L 11/3 U 740/02 ZVW

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 1695/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 11/3 U 740/02 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 71/04 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 10. November 1998 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 1. September 1999 verurteilt, der Klägerin wegen der Lungenkrebserkrankung des Versicherten Entschädigungsleistungen in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Nach durch Zurückverweisung an den erkennenden Senat beendeter Revision streiten die Beteiligten noch über die Entschädigung der Lungenkrebserkrankung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin wie eine Berufskrankheit (BK). Die Klägerin ist die Witwe des im Jahre 1933 geborenen und am 20. April 1996 infolge eines Bronchialkarzinoms verstorbenen Versicherten H. A. (Versicherter). Dieser absolvierte von 1947 bis 1950 eine Glasbläserlehre und übte diesen Beruf anschließend bis 1960 aus. Ab dem 1. März 1960 absolvierte er eine Umschulung zum Dachdecker und war anschließend bis 1976 als solcher bei der Firma B. in R. beschäftigt, für welche er danach bis zu seiner Erkrankung im April 1995 als Bauleiter tätig war. Während seiner Glasbläsertätigkeit war er auch mit der Herstellung von Fieberthermometern beschäftigt und einer täglichen Quecksilberdampfexposition ausgesetzt. In der Zeit von 1960 bis Ende 1965 verrichtete der Versicherte ca. fünf Monate pro Jahr arbeiten an Flachdächern. Dabei war Dachpappe mit Heißbitumen zu verkleben. In dieser Zeit verlegte er auch Asbestzementplatten ca. drei Monate pro Jahr. Während der Hälfte dieser Arbeitszeit führte er mit der Trennschleifmaschine Schneidarbeiten an den Asbestzementplatten durch und auch bei den Verlegearbeiten bestand ein Asbestkontakt durch Schneid- und Bohrarbeiten der Arbeitskollegen. Von 1966 bis 1975 war der Versicherte ca. sieben Monate pro Jahr bei Flachdacharbeiten mit Dachpappe und Heißbitumen tätig. Von 1976 bis Ende 1985 wurden solche Arbeiten ca. sechs Monate pro Jahr ausgeübt. Danach erfolgten die Flachdacharbeiten bis Ende 1994 mit Bitumenschweißbahnen ca. sieben Monate pro Jahr, wobei der Versicherte während dieser Zeit ca. sieben Stunden pro Tag in dieser Weise arbeitete. Von 1976 bis Ende 1994 verlegte der Versicherte durchschnittlich ca. einen Monat pro Jahr Asbestzementplatten. Auch während dieser Zeit waren Schneidarbeiten mit Trennschleifmaschinen während der Hälfte der betreffenden Arbeitszeit erforderlich. Ab 1991 waren die verlegten Zementwellplatten asbestfrei, jedoch führte der Versicherte in dieser Zeit überwiegend Reparaturarbeiten an Asbestzementwellplattendächern durch. Im Mai 1995 erstattete der Lungenarzt Dr. E., R., Anzeige über eine BK (Bronchialkarzinom bei Asbestbelastung). Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten errechnete eine Belastung des Versicherten von 14,6 Faserjahren. Durch eine Ende Juni 1995 durchgeführte Torakotomie mit Oberlappenresektion wurde der Lungenkrebsverdacht bestätigt. Nach dem Tod des Versicherten kam Prof. Dr. M., Direktor des Pathologischen Instituts des Klinikums D., in einem pathologischen Zusammenhangsgutachten unter Berücksichtigung eines histologischen und staubanalytischen Zusatzgutachtens von Prof. Dr. M. - Berufsgenossenschaftliche Krankenanstalt B. zu dem Ergebnis, es seien keine asbestassozierten Lungen- und Pleuraveränderungen und keine Minimalasbestose feststellbar, da mittels Lungenstaubanalyse nur vier bzw. weniger als zehn Asbestkörper pro cm³ Lungengewebe nachgewiesen seien. Histologisch habe sich das typische Bild einer Kondensat-Pneumopathie (sog. Raucherlunge) mit Ablagerungen von antrakodischem Pigment in allen Lungensegmenten gezeigt. Das diagnostizierte Bronchialkarzinom sei am ehesten Folge eines langjährigen Nikotinabusus, weil der Versicherte offenbar über einen Zeitraum von mindestens 40 Jahren regelmäßig geraucht habe. Mit Bescheid vom 26. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK in Form einer Asbeststaublungenerkrankung (Nr. 4103 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung - BKV -) bzw. eines Lungenkrebses in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Nr. 4104 der Anlage zur BKV) ab, weil diese Erkrankungen nicht vorgelegen hätten. Die daraufhin mit der Begründung, der Versicherte sei auch anderen krebserregenden Stoffen als Asbest ausgesetzt gewesen, erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 10. November 1998 ab; der Streitgegenstand werde allein durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten bestimmt und dieser sei rechtmäßig. Im Laufe des Berufungsverfahrens ermittelte die Beklagte durch ihren TAD, dass der Versicherte wegen Umgangs mit Heißteer und Heißbitumen gegenüber polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) im Umfang von 39 Benzo(a)pyren BaP exponiert gewesen sei. Unter Hinweis auf die Stellungnahme des Landesgewerbearztes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. September 1999 die Anerkennung der Lungenerkrankung des Versicherten als Krankheit nach § 9 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch: Unfallversicherung (SGB VII) ab. Insbesondere liege ein durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstof-fe verursachter Lungenkrebs nicht vor, da hierfür - entsprechend der Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats beim Bundesarbeitsministerium über die Aufnahme einer entsprechenden BK in die Anlage zur BKVO die kumulative Dosis von 100 BaP-Jahren erforderlich sei, die der Versicherte mit 39 BaP-Jahren nicht erreiche. Vom Landessozialgericht (LSG) wurde schließlich ein Gutachten von Prof. Dr. W./G-Stadt eingeholt. Der Sachverständige kam am 30. Juni 2000 zu dem Schluss, dass die Einwirkung von Asbestfaserstaub und von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen zu einem gesteigerten Lungenkrebsrisiko geführt habe, dem der Versicherte erlegen sei. Nach gesicherten Ergebnissen tierexperimenteller Grundlagenforschung, epidemiologischen Studien und molekularbiologischen Erkenntnissen führe die Einwirkung von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen durch synkanzerogene Wirkung zu einem gesteigerten Lungenkrebsrisiko. Die Auswertung der Ergebnisse epidemiologischer Studien begründe die Annahme, dass die Synkanzerogenese von Asbestfaserstaub und PAK-haltigem Zigarettenrauch-Kondensat in der Mehrzahl der Untersuchungen weit aus besser durch ein multiplikatives als durch ein additives Modell beschrieben werde. Auch eigene Fallerfahrungen aus der Arbeits- und Sozialmedizinischen Poliklinik der Universität G. sprächen für eine synkanzerogene Wirkung von Asbest- und PAK-Einwirkungen. Im Fall des Versicherten errechne sich unter Berücksichtigung der synergistischen synkanzerogenen Risikosteigerung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein relatives Risiko an Lungenkrebs zu erkranken von 1,9 nach dem additiven Modell und von 2,20 nach dem multiplikativen Modell. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Versicherten sei ab Beginn der Erkrankung im April 1995 auf 100 v.H. zu veranschlagen. Seitens der Beklagten wurde eine Stellungnahme des Bundesarbeitministeriums vom 31. August 2000 vorgelegt, wonach dem Verordnungsgeber keine neuen Erkenntnisse im Sinne des § 9 SGB VII darüber vorlägen, dass Personen bei kumulativer Einwirkung von Asbeststaub unter 25 Faserjahren und PAK unter 100 BaP-Jahren ein überhäufiges Risiko hätten, an Lungenkrebs zu erkranken, und sich der Sachverständigenbeirat noch nicht mit der Frage von überhöhten Lungenkrebsrisiken durch kumulative Einwirkung der genannten Stoffe befasst habe. Durch Urteil vom 11. April 2001 wies das LSG die Berufung der Klägerin zurück und deren Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 1. September 1999 ab. Die Erkrankung des Versicherten sei weder als BK noch wie eine BK zu entschädigen. Die Lungenkrebserkrankung erfülle nicht den Tatbestand der Nr. 4104 der Anlage zur BKV, da die Mindesteinwirkung von 25 Asbestfaserstaubjahren nicht vorliege. Ein geringerer Dosiswert könne durch das additive oder multiplikative Zusammenwirken mit einer anderen Noxe den Tatbestand der Nr. 4104 nicht erfüllen. Die Krebserkrankung des Versicherten könne auch nicht wie eine BK gemäß § 551 Abs. 2 der RVO entschädigt werden. Zwar habe nach Inkrafttreten der BKV zum 1. Dezember 1997 der Ärztliche Sachverständigen-beirat beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung empfohlen, in die Anlage als BK "Lungenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 Benzo(a)pyren-Jahren aufzunehmen. Der Versicherte, der während seiner Tätigkeit als Dachdecker der Einwirkung einer kumulativen Dosis von nur 39 Benzo(a)pyren-Jahren ausgesetzt gewesen sei, könne folglich nicht zu dieser Personengruppe gezählt werden. Eine Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO käme daher nur in Betracht, wenn der Versicherte aufgrund der beruflich bedingten Exposition gegenüber Asbestfaserstaub und PAK nach neueren Erkenntnissen in der medizinischen Wissenschaft zu einer Personengruppe gehöre, die bei ihrer Arbeit in einem erheblich höheren Maße als die übrige Bevölkerung gesundheitsschädigenden Einwirkungen ausgesetzt sei, die geeignet seien, eine Lungenkrebserkrankung zu verursachen. Zudem sei Voraussetzung für eine Entschädigung wie eine BK, dass die Lungenkrebserkrankung des Versicherten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die konkrete berufliche Exposition von Asbestfaserstaub und PAK zurückzuführen sei. Zwar habe Prof. Dr. W. in seinem Gutachten dargelegt, dass nach den Ergebnissen in der tierexperimentellen Grundlagenforschung die Einwirkung von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen durch synkanzerogene Wirkung zu einem gesteigerten Lungenkrebsrisiko führe, daneben lägen auch Ergebnisse mehrerer epidemiologischer Studien vor, welche belegten, dass die kumulative Einwirkung von Zigarettenrauchen und Asbestfaserstaub gegenüber der jeweiligen Einzelexposition von Zigarettenrauch oder Asbest zu einer signifikanten Steigerung des Lungenkrebsrisikos führe. Fraglich sei jedoch, ob sich die Ergebnisse dieser epidemiologischen Studien auf die Personengruppe der Dachdecker übertragen ließen, zu denen der Versicherte gehört habe; denn der Zigarettenrauch enthalte neben dem PAK auch zahlreiche andere krebserzeugende Stoffe, die möglicherweise ebenfalls eine synergetische Wirkung mit Asbest entfalten könnten. Repräsentative epidemiologische Studien an Beschäftigten, die während ihrer beruflichen Tätigkeit einer arbeitsbedingten Exposition sowohl gegenüber Asbest als auch (nur) PAK ausgesetzt gewesen seien, lägen offensichtlich nicht vor. Es gäbe auch keine gesicherten Erkenntnisse, ob eine geringe Asbestfaserstaubdosis in Kombination mit einer geringen PAK-Dosis generell geeignet sei, das Risiko einer Lungenkrebserkrankung um mehr als 50 % zu erhöhen. Auch die von Prof. Dr. W. aufgeführten Fallerfahrungen aus der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität G. ließen nicht mit ausreichender Sicherheit erkennen, in welcher Wechselwirkung die einzelnen Dosen von Asbest und PAK zueinander stünden. Die Art des schädigenden Zusammenwirkens von Asbest und PAK sei nach den bisher vorliegenden Daten noch nicht anhand statistisch relevanter Zahlen für eine Vielzahl von typischen Geschehensabläufen ausreichend geklärt und bekannt. Zwar sprächen die tierexperimentellen Experimente für die von Prof. Dr. W. vertretene Auffassung, jedoch könnten die Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen werden. Es fehle daneben an wissenschaftlichen Erkenntnissen aus epidemiologischen Studien, die die tierexperimentell gewonnenen Erkenntnisse ausreichend stützen könnten. Auf die Revision der Klägerin hat das BSG mit Urteil vom 4. Juni 2002 das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. April 2001 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten wegen einer Einwirkung von Asbestfaserstaub und PAK während der Tätigkeit als Dachdecker wie eine BK gemäß § 551 Abs. 2 RVO habe, bedürfe noch weiterer tatsächlicher Feststellungen durch das LSG. Eine Überschreitung der Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung liege in der Auseinandersetzung des LSG mit den Ausführungen des Sachverständigen zu den epidemiologischen Studien und den eigenen Fallerfahrungen. Das LSG habe nämlich in der Auseinandersetzung mit dem Sachverständigengutachten in Bezug auf die amerikanische Studie von Hammond und anderen 1979 eingewandt, dass die Asbestbelastung für sich schon geeignet gewesen sei, das Lungenkrebsrisiko um das fünffache zu erhöhen und dass in Zigarettenrauch neben PAK-haltigem Kondensat auch weitere krebserregende Stoffe enthalten seien. Wenn das LSG dann zu dem Schluss gekommen sei, dass eine Aussage zur Kombinationswirkung im Niedrigdosisbereich anhand der Studien nicht möglich sei, nehme das LSG eine eigene Bewertung der im Gutachten anders bewerteten medizinisch-wissenschaftlichen Tatsachen vor, zu der es über eigene, im Zweifelsfall nachzuweisende Sachkunde hätte verfügen müssen. Auch gegenüber der Bewertung der im Gutachten von Prof. Dr. W. mitgeteilten Beobachtungen aus der Praxis in der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität G. zu dem Problemfeld der Synkanzerogenese durch Asbest und PAK, habe das LSG eine eigene medizinische Bewertung der jeweiligen Einzelfälle vorgenommen, indem es auf die jeweiligen Gegebenheiten der Einzelfälle näher eingegangen sei und aufgrund dessen zu dem Schluss gekommen sei, dass daraus die Ableitung eines verallgemeinerungsfähigen Ergebnisses im Sinne des Nachweises einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und einer langfristigen Überwachung derselben nicht möglich sei. Schließlich habe sich das LSG mit dem weiteren vom Sach-verständigen angeführten medizinischen Argument für die grundsätzliche Eignung der kumulativen Einwirkung von Asbestfaserstaub und PAK zur Verursachung von Lungenkrebs beim Menschen, nämlich den vom Sachverständigen dargelegten molekular-biologischen Erkenntnissen, gar nicht auseinandergesetzt, sei also zu seiner abweichenden medizinischen Beurteilung gelangt, ohne überhaupt die Argumentation des Sachverständigengutachtens in vollem Umfang zu erörtern. Die Feststellungen des LSG erlaubten damit keine abschließende Entscheidung, da der Sachverständige trotz der Nichtexistenz von auf die Personengruppe der dachdeckerbezogenen Studien über die Einwirkung von Asbest und PAK im sog. Niedrigdosisbereich angenommen habe, dass keine Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft darüber bestünden, dass Dachdecker Krankheiten - hier Lungenkrebs - erleiden würden, die durch besondere Einwirkungen im Sinne des § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO verursacht seien. Diese Aussage des Sachverständigen sei umso mehr zu beachten gewesen, als rechtlich allein medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse verlangt werden und das Gesetz keineswegs vorschreibe, mit welchen wissenschaftlichen Methoden die Überhäufigkeit des Auftretens bestimmter Erkrankungen bei einer bestimmten Personengruppe festzustellen sei. Das LSG hätte sich angesichts bestehender Zweifel an Argumentation und Ergebnis des medizinischen Gutachtens von Prof. Dr. W. und mangels eigener Sachkunde zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts gedrängt fühlen müssen. Diese hätte in einer ergänzenden Befragung des Sachverständigen oder in der Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens bestehen können, wobei das LSG seinen medizinischen Zweifel an einer entsprechenden Fragestellung hätte ausdrücken können. Diese Ermittlungen seien jetzt nachzuholen. Danach sei weiter zu prüfen, ob die medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse über die gruppentypische Risikoerhöhung "neu" im Sinne des § 551 Abs. 2 RVO sind. Ferner müsse das LSG berücksichtigen, dass es nach der Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung für die Frage der Kausalität im Einzelfall auch auf die Würdigung des eigenwirtschaftlichen Zigarettenkonsums des Versicherten ankomme. Vom erkennenden Senat wurde daraufhin eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. W. zu der Frage eingeholt, ob die von ihm in seinem Gutachten vom 30. Juni 2000 angeführten Fallerfahrungen und tierexperimentellen Studien entgegen der Annahme des LSG im Urteil vom 11. April 2001 gesicherte Erkenntnisse über die Wechselwirkung von PAK und Asbesteinwirkung lieferten, ferner zu der Frage, welcher Einfluss dem eigenwirtschaftlichen Zigarettenkonsum im Sinne der Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung zukomme. In seinem Gutachten vom 15. Februar 2003 vertritt Prof. Dr. W. mit eingehender Begründung die Auffassung, dass vorliegend von einer multiplikativ-synkanzerogenen Kombinationswirkung mit einer Verursachungswahrscheinlichkeit (VW) von 0,545 auszugehen sei und dieser Wert aus arbeits- und sozialmedizinischer Sicht somit deutlich überwiegend die Wahrscheinlichkeit der haftungsausfüllenden Kausalität im Todesfall des Herrn A. begründe. Ferner vertritt der Sachverständige die Auffassung, dass "die überwiegende Meinung der entsprechenden Fachleute, die auf diesem Forschungsgebiet über entsprechende Erfahrung und Kenntnisse verfügten", zu einer "herrschenden Auffassung" in diesem Sinne herangereift sei. Das Verhältnis der arbeitsbedingt zu den zigarettenbedingt verursachten synkanzerogenen Kombinationswirkungen betrage näherungsweise 10 zu 1, weshalb die wesentliche Teilursache des Todes Lungenkrebs im Alter von 62 ¾ Jahren bei dem Versicherten insgesamt mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit in der multiplikativ-synkanzerogenen Kombinationswirkung beider arbeitsbedingten und für den Menschen gesichert krebserzeugenden Arbeitsstoffe liege. Die haftungsausfüllende Kausalität sei aus arbeits- und sozialmedizinischer Sicht insofern unter Berücksichtigung der juristischen Vorbedingungen zu bejahen. Die Klägerin macht sich den Inhalt des Sachverständigengutachtens zu eigen und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 10. November 1998 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. September 1999 zu verurteilen, ihr wegen der Lungenkrebserkrankung des Versicherten Entschädigungsleistungen in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie legte eine gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. B./B-Stadt vor, welcher eine überadditive Kombinationswirkung im Sinne der Synkanzerogenese in Abrede stellt. Zwar habe sich seit der erstmaligen Vorstellung eines Konzepts zur Quantifizierung von Verursachungsanteilen unterhalb der Verdopplungsdosis eine rege wissenschaftliche Diskussion zur Frage der Synkanzerogenese und der unfallversicherungsrechtlichen Bewertung ergeben, jedoch zeige sich unter Berücksichtigung der Gesamtsituation beim Abwägen aller Argumente pro und contra eine Tendenz in Richtung einer additiven Risikobetrachtung, jedenfalls sei diese Frage derzeit nicht entschieden. Hierzu sei aber demnächst eine wissenschaftliche Tagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin durchzuführen, von welcher eine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse zur Problematik der Synkanzerogenese bei humankanzerogenen Stoffen mit demselben Zielorgan zu erwarten sei. Vom Senat wurde die Klägerin am 19. Dezember 2002 persönlich gehört und dabei auch zu den Rauchgewohnheiten des Versicherten befragt; auf die Niederschrift wird Bezug genommen. Ferner wurden vom Senat der Sachverständige Prof. W. sowie der Facharzt für Arbeitsmedizin und Apotheker Prof. Dr. T. B. als Sachverständiger gehört. Dabei legte der Sachverständige Prof. Dr. W. unter anderem bezugnehmend auf das Standardwerk des amerikanischen Autors Samet, der neun Kohortenstudien mit elf Personengruppen zur Interaktion zwischen Tabakrauchen und Asbest bei der Verursachung von Lungenkrebs beschreibe, dar, dass die Autoren auf der Grundlage dieser Studien in der weit überwiegenden Zahl der Untersuchungen eine muliplikative und sogar übermultiplikative Interaktion zwischen den krebserzeugenden Stoffen des Tabakrauchens und dem Asbest veröffentlicht hätten. Hinzu kämen Erkenntnisse aus sieben Fall-Kontroll-Studien, die ebenfalls in der weit überwiegenden Zahl eine muliplikative Synkanzerogenese erkennen ließen. Der Sachverständige Prof. B. seinerseits sah in dem vorliegenden Fall "eher im Sinne eines konservativen Ansatzes einen additiven Zusammenhang", der unter Berücksichtigung des Lebenszeitrisikos sowie formalmathematischer Gründe jedoch einen Wert von 2,0 ergebe und damit das notwendige Kriterium der sog. Risikoverdoppelung erfülle. Diese additive Sichtweise sei in Anbetracht der Tatsache, dass es nur wenige Gegenmeinungen gebe, sozusagen der Mittelweg. Wegen der gutachterlichen Äußerung der beiden Sachverständigen und ihren weiteren Aussagen in mündlicher Verhandlung sowie hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Niederschrift vom 31. Oktober 2003 sowie den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Der erkennende Senat kommt nach weiterer Sachaufklärung gemäß den Maßgaben des Bundessozialgerichtes im Urteil vom 4. Juni 2002 (B 2 U 16/01 R) zu dem Ergebnis, dass die Klägerin einen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten wegen einer Einwirkung von Asbestfaserstaub und PAK während der Tätigkeit als Dachdecker wie eine BK gemäß § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) hat. Nach § 551 Abs. 2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKVO bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs. 1 RVO erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören sowohl der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO versicherten Tätigkeit als auch die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachen. Diese Vorschrift, die mit In-Kraft-Treten des Unfallversicherungsneuregelungsgesetzes am 1. Juli 1963 das sog. "Mischsystem" einführte, hat seitdem die Möglichkeit geschaffen, den Versicherten für die Folgen berufsbedingter Krankheiten nach dem BK-Recht auch dann Entschädigung zu gewähren, wenn die Krankheiten noch nicht in die Liste der Anlage zur BKV aufgenommen sind. Bei der Durchführung des Berufskrankheitenrechts hatte es sich nicht vermeiden lassen, dass die listenmäßige Beschränkung von Art und Zahl der Krankheiten zu Härten für den Versicherten führte, weil das Verfahren den sich rasch verändernden praktischen Bedürfnissen nicht gerecht wurde (vgl. dazu BSG 6, S. 29, 35). Die allgemein für notwendig erachtete Abhilfe ist durch § 551 Abs. 2 RVO geschaffen worden, zu dem in der amtlichen Begründung folgendes ausgeführt ist: "Bei der Durchführung der Verordnungen über die Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten hat sich gezeigt, dass die zum Bestandteil der Verordnungen gemachten Listen der entschädigungspflichtigen Krankheiten jeweils bei der Verkündung in einzelnen Beziehungen schon überholt waren, wie das angesichts der Entwicklung der Arbeitsbedingungen und der zunächst begrenzten medizinischen Erkenntnisse unvermeidlich ist. Daher treten immer wieder Härtefälle dadurch auf, dass bei einer Reihe von Erkrankungen die Eigenart der Berufsarbeit als Ursache der Gesundheitsschädigung nachgewiesen wird, die Anerkennung als Berufskrankheit aber nicht möglich ist, weil die betreffende Krankheit nicht in der Berufskrankheitenliste enthalten ist." Während das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 22. Oktober 1981 (SozR 2200 § 551 Nr. 19) davon ausgeht, dass § 551 Abs. 2 "auf Lückenlosigkeit des Schutzes für alle Versicherten, die an einer durch Berufstätigkeit verursachten Krankheit leiden", ziele, hat das BSG in seiner Rechtsprechung wiederholt ausgeführt, dass mit dieser Regelung nicht in der Art einer "Generalklausel" erreicht werden solle, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der Berufstätigkeit im Einzelfall nachgewiesen oder wahrscheinlich sei, stets wie eine BK zu entschädigen ist. Vielmehr sollen dadurch Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die nur deshalb nicht in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen wurden, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen durch ihre Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten. Die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen sich noch nicht im Zeitpunkt der Erkrankung des Versicherten zu sog. BK-Reife verdichtet haben, es reicht vielmehr aus, wenn dies im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch geschehen ist (so z.B. BSG vom 23. Juni 1977 und vom 29. Oktober 1981, SozR 2200 § 551 Nrn. 9 und 20). Das ist hier der Fall, wobei der vorliegende Sachverhalt in der Literatur bereits "als exemplarisch für die grundlegende Problematik eines monokausal ausgerichteten Berufskrankheiten-Listensystems angesichts des immens gewachsenen Erkenntnisstandes der medizinischen Wissenschaft auf dem Beginn der Synkanzerogenese" angesehen wird, zumal die gravierende Tatsache hinzukomme, dass der derzeitige Stand des monokausal ausgestalteten BK-Listensystems allein für einen einzelnen klinischen Endpunkt, nämlich die durch Luft getragenen Arbeitsstoffe verursachte Erkrankung an Lungenkrebs nicht weiter als zehn monokausale Entschädigungsmöglichkeiten aufweise, weshalb die Anpassung des geltenden BK-Rechts an den seit Jahrzehnten bewiesenen Regelfall synergistisch koexpositionell verursachter Kombinationsschäden eine nicht nur dringende, sondern überfällige Notwendigkeit" sei (so Woitowitz, H. J., Berufsbedingter Lungenkrebs - offene Fragen: Synkanzerogenese, Vortrag gehalten am 6. Oktober 2001 anlässlich des Arbeitmedizinischen Kolloquiums 2001 zum Thema "Synkanzerogenese", Schriftenreihe "Berufskrankheiten in der Keramischen- und Glas-Industrie, Heft 41, S. 3 ff. (5). Die Anerkennung und Entschädigung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten wegen einer Einwirkung von Asbestfaserstaub und PAK während der Tätigkeit als Dachdecker wie eine BK gemäß § 551 Abs. 2 RVO setzt deshalb zuerst voraus, dass die betreffende Krankheit des Versicherten nicht in der BKVO verzeichnet ist oder die dort genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Dieses Erfordernis ist durch das Urteil des BSG vom 4. Juni 2002 rechtskräftig festgestellt worden. Weitere sog. Listenerkrankungen als Nr. 4104 der Anlage zur BKV sind daneben nicht einschlägig und von der Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht worden. Weiter ist erforderlich, dass - außer der zweifachen Kausalität zwischen der versicherten Beschäftigung und der schädigenden Einwirkung und zwischen dieser und der Erkrankung - die Krankheit nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht ist, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Nicht genügen kann, dass nur eine der genannten Voraussetzungen erfüllt ist. Vielmehr müssen über alle neue Erkenntnisse vorhanden sein, womit nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft gemeint sind. Sie müssen nach Erlass der letzten BKV bekannt geworden sein oder sich erst nach diesem Zeitpunkt zur Berufskrankheitenreife verdichtet haben. Erkenntnisse, die vor Erlass einer BKV überprüft wurden, sind keine "neuen Erkenntnisse" mehr, die zu einer Entschädigung "wie" eine Berufskrankheit führen können. Es ist also nur in den Zeiträumen zwischen den einzelnen Anpassungen der BKV eine Krankheit wie eine Berufskrankheit zu entschädigen, bei der nach neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllt sind (BSG, ständige Rspr., vgl. SozR § 551 Nr. 20 mwN). Auch diese weiteren Erfordernisse sind vorliegend erfüllt. Der Versicherte gehörte nämlich aufgrund seiner beruflich bedingten Exposition gegenüber Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) zu einer Personengruppe, die bei ihrer Arbeit in einem erheblich höheren Maße als die übrige Bevölkerung gesundheitsschädigenden Einwirkungen ausgesetzt ist, die geeignet sind, eine Lungenkrebserkrankung zu verursachen und die Lungenkrebserkrankung des Versicherten ist auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die bei ihm festzustellende konkrete berufliche Exposition von Asbestfaserstaub und PAK zurückzuführen. Wie insbesondere der Sachverständige Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 30. Juni 2000 nebst ergänzender Stellungnahme vom 15. Februar 2003 im Einzelnen ausgeführt hat, sind sowohl Asbestfasern wie PAK gentoxische Humankanzerogene und es liegen auch lehrbuchmäßig gesicherte Erkenntnisse zur Krebsverursachung durch mehr als ein gentoxisches Humankanzerogen vor, wobei die vorliegende Konstellation einer synkanzerogenen Kombinationswirkung von Asbestfaserstaub mit dem Dosisgrenzwert von 25 Asbestfaserjahren einerseits (Nr. 4104 BKV) und von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen mit dem Dosisgrenzwert von 100 Benzo(a)pyren-Jahren gemäß der Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirates/Sektion Berufskrankheit besonders praxisrelevant sei. In seinem Urteil vom 4. Juni 2002 (B 2 U 16/01 R) hat das BSG für diesen Fall eines synergetischen Zusammenwirkens beider Substanzen eine allgemeine Klärung der Frage für erforderlich gehalten, in wieweit der feststehende Schwellenwert der einen oder der anderen Krankheit unterschritten werden darf, um dennoch in Wechselwirkung mit der jeweils anderen Noxe eine entsprechende gruppentypische Risikoerhöhung feststellen zu können. Ohne entsprechende Erkenntnisse würde nämlich eine auf einer Synkanzerogenese beruhende Berufskrankheiten-Anerkennung bei Unterschreitung der anderweitig festgelegten Schwellenwerte für PAK und Asbestfaserstaub einen Widerspruch zu den den anerkannten bzw. anzuerkennenden Berufskrankheiten zugrunde liegenden wissenschaftlich fundierten Dosisbeobachtungen darstellen. Nur mit diesem Wissen könne ein Gleichklang zwischen synergetischen Erscheinungsformen und den ansonsten monokausal ausgerichteten Dosiskonzepten erreicht werden. Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. W. für den Senat überzeugend ausgeführt, dass bei Erkrankungen, die multifaktoriell auf mehrere Kausalfaktoren zurückgehen, die sozialrechtliche Forderung des Nachweises gruppentypischer, statistisch-epidemiologischer Risikoerhöhungen erkenntnistheoretisch und praktisch offenkundig eine Überforderung der realen Möglichkeiten der medizinischen Wissenschaft darstelle. Der Sachverständige hat anhand seiner Kombinationstabellen für die beiden hier einschlägigen Kanzerogene nämlich aufgezeigt, dass sich konkret 2026 denkbare, bestimmte Personengruppen und im Falle gebrochener Zahlen noch entsprechend mehr ergeben. Der Senat hält deshalb den vom Sachverständigen als "zielführend" beschriebenen Lösungsansatz des mathematisch-statistisch unstrittigen Konzepts der Verursachungs-Wahrscheinlichkeit (VW) multifaktoriell verursachter Erkrankungen für überzeugend, demzufolge spätestens bei einer Verursachungs-Wahrscheinlichkeit VW ) 0,5 (Bl. 197 GA) im sozialmedizinischen Sinne ein "deutliches Überwiegen" der Gründe für einen Kausalzusammenhang im Rahmen der Rechtstheorie der wesentlich mitwirkenden Bedingungen festzustellen sei. Für den konkreten Fall des Versicherten hat der Sachverständige insoweit bei einer multiplikativen Wirkungssteigerung der beiden Kanzerogene eine Verursachungs-Wahrscheinlichkeit von 0,545 bzw. ein Relatives-Risiko (RR) von 2,97 und für eine additiv-synkanzerogene Kombinationswirkung den Wert VW = 0,492 bzw. RR 1,97 ermittelt. Im Rahmen der hier gebotenen Einzelfallbetrachtung kann die Frage der geeigneteren Methode jedoch dahingestellt bleiben, da auch nach Auffassung des in mündlichen Verhandlung gehörten Sachverständigen Prof. Dr. B. jedenfalls feststeht, dass mit der notwendigen formal mathematischen Aufrundung das Kriterium der sog. Risikoverdoppelung vorliegend erfüllt ist. Nachdem der Sachverständige Prof. Dr. W. bei seiner Anhörung durch den Senat unter Vorlage entsprechender Unterlagen (Epidemiologie der synergistischen Synkanzerogenese, Saracchi, R. und P. Bofetta "Interactions of tobacco-smoking with other causes of lung cancer", in: Samet, J. M. Editor: "Epidemiology of lung cancer", New York 1994, S. 465 ff.) belegt hat, dass in der weit überwiegenden Zahl der Untersuchungen eine multiplikative und sogar übermultiplikative Interaktion zwischen den krebserzeugenden Stoffen des Tabakrauchens d.h. insbesondere PAK, und dem Asbest besteht, hat der Senat auch keinerlei Bedenken gegenüber der formal mathematisch gebotenen Aufrundung, wie sie der Sachverständige Prof. Dr. B. vorgenommen hat. Aus dem insoweit übereinstimmenden Vortrag beider Sachverständigen ergibt sich damit ebenfalls zur Überzeugung des Senats die ausdrücklich vom Sachverständigen Prof. Dr. W. zur Frage der sog. "Gruppentypik" begründete Auffassung, dass es nicht auf eine eingegrenzte Berufsgruppe allein ankommt, sondern auf alle Versicherten, bei denen arbeitsbedingt diese beiden für den Menschen gentoxisch gesichert krebserzeugenden Noxen ausreichend lang und intensiv eingewirkt haben, denn durch die Grenzwerte der Verursachungswahrscheinlichkeit bzw. Risikoverdoppelung ist jedenfalls dem Kriterium der besonderen Berufsbedingtheit der Einwirkungen und Belastungen in überzeugender Weise Rechnung getragen (vgl. zu diesem Problem Koch in: Lauterbach, Unfallversicherung Band II, 4. Auflage, Januar 2003, Rdnr. 242 ff. - m.w.N.). Damit folgt der Senat nunmehr dem Sachverständigen auch in seiner Einschätzung, dass inzwischen gesicherte medizinische Erkenntnisse darüber vorliegen, dass Dachdecker Krankheiten - hier Lungenkrebs - erleiden, die durch besondere Einwirkung im Sinne des § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO verursacht sind. Tatsächlich hat das BSG im Urteil vom 4. Juni 2002 (B 2 U 16/01 R) insoweit ausdrücklich unterstrichen, dass rechtlich allein medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse verlangt werden und das Gesetz keineswegs vorschreibt, mit welchen wissenschaftlichen Methoden die Überhäufigkeit des Auftretens bestimmter Erkrankungen bei einer bestimmten Personengruppe festzustellen sei. Die vorliegend zur Anwendung kommenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse sind auch "neu" im Sinne von § 551 Abs. 2 RVO, denn ausweislich der Ausführungen beider Sachverständigen wurden sie vom Verordnungsgeber der BKV noch nicht berücksichtigt. Für das vorliegende Verfahren hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung am 31. August 2000 ausdrücklich mitgeteilt, dass dem Verordnungsgeber neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse im Sinne des § 9 SGB VII über die kumulative Einwirkung von Asbeststaub und PAK nicht vorlägen und vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zu dieser Fragestellung auch keine Empfehlungen beschlossen worden seien. Tatsächlich habe sich, so der Sachverständige Prof. Dr. B., in seinem von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 31. August 2003, seit der erstmaligen Vorstellung eines Konzepts zur Quantifizierung von Verursachungsanteilen unterhalb der Verdoppelungsdosis durch die Arbeitsgruppe des Sachverständigen W. erst im Jahre 1999 eine rege wissenschaftliche Diskussion zur Frage der Synkanzerogenese unter unfallversicherungsrechtlicher Bewertung ergeben und ein wissenschaftlicher Kongress zum Thema der Synkanzerogenese unter Beteiligung von Wissenschaft und Unfallversicherungsträgern werde vorbereitet. In der mündlichen Verhandlung haben beide Sachverständigen darauf hingewiesen, dass dieser Kongress nunmehr auf Ende Februar 2004 terminiert sei, gleichzeitig brachten beide aber bei grundsätzlich divergierenden Auffassungen hinsichtlich der additiven bzw. multiplikativen Wertung der Verursachungs-Wahrscheinlichkeit zum Ausdruck, dass im vorliegenden Streitfall der gemeinsame Nenner jedenfalls zumindest in einer additiven Risikobetrachtung zu finden ist. Damit ist nach Auffassung des erkennenden Senats dem Erfordernis der "neuen" medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegend Rechnung getragen, denn nach allem ist damit davon auszugehen, dass die Synkanzerogenese der beiden streitbefangenen Stoffe sich zumindest auf der Basis einer additiven Risikoabschätzung zur BK-Reife verdichtet hat (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2002 - B 2 U 20/01 R). Da sich auch der Verordnungsgeber bisher nicht mit den Erkenntnissen befasst und keine aktiven Beratungen zu der Frage stattfinden, ob aufgrund dieser Erkenntnisse eine Empfehlung zur Aufnahme in die BK-Liste ergehen soll, ist der Senat auch nicht etwa durch eine "Sperrwirkung" an einer Entscheidung gehindert (vgl. BSG, a.a.O.). Zur Überzeugung des Senats steht weiterhin fest, dass die haftungsausfüllende Kausalität der zumindest additiv-synkanzerogenen Kombinationswirkung beider arbeitsbedingten, für den Menschen gesichert krebserzeugenden Arbeitsstoffe mit den kumulativen Dosen von 14,6 Asbestfaserjahren und 39 BaP-Jahren als wesentliche Teilursache des Todes des Versicherten an Lungenkrebs nicht durch den eigenwirtschaftlichen Zigarettenkonsum des Versicherten unterbrochen wird. Der Sachverständige Prof. Dr. W. hat nämlich unter der Annahme einer kumulativen Dauer des Zigarettenkonsums von ca. 48 Jahren bei durchschnittlich neun Zigaretten mit besonders hohem BaP-Gehalt eine kumulative Dosis an BaP in Höhe von 6,31 mg Benzo(a)pyren und die arbeitsbedingt verursachte Einwirkung in Höhe von kumulativ 93,6 mg Benzo(a)pyren berechnet; die arbeitsbedingt ca. 15-fach höhere Einwirkung des notorisch gentoxischen, für den Menschen gesichert Lungenkrebs erzeugenden BaP könne somit nicht hinweggedacht werden, ohne dass der "Erfolg", d.h. die tödliche Erkrankung des Versicherten an Lungenkrebs zu jenem Zeitpunkt entfiele. Selbst dann, wenn man konservativ berücksichtige, dass die Pyrolyseprodukte näherungsweise nur zu etwa zwei Dritteln des gesamten krebserzeugenden Potentials krebserzeugender Inhaltsstoffe des Hauptstromrauchs von Zigaretten beitrügen, würde sich ein immer noch ca. 10-fach höheres arbeitsbedingtes Lungenkrebs-Sterberisiko infolge der arbeitsbedingten Einwirkung von 93,6 mg BaP ergeben. Diese Schlussfolgerung, dass nämlich die kausalrelevante Gewichtsproportion der Lungenkrebs verursachenden Einwirkung von Benzo(a)pyren aufgrund des "eigen-wirtschaftlichen Zigarettenkonsums" gegenüber derjenigen der versicherten Tätigkeit im Dachdeckerberuf sich näherungsweise etwa 1 zu 10 verhält, ist für den Senat nachvollziehbar und überzeugend. Nach allem hat die Klägerin somit einen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten wegen einer Einwirkung von Asbestfaserstaub und PAK während der Tätigkeit als Dachdecker wie eine BK gemäß § 551 Abs. 2 RVO. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Ziffern 1 und 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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