L 13 RA 2462/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KA 2689/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 RA 2462/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 231/02 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Stellt die Krankenkasse durch bestandskräftigen Bescheid fest, dass die bei ihr bestehende freiwillige Mitgliedschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt geendet hat, hat diese Feststellung im Streit, ob ein Rentenbezieher Anspruch auf einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Kranken- und soziale Pflegeversicherung hat, Tatbestandswirkung; sie ist deshalb vom Rentenversicherungsträger und von den Gerichten als verbindlich hinzunehmen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. April 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob die Beklagte die Bewilligung von Zuschüssen zur freiwilligen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Juli 1998 bis 31. August 1999 aufheben und die überzahlten Zuschüsse in Höhe von 2.814,90 DM zurückfordern durfte und ob dem Kläger über den 31. August 1999 hinaus weiter Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung zustehen.

Der 1936 geborene Kläger war als Diplom-Ingenieur bei der ... Deutschland Entwicklung GmbH versicherungspflichtig beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis löste er durch Aufhebungsvereinbarung vom 27. August 1993 gegen Zahlung einer Abfindung von 127.797 DM zum 31. Dezember 1993. Anschließend bezog er vom Arbeitsamt St. ab 27. Mai 1994 Arbeitslosengeld.

Am 3. April 1996 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Unter dem selben Datum beantragte er, da bei ihm die Vorversicherungszeit für eine Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung des Rentner nicht erfüllt war, auch einen Zuschuss zur ab 30. Oktober 1996 bei der AOK - Die Gesundheitskasse für den Kreis B. (AOK) bestehenden freiwilligen Krankenversicherung. Die Beklagte klärte wegen der in F. vom 1. Januar 1969 bis 15. August 1970 zurückgelegten Versicherungszeiten mit dem f. Rentenversicherungsträger (C. N. D A. V. - CNAV) das Versichertenkonto. Sie gewährte dem Kläger durch die Mitteilung über eine vorläufige Leistung nach Artikel 45 EWG-Verordnung Nr. 574/72 vom 23. September 1996 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 1. November 1996 in Höhe von 2.566,67 DM. Den Zuschuss zum Beitrag bei freiwilliger Krankenversicherung bewilligte die Beklagte noch nicht. Mit Schreiben vom 11. November 1996 bestätigte die AOK der Beklagten die freiwillige Mitgliedschaft; der Beitrag zur Krankenversicherung belaufe sich ab 1. November 1996 auf 738.- DM, der Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung auf 102.- DM. Nach der Auskunft des f. Versicherungsträgers vom 3. Oktober 1996 hatte der Kläger damals ohne Berücksichtigung der deutschen Versicherungszeiten Anspruch auf Rente in Höhe von 104,46 Franc monatlich. Nach weiteren Klärungen mit der CNAV bewilligte die Beklagte dem Kläger durch Rentenbescheid vom 31. Januar 1997 endgültig die als zwischenstaatliche Leistung berechnete Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 1. November 1996 in Höhe von 571,64 DM. Außerdem bewilligte sie ab 1. November 1996 einen Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 172,30 DM sowie von 21,68 DM monatlich. In dem Bescheid wurde der Kläger unter der Überschrift "Mitteilungspflichten" darüber belehrt, dass der Anspruch auf Beitragszuschuss entfalle, wenn die freiwillige Krankenversicherung aufgegeben werde oder Versicherungspflicht eintrete. Der Anspruch auf Beitragszuschuss in der sozialen Pflegeversicherung entfalle bei Eintritt von Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sowie bei Beitragsfreiheit in der sozialen Pflegeversicherung.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 1997 legte der Kläger der Beklagten das Schreiben der CNAV vom 29. September 1997 vor und führte hierzu aus, es bestehe nach diesem Schreiben wohl die Möglichkeit, dass er in der f. Krankenversicherung gegen einen Abzug von nur 2,8 v.H. seiner f. Rente pflichtversichert werde. Er habe deshalb die Frage der CNAV dahingehend beantwortet, dass er "für einen minimalen Abzug bei der f. Rente auf die teuren freiwilligen AOK - Beiträge hoffentlich verzichten könne". Mit Bescheid vom 22. Oktober 1997 bewilligte die CNAV, die zunächst die Altersrente abgelehnt hatte, dem Kläger ab 1. November 1996 Rente aus der f. Versicherung in Höhe von 203,58 Franc, ab 1. Januar 1997 von 206,02 Franc. Die AOK erhielt von der Beklagten mit Schreiben vom 29. Oktober 1997 die Kopie des Schreibens vom 6. Oktober 1997. Die AOK stellte unter dem 10. November 1997 die Bescheinigung E 107 aus. Sie teilte der CNAV mit, die freiwillige Krankenversicherung sei vorsorglich zum 30. September 1997 gekündigt worden und werde absprachegemäß bis zum Eingang des Vordrucks E 121 (Anspruchsberechtigung beim f. Krankenversicherungsträger) weitergeführt. Die CNAV sandte der AOK den Vordruck E121 am 2. Juni 1998 zurück und bestätigte darin, der Kläger sei ab 1. Oktober 1997 dort pflichtversichert. Diese Mitteilung nahm die AOK zum Anlass, die freiwillige Versicherung rückwirkend zum 30. September 1997 zu beenden. Mit vom Kläger nicht angegriffenen Schreiben ohne Rechtsbehelfsbelehrung vom 12. Juni 1998 teilte sie dem Kläger mit, die freiwillige Versicherung habe am 30. September 1997 geendet, die zuviel gezahlte Beiträge in Höhe von 6.793,26 DM würden erstattet. Mit Schreiben vom 26. April 2001 machte der Kläger geltend, die Höhe der ihm erstatteten Beiträge sei für ihn nicht nachvollziehbar.

Nachdem auch die Beklagte nach mehrmaliger Mahnung durch Schreiben der CNAV vom 3. Juni 1999, bei der Beklagten eingegangen am 10. Juni 1999, Kenntnis davon erhalten hatte, dass von der f. Rente des Klägers Beiträge zur Krankenversicherung abgezogen würden, berechnete sie mit Rentenbescheid vom 14. Juli 1999 die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 1. November 1996 neu und bewilligte diese ab 1. September 1999 nur noch in Höhe von 2.660,91 DM. Als Grund für die Neuberechnung wurde vermerkt, der Monatsbetrag sei neu zu ermitteln gewesen, weil sich das Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsverhältnis geändert habe. Im Abschnitt "Hinweise" verfügte die Beklagte, dass der Rentenbescheid vom 31. Januar 1997 mit Wirkung für die Zukunft ab 1. September 1999 nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben werde, die Berechtigung zur Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit werde noch geprüft. Mit Schreiben vom 20. September 1999 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung der Zuschüsse zur Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Vergangenheit und deren Erstattung an. Der Kläger sei seit 1. Oktober 1997 beim f. Träger der Krankenversicherung pflichtversichert; die freiwillige Versicherung bei der AOK habe er zum 1. Oktober 1979 gekündigt. Auf den Wegfall des Anspruchs auf Beitragszuschuss sei er im Bescheid vom 31. Januar 1997 hingewiesen worden. Es sei beabsichtigt, den Rentenbescheid vom 22. November 1996 insoweit aufzuheben, als mit ihm ein Anspruch auf Beitragszuschuss zur Kranken- und sozialen Pflegeversicherung anerkannt worden sei, und die vom 1. Oktober 1997 bis 31. August 1999 eingetretene Überzahlung in Höhe von 4.579,44 DM zurückzufordern. Der Kläger äußerte sich mit Schreiben vom 25. September 1999 abschließend dahingehend, dass er aus F. von der CNAV am 10. Dezember 1997 erstmals eine Rente erhalten habe. Ihm sei aber nicht bekannt, dass er die freiwillige Mitgliedschaft bei der AOK gekündigt habe. Es sei auch nicht zutreffend, dass er auf den Wegfall des Anspruchs auf Zuschuss zur Kranken- und sozialen Pflegeversicherung hingewiesen worden sei. Durch Bescheid vom 29. Oktober 1999 berechnete die Beklagte die Altersrente des Klägers ab 1. November 1996 neu. Diese sei ab 1. Dezember 1999 in Höhe von monatlich 2.660,91 DM zu zahlen, weil ein Anspruch auf Zuschuss zur Kranken- und sozialen Pflegeversicherung nicht mehr bestehe. Für die Zeit vom 1. Oktober 1997 bis 31. August 1999 ergebe sich eine Überzahlung von 4.579,44 DM, weil (Anlage 10 zum Bescheid) die Bewilligung der Zuschüsse im Rentenbescheid vom 31. Januar 1997 für den entsprechenden Zeitraum nach § 48 SGB X aufgehoben werde. Am 29. November 1999 erhob der Kläger Widerspruch gegen diese Entscheidung. Richtig und unbestritten sei, dass er aufgrund des Schreibens der AOK vom 12. Juni 1998 seinen Dauerauftrag für die Beiträge gekündigt habe. Dies jedoch nicht wegen der Beendigung der Mitgliedschaft, sondern weil die AOK die zu erbringenden Leistungen nicht mehr aus Beiträgen finanzieren müsse und diese von der CNAV erstattet erhalte. Eine Kündigung der freiwilligen Versicherung liege nicht vor. Die AOK teilte auf Anfrage der Beklagten mit, dass die ab 1. Oktober 1997 gezahlten freiwilligen Beiträge erstattet worden seien. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2000 zurück.

Am 4. September 2000 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Stuttgart Klage erhoben. Er hat sich wiederholt gegen die Darstellung der Beklagten verwahrt, die freiwillige Versicherung bei der AOK sei zum 1. Oktober 1997 gekündigt worden. Auch sei es unzutreffend, dass er auf den Wegfall des Beitragszuschusses durch die Mitarbeiter der AOK hingewiesen worden sei. Schließlich habe er die angebliche Fehlerhaftigkeit des Bescheids vom 22. November 1996 nicht kennen können. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie ist bei der Darstellung verblieben, der Kläger habe die freiwillige Versicherung unter dem Vorbehalt der Feststellung einer f. Pflichtversicherung zum 1. Oktober 1997 gekündigt. Auf Anfrage des SG hat die AOK mit Schreiben vom 25. Oktober 2000 mitgeteilt, der Kläger sei in der fraglichen Zeit vom 1. November 1996 bis 30. September 1997 bei ihr freiwilliges Mitglied gewesen. Seit dem 1. Oktober 1997 werde er als betreuter Ausländer im Inland geführt. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2000 hat die AOK den von der Beklagten angenommenen Sachverhalt bestätigt, dass bei einem Gespräch mit dem Kläger im November 1997 das sachgerechte Vorgehen besprochen und die Mitgliedschaft vorsorglich mündlich gekündigt worden sei. Der Kläger sei über den Wegfall des Beitragszuschusses belehrt worden. Mit Urteil vom 25. April 2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Soweit der Kläger sich gegen den Bescheid vom 14. Juli 1999 gewandt habe, sei dieser bestandskräftig geworden, weil innerhalb der Widerspruchsfrist von einem Monat ein Rechtsbehelf nicht eingelegt worden sei und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlägen. Soweit sich die Klage gegen den Bescheid vom 29. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2000 richte, sei diese ebenfalls unbegründet. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X den Rentenbescheid mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Der Kläger habe ab 1. Oktober 1997 keinen Anspruch mehr auf Zahlung des Zuschusses, da er ab diesem Zeitpunkt über den f. Versicherungsträger pflichtversichert und nicht mehr freiwillig krankenversichert gewesen sei. Über den Wegfall der Zuschüsse sei der Kläger im Rentenbescheid vom 31. Januar 1997 ausdrücklich belehrt worden, so dass er diesen habe kennen können oder müssen. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des dem Kläger mit dem am 8. Mai 2001 zur Post gegebenen Übergabe-Einschreiben zugestellten Urteils Bezug genommen.

Der Kläger hat am 10. Juni 2001 (Montag) schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er stützt sich weiterhin im Wesentlichen auf den Umstand, dass er keine Kündigung der freiwilligen Versicherung ausgesprochen habe. Eine Änderung der Verhältnisse sei erst im Juni 1998 eingetreten. Er weist auch darauf hin, dass die Beklagte davon ausgegangen sei, die freiwillige Versicherung habe Kraft Gesetzes geendet, so dass es auf eine Kündigung nicht ankomme. Er legt ausführlich dar, unter welchen Rechtsfehlern die angegriffene Entscheidung leide. Der Rentenbescheid vom 14. Juli 1999 sowie der Rentenbescheid vom 29. Oktober 1999 hätten einen identischen Gegenstand. Schließlich hebt er darauf ab, dass seine intellektuellen Fähigkeiten Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit des Bezugs der Zuschüsse nicht begründeten, weil diese Fähigkeiten ihm nicht das Wissen um unbekannte Sachverhalte, hier die Voraussetzungen und Umstände der Beendigung des Krankenversicherungsverhältnisses bei der AOK, vermittelten.

Nach Hinweisen des Senats hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2002 die Aufhebung und Erstattung auf den Zeitraum vom 1. Juli 1998 bis 31. August 1999 beschränkt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. April 2001 sowie die Bescheide vom 14. Juli 1999 und 29. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung habe der Kläger die Rechtswidrigkeit des Bezugs der Zuschüsse erkennen können und müssen. Dies ergebe sich aus der Mitteilung seiner Überlegungen im Schreiben vom 9. Oktober 1997 sowie aus den Auskünften der AOK über die dort geführten Gespräche. Im Oktober 1997 habe er in Wahrnehmung seiner wirtschaftlichen Interessen die Pflicht-Versicherung beim f. Versicherungsträger angestrebt, um sich die freiwilligen Beiträge zur Krankenversicherung bei der AOK zu ersparen. Tatsächlich habe die freiwillige Versicherung mit Ablauf des 30. September 1997 geendet. Zwar sei die Beendigung infolge der Verzögerungen des Verwaltungsverfahrens rückwirkend am 12. Juni 1998 vollzogen worden, von vorne herein habe der Kläger aber angestrebt, das Versicherungsverhältnis frühest möglich zu beenden. Bei diesem Sachverhalt habe der Kläger erkennen müssen, dass er die für den Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung geleisteten Zuschüsse des Rentenversicherungsträger nicht behalten dürfe.

Auf die vom Senat beigezogenen Verwaltungsakten der AOK, die Verwaltungsakten der Beklagten ( ...), die Klageakten des SG (S 2 RA 5017/00) und die Berufungsakten des Senats wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Gegenstand des mit der isolierten Anfechtungsklage verfolgten Begehrens ist neben dem Bescheid vom 29. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2000 auch der Bescheid vom 14. Juli 1999. Zwar hat der Kläger gegen diesen am 17. Juli 1999 als bekannt gegeben geltenden Bescheid (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X), mit dem die Aufhebung der Bewilligung von Zuschüssen zur Kranken und sozialen Pflegeversicherung mit Wirkung für die Zukunft (1. September 1999) verfügt wurde, erst am 25. September 1999 sinngemäß Widerspruch erhoben. Die Beklagte hat diesen Widerspruch allerdings im Widerspruchsbescheid vom 10. August 2000 sachlich beschieden. Damit ist die Sachprüfung auch bezüglich der Anfechtungsklage wegen des Bescheids vom 14. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2000 eröffnet (vgl. BSG SozR 1500 § 87 Nr. 5), wobei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids maßgebend ist. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (1.), ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (2.). Nach Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit ... der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schweren Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zu Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4 der Vorschrift). Auch diese Voraussetzungen liegen vor (3.).

1. Maßgeblich für die Beurteilung der Änderung der Verhältnisse ist der Rentenbescheid vom 31. Januar 1997, mit dem die Altersrente des Klägers wegen Arbeitslosigkeit ab 1. November 1996 einschließlich und insoweit rechtmäßig der Zuschüsse zur Kranken- und sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 172,30 bzw. 21,86 DM bewilligt worden ist. Die tatsächlichen Verhältnisse beim Erlass dieses Bescheides haben sich dadurch geändert, dass die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung und die deswegen bestehende Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung bei der AOK mit Ablauf des 30. September 1997 geendet hat. Dies hat die AOK durch das ohne jeden Zweifel (vgl. nur die Schreiben der AOK an die Beklagte vom 7. April und 18. August 1999) einen Verwaltungsakt (vgl. § 31 SGB X) darstellende Schreiben vom 12. Juni 1998 festgestellt. Diese nicht nichtige Feststellung ist bestandskräftig und hat Tatbestandswirkung mit der Folge, dass sie von der Beklagten und den Gerichten als verbindlich hinzunehmen ist; denn es ist anerkannt, dass eine derartige Tatbestandswirkung solche Entscheidungen haben, mit denen das Mitgliedschaftsverhältnis der Kranken- und Pflegekasse gegenüber dem Versicherten, also dessen sozialversicherungsrechtlicher Status geregelt wird (vgl. BSGE 70, 99, 102; BSG SozR 3-2200 § 310 Nr. 1; BSG SozR 3-5910 § 91a Nr. 2; BSG SozR 3-1300 § 111 Nr. 5). Der am 15. Juni 1998 (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X) als bekanntgegeben geltende Bescheid vom 12. Juni 1988 über die Feststellung des Mitgliedschaftsendes mit Ablauf des 30. September 1997 ist bestandskräftig geworden (vgl. § 77 des Sozialgerichtsgesetzes), denn der Kläger hat ausweislich der beigezogenen Verwaltungsakten der AOK innerhalb der wegen der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 66 Abs. 2 SGG laufenden Jahresfrist keine Rechtsbehelfe eingelegt; dies hat er auch im Termin zur mündlichen Verhandlung eingeräumt. Es fehlt jeder Anhalt und ist vom Kläger auch nicht behauptet, dass er in Folge höherer Gewalt an der Einlegung des Widerspruchs gehindert gewesen sein könnte.

Mit dem Ende der Mitgliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung ist der Anspruch auf ein Zuschuss des Rentenversicherungsträgers zum Krankenversicherungsbeitrag nach § 106 Abs. 1 SGB VI entfallen. Nach Satz 1 dieser Bestimmung haben Anspruch auf einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung solche Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung ... versichert sind; nach Satz 2 gilt dies nicht, wenn sie gleichzeitig in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind. Dass der Kläger als Rentner freiwilliges Mitglied bei der AOK war und keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung bestand, beruht darauf (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 11 1. Halbsatz des Fünften Buches Sozialgesetzbuch [SGB V] in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl. I S. 2266), dass er im Zeitraum von der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit am 1. Oktober 1963 bis zur Stellung des Rentenantrags am 3. April 1996 nicht mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte dieses Zeitraums aufgrund einer Pflichtversicherung Mitglied in der Krankenversicherung war, denn ab 16. August 1970 war der Kläger bis zum Eintritt der Arbeitslosigkeit am 31. Dezember 1993 freiwillig krankenversichert. Zwar ist § 5 Abs. 1 Nr. 11 1. Halbsatz SGB V wegen des Erfordernisses der Neun-Zehntel-Mitgliedschaft aufgrund einer Pflichtversicherung als mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar erklärt worden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2000 in BVerfGE 102, 88 ff.), doch kann die Vorschrift bis zu einer gesetzlichen Neuregelung längstens bis 31. März 2002 weiter angewandt werden. Diese gesetzliche Neuregelung ist mit Wirkung ab 29. März 2002 im Zuge des Zehnten Gesetzes zur Änderung des SGB V vom 23. März 2002 (BGBl. I S. 1169) getroffen worden. Da bestandskräftig feststeht, dass der Kläger seit 1. Oktober 1997 nicht mehr freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, hat er seit diesem Zeitpunkt auch keinen Anspruch mehr auf einen Zuschuss zu den Aufwendungen für diese Krankenversicherung.

Auch die Voraussetzungen für den Zuschuss zu den Aufwendungen für die Pflegeversicherung liegen seit dem 1. Oktober 1997 nicht mehr vor. Nach § 106a Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf einen Zuschuss zu den Aufwendungen der Pflegeversicherung solche Rentenbezieher, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind oder nach den Vorschriften des Elfen Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) verpflichtet sind, bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit abzuschließen oder aufrechtzuerhalten. Der Wegfall des Anspruchs auf den Zuschuss zu den Aufwendungen zur sozialen Pflegeversicherung ergibt sich daraus, dass der Kläger seit 1. Oktober 1997 nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig krankenversichert und deshalb auch nicht mehr berechtigt ist, einen Zuschuss zu den Aufwendungen der sozialen Pflegeversicherung zu verlangen; ebenso wenig gehört er zum Personenkreis derjenigen, die nach § 23 SGB XI verpflichtet sind (vgl. §§ 1 Abs. 2 Satz 2, 23 SGB XI), zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen abzuschließen oder aufrechtzuerhalten. Eine Weiterversicherung bei der Pflegeversicherung (vgl. § 26 SGB XI) ist weder beantragt, noch liegt hierüber eine Verwaltungsentscheidung der AOK als Pflegekasse vor.

2. Aufgrund des Eintritts einer wesentlichen Änderung war die Zuschussbewilligung im Rentenbescheid vom 31. Januar 1997 mit Wirkung für die Zukunft zwingend aufzuheben. Die Beklagte hat die Aufhebung für die Zukunft im angegriffenen Bescheid vom 14. Juli 1999 mit Wirkung ab 1. September 1999 vorgenommen. Dieser Bescheid ist auch formell rechtmäßig. Zwar ist diesem eine Anhörung (vgl. § 24 SGB X) nicht voraus gegangen, die fehlende Anhörung gilt aber mit der Durchführung des Vorverfahrens als geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X).

3. Nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte mit dem Bescheid vom 29. Oktober 1999 für die Zeit vom 1. Juli 1998 bis 31. August 1999, also mit Wirkung für die Vergangenheit die Bewilligung der Zuschüsse zu den Aufwendungen der freiwilligen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung aufgehoben hat. Denn dem Kläger ist jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis vom Entfallen der Zuschussberechtigung anzulasten. Dem Kläger, der nach seiner Ausbildung, seinem Werdegang, der schriftliche Korrespondenz und dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung über ein überdurchschnittliches Einsichts- und Kritikvermögen verfügt, musste sich bei Lektüre des Zuschussantrags und der Hinweise im Rentenbescheid vom 31. Januar 1997 aufdrängen, dass mit dem ihm spätestens aufgrund des Bescheids der AOK vom 12. Juni 1998 bekannten Wegfall der freiwilligen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung auch der Anspruch auf die Zuschüsse zu den Beiträgen in diesen beiden Versicherungszweigen entfallen ist. Es musste ihm ohne weiteres klar sein, dass er ohne Entrichtung von Beiträgen zu diesen Versicherungszweigen keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuss haben konnte. Zwar ist dem Kläger einzuräumen, dass er - ebenso wie die Beklagte und die AOK - bis zum Zugang des Bescheids vom 12. Juni 1998 nicht gewusst hat, ob der f. Träger die Krankenfürsorge nach Art. 28 EWG-Verordnung 1408/71 durchführt. Nachdem er im Juni 1998 aber Kenntnis von der Durchführung der Krankenversicherung zu Lasten des ausländischen Trägers und der Beendigung der freiwilligen Versicherung erlangt hatte, hätte es sich ihm ohne weiteres aufdrängen müssen, dass nicht einerseits - wie im Bescheid vom 12. Juni 1998 ebenfalls verfügt - die zur freiwilligen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung bis Juni 1998 gezahlten Beiträge erstattet werden und solche nicht mehr zu zahlen waren und auch nicht gezahlt wurden, andererseits aber sein Anspruch auf die zu diesen Beiträgen gezahlten Zuschüsse des Rentenversicherungsträgers fortbestehen kann. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob dem Kläger sogar positive Kenntnis, dass ihm die Zuschüsse nicht zustanden, vorzuwerfen ist.

Der Senat kann offen lassen, ob hier ein atypischer Fall einer Aufhebung vorliegt. Die Beklagte hat dies angenommen und das insoweit zustehende pflichtgemäße Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt (§ 33 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Sie hat im Widerspruchsbescheid vom 10. August 2000, der dem Bescheid vom 29. Oktober 1999 seine Gestalt gibt, die erforderlichen Ermessenserwägungen angestellt, dabei die sich aus der Rückforderung für den Kläger ergebenden Auswirkungen gewürdigt und eine unbillige wirtschaftliche Härte unter Abwägung der Interessen der Versichertengemeinschaft und derjenigen des Klägers verneint. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie dabei auch wegen der Rückerstattung der Beiträge zur Kranken- und sozialen Pflegeversicherung, die betragsmäßig die Rückforderung der Zuschüsse bei weitem überstiegen hat, und der fehlenden Zahlung von Beiträgen ab Juli 1998 zu einem Überwiegen der Interessen der Versichertengemeinschaft gelangt ist.

Die Beklagte hat die sich auf § 50 Abs. 1 SGB X gründende Erstattungsforderung für den Zeitraum vom 1. Juli 1998 bis 31. August 1999 zutreffend berechnet. Insoweit wird auf die Anlage 1 zum Bescheid vom 29. Oktober 1999 Bezug genommen, die sich der Senat zu eigen macht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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