Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 RA 3/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 25/05
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 16.02.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2004 verurteilt, der Klägerin Leistungen für die behinderungsgerechte Ausstattung ihrer Küche zu erbringen. Die Beklagte hat die Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kosten für die behinderungsgerechte Ausstattung der Küche der Klägerin.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist halbtags als Sekretärin beschäftigt und leidet an multipler Sklerose. Nach den Feststellungen der Versorgungsverwaltung ist sie u.a. hilflos und außergewöhnlich gehbehindert (Merkzeichen "aG", "H", "B").
Die Klägerin reichte am 00.00.0000 über die auf behinderungsgerechte Ausstattungen spezialisierte Fa. Q eine Kostenvoranschlag für die Neuausstattung ihrer Küche bei der Beklagten ein. Die Beklagte wies sie mit Schreiben vom 18.02.2003 darauf hin, sie sei nicht für Hilfen ohne spezifischen Bezug zum Arbeitsleben zuständig und habe den Antrag deswegen an die Stadtverwaltung K weitergeleitet. Der weitergeleitete Antrag ging bei der Stadt K am 21.02.2003 ein und wurde von dort an der Kreis E abgegeben, der ihn an die Beklagte zurückleitete. Nachdem sich die Klägerin beim Kreis E nach dem Stand der Sache erkundigt hatte, lehnte die Beklagten ihren Antrag mit Bescheid vom 16.02.2004 mit der Begründung ab, sie sei nicht zuständig, da die begehrte Leistung nicht unmittelbar die Teilhabe am Arbeitsleben betreffe. Den am 05.03.2004 erhobenen Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 26.05.2004 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 00 00.0000 erhobene Klage. Die Klägerin rügt, dass sich die in Betracht kommenden Leistungsträger jeweils für unzuständig erklärten und an sie an den jeweils anderen Träger verwiesen.
Das Gericht hat die in Betracht kommenden Sozialhilfeträger beigeladen. An der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin aufgrund einer Terminkollision nicht teilgenommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.02.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2004 zu verurteilen, ihr Leistungen für die behinderungsgerechte Ausstattung ihrer Küche zu erbringen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer bisherigen Auffassung.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Der Beigeladene zu 1. (Kreis E) beruft sich darauf, die Abgabe an die Beigeladene zu 2. (Stadt K) sei verspätet erfolgt, weswegen es bei einer Zuständigkeit der Beklagten bleibe.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte, sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Das Gericht konnte nach einseitig streitiger mündlicher Verhandlung entscheiden, da die Klägerin Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung vorher mitgeteilt worden sind.
Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da sie die Kosten für die behinderungsgerechte Küchenausstattung gem. § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX dem Grunde nach zu tragen hat. Sie kann sich nicht (mehr) auf den fehlenden Bezug zum Arbeitsleben berufen, da sie nach § 14 des Sozialgesetzbuchs - Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) für die Erbringung auch dieser Leistungen zuständig geworden ist.
Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 SGB IX, wonach als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft solche Leistungen erbracht werden, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder sichern oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege machen sollen und nach den Kapiteln 4 bis 6 nicht erbracht werden (§ 55 Abs. 1 SGB IX). Hierunter fallen insbesondere Hilfen bei der Ausstattung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht (§ 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX). Dass die Klägerin hiernach einen Anspruch auf eine behinderungsgerechte Küchenausstattung hat, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Sie leidet an multipler Sklerose und ist außergewöhnlich gehbehindert und hilflos im Sinne des Schwerbehindertenrechts. Angesichts dessen ist das dem Leistungsträger grundsätzlich nach den §§ 4 Abs. 2; 40 Abs. 1 Nr. 8 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) eingeräumte Ermessen (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 22.03.2002 - 3 B 1971/02) dahingehend reduziert, dass jede andere (Grund-) Entscheidung ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig wäre.
Die Beklagte ist für die Erbringung dieser Leistung auch zuständig. Bei einer behinderungsgerechten Küchenausstattung handelt es sich (wie dargelegt) nicht um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 6, Abs. 8 Satz 1 Nr. 6 SGB IX) sondern um eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX), für die die Beklagte grundsätzlich gerade nicht zuständig ist, § 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX. Sie ist jedoch im vorliegenden Fall nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2; Abs. 2 Satz 1 SGB IX zuständig geworden.
Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, so stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz (hier: dem Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) für die Leistung zuständig ist. Verneint er dies, so hat er den Antrag unverzüglich dem seiner Auffassung nach zuständigen Rehabilitationsträger zuzuleiten, § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX. Leitet der Rehabilitationsträger den Antrag hingegen binnen der gesetzlichen Frist nicht weiter, so hat er unverzüglich den Rehabilitationsbedarf festzustellen, § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Verklausuliert ordnet das Gesetz hiermit nichts anderes an als eine Überlagerung der gesetzlichen Zuständigkeit kraft Fristablaufs: Der zuerst angegangene Rehabilitationsträger wird für die beantragte Leistung zuständig, wenn er den Antrag nicht binnen der in § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Frist an den seiner Auffassung nach zuständigen Rehabilitationsträger weiterleitet (VGH München, Beschluss vom 01.12.2003 - 12 CE 03.2608; SG Koblenz, Urteile vom 29.09.2004, S 9 AL 329/03 und S 9 AL 251/02; SG Aachen, Urteil vom 11.02.2004, S 11 RJ 66/03 - Berufungsaktenzeichen des LSG Nordrhein-Westfalen L 14 RJ 28/04; Gagel, SGb 2004, 464, 465 ff m.w.N.)
Die Voraussetzungen aus § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 SGB IX sind im vorliegenden Fall erfüllt. Sowohl die Beklagte als auch die Beigeladenen sind Rehabilitionsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 bzw. Nr. 7 SGB IX. Bei dem über die Firma Q eingereichten Schreiben handelt es sich um einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Es ging bei der Hauptverwaltung der Beklagten ausweislich des Eingangsstempels am 21.01.2003 ein. Die Beklagte hat die Rechtsfolge aus § 14 SGB IX auch nicht durch rechtzeitige Weiterleitung an einen der Beigeladenen vermieden, denn diese erfolgte erst nach Ablauf der in dieser Vorschrift genannten Frist von zwei Wochen. Zu laufen beginnt die Frist mit dem Eingang eines erkennbar auf Leistungen zur Teilhabe gerichteten Antrags (VGH München, a.a.O.). Sie ist im vorliegenden Fall versäumt, denn der der Antrag ging bei der Beigeladenen zu 2. (Stadt K) erst am 21.02.2003 ein.
Leitet der zuerst angegangene Rehabilitationsträger den Antrag nicht binnen der in § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Frist an den seiner Auffassung nach zuständigen Rehabilitationsträger weiter, so wird er für die beantragte Leistung zuständig (hierzu und zum Folgenden: VGH München, a.a.O.; SG Koblenz, a.a.O.; SG Aachen, a.a.O.; Gagel, a.a.O.). Zuständigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur die Befugnis des Leistungsträgers, das Verfahren zu führen und den Antrag zu bescheiden, sondern verpflichtet ihn auch zur Erbringung der beantragten Leistung, sofern deren Voraussetzungen erfüllt sind. § 14 SGB IX ordnet eine "besondere Leistungspflicht" (so die Formulierung von Gagel, a.a.O., S. 465 f) an, die die "grundsätzlichen" Zuständigkeitsregelungen (§ 6 SGB IX) verdrängt und den Zuständigkeitsbereich des nach § 14 SGB IX zuständig gewordenen Leistungsträgers auf sämtliche sozialrechtlichen Rehabilitationsleistungen ausdehnt. Der Leistungsträger darf es daher nicht bei einer Prüfung des Antrags anhand des für ihn einschlägigen Leistungsgesetzes belassen, sondern muss auch Anspruchsgrundlagen aus "fremden" Leistungsgesetzen prüfen und (wenn deren Voraussetzungen erfüllt sind) auf dieser Grundlage leisten.
Die Kammer verkennt nicht, dass die - aus Sicht der Leistungsträger - überaus strenge Fristenregelung in § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 SGB IX einen nicht unbeträchtlichen Anreiz darstellt, sich eines Antrags durch Weiterleitung zu entledigen. Auch bezweifelt die Kammer, ob es tatsächlich im Sinne einer schnellen und vor allem effektiven Rehabilitation ist, wenn Träger in Einzelfällen Leistungen zu gewähren haben, auf deren Erbringung sie personell und sachlich nicht eingestellt sind. Diese Bedenken greifen jedoch nicht durch. Ihnen steht der Normzweck von § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX entgegen, wonach sich die komplizierten Zuständigkeitsfragen des Sozialrechts im Allgemeinen und des Rehabilitationsrechts im Besonderen nicht zum Nachteil des Leistungsberechtigten auswirken dürfen (BT-Drs 14/5074, S. 85, 102; ausführlich auch VGH München, Beschluss vom 17.09.2002 - 12 CE 02.688 = FEVS 54, 264 ff) und dessen Antrag ohne weitere Streitigkeiten um Zuständigkeitsfragen kurzfristig beschieden werden muss (Gagel, a.a.O., S. 465). Das Gesetz nimmt um dieser Ziele willen eine Leistungserbringung durch einen unzuständigen Leistungsträger bewusst in Kauf. Die in der Literatur vertretene Gegenauffassung (vgl. Mrozynski, SGB IX 1. Teil, § 14, Rn. 29) überzeugt die Kammer nicht: Hiernach soll in Fällen, in denen die beantragte Leistung nicht vom gesetzlichen Leistungskatalog des nach § 14 SGB IX zuständig gewordenen Trägers umfasst ist, zunächst überhaupt nicht geleistet werden können; der Antragsteller sei jedoch dahingehend zu beraten, dass er den Antrag erneut und nunmehr beim "richtigen Rehabilitationsträger" stellt (Mrozynski, a.a.O.). Dem ist bereits entgegen zu halten, dass sich auf diese Weise die Zuständigkeitsfragen des Rehabilitationsrechts gerade doch zu Lasten des Antragstellers auswirkten; insbesondere wird es regelmäßig nicht zu der von § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 SGB IX beabsichtigten baldigen Bescheidung des Antrags kommen (Mrozynski, a.a.O., merkt an, bei der von ihm vertretenen Vorgehensweise handele es sich um ein praktisch nicht sehr sinnvolles, aber unvermeidliches Verfahren).
Die Kammer vermag nicht auszuschließen, dass Fallkonstellationen denkbar sind, in denen § 14 SGB IX eine einschränkende Auslegung erfahren muss. Dies könnte der Fall sein bei Weiterleitung des Antrags an eine Person, die nicht Leistungsträger nach dem SGB IX ist, oder bei offensichtlich rechtsmissbräuchlicher Antragstellung oder Weiterleitung etwa an einen Träger, zu dem der Leistungsberechtigte nie in irgendeiner Beziehung gestanden hat. Für den Regelfall einer Antragstellung bei einem nicht von vornherein erkennbar unzuständigen Leistungsträger muss es im Interesse des Leistungsberechtigten aber bei der Rechtsfolge aus § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Kosten der Beigeladenen sind nach § 193 Abs. 4 SGG nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kosten für die behinderungsgerechte Ausstattung der Küche der Klägerin.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist halbtags als Sekretärin beschäftigt und leidet an multipler Sklerose. Nach den Feststellungen der Versorgungsverwaltung ist sie u.a. hilflos und außergewöhnlich gehbehindert (Merkzeichen "aG", "H", "B").
Die Klägerin reichte am 00.00.0000 über die auf behinderungsgerechte Ausstattungen spezialisierte Fa. Q eine Kostenvoranschlag für die Neuausstattung ihrer Küche bei der Beklagten ein. Die Beklagte wies sie mit Schreiben vom 18.02.2003 darauf hin, sie sei nicht für Hilfen ohne spezifischen Bezug zum Arbeitsleben zuständig und habe den Antrag deswegen an die Stadtverwaltung K weitergeleitet. Der weitergeleitete Antrag ging bei der Stadt K am 21.02.2003 ein und wurde von dort an der Kreis E abgegeben, der ihn an die Beklagte zurückleitete. Nachdem sich die Klägerin beim Kreis E nach dem Stand der Sache erkundigt hatte, lehnte die Beklagten ihren Antrag mit Bescheid vom 16.02.2004 mit der Begründung ab, sie sei nicht zuständig, da die begehrte Leistung nicht unmittelbar die Teilhabe am Arbeitsleben betreffe. Den am 05.03.2004 erhobenen Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 26.05.2004 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 00 00.0000 erhobene Klage. Die Klägerin rügt, dass sich die in Betracht kommenden Leistungsträger jeweils für unzuständig erklärten und an sie an den jeweils anderen Träger verwiesen.
Das Gericht hat die in Betracht kommenden Sozialhilfeträger beigeladen. An der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin aufgrund einer Terminkollision nicht teilgenommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.02.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2004 zu verurteilen, ihr Leistungen für die behinderungsgerechte Ausstattung ihrer Küche zu erbringen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer bisherigen Auffassung.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Der Beigeladene zu 1. (Kreis E) beruft sich darauf, die Abgabe an die Beigeladene zu 2. (Stadt K) sei verspätet erfolgt, weswegen es bei einer Zuständigkeit der Beklagten bleibe.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte, sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Das Gericht konnte nach einseitig streitiger mündlicher Verhandlung entscheiden, da die Klägerin Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung vorher mitgeteilt worden sind.
Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da sie die Kosten für die behinderungsgerechte Küchenausstattung gem. § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX dem Grunde nach zu tragen hat. Sie kann sich nicht (mehr) auf den fehlenden Bezug zum Arbeitsleben berufen, da sie nach § 14 des Sozialgesetzbuchs - Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) für die Erbringung auch dieser Leistungen zuständig geworden ist.
Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 SGB IX, wonach als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft solche Leistungen erbracht werden, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder sichern oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege machen sollen und nach den Kapiteln 4 bis 6 nicht erbracht werden (§ 55 Abs. 1 SGB IX). Hierunter fallen insbesondere Hilfen bei der Ausstattung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht (§ 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX). Dass die Klägerin hiernach einen Anspruch auf eine behinderungsgerechte Küchenausstattung hat, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Sie leidet an multipler Sklerose und ist außergewöhnlich gehbehindert und hilflos im Sinne des Schwerbehindertenrechts. Angesichts dessen ist das dem Leistungsträger grundsätzlich nach den §§ 4 Abs. 2; 40 Abs. 1 Nr. 8 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) eingeräumte Ermessen (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 22.03.2002 - 3 B 1971/02) dahingehend reduziert, dass jede andere (Grund-) Entscheidung ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig wäre.
Die Beklagte ist für die Erbringung dieser Leistung auch zuständig. Bei einer behinderungsgerechten Küchenausstattung handelt es sich (wie dargelegt) nicht um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 6, Abs. 8 Satz 1 Nr. 6 SGB IX) sondern um eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX), für die die Beklagte grundsätzlich gerade nicht zuständig ist, § 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX. Sie ist jedoch im vorliegenden Fall nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2; Abs. 2 Satz 1 SGB IX zuständig geworden.
Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, so stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz (hier: dem Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) für die Leistung zuständig ist. Verneint er dies, so hat er den Antrag unverzüglich dem seiner Auffassung nach zuständigen Rehabilitationsträger zuzuleiten, § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX. Leitet der Rehabilitationsträger den Antrag hingegen binnen der gesetzlichen Frist nicht weiter, so hat er unverzüglich den Rehabilitationsbedarf festzustellen, § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Verklausuliert ordnet das Gesetz hiermit nichts anderes an als eine Überlagerung der gesetzlichen Zuständigkeit kraft Fristablaufs: Der zuerst angegangene Rehabilitationsträger wird für die beantragte Leistung zuständig, wenn er den Antrag nicht binnen der in § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Frist an den seiner Auffassung nach zuständigen Rehabilitationsträger weiterleitet (VGH München, Beschluss vom 01.12.2003 - 12 CE 03.2608; SG Koblenz, Urteile vom 29.09.2004, S 9 AL 329/03 und S 9 AL 251/02; SG Aachen, Urteil vom 11.02.2004, S 11 RJ 66/03 - Berufungsaktenzeichen des LSG Nordrhein-Westfalen L 14 RJ 28/04; Gagel, SGb 2004, 464, 465 ff m.w.N.)
Die Voraussetzungen aus § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 SGB IX sind im vorliegenden Fall erfüllt. Sowohl die Beklagte als auch die Beigeladenen sind Rehabilitionsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 bzw. Nr. 7 SGB IX. Bei dem über die Firma Q eingereichten Schreiben handelt es sich um einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Es ging bei der Hauptverwaltung der Beklagten ausweislich des Eingangsstempels am 21.01.2003 ein. Die Beklagte hat die Rechtsfolge aus § 14 SGB IX auch nicht durch rechtzeitige Weiterleitung an einen der Beigeladenen vermieden, denn diese erfolgte erst nach Ablauf der in dieser Vorschrift genannten Frist von zwei Wochen. Zu laufen beginnt die Frist mit dem Eingang eines erkennbar auf Leistungen zur Teilhabe gerichteten Antrags (VGH München, a.a.O.). Sie ist im vorliegenden Fall versäumt, denn der der Antrag ging bei der Beigeladenen zu 2. (Stadt K) erst am 21.02.2003 ein.
Leitet der zuerst angegangene Rehabilitationsträger den Antrag nicht binnen der in § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Frist an den seiner Auffassung nach zuständigen Rehabilitationsträger weiter, so wird er für die beantragte Leistung zuständig (hierzu und zum Folgenden: VGH München, a.a.O.; SG Koblenz, a.a.O.; SG Aachen, a.a.O.; Gagel, a.a.O.). Zuständigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur die Befugnis des Leistungsträgers, das Verfahren zu führen und den Antrag zu bescheiden, sondern verpflichtet ihn auch zur Erbringung der beantragten Leistung, sofern deren Voraussetzungen erfüllt sind. § 14 SGB IX ordnet eine "besondere Leistungspflicht" (so die Formulierung von Gagel, a.a.O., S. 465 f) an, die die "grundsätzlichen" Zuständigkeitsregelungen (§ 6 SGB IX) verdrängt und den Zuständigkeitsbereich des nach § 14 SGB IX zuständig gewordenen Leistungsträgers auf sämtliche sozialrechtlichen Rehabilitationsleistungen ausdehnt. Der Leistungsträger darf es daher nicht bei einer Prüfung des Antrags anhand des für ihn einschlägigen Leistungsgesetzes belassen, sondern muss auch Anspruchsgrundlagen aus "fremden" Leistungsgesetzen prüfen und (wenn deren Voraussetzungen erfüllt sind) auf dieser Grundlage leisten.
Die Kammer verkennt nicht, dass die - aus Sicht der Leistungsträger - überaus strenge Fristenregelung in § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 SGB IX einen nicht unbeträchtlichen Anreiz darstellt, sich eines Antrags durch Weiterleitung zu entledigen. Auch bezweifelt die Kammer, ob es tatsächlich im Sinne einer schnellen und vor allem effektiven Rehabilitation ist, wenn Träger in Einzelfällen Leistungen zu gewähren haben, auf deren Erbringung sie personell und sachlich nicht eingestellt sind. Diese Bedenken greifen jedoch nicht durch. Ihnen steht der Normzweck von § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX entgegen, wonach sich die komplizierten Zuständigkeitsfragen des Sozialrechts im Allgemeinen und des Rehabilitationsrechts im Besonderen nicht zum Nachteil des Leistungsberechtigten auswirken dürfen (BT-Drs 14/5074, S. 85, 102; ausführlich auch VGH München, Beschluss vom 17.09.2002 - 12 CE 02.688 = FEVS 54, 264 ff) und dessen Antrag ohne weitere Streitigkeiten um Zuständigkeitsfragen kurzfristig beschieden werden muss (Gagel, a.a.O., S. 465). Das Gesetz nimmt um dieser Ziele willen eine Leistungserbringung durch einen unzuständigen Leistungsträger bewusst in Kauf. Die in der Literatur vertretene Gegenauffassung (vgl. Mrozynski, SGB IX 1. Teil, § 14, Rn. 29) überzeugt die Kammer nicht: Hiernach soll in Fällen, in denen die beantragte Leistung nicht vom gesetzlichen Leistungskatalog des nach § 14 SGB IX zuständig gewordenen Trägers umfasst ist, zunächst überhaupt nicht geleistet werden können; der Antragsteller sei jedoch dahingehend zu beraten, dass er den Antrag erneut und nunmehr beim "richtigen Rehabilitationsträger" stellt (Mrozynski, a.a.O.). Dem ist bereits entgegen zu halten, dass sich auf diese Weise die Zuständigkeitsfragen des Rehabilitationsrechts gerade doch zu Lasten des Antragstellers auswirkten; insbesondere wird es regelmäßig nicht zu der von § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 SGB IX beabsichtigten baldigen Bescheidung des Antrags kommen (Mrozynski, a.a.O., merkt an, bei der von ihm vertretenen Vorgehensweise handele es sich um ein praktisch nicht sehr sinnvolles, aber unvermeidliches Verfahren).
Die Kammer vermag nicht auszuschließen, dass Fallkonstellationen denkbar sind, in denen § 14 SGB IX eine einschränkende Auslegung erfahren muss. Dies könnte der Fall sein bei Weiterleitung des Antrags an eine Person, die nicht Leistungsträger nach dem SGB IX ist, oder bei offensichtlich rechtsmissbräuchlicher Antragstellung oder Weiterleitung etwa an einen Träger, zu dem der Leistungsberechtigte nie in irgendeiner Beziehung gestanden hat. Für den Regelfall einer Antragstellung bei einem nicht von vornherein erkennbar unzuständigen Leistungsträger muss es im Interesse des Leistungsberechtigten aber bei der Rechtsfolge aus § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Kosten der Beigeladenen sind nach § 193 Abs. 4 SGG nicht zu erstatten.
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