämie seit 1976 einen jahrzehntelangen Konsumverzicht geleistet habe, der jetzt praktisch entwertet werde.

Gegen das ihr am 07.01.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.02.2004 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die mit dem Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen vorgenommene Reduzierung des Freibetrages sei mit höherrangigem Recht vereinbar, da der Eingriff in die Rechtsposition des Klägers gemessen an den Schranken des Rechts- und Sozialstaatsprinzips zulässig sei. Die Alhi enthalte so starke Elemente einer Fürsorgeleistung, dass beim Wegfall dieses Anspruchs das dem sodann Bedürftigen zustehende Recht auf Sozialhilfeleistungen grundsätzlich einen angemessenen Ausgleich gewährleiste. Dem Gesetz könne keine konkrete Regelung der Frage der Angemessenheit der Vermögens- und Einkommensanrechnung entnommen werden, so dass ein Freibetrag iHv 200,- Euro pro Lebensjahr für den Antragsteller und seine Ehefrau dem Bedürfnis nach einer zusätzlichen privaten Alterssicherung bei gleichzeitigem Bezug von Alhi hinreichend Rechnung trage. Das Abstandsgebot zwischen Sozial- und Arbeitslosenhilfe werde weiterhin hinreichend berücksichtigt. Auch bei der Zusammenführung von Alhi und Sozialhilfe durch das am 01.01.2004 in Kraft getretene Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitslose - (SGB II) entspreche die Vermögensberücksichtigung im Wesentlichen dem bisherigen Alhi-Recht und nicht der Sozialhilfe. Hinsichtlich der Rückwirkung der Neufassung der AlhiV verwies die Beklagte auf die Übergangsregelung in § 4 Abs. 2 AlhiV. Schon der Anspruch auf Alhi unterliege nicht der Eigentumsgarantie. Wegen des unerlässlichen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei notwendigen Entscheidungen zur Finanzlage des Bundes sei die vom SG im Ergebnis behauptete verfassungsrechtliche Einrichtungsgarantie eines Freibetrages in feststehender Höhe nicht anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 12. Dezember 2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt die Ansicht, die Verwertung der Lebensversicherung wäre offensichtlich unwirtschaftlich, da gegenüber dem vorgesehenen Auszahlungstermin am 01.01.2006 bei sofortiger Verwertung ein Wertverlust von mehr als 20 % eintrete. Auch aus der vorgesehenen Neugestaltung der gesetzlichen Vorschriften nach dem SGB II ergebe sich, dass der Gesetzgeber weiterhin eine angemessene Altersvorsorge fördere.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Leistungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte, die vorgelegen haben und ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des SG ist der angefochtene Bescheid vom 17.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2003 rechtmäßig, da der Kläger in dem hier streitigen Zeitraum ab 01.07.2003 keinen Anspruch auf Alhi hatte.

Ob ein Anspruch auf Alhi besteht, bestimmt sich nach § 190 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs- Arbeitsförderung - (SGB III). Danach haben Anspruch auf Alhi Arbeitnehmer, die arbeitslos sind (Nr. 1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben (Nr. 2), einen Anspruch auf Alg nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben (Nr. 3), in der Vorfrist Alg bezogen haben, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts einer Sperrzeit mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist (Nr. 4) und bedürftig sind (Nr. 5).

Die Anspruchsvoraussetzungen der Nummern 1 bis 4 des § 190 Abs. 1 SGB III lagen vor. Entgegen der Auffassung des SG ist der Kläger jedoch nicht bedürftig gewesen (Nr. 5).

Nicht bedürftig ist nach § 193 Abs. 2 SGB III ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in häuslicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Nach § 206 Nr. 1 SGB III kann durch Rechtsverordnung bestimmt werden, inwieweit Vermögen zu berücksichtigen ist und unter welchen Voraussetzungen anzunehmen ist, dass der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt auf andere Weise bestreitet oder bestreiten kann. Auf der Grundlage dieser Verordnungsermächtigung hat das ehemalige Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung die am 01.01.2002 in Kraft getretene Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 13.12.2001 (BGBl I S 3734 - AlhiV 2002) erlassen, die hinsichtlich der Freibetragsregelung hier in der ab 01.01.2003 geltenden Fassung durch das 1. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I S. 4607 im Folgenden: AlhiV 2003) anzuwenden ist. Die zuvor geltenden Fassungen der AlhiV finden nach den Übergangsvorschriften in § 4 Abs. 2 AlhiV 2002 für den hier streitgegenständlichen Leistungszeitraum ab 01.07.2003 keine Anwendung, da der laufende Bewilligungsabschnitt abgelaufen ist und der Kläger das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Nach § 1 Abs. 1 Alhi-VO 2002 ist das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt. Freibetrag ist ein Betrag von 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners; dieser darf für den Arbeitslosen und seinen Partner jeweils 13.000 Euro nicht übersteigen (§ 1 Abs. 2 AlhiV 2003). Danach hat die Beklagte für den Kläger und für seine Ehefrau (jeweils 51 Lebensjahre mal 200 Euro) zutreffend einen Freibetrag in Höhe von insgesamt 20.400 Euro ermittelt. Das bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung (§ 1 Abs. 4 Satz 2 AlhiV 2002) und den möglichen Leistungsbeginn ab 01.07.2003 zu bewertende Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau aus der Lebensversicherung überstieg diesen Freibetrag um 25.796,60 Euro erheblich. Es handelt sich bei der Lebensversicherung um zB durch Rückkauf, Übertragung zur Sicherung oder Beleihung verwertbares Vermögen, dessen Berücksichtigung nicht durch die abschließenden Regelungen in § 1 Abs. 3 AlhiV 2002 ausgeschlossen wird.

Als Vermögen sind danach nicht zu berücksichtigen das nach § 10a oder dem XI. Abschnitt des Einkommenssteuergesetzes geförderte Altersvorsorgevermögen einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeträge (sog. Riester-Anlagen, § 3 Abs. 3 Nr. 3 Alhi-VO 2002) oder nachweislich für die Alterssicherung bestimmte Sachen und Rechte des Arbeitslosen oder seines Partners, wenn sie nach § 231 SGB VI von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit sind (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 Alhi-VO 2002). Der Kläger und seine Ehefrau erfüllen die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschriften nicht. Sie gehören nicht zu dem von der Rentenversicherungspflicht befreiten Personenkreis. Bei den Kapitallebensversicherungen des Klägers handelt es sich nicht um ein nach § 10a oder dem XI Abschnitt des Einkommenssteuergesetzes (EStG) gefördertes Altersvorsorgevermögen, da hierunter nur die nach § 5 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG - BGBl 2001 S 1322ff) zertifizierten Altersvorsorgeverträge fallen. Hierzu kann die Lebensversicherung des Klägers schon deshalb nicht gehören, weil sie kein Alterseinkommen in Form einer lebenslang gleichbleibenden oder steigenden monatlichen Leibrente sicherstellt, wie dies § 1 Abs. 1 Nr. 4 AltZertG verlangt. Vielmehr werden Kapitallebensversicherungen regelmäßig mit ihrer Fälligkeit in einem Betrag ausgezahlt (Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auflage 2004, Vor § 159 Rdnr 10f, 34f). Der Ertrag aus der Versicherung kann somit nach Belieben des Versicherten zur Alterssicherung, aber auch für jeden anderen Zweck verwendet werden.

Die Berücksichtigung der Lebensversicherung entfällt nicht deshalb, weil es sich um Sachen und Rechte handelt, deren Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 6 Alhi-VO 2002). Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit ist zu berücksichtigen, dass es sich bei diesem Fall der Vermögensprivilegierung um einen Auffangtatbestand handelt, der vorrangig auf Gesichtspunkte der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der jeweiligen Sache bzw des jeweiligen Rechts abstellt (Krauß in: Wissing, PK-SGB III, 2. Auflage 2004, § 193 Rdnr 72). Offensichtlich unwirtschaftlich ist eine Verwertung daher nur dann, wenn der dadurch erlangte bzw zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des verwerteten bzw zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht oder stehen würde. Gewisse Verluste muss der Arbeitslose hinnehmen; lediglich die Verschleuderung von Vermögenswerten darf ihm nicht zugemutet werden. Umgekehrt ist eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung nicht gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht (BSG, Urteil vom 25.04.2002 - B 11 AL 69/01 R - info also 2002, 228; BSG, Urteil vom 17.10. 1996 - 7 RAr 2/96 - SozR 3-4100 § 137 Nr. 7 mit einer ausdrücklichen Gegenüberstellung der Kosten und des Nutzens des Rückkaufs einer Lebensversicherung; BSG, Urteil vom 17.10.1990 - 11 RAr 133/88 -). Da der Rückkaufswert der Lebensversicherung des Klägers erheblich über der Summe der eingezahlten Beiträge liegt, sieht der Senat schon aus diesem Grund keine Unwirtschaftlichkeit der Verwertung. Dahingestellt bleiben kann, ob die Wirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung -entsprechend der Verwaltungspraxis der Beklagten - generell davon abhängig gemacht werden kann, dass der Rückkaufswert einer Lebensversicherung abzüglich der mit dem Rückkauf verbundenen Kosten die Summe der eingezahlten Beiträge nicht um mehr als 10 vH unterschreitet. Da das "Verschleuderungsverbot" nur die Substanz des Vermögens, nicht jedoch die Erwartung zukünftiger Vermögenszuwächse schützt, kann die offensichtliche Unwirtschaftlichkeit nicht mit den in der Zukunft zu erwartenden Erträgen aus der Lebensversicherung begründet werden (sa LSG Berlin, Urteil vom 02.09.2003 - L 6 AL 16/03 - ).

Der Senat sieht daher keine Möglichkeit, unter Berücksichtigung des vom SG angesprochenen relativ zeitnahen Fälligkeitstermins der Lebensversicherung sowie der hohen Gewinnerwartung von einer Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung auszugehen, zumal der Kläger diese zur Vermeidung des (teilweisen) Verlustes des Rückkaufswertes in der kurzen noch verbleibenden Zeit bis zur Fälligkeit der Versicherungssumme am 01.01.2006 auch beleihen kann.

Die seit dem 41. Lebensjahr inzwischen 10 Jahre bestehende Arbeitslosigkeit des Klägers und die durch Kindererziehung bedingten Lücken im Versicherungsverlauf der Ehefrau des Klägers sowie ihre Teilzeittätigkeit sind keine Umstände, die zu einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung nach § 1 Abs. 3 Nr. 6 Alhi-VO 2002 führen. Da der Verordnungsgeber mit der Neufassung der AlhiV 2002 die allgemeine Billigkeitsklausel des § 6 Abs. 3 Satz 1 AlhiVO nicht übernommen hat, können außerhalb der Wirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung liegende Lebensumstände des Arbeitslosen im Rahmen von § 1 Abs. 3 Nr. 6 AlhiV nicht (mehr) berücksichtigt werden (sa LSG.Berlin, Urteil vom 26.07.2004 - L 6 AL 25/04 - ; anhängig BSG B 11 AL 51/04). Insofern liegt eine gegenüber der Entscheidung des BSG vom 29.01.1997 (- 11 RAr 21/96 - SozR 3-4220 § 6 Nr. 4) veränderte Rechtslage vor. Soweit das BSG in dieser Entscheidung ausgeführt hat, die Zumutbarkeit der Verwertung einer Kapitallebensversicherung dürfe - vor dem Hintergrund einer politisch befürworteten ergänzenden Alterssicherung - nicht allein von einer bestimmten Relation des Rückkaufswertes zur Summe der eingezahlten Beiträge abhängig gemacht werden, wird nicht der Begriff der Unwirtschaftlichkeit, sondern das weiter gefasste Merkmal der Unzumutbarkeit der Vermögensverwertung nach § 6 Abs. 3 AlhiV 1974 näher konkretisiert. Unabhängig hiervon ist dem Gesamtzusammenhang des § 1 Abs. 3 AlhiV 2002 zu entnehmen, dass eine die generellen Freibeträge ergänzende Freistellung von Altersvorsorgevermögen auf der Grundlage des negativen Regelbeispiels in § 1 Abs. 3 Nr. 3 AlhiV 2002 nur (noch) stattfinden soll, wenn durch vertragliche Versorgungsvereinbarung in Form der sog. Riester-Anlagen die Verwendung für die Alterssicherung sichergestellt ist. Im übrigen sollte ein einheitlicher Freibetrag für alle Vermögensarten unabhängig von einer aufwändigen Einzelfallprüfung der behaupteten Zweckbestimmung erfolgen. Da sich der Verordnungsgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit für eine stärkere Objektivierung des Begriffs der Altersvorsorge entschieden hat und insofern nur noch bestimmte Anlageformen privilegieren wollte, kann eine (subjektive) Zweckbestimmung für die Alterssicherung nicht als Faktor im Rahmen der Auffangregelung des § 1 Abs. 3 Nr. 6 AlhiV eine Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung begründen.

Schließlich können die von dem Kläger herangezogenen Regelungen zur erweiterten Freistellung von Altersvorsorgevermögen nach § 12 Sozialgesetzbuch- Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) vom 24.12.2003 (BGBl I S 2954) keine Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung in dem hier relevanten Leistungszeitraum begründen. Zwar enthält § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II neben dem altersabhängigen Grundbetrag in Höhe von 200 Euro pro Lebensjahr für den Arbeitslosen und dessen Partner sowie den als Altersvorsorge geförderten Riester-Anlageformen einen weiteren Freibetrag für der Altersvorsorge dienende geldwerte Ansprüche in Höhe von 200 Euro pro Lebensjahr des Hilfebedürftigen und seines Partners (höchstens jedoch jeweils 13.000 Euro), die aufgrund vertraglicher Vereinbarung nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand verwertbar sind. Insofern kann diskutiert werden, ob im Sinne einer vorberücksichtigenden Interpretation und Herstellung von Übergangsgerechtigkeit die Verwertung einer Lebensversicherung auch dann als unwirtschaftlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 6 AlhiV 2002 angesehen werden kann, wenn in dem streitigen Leistungszeitraum bereits objektivierbar feststeht (etwa durch Vorlage einer Bescheinigung des Versicherungsunternehmens), dass das betreffende Altersvorsorgevermögen ab 01.01.2005 durch eine entsprechende Vertragsumstellung geschützt wäre (vgl zu Vorberücksichtigung künftigen Rechts: Kloepfer, Vorwirkung von Gesetzen, 1974, S 171ff, insbesondere S 179, S 185, S 201; - vgl. auch BSG, Urteil vom 17.10.2002 - B 7 AL 96/00 R - zur Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen -). Da diese mögliche Vorberücksichtigung künftigen Rechts jedoch erst mit dem Zeitpunkt der offiziellen Bekanntmachung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 beginnen kann, ist das künftige Recht zur Auslegung des Begriffs der Unwirtschaftlichkeit in dem hier streitigen Leistungszeitraum ab 01.07.2003 schon aus diesem Grund unerheblich.

Entgegen der Auffassung des SG unterliegt die Absenkung der Freibeträge des § 1 Abs. 2 Satz 1 AlhiV 2002 für die Jahre 2003 und 2004 durch Art 11 Nr. 1 des 1.Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I S 4607) keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese Regelung ist nicht nach den für eine Rechtsverordnung gültigen Maßstäben zu prüfen, sondern unterliegt als formelles Gesetz den für ein Parlamentsgesetz geltenden verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Insofern hinderte die im Dezember 2002 noch bestehende Verordnungsermächtigung in § 206 SGB III den Gesetzgeber nicht, die Regelungsbefugnis wieder selbst in Anspruch zu nehmen und die bestehende AlhiV in Teilbereichen zu ändern bzw zu ersetzen. Ein auf solche Weise geänderter Teil einer Rechtsverordnung wird - unabhängig von der hier vorliegenden "Entsteinerungsklausel" in Art 13 des 1. Gesetzes für modernde Dienstleistungen am Arbeitsmarkt - damit aber nicht zu einer Verordnung, sondern bleibt ein formelles Gesetz, zumal der Gesetzgeber von vorneherein nicht zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt ist (BVerfG, Entscheidung vom 15.11.1967 - 2 BvL 7/64, 2 BvL 20/64, 2 BvL 22/64 - BVerfGE 22, 330, 346; BSG, Urteil vom 16.07.2003 - B 6 KA 49/02 R - zu § 33 Abs. 2 der Zulassungsordnung für Vertragsärzte - Ärzte-ZV; VGH München, Beschluss vom 29.08.2000 - 8 N 00.1599- NJW 2001, 2905; LSG Berlin, Urteil vom 26.07.2004 - L 6 AL 25/04 -).

Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten liegt ein Verstoß gegen Art 14 GG nicht vor. Da es sich bei der Alhi um eine aus Steuermitteln und nicht aus Sozialversicherungsbeiträgen finanzierte und durch das Merkmal der Bedürftigkeit geprägte Leistung handelt, unterfällt sie von vorneherein nicht dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art 14 GG (BSG, Urteil vom 27.05.2003 - B 7 AL 104/02 R - SozR 4-4220 § 6 Nr. 1; BSG, Urteil vom 04.11.1999 - B 7 AL 76/98 R - SozR 3-4100 § 136 Nr. 11 mwN). Zwar hat die Alhi - ausgehend von ihrer Bemessung nach dem zuletzt erzielten Entgelt - die Funktion, den Lebensstandard des Arbeitslosen und seines Ehegatten oder Partners wenigstens teilweise aufrecht zu erhalten (BVerfG, Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 - SozR 3-4100 § 137 Nr. 3; Spellbrink, Die Änderung der Arbeitslosenhilfe-Verordnung bei der Anrechnung von Vermögen in: ZfS 2000, S 194f). Hieraus ergibt sich jedoch nur, dass der Lebensstandard während des Alhi-Bewilligungszeitraums - im Falle des Klägers bisher für einen Zeitraum von 10 Jahren - zumindest z.T. garantiert werden soll. Weder aus dem Lebensstandardprinzip noch aus den Vorgaben der §§ 193, 206 SGB III lässt sich ableiten, dass auch ein für eine angemessene Alterssicherung zweckbestimmtes oder sonstiges Vermögen als "erarbeiteter" Lebensstandard (vgl Krauß, in: Wissing, PK-SGB III, 2. Auflage 2003 § 193 Rdnr 3, 50ff) im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nur begrenzt anrechenbar wäre.

Die Freibetragsregelung in § 1 Abs. 2 Alhi-VO 2003 verstößt in ihrer Anwendung auf den Kläger nicht gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG normierten Gleichheitssatz. Insofern schließt sich der Senat der Entscheidung des BSG vom 27.05.2003 (B 7 AL 104/02 R - SozR 4-4220 § 6 Nr. 1) an, nach deren Inhalt ein vom Lebensalter abhängiger Freibetrag für das Altersvorsorgevermögen sachlich begründet ist und keine unangemessene Benachteiligung jüngerer Arbeitsloser darstellt. Auch hinsichtlich der Privilegierungstatbestände in § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 Alhi-VO 2002 liegt kein Gleichheitsverstoß vor. Da der Gesetz- bzw Verordnungsgeber im Hinblick auf die Ordnung von Massenerscheinungen - hierzu zählt das Recht der Alhi - weiten Gestaltungsraum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen hat (BVerfG, Beschluss vom 10.04.1997 - 2 BvL 77/92 - BverfGE 96, 1ff; BSG, Urteil vom 27.05.2003 - B 7 Al 104/02 R - SozR 4-4220 § 6 Nr. 1), ist es aus Rechtsgründen nicht geboten, dass auch bei rentenversicherungspflichtigen Alhi-Empfängern Rentenlücken durch eine Erhöhung des allgemeinen Freibetrages ausgeglichen werden. Der Verordnungsgeber erfasst durch die Bezugnahme auf § 231 SGB VI vielmehr typisierend einen Personenkreis, der nicht über Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung verfügt, die grundsätzlich nicht bei der Bedürftigkeitsprüfung herangezogen werden (LSG Berlin, Urteil vom 26.07.2004 - L 6 AL 25/04 - anhängig BSG B 11 AL 51/04 R).

Im Unterschied zu den Ausführungen des SG sieht der Senat keinen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzips (Art 20 Abs. 3 GG). Zwar liegt im vorliegenden Fall eine sogenannte unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) vor. Eine solche ist gegeben, wenn ein Gesetz auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffenen Rechtspositionen beeinträchtigt. Da das Stammrecht des Klägers auf Alhi bereits im Jahre 1994 entstanden ist und er seitdem - auch auf Grundlage der bisherigen Rechtslage - darauf vertrauen konnte, dass sein Altersvorsorgevermögen nicht bei der Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen der Alhi berücksichtigt wird, folgt aus der Kürzung der Freibeträge eine erhebliche Beeinträchtigung der Rechtsposition des Klägers.

Einschränkungen hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit gesetzlicher Regelungen, die eine unechte Rückwirkung herbeiführen (BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986 - 1 BvL 55/83 - SozR 2200 § 1265 Nr. 78; BVerfG, Beschluss vom 28.11.1984 - 1 BvR 1157/82 - BVerfGE 68, 287, 307), können sich im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip und den Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art 12 Abs. 1 iVm Art 20 Abs. 3 GG) regelmäßig jedoch nur dann ergeben, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder nicht erforderlich ist oder wenn das Vertrauen der Betroffenen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegt (BVerfG, Beschluss vom 14.10.1997 - 1 BvL 5/93 - BVerfGE 96, 330, 340). Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung bedarf es der Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens für den Einzelnen und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit (BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986 - 1 BvL 55/83 - SozR 2200 § 1265 Nr. 78; BVerfG, Urteil vom 16.07.1985 - 1 BvL 5/80, 1 BvR 1023, 1052/83 und 1227/84 - BverfGE 69,272ff, 309f).

Entgegen der Ansicht des SG wird die Verhältnismäßigkeit der Neuregelung des Freibetrages in § 1 Abs. 2 AlhiV 2003 nicht durch die Möglichkeit in Frage gestellt, dass aufgrund von Ausweichstrategien einzelner Arbeitsloser (Verschleuderung von Vermögenswerten) eine vom Gesetzgeber ggf mit der Herabsetzung der Freibeträge bezweckte Haushaltskonsolidierung nicht in dem angestrebten Ausmaß erreicht werden kann. Entsprechende Mechanismen sind grundsätzlich bei allen Anrechnungsregelungen denkbar (vgl Jungeblut, Arbeitslosenhilfe und private Altersvorsorge, in: SozSich 2004, 199ff, 202). Auch kann es grundsätzlich nicht als unangemessen angesehen werden, wenn Vermögen, welches in Zeiten einer Beschäftigung zurückgelegt worden ist, nach - im vorliegendem Fall - langjähriger Arbeitslosigkeit angegriffen werden muss.

Im Rahmen der Abwägungsentscheidung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des Klägers und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit wiegt das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung der bisherigen Freibetragsregelung weniger schwer. Nach dem Inhalt der Gesetzesmaterialien verfolgte der Gesetzgeber mit der Neuregelung das Ziel, durch die Herabsetzung des pauschalen Vermögensfreibetrages von 520 Euro je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners auf 200 Euro in einem ersten Schritt Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenzuführen. Zur Vermeidung ineffizienter Doppelstrukturen bei der Bewilligung von durch Steuern finanzierter Leistungen und aus Gründen der Haushaltsentlastung sollte in einem ersten Schritt die Anrechnung von Vermögen angenähert werden (BT-Drucks 15/25 S 3,41). Insofern ist zu berücksichtigen, dass nach den bis Ende 2004 geltenden sozialhilferechtlichen Regelungen Altersvorsorgevermögen bisher lediglich im Rahmen des allgemeinen Freibetrages für die Vermögensanrechnung nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG iVm § 1 Abs. 1 Nr. 1a) der VO zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG vom 11.02.1988 (BGBl I 1988 S 150, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.06.2001 - BGBl I S 1310) in Höhe von 1.279 Euro (bzw 2301 Euro bei Hilfesuchenden, die das 60.Lebensjahr vollendet haben) zzgl 614 Euro für den Ehegatten von der Pflicht zur vorrangigen Verwertung ausgenommen ist. Nach der Härteklausel des § 88 Abs. 3 BSHG kommt die Nichtberücksichtigung von weiterem Altersvorsorgevermögen ausdrücklich nur für Empfänger von Hilfe in besonderen Lebenslagen in Betracht (zur Kritik der unterschiedlichen Beurteilung des Schonvermögens bei der Alhi und Sozialhilfe vgl Hess in SGb 1999, 482, 483).

Gleichzeitig ist den Regelungen in § 88 Abs. 2 Nr. 1a BSHG idF des Gesetzes vom 26.06.2001 (BGBl I S 1310) und § 1 Abs. 3 Nr. 3 AlhiV 2002 über die Privilegierung der sogenannten Riester-Anlagen zu entnehmen, dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner gesetzgeberischen Gestaltungskompetenz Altersvorsorgevermögen bei den aus Steuermitteln finanzierten Sozialleistungen Sozialhilfe, Alhi und Alg II nur noch dann von der Verwertung ausnehmen wollte, wenn durch vertragliche Vereinbarungen die Zweckbestimmung der Altersvorsorge und die Verringerung von Bedürftigkeit im Alter sichergestellt und objektiviert wird (so ausdrücklich zu § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II - BT-Drucks 15/1749 S 31: "Die Typisierung soll den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung tragen und durch den Ausschluß der Verwertbarkeit vor Erreichen des Ruhestandes Missbrauch möglichst vermeiden"). Insofern findet auch eine direktere rechtliche Verknüpfung zwischen der Nichtberücksichtigung von Vermögen bei laufenden, steuerfinanzierten Leistungen und einer Verringerung des Risikos der Bedürftigkeit des Arbeitslosen im Alter statt. Das auf Seiten des Klägers vorliegende Vertrauen auf die Dauerhaftigkeit der bisherigen Regelung zur Vermögensanrechnung bei der Alhi muss gegenüber diesen gesetzgeberischen Zielen zurückstehen. Auch hat der 11. Senat des BSG im Zusammenhang mit dem Wegfall der orginären Alhi mit Wirkung ab 01.01.2000 (Drittes Gesetz zur Änderung des SGB III vom 22.12.1999 - BGBl I 2624) eine verfassungsrechtliche Einrichtungsgarantie der Alhi in ihrem jeweiligen Stand wegen des unerlässlichen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers bei notwendigen Entscheidungen zur Finanzierung des Bundes nicht anerkannt (BSG, Urteil vom 10.07.2003 - B 11 AL 63/02 R - SozR 4-4300 § 27 Nr. 1). Entsprechend kann der Arbeitslose nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber im Rahmen einer steuerfinanzierten Sozialleistung bestimmte Vermögenswerte dauerhaft von der Anrechnung ausnimmt. Dem Vertrauensschutz des Klägers wird durch die in § 4 Abs. 2 AlhiV enthaltenen angemessenen Übergangsregelungen ausreichend Rechnung getragen. Unter Berücksichtigung der Regelbewilligungsdauer von einem Jahr (§ 190 Abs. 3 Satz 1 SGB III) gilt die AlhiV 2002 für die laufende Bewilligung fort, wenn im Zeitraum vom 01.10.2002 bis zum 31.12.2002 ein Anspruch auf Alhi vorgelegen hat (§ 4 Abs. 2 Satz 1 AlhiV 2002). Für Personen, die bis zum 01.01.1948 geboren sind, ist auf unbegrenzte Zeit weiterhin die AlhiV 2002 mit den höheren Freibeträgen anzuwenden. Mit dieser Übergangsbestimmung hat sich der Gesetzgeber bei laufenden Leistungsbewilligungen an den Grenzen orientiert, die das BVerfG bei der Verkürzung der Bezugsdauer bei der orginären Alhi gebilligt hat (BVerfG, Beschluss vom 14.03.2001 - 1 BvR 2402/97 - SozR 3-4100 § 242q Nr. 2). Darüber hinaus hat er eine "Besitzstandwahrung" für über 55jährige Arbeitslose unabhängig vom Bewilligungszeitpunkt geschaffen und damit dem Umstand Rechnung getragen, dass diesen Personenkreis die Verwertung von zur Alterssicherung bestimmten Vermögen in besonderem Maße belastet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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