L 1 KR 128/03

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 23 KR 89/00
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 128/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 30/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Juli 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist im Überprüfungsverfahren die Höhe des Krankengeldes (Kg) vom 30. Mai bis 4. Oktober 1999 und vom 3. November 1999 bis 1. März 2000.

Der 1942 geborene, bei der Beklagten versicherte Kläger, früher M. A. B. mit Namen, war ab 1. Oktober 1997 als kaufmännischer Angestellter (Dolmetscher/Übersetzer) bei der I. GmbH tätig. Das Arbeitsverhältnis endete durch klägereigene Kündigung vom 14. August 1998 zum 30. September 1998. Am 31. August 1998 erlitt der Kläger einen inferioren Myocardinfarkt. Er wurde im Krankenhaus (KH) A. stationär behandelt. Vom 29. September bis 20. Oktober 1998 befand er sich auf Kosten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zur Anschlussheilbehandlung in der Reha-Klinik D., aus der er als arbeitsunfähig entlassen wurde. Die Beklagte gewährte ihm Kg ab 21. Oktober 1998 bis zunächst 14. März 1999 auf der Basis des letzten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 31. August 1998 abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraumes (Juli 1998; Bruttoarbeitsentgelt 4.600,00 DM, Nettoarbeitsentgelt 2.853,75 DM; wöchentliche Arbeitsstundenzahl: 38).

Auf Grund seiner Untersuchung vom 10. März 1999 hielt der Internist/Kardiologe Dr. K. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) den Kläger für fähig, leichte und gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten mit normalen Anforderungen an Aufmerksamkeit und Konzentration vollschichtig verrichten zu können. Der Kläger sei aus medizinischer Sicht ab 15. März 1999 arbeitsfähig, so dass er sich beim Arbeitsamt zur Vermittlung melden könne. Der Kläger, dem das Begutachtungsergebnis mündlich und schriftlich mitgeteilt wurde, war nach dem Inhalt des MDK-Vermerks vom 10. März 1999 grundsätzlich mit der Arbeitsfähigkeit ab 15. März 1999 einverstanden, gab allerdings zu bedenken, noch an einer akuten Grippe zu leiden, und dass es deshalb sein könnte, dass sein Hausarzt, der Internist Dr. A., ihn noch einige Tage länger arbeitsunfähig schreiben werde. Dr. A. schrieb den Kläger am 15. März 1999 wegen eines Infekt-Rezidivs mit Bronchitis und Peribronchitis bis voraussichtlich 24. März 1999 und dann weiter bis 1. April 1999 arbeitsunfähig. Nach der dem Sozialgericht gegebenen telefonischen Auskunft des Dr. D. war der Kläger am 12. und 15. März 1999 wegen eines Reinfektes bei Bronchitis und am 24. März 1999 wegen anhaltender Bronchitis bei ihm in Behandlung gewesen. Die Beklagte gewährte dem Kläger sodann Kg auch vom 16. März bis zum 1. April 1999. Ab 2. April 1999 wurde der Kläger von Dr. A. für arbeitsfähig befunden (vgl. Arztstempel des Dr. A. auf dem Zahlschein für Geldleistungen vom 1. April 1999).

Am 29. März 1999 hatte sich der Kläger, der angab, die Tätigkeit aus seiner letzten Beschäftigung weiterhin ausüben zu können, beim Arbeitsamt mit Wirkung zum 2. April 1999 für leichte Tätigkeiten arbeitslos gemeldet und die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) beantragt. Das Arbeitsamt gewährte ihm mit Bescheid vom 14. April 1999 Alg für die Zeit vom 2. April bis 31. Mai 1999. Für den 31. Mai 1999 hob es die Bewilligung gegenüber dem Kläger durch Bescheid vom 29. Juli 1999 bindend auf und machte einen Erstattungsanspruch bei der Beklagten in Höhe von 61,93 DM geltend, den diese erfüllte.

Vom 19. bis 20. April 1999 und vom 27. bis 29. April 1999 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung des KH A ... Am 26. April 1999 wurde bei ihm eine Koronarangiographie mit Dilatation der rechten Kranzarterie durchgeführt (Bericht Internist/Kardiologe G. vom 26. April 1999). Es zeigte sich eine Dissektion mit deutlichen Reststenosen. Eine empfohlene Stentimplantation lehnte der Kläger ab. Bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit des Klägers (Bericht des Internisten/Kardiologen Dr. K. vom 31. Mai 1999) gewährte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 31. Mai 1999 vom 31. Mai 1999 bis 1. März 2000 – mit Ausnahme der Zeit vom 5. Oktober bis 2. November 1999, in der er von der BfA Übergangsgeld erhielt - Kg auf der Basis des vom 2. April bis 30. Mai 1999 gezahlten Alg. Dieser Bescheid, der eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung enthält, blieb unangefochten.

Nachdem der Kläger sich schon vom 29. Juni bis 2. Juli 1999 im A1-Krankenhaus aufgehalten hatte, erfolgte dort bei ihm am 14. September 1999 eine 2fache Bypass-Operation (Bericht vom 24. September 1999). Vom 5. Oktober bis 2. November 1999 unterzog er sich der bereits erwähnten Anschlussheilbehandlung. Ab 2. März 2000 war er arbeitsfähig. Er bezog bis zum 28. August 2000 Alg und bezieht seit 29. August 2000 Arbeitslosenhilfe.

Mit Schreiben vom 17. August 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage des Attestes des Dr. A. vom 16. August 1999 für die Zeit ab 2. April 1999 zunächst die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem Alg und dem Kg, "das ihm vor dem 2. April 1999 zugestanden habe und weiter zustehe". Er sei wegen schwerer Stenocardien bei schwerer koronarer Herzkrankheit auch vom 2. bis 18. April 1999 arbeitsunfähig gewesen. Die Beurteilung des MDK vom 10. März 1999 habe sich auf Grund der bei ihm eingetretenen Krankheitsentwicklung als Fehlbeurteilung herausgestellt. Das Kg sei daher auf der Basis des Lohnabrechnungszeitraumes Juli 1998, nicht nach dem ab 2. April 1999 bezogenen Alg zu berechnen. Dieses habe er zu Unrecht bezogen, so dass zwischen der Beklagten und dem Arbeitsamt ein "Rückabwicklungsverhältnis" stattfinden müsse.

Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag durch Bescheid vom 29. September 1999 ab. Berechnungsgrundlage für das Kg sei das zuvor gezahlte Alg. Der Kläger habe die für die Zeit vom 2. bis 18. April 1999 behauptete Arbeitsunfähigkeit nicht binnen einer Woche angezeigt. Es könne weder Kg vom 2. April bis 30. Mai 1999 noch höheres Kg ab 31. Mai 1999 gezahlt werden. Der Anspruch auf Kg ruhe, soweit und solange Alg bezogen werde (§§ 49 Abs. 1 Nr. 3a, 5, 47b Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)). Im anschließenden Vorverfahren hatte der Kläger keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2000, zugestellt 18. Januar 2000).

Mit der am 18. Februar 2000 erhobenen Klage hat der Kläger die Zahlung von Kg ab 30. Mai 1999 in Höhe des bis zum 1. April 1999 gezahlten Kg begehrt. Er sei seit dem 31. August 1998 ununterbrochen arbeitsunfähig gewesen. Der MDK habe das Ende der Arbeitsunfähigkeit unzutreffend mit dem 1. April 1999 bescheinigt.

Das Sozialgericht hat von Dr. A. den Befundbericht vom 11. Januar 2001 eingeholt, nach dessen Inhalt der Kläger auch nach dem 14. März 1999 wegen der Herzbeschwerden arbeitsunfähig gewesen ist, während nach dem vom Sozialgericht im Verfahren S 33 SB 37/00 eingeholten Bericht des Dr. A. vom 14. April 2000 "Arbeitsunfähigkeit bis 1. April 1999" bestanden hat.

Im Termin vom 16. Juli 2003 hat das Sozialgericht als medizinischen Sachverständigen den Internisten Dr. W. gehört, der die Auffassung vertreten hat, beim Kläger habe über den 1. April 1999 hinaus Arbeitsunfähigkeit vorgelegen.

Durch Urteil vom 16. Juli 2003 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, das Kg für die Zeit vom 30. Mai 1999 bis 1. März 2000 nach dem vor dem 31. August 1998 erzielten Entgelt zu bemessen. Der Kläger sei vom 2. bis 18. April 1999 für eine seiner letzten Tätigkeit ähnliche Arbeit arbeitsunfähig gewesen. Daher sei das Kg nach § 47 Abs. 2 SGB V nach dem vor dem im August 1998 eingetretenen Herzinfarkt abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum zu berechnen.

Mit der gegen das ihr am 31. Juli 2003 zugestellte Urteil am 11. August 2003 eingelegten Berufung führt die Beklagte aus, dass es für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nicht auf die vom Kläger zuletzt überwiegend ausgeübte Übersetzertätigkeit oder ähnliche Tätigkeiten ankomme, weil er zwischenzeitlich Bezieher von Alg gewesen sei, weshalb hinsichtlich der Höhe des Kg auf das durch den Bezug des Alg entstandene aktuelle Versicherungsverhältnis abgestellt werden müsse.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Juli 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozessakten, der Verwaltungsakten der Beklagten, der Leistungsakten des Arbeitsamtes und der Gerichtsakten S 33 SB 37/00 und 10 RA 338/00 Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Insbesondere übersteigt das streitige (höhere) Kg für die Zeiträume 30. Mai bis 4. Oktober 1999 und 3. November 1999 bis 1. März 2000 den Betrag von 1.000 DM, so dass das Rechtsmittel nicht der Zulassung durch das Sozialgericht bedurfte.

Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Beklagte hat den Überprüfungsantrag zu Recht abgelehnt. Der Bescheid vom 29. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2000 ist rechtmäßig. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger unter Änderung ihres Bescheides vom 31. Mai 1999 für die Zeit ab 30. Mai 1999 höheres Kg zu gewähren.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)).

§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist hier anwendbar. Zwar sind nach § 47a Abs. 2 Satz 2 SGB V idF des Art. 2 des Gesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1971) Entscheidungen über Ansprüche auf Krankengeld, die vor dem 22. Juni 2000 unanfechtbar geworden sind, nicht nach § 44 Abs. 1 SGB X zurückzunehmen. Jedoch gilt dies nur für die Überprüfung von vor dem 22. Juni 2000 unanfechtbar gewordenen Bescheiden, in denen einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bei der Krankengeldhöhe nicht berücksichtigt wurde. Diese Bescheide sollen im Hinblick auf die Neufassung von § 47 Abs. 2 Satz 6 SGB V nicht korrigiert werden (vgl. Bundessozialgericht (BSG) 25.3.2003 – B 1 KR 36/01 R, BSGE 91, 39 = SozR 4-1500 § 67 Nr 1 = Breithaupt 2004, 486). Die Überprüfung von vor dem 22. Juni 2000 unanfechtbar gewordenen Krankengeldbescheiden aus anderen Gründen wird durch die Regelung des § 47a Abs. 2 Satz 2 SGB V nicht ausgeschlossen. Davon abgesehen war das vorliegende Überprüfungsverfahren bei Inkrafttreten von § 47a Abs. 2 Satz 2 SGB V am 22. Juni 2000 bereits anhängig, so dass auch insoweit nicht davon ausgegangen werden kann, dass dieses Verfahren durch § 47a Abs. 2 Satz 2 SGB V obsolet geworden ist. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X liegen indes nicht vor.

Soweit das Sozialgericht die Beklagte verurteilt hat, "vom 30. Mai 1999" an höheres Kg zu gewähren, ist das Rechtsmittel in Bezug auf höheres Kg für diesen einen Tag (30. Mai 1999) bereits deshalb begründet, weil dem Kläger für den 30. Mai 1999 kein Kg zustand und die Beklagte daher durch den Bescheid vom 31. Mai 1999 eine Sozialleistung iSd § 44 Abs. 1 Satz 1SGB X nicht zu Unrecht nicht erbracht hat. Das Arbeitsamt hat dem Kläger für den 30. Mai 1999 nach § 126 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Leistungsfortzahlung gewährt (Zahlungsnachweis vom 26. Mai 1999). Zwar setzt der Anspruch auf Leistungsfortzahlung grundsätzlich voraus, dass ein Arbeitsloser während des Bezuges von Alg infolge Krankheit arbeitsunfähig wird. Der Kläger bestreitet hingegen gerade, dass seine Arbeitsunfähigkeit erst zum 19. April 1999 eingetreten ist, behauptet vielmehr, dass seine Arbeitsunfähigkeit bereits vor dem Bezug von Alg, nämlich seit 31. August 1998 ununterbrochen, bestanden hat. Jedoch steht dem Anspruch auf (höheres) Kg für den 30. Mai 1999 § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V entgegen. Danach ruht der Anspruch auf Kg, solange Versicherte Alg beziehen. Das schließt die Zahlung des Alg im Wege der Leistungsfortzahlung nach § 126 Abs. 1 SGB III ein. Im Rahmen von § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V kommt es nicht darauf an, ob dieser Bezug zu Recht erfolgt ist (vgl. auch BSG 22. Mai 2003 – B 12 KR 20/02 R, USK 2003-9).

Auch für die Zeit vom 31. Mai 1999 bis 1. März 2000 sind die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht gegeben. Die Beklagte hat das Kg im Ergebnis zutreffend nur in Höhe des Betrages des vom Kläger vom 2. April bis 30. Mai 1999 bezogenen Alg gewährt.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Kg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse u. a. stationär in einem Krankenhaus behandelt werden. Das Kg beträgt nach § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Für die Berechnung des Regelentgelts ist das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte (und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte) Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde (§ 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V).

Der Senat kann dahingestellt lassen, ob der Kläger durchgehend vom 31. August 1998 bis 1. März 2000 – also auch in der Zeit vom 2. bis 18. April 1999 - arbeitsunfähig war. Selbst wenn das der Fall wäre – wie die Ausführungen von Dr. W. nahe legen –, wäre die Beklagte nicht verpflichtet, das Kg vom 31. Mai 1999 bis 1. März 2000 unter Anwendung von § 47 Abs. 2 Satz SGB V nach dem letzten vor dem 31. August 1999 abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum zu berechnen. Denn sie durfte, als sie mit Bescheid vom 31. Mai 1999 Kg gewährte, davon ausgehen, dass der Kläger vom 2. bis 18. April 1999 arbeitsfähig war, seine Mitgliedschaft aus dem am 30. September 1998 geendeten Beschäftigungsverhältnis mit dem Ende des Krankengeldbezuges bzw. des Anspruchs auf Krankengeld (§§ 190 Abs. 1 Nr. 2 , 192 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB V) am 1. April 1999 geendet hatte und eine neue Mitgliedschaft durch den Bezug von Alg ab 2. April 1999 begründet worden war (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V), nach dessen letztem Betrag gem. § 47b Abs. 1 Satz 1 SGB V das Krankengeld für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V gewährt wird (vgl. BSG 7.5.2002 - B 1 KR 38/00 R, SozR 3-2500 § 47b Nr. 1 = Breithaupt 2003, 59).

Zwar ist ungeschriebene Voraussetzung des § 47b Abs. 1 SGB V, dass der Grund für den Kg-Anspruch (Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit) während des Bezuges von Alg, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld eintritt (vgl. Gerlach in Hauck-Noftz, SGB V, K § 74b Rz 5). In einem solchen Fall wird das Kg vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt (§ 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V), wobei der Anspruch auf Kg nach § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V ruht, solange nach § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III Leistungsfortzahlung erfolgt. War der Versicherte schon während des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses arbeitsunfähig, dann richten sich Höhe und Berechnung des Kg jedoch nach § 47 SGB V (vgl. Höfler, Kass. Komm., § 47b Rz 7; Peters, SGB V, § 47 Rz 15). Indes braucht die Krankenkasse nicht zu prüfen, ob die Bewilligungsverfügung des Arbeitsamtes zu Recht ergangen ist (vgl. Peters, a. a. O, § 47 Rz 11). Sie kann grundsätzlich vom Beginn des Leistungsbezugs vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ausgehen, wenn letztere erst nach der Arbeitslosmeldung und der Stellung des Leistungsantrages erkannt wird (Peters, a. a. O, § 47 Rz 16). Für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist nämlich der versicherungsrechtliche Status des Betroffenen im Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung maßgebend. Die (spätere) Behauptung eines früheren Beginns der Arbeitsunfähigkeit ist regelmäßig unbeachtlich (BSG 19.9.2002 – B 1 KR 11/02 R, BSGE 90, 72 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 = Breithaupt 2003, 540), jedenfalls dann, wenn der Versicherte seine Obliegenheit, für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit zu sorgen, nicht erfüllt hat (vgl. BSG 8.2.2000 - B 1 KR 11/99 R, BSGE 85, 271 = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 m. w. N.). Diese Obliegenheit hat der Kläger – wie noch ausgeführt wird – nicht erfüllt.

Da sein Beschäftigungsverhältnis am 30. September 1998 geendet hatte, konnte der Kläger seine Mitgliedschaft als Versicherungspflichtiger nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nur solange erhalten, wie er Kg bezog oder Anspruch auf Kg hatte. Kg bezog er für die Zeit vom 2. bis 18. April 1999 nicht. Er hatte – ungeachtet der Frage, ob er arbeitsunfähig war – vom 2. bis 18. April 1999 auch keinen seine Mitgliedschaft (aus dem früheren Beschäftigungsverhältnis) erhaltenden Anspruch auf Kg. Denn der Anspruch auf Kg besteht nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt, und nicht bereits nach dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (vgl. BSG 19.9.2002 – B 1 KR 11/02 R, a. a. O). Eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit liegt für die Zeit vom 2. bis 18. April 1999 nicht vor. Daraus folgt, dass mangels – hier auch nicht geltend gemachten - Anspruchs auf Kg für die Zeit vom 2. bis 18. April 1999 sich die Höhe des sich aus dem Beginn der Krankenhausbehandlung am 19. April 1999 bzw. der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vom 20. April 1999 nach Ablauf der Leistungsfortzahlung ergebenden Kg-Anspruchs nicht nach dem Entgelt aus der (geendeten) Beschäftigtenversicherung, sondern nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V iVm § 47b Abs. 1 SGB V nach der vom 19. bis 30. Mai 1999 erhaltenen Leistungsfortzahlung richtet.

Das BSG hat im Urteil vom 19. September 2002 (B 1 KR 11/02 R, a. a. O.) ausgeführt, das Gesetz gehe grundsätzlich davon aus, dass der in seiner Arbeitsfähigkeit betroffene Versicherte selbst die notwendigen Schritte unternehme, um eine mögliche Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Deshalb könne z. B. ein Versicherter, der das Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit akzeptiere und über Monate hinweg Leistungen wegen Arbeitslosigkeit beziehe, die er bei Arbeitsunfähigkeit nicht erhalten dürfte, mit der nachträglichen Behauptung, er sei die ganze Zeit über zu Unrecht als arbeitslos statt als arbeitsunfähig behandelt worden, nicht mehr gehört werden. Die fehlende Feststellung oder Meldung der Arbeitsunfähigkeit könne ihm nur dann ausnahmsweise nicht entgegengehalten werden, wenn er seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan habe, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert werde (vgl. hierzu auch BSG 8.2.2000 – B 1 KR 11/99 R, a. a. O.) Letztere Ausnahmevoraussetzungen liegen indes hier nicht vor.

Zwar hat der Kläger nur für die relativ kurze Zeit vom 2. April bis 30. Mai 1999 Alg bzw. Leistungsfortzahlung bezogen, obwohl er nach seiner Behauptung in dieser gesamten Zeit arbeitsunfähig war, und diesen Umstand (bereits) viereinhalb Monate später, als er längst Kg bezog, an die Beklagte herangetragen. Jedoch muss er sich nach Auffassung des Senats ebenso behandeln lassen wie in dem vom BSG am 19. September 2002 (B 1 KR 11/02 R, a. a. O.) entschiedenen Fall. Der Kläger hat im Frühjahr 1999 nicht alles in seiner Macht Stehende getan, um seine Ansprüche auf Krankengeld ab 2. April 1999 zu wahren. Er hat, nachdem Dr. A. am 1. April 1999 mit dem auf diesen Tag festgelegten Endzeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit zugleich das (vorläufige) Ende der Krankengeldbezugszeit markiert hatte, dieser ärztlichen Beurteilung nicht widersprochen, insbesondere das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nicht geltend gemacht. Soweit er in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, er habe Dr. A. nicht in Verlegenheit bringen wollen, muss der Kläger sich seine Untätigkeit zurechnen lassen. Sofern er die Leistungseinschätzung des Dr. A. für eine medizinische Fehleinschätzung hielt, hätte er ihm dies vorhalten oder sich durch das Aufsuchen anderer Ärzte selbst um eine Korrektur bemühen müssen. Ihm war es auch nicht verwehrt, sich einerseits beim Arbeitsamt - wie geschehen - zu melden und andererseits die für die Zeit ab 2. April 1999 behauptete (ununterbrochene) Arbeitsunfähigkeit der Beklagten zu melden. Stattdessen hat er noch unter dem 2. Juni 1999 gegenüber der Beklagten in der "Erklärung für den Bezug von Geldleistungen" zwar seine Meldung beim Arbeitsamt vom 2. April 1999 und die Beantragung von Alg, aber mit keinem Wort erwähnt, dass er über den 1. April 1999 hinaus ununterbrochen arbeitsunfähig sei.

Die Beklagte hat den Kläger auch nicht durch eine von ihr zu vertretende Fehlentscheidung nicht gehindert, seinen ihm etwa ab 2. April 1999 zustehenden Anspruch auf Kg zu wahren. Nach den ihr vorliegenden Feststellungen des MDK war der Kläger mit Ablauf des 1. April 1999 aus rein medizinischen Gründen - Besserung seines Gesundheitszustandes - für arbeitsfähig befunden worden. Bereits in der sozialmedizinischen Epikrise der Reha-Klinik D. vom 22. Oktober 1998 heißt es, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter, überwiegend mit Übersetzertätigkeit, für den Kläger leidensgerecht wäre. Nach erneuter Belastungs-EKG-Kontrolle, in der 125 Watt toleriert werden sollten, könnte die Arbeitsunfähigkeit beendet werden. Nachdem das Infekt-Rezidiv mit Bronchitis und Peribronchitis abgelaufen und der Kläger von Dr. A. arbeitsfähig geschrieben worden war, bestand für die Beklagte aus rechtlichen Gründen kein Anlass, diese ärztliche Feststellung in Frage zu stellen oder zu korrigieren, zumal selbst der Kläger am 10. März 1999 keine Einwände gegen ein Ende der Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf sein Herzleiden erhoben und anschließend das auf dem Zahlschein für Geldleistungen bescheinigte Ende seiner Arbeitsunfähigkeit und des Krankengeldbezuges akzeptiert, keine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beigebracht, sondern sich arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hatte. Damit hatte der Anspruch auf Kg mit Ablauf der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit geendet, ohne dass es eines Aufhebungsbescheides der Beklagten bedurfte (vgl. BSG 8. 2. 2000 - B 1 KR 11/99 R, a. a. O. m. w. N.).

Aus alledem folgt, dass das Kg ab 31. Mai 1999 nach § 47b Abs. 1 SGB V zu berechnen ist. Die Berufung der Beklagten hat daher Erfolg, so dass das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er ihr grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Rechtskraft
Aus
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