Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AL 18/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 31/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 28.07.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2004 verurteilt, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen. Die Beklagte hat die Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist gelernte Einzelhandelskauffrau und seit 1991 bei der Beigeladenen als Bankangestellte vollschichtig beschäftigt. Das Land Nordrhein-Westfalen hat bei ihr mit Bescheid vom 30.10.1998 einen Gesamtgrad der Behinderung (Gesamt-GdB) von 30 aufgrund einer Hörminderung (Einzel-GdB 30) sowie einer Funktionsstörung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10) festgestellt. Eine am 28.08.2003 zum 31.03.2004 erfolgte Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beigeladene wurde im Kündigungsschutzverfahren (Arbeitsgericht B 0 Ca 0000/00) zurückgenommen. Am 15.01.2003 beantragte die Klägerin die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Sie begründete ihren Antrag mit Schwerhörigkeit, die ihr bei Kundengesprächen erhebliche Probleme bereite, zumal wenn kein Sichtkontakt zum Kunden bestehe. Nach Einholung von Auskünften der Beigeladenen sowie des Betriebsrates der Beigeladenen lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 28.07.2003 mit der Begründung ab, die Klägerin habe keine behinderungsbedingte Gefährdung ihres Arbeitsplatzes dargelegt.
Am 19.08.2003 legte die Klägerin Widerspruch ein und begründete diesen später mit der zwischenzeitlich erfolgten Kündigung. Die Beklagte holte eine erneute Auskunft der Beigeladenen ein und wies den Widerspruch mit Bescheid vom 19.05.2004 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Arbeitsplatz der Klägerin sei – worauf sie auch selbst hingewiesen habe – im Wesentlichen aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen und Personalabbau gefährdet.
Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage.
Das Gericht hat den Arbeitgeber der Klägerin beigeladen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, die zwischenzeitlich im Klageverfahren zurückgenommene Kündigung zeige, dass die Beigeladene das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall lösen wolle.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.07.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2004 zu verurteilen, sie einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beklagte verweist auf die Stellungnahmen der Beigeladenen, ihres Betriebsrats sowie insbesondere des Integrationsamts (das der Kündigung zugestimmt hatte). Sie meint ferner, nach erfolgter Rücknahme der Kündigung sei keine konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes mehr gegeben und rein hypothetische Entwicklungen könnten einen Anspruch auf Gleichstellung nicht begründen.
Das Gericht hat die Prozessakte des Arbeitsgerichts B sowie die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamts B beigezogen und eine Auskunft der Beigeladenen eingeholt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da die Klägerin einen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen hat.
Gemäß § 2 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX), das mit Wirkung zum 01.07.2001 an die Stelle des aufgehobenen Schwerbehindertengesetzes getreten ist, sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des 2 Abs. 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können.
Bei der Klägerin ist bestandskräftig ein Gesamt-GdB von 30 festgestellt; sie erfüllt auch unstreitig die Voraussetzungen aus § 2 Abs. 2 SGB IX.
Die Klägerin kann auch infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten. Ein Anspruch auf Gleichstellung besteht, wenn der Arbeitnehmer infolge seiner Behinderungen bei wertender Betrachtung in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deswegen nur schwer in Arbeit zu vemitteln ist (BSG, Urteil vom 02.03.2000 – B 7 AL 246/99 R, SozR 3-3870 § 2 Nr. 1; SG Duisburg, Urteil vom 15.01.2002 – S 12 AL 201/01). Hierbei genügt es, wenn der Arbeitnehmer ernstlich mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes rechnen muss und er sich ohne Gleichstellung nicht gegenüber Gesunden im Wettbewerb um einen Arbeitsplatz behaupten kann (Neumann/Pahlen, Schwerbehindertengesetz, 9. Aufl. 1999, § 2, Rn. 21 m.w.N.). Konkurrierende nichtbehinderungsbedingte Ursachen einer Gefährdung des Arbeitsplatzes hindern die Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX nicht, wenn die Behinderung als wesentliche Bedingung der Kündigung oder der Gefährdung wenigstens gleichrangig ist (Schorn, in: Müller-Wenner/Schorn, SGB IX, 2. Teil, 2003, § 68, Rn. 35).
Die Klägerin kommt angesichts ihres bisherigen beruflichen Werdegangs fast ausschließlich für kaufmännische Bürotätigkeiten, insbesondere im Bankbereich, in Frage. Ausweislich der vom Gericht eingeholten Auskunft der Beigeladenen ist sie derzeit im Servicebereich einer Geschäftsstelle der Beigeladenen beschäftigt. Ihre Aufgaben sind Kundenbedienung, Kundenberatung und diverse Nachbearbeitungen. Weiterhin hat die Beigeladene mitgeteilt, die Klägerin habe nach eigenen Angaben Verständigungsprobleme wegen ihrer Schwerhörigkeit; es seien auch Rückfragen nach Ansprechen durch Kollegen oder Kunden festgestellt worden. Das Gericht geht angesichts dessen davon aus, dass die bei der Klägerin bestehende Hörminderung jede Tätigkeit mit Publikumsverkehr wesentlich erschwert und sich auch auf solche kaufmännischen Tätigkeiten auswirkt, die sich nicht ausschließlich schriftlich erledigen und ein hohes Maß an Genauigkeit voraussetzen. Dies ist insbesondere im Bankbereich der Fall, da sich viele Zahlwörter der deutschen Sprache nur durch genaues Hinhören unterscheiden lassen (z.B. "fünfzehn" und "fünfzig"). Hierin liegt aber bereits eine verminderte Wettbewerbsfähigkeit gegenüber nicht entsprechend behinderten Mitbewerbern. Ob die Klägerin sozial untergeordnete Tätigkeiten (etwa als Bürohilfskraft) voll wettbewerbsfähig ausüben kann, kann dahinstehen, da die Gleichstellung auch den Zweck hat, einen drohenden sozialen Abstieg zu verhindern (Neumann/Pahlen, a.a.O. Rn. 10).
Das Gericht sieht die Klägerin weiter auch als hinreichend gefährdet im oben dargelegten Sinne an. Dem steht nicht entgegen, dass die inzwischen zurückgenommene arbeitgeberseitige Kündigung nicht auf die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin, sondern auf betriebliche Umstrukturierungsmaßnahmen gestützt worden ist. Denn erstens dient die Gleichstellung bereits nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 3 SGB IX nicht allein der Erhaltung des gegenwärtigen Arbeitsplatzes, sondern soll darüber hinaus einen Beitrag zur verbesserten Konkurrenzfähigkeit bei den Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz leisten. Zweitens befindet sich die Klägerin auch bei betrieblich bedingten Umstrukturierungs- und Personalabbaumaßnahmen gegenüber nichtbehinderten Kolleginnen und Kollegen im Nachteil, da ein verminderter Anreiz für den Arbeitgeber besteht, sie von einem betriebsbedingten Personalabbau auszunehmen und auf einem anderen, zunächst umstrukturierungsfesten Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen.
Der Verurteilung der Beklagten steht schließlich nicht entgegen, dass es sich bei § 2 Abs. 3 SGB IX dem Wortlauf nach um eine Soll-Vorschrift handelt. Entsprechend der allgemeinen Grundsätze über Soll-Vorschriften ist auch § 2 Abs. 3 SGB IX nach herrschender Auffassung so zu verstehen, dass das der Beklagten eingeräumte Ermessen im Regelfall reduziert und somit bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen die Gleichstellung auszusprechen ist (Neumann/Pahlen, a.a.O., Rn. 24; Schorn, a.a.O., Rn. 45). Eine atypische Fallgestaltung, die es der Beklagten ermöglichen könnte, den Anspruch im Rahmen ihrer Ermessensausübung abzulehnen, liegt ersichtlich nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist gelernte Einzelhandelskauffrau und seit 1991 bei der Beigeladenen als Bankangestellte vollschichtig beschäftigt. Das Land Nordrhein-Westfalen hat bei ihr mit Bescheid vom 30.10.1998 einen Gesamtgrad der Behinderung (Gesamt-GdB) von 30 aufgrund einer Hörminderung (Einzel-GdB 30) sowie einer Funktionsstörung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10) festgestellt. Eine am 28.08.2003 zum 31.03.2004 erfolgte Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beigeladene wurde im Kündigungsschutzverfahren (Arbeitsgericht B 0 Ca 0000/00) zurückgenommen. Am 15.01.2003 beantragte die Klägerin die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Sie begründete ihren Antrag mit Schwerhörigkeit, die ihr bei Kundengesprächen erhebliche Probleme bereite, zumal wenn kein Sichtkontakt zum Kunden bestehe. Nach Einholung von Auskünften der Beigeladenen sowie des Betriebsrates der Beigeladenen lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 28.07.2003 mit der Begründung ab, die Klägerin habe keine behinderungsbedingte Gefährdung ihres Arbeitsplatzes dargelegt.
Am 19.08.2003 legte die Klägerin Widerspruch ein und begründete diesen später mit der zwischenzeitlich erfolgten Kündigung. Die Beklagte holte eine erneute Auskunft der Beigeladenen ein und wies den Widerspruch mit Bescheid vom 19.05.2004 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Arbeitsplatz der Klägerin sei – worauf sie auch selbst hingewiesen habe – im Wesentlichen aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen und Personalabbau gefährdet.
Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage.
Das Gericht hat den Arbeitgeber der Klägerin beigeladen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, die zwischenzeitlich im Klageverfahren zurückgenommene Kündigung zeige, dass die Beigeladene das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall lösen wolle.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.07.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2004 zu verurteilen, sie einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beklagte verweist auf die Stellungnahmen der Beigeladenen, ihres Betriebsrats sowie insbesondere des Integrationsamts (das der Kündigung zugestimmt hatte). Sie meint ferner, nach erfolgter Rücknahme der Kündigung sei keine konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes mehr gegeben und rein hypothetische Entwicklungen könnten einen Anspruch auf Gleichstellung nicht begründen.
Das Gericht hat die Prozessakte des Arbeitsgerichts B sowie die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamts B beigezogen und eine Auskunft der Beigeladenen eingeholt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da die Klägerin einen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen hat.
Gemäß § 2 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX), das mit Wirkung zum 01.07.2001 an die Stelle des aufgehobenen Schwerbehindertengesetzes getreten ist, sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des 2 Abs. 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können.
Bei der Klägerin ist bestandskräftig ein Gesamt-GdB von 30 festgestellt; sie erfüllt auch unstreitig die Voraussetzungen aus § 2 Abs. 2 SGB IX.
Die Klägerin kann auch infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten. Ein Anspruch auf Gleichstellung besteht, wenn der Arbeitnehmer infolge seiner Behinderungen bei wertender Betrachtung in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deswegen nur schwer in Arbeit zu vemitteln ist (BSG, Urteil vom 02.03.2000 – B 7 AL 246/99 R, SozR 3-3870 § 2 Nr. 1; SG Duisburg, Urteil vom 15.01.2002 – S 12 AL 201/01). Hierbei genügt es, wenn der Arbeitnehmer ernstlich mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes rechnen muss und er sich ohne Gleichstellung nicht gegenüber Gesunden im Wettbewerb um einen Arbeitsplatz behaupten kann (Neumann/Pahlen, Schwerbehindertengesetz, 9. Aufl. 1999, § 2, Rn. 21 m.w.N.). Konkurrierende nichtbehinderungsbedingte Ursachen einer Gefährdung des Arbeitsplatzes hindern die Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX nicht, wenn die Behinderung als wesentliche Bedingung der Kündigung oder der Gefährdung wenigstens gleichrangig ist (Schorn, in: Müller-Wenner/Schorn, SGB IX, 2. Teil, 2003, § 68, Rn. 35).
Die Klägerin kommt angesichts ihres bisherigen beruflichen Werdegangs fast ausschließlich für kaufmännische Bürotätigkeiten, insbesondere im Bankbereich, in Frage. Ausweislich der vom Gericht eingeholten Auskunft der Beigeladenen ist sie derzeit im Servicebereich einer Geschäftsstelle der Beigeladenen beschäftigt. Ihre Aufgaben sind Kundenbedienung, Kundenberatung und diverse Nachbearbeitungen. Weiterhin hat die Beigeladene mitgeteilt, die Klägerin habe nach eigenen Angaben Verständigungsprobleme wegen ihrer Schwerhörigkeit; es seien auch Rückfragen nach Ansprechen durch Kollegen oder Kunden festgestellt worden. Das Gericht geht angesichts dessen davon aus, dass die bei der Klägerin bestehende Hörminderung jede Tätigkeit mit Publikumsverkehr wesentlich erschwert und sich auch auf solche kaufmännischen Tätigkeiten auswirkt, die sich nicht ausschließlich schriftlich erledigen und ein hohes Maß an Genauigkeit voraussetzen. Dies ist insbesondere im Bankbereich der Fall, da sich viele Zahlwörter der deutschen Sprache nur durch genaues Hinhören unterscheiden lassen (z.B. "fünfzehn" und "fünfzig"). Hierin liegt aber bereits eine verminderte Wettbewerbsfähigkeit gegenüber nicht entsprechend behinderten Mitbewerbern. Ob die Klägerin sozial untergeordnete Tätigkeiten (etwa als Bürohilfskraft) voll wettbewerbsfähig ausüben kann, kann dahinstehen, da die Gleichstellung auch den Zweck hat, einen drohenden sozialen Abstieg zu verhindern (Neumann/Pahlen, a.a.O. Rn. 10).
Das Gericht sieht die Klägerin weiter auch als hinreichend gefährdet im oben dargelegten Sinne an. Dem steht nicht entgegen, dass die inzwischen zurückgenommene arbeitgeberseitige Kündigung nicht auf die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin, sondern auf betriebliche Umstrukturierungsmaßnahmen gestützt worden ist. Denn erstens dient die Gleichstellung bereits nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 3 SGB IX nicht allein der Erhaltung des gegenwärtigen Arbeitsplatzes, sondern soll darüber hinaus einen Beitrag zur verbesserten Konkurrenzfähigkeit bei den Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz leisten. Zweitens befindet sich die Klägerin auch bei betrieblich bedingten Umstrukturierungs- und Personalabbaumaßnahmen gegenüber nichtbehinderten Kolleginnen und Kollegen im Nachteil, da ein verminderter Anreiz für den Arbeitgeber besteht, sie von einem betriebsbedingten Personalabbau auszunehmen und auf einem anderen, zunächst umstrukturierungsfesten Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen.
Der Verurteilung der Beklagten steht schließlich nicht entgegen, dass es sich bei § 2 Abs. 3 SGB IX dem Wortlauf nach um eine Soll-Vorschrift handelt. Entsprechend der allgemeinen Grundsätze über Soll-Vorschriften ist auch § 2 Abs. 3 SGB IX nach herrschender Auffassung so zu verstehen, dass das der Beklagten eingeräumte Ermessen im Regelfall reduziert und somit bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen die Gleichstellung auszusprechen ist (Neumann/Pahlen, a.a.O., Rn. 24; Schorn, a.a.O., Rn. 45). Eine atypische Fallgestaltung, die es der Beklagten ermöglichen könnte, den Anspruch im Rahmen ihrer Ermessensausübung abzulehnen, liegt ersichtlich nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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