L 3 KA 514/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 KA 5095/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 KA 514/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts München wird zu Ziffer II mit der Maßgabe abgeändert, dass die Kläger der Beklagten außergerichtliche Kosten zu erstatten haben.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Kläger haben der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

I.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit sachlich-rechnerischer Berichtigungen der Honorarabrechnungen des 2. Quartals 1996 einschließlich des 1. Quartals 1997 wegen der mehrfachen Abrechnung von Leistungen nach der Nr. 54 b und c des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) im Primärkassenbereich bzw. der Anlage 1 des Ersatzkassenvertrages-Zahnärzte (EKV-Z) im Ersatzkassenbereich (nachfolgend nur Bema-Nr. 54 b und c).

Die Kläger nehmen als Zahnärzte und Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen einer Gemeinschaftspraxis an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Am 17.05.1999 informierte sie die beklagte kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns (KZVB), dass Wurzelspitzenresektionen an mehrwurzeligen Zähnen nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13.05.1998 (SozR 3-5555 § 10 Nr.1) entsprechend der Bema-Nr. 54 nur einmal je Zahn und Sitzung abrechenbar seien. Sie werde daher, wie im Rundschreiben Nr. 10 vom 25.11.1998 mitgeteilt, die Berichtigung solcher Fälle aller Quartale des Jahres 1996 zum Ende des 2. Quartals 1999 durchführen. Der rückzubelastende Betrag belaufe sich auf 6.460,93 DM und werde am 28.06.1999 gebucht werden.

Dagegen legten die Kläger am 09.06.1999 Widerspruch ein und beriefen sich auf Vertrauensschutz. Mehrfachabrechnungen von Leistungen nach der Bema-Nr. 54 habe die Beklagte selbst bis zum 30.10.1998 empfohlen. Erst zum 01.11.1998 habe sie eine dem Urteil des BSG vom 13.05.1998 entsprechende Änderung in der von ihr herausgegebenen Abrechnungsmappe vorgenommen.

Am 20.10.1999 erteilte die Beklagte den Klägern einen mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid, in dem sie nunmehr unter Bezug auf die zwischenzeitlich übersandten Anträge der Kassen 8.432,06 DM zurückforderte. Da Urteile stets über in der Vergangenheit liegende Zeiträume entschieden und für Berichtigungen eine Verjährungsfrist von vier Jahren gelte, könnten sich die Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Es müsse bei der ausgeprochenen Belastung verbleiben.

In der Sitzung der Widerspruchsstelle für sachlich-rechnerische Berichtigungen vom 14.03.2000, an der der Kläger zu 1 teilnahm, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Soweit sich die Kläger auf Vertrauensschutz entsprechend § 45 des 10. Sozialgesetzbuches (SGB X) beriefen, stehe die Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 10.05.1995 - 6 RKA 30/94 und 16.09.1998 - 6 R KA 40/98) entgegen. Danach finde § 45 SGB X im Bereich des Vertrags(zahn)arztrechts keine Anwendung. Ob und in welchem Umfang der Abrechnende auf die Richtigkeit der Abrechnung vertraut habe, sei nicht erheblich. Es komme allein darauf an, ob die Abrechnung vertragsgemäß gewesen sei. Dies habe das BSG bezüglich der Mehrfachabrechnung der Bema-Nr. 54 b ausdrücklich verneint; für die Nr. 54 c gelte nichts anderes. Die quartalsmäßigen Honorarzahlungen seien ohnehin gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) vorläufig und bedürften daher keines weiteren Vorbehalts. Den Beschluss der Widerspruchsstelle für sachlich-rechnerische Berichtigung vom 14.03.2000 gab die Beklagte den Klägern am 12.04.2000 bekannt.

In entsprechender Weise nahm die Beklagte am 06.08.1999 eine sachlich-rechnerische Berichtigung der von den Klägern mehrfach abgerechneten Leistungen nach der Bema-Nr. 54 b und c im 1. Quartal 1997 vor. Im Unterschied zur Berichtigung für die vorangegangenen Quartale stützte sie sich auf nicht arztbezogene, nach Patienten, Behandlungsdaten und Mehrfachabrechnung geordnete Anträge der Kassen (RVO-, Ersatz- und Betriebskassen). Den rückzubelastenden Betrag bezifferte sie mit 25.535,97 DM. Die Buchung kündigte sie für den 27.09.1999 an. Auf den Einspruch der Kläger wiederholte sie im mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid vom 29.11.1999 ihr Vorgehen mit gleicher Begründung wie zu den Quartalen 2/1996 bis 4/1996. Den Beschluss der Widerspruchsstelle vom 14.03.2000 gab sie den Klägern ebenfalls am 12.04.2000 bekannt.

Dagegen haben die Kläger jeweils am 18.04.2000 Klagen beim Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, die Bescheide vom 20.10.1999 und 29.11.1999 jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 12.04.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das einbehaltene Honorar an sie auszuzahlen.

Zur Begründung haben sie erneut vorgetragen, zu ihren Gunsten bestehe ein Vertrauensschutz, denn sie hätten ordnungsgemäß entsprechend der Abrechnungsrichtlinien der Beklagten gehandelt. Darin sei die Mehrfachabrechnung von Leistungen der Bema-Nr. 54 b und c bei Wurzelspitzenresektionen an mehrwurzeligen Seitenzähnen empfohlen worden. Sie hätten erst am 01.11.1998 von der geänderten Auslegung erfahren. Das Urteil des BSG vom 13.05.1998 beziehe sich nur auf die Bema-Nr. 54 b und gehe zudem von einem falschen Sachverhalt aus, denn bei dieser Art von Wurzelspitzenresektion seien mehrere separate Operationen vorzunehmen. Daher sei der Mehrfachansatz der Gebühren sachlich gerechtfertigt. Abgesehen davon seien zwingende, vertraglich vereinbarte Verfahrensfristen nicht eingehalten worden.

Die Beklagte hat eingewandt, sie sei von Amts wegen zur Berichtigung entsprechend dem Urteil des BSG vom 13.05.1998 verpflichtet; auf - fristgerechte - Anträge der Kassen komme es nicht an. Vertrauensschutzgesichtspunkte nach § 45 des 10. Sozialgesetzbuchs (SGB X) seien im Bereich des Vertragsarztrechts nicht anwendbar. Die Abrechenbarkeit der Bema-Nr. 54 c sei vor dem Hintergrund des BSG-Urteils zur Bema-Nr. 54 b als geklärt anzusehen.

Mit Urteil vom 05.10.2000 hat das SG die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen abgewiesen. Es hat die nicht den Einschränkungen des § 45 SGB X unterliegende Berichtigungsbefugnis der Beklagten bejaht und Vertrauensschutzgesichtpunkte sowie Ausschlussfristen nicht für entgegenstehend gehalten. Notwendige Auslagen der Kläger und der Beklagten hat es gegenseitig nicht für erstattungsfähig gehalten.

Dagegen haben die Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, die angefochtenen Honoraberichtigungen seien sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Dies gelte vor allem für die Berichtigung der Abrechnungen des 2. Quartals 1996 bis zum 4. Quartal 1996. Es sei zweifelhaft, ob das "Hinweisschreiben" vom 17.05.1999 bzw. die folgende Buchungsanzeige die Qualität eines Verwaltungsaktes besitze und ob darin eine hinreichende Begründung für die Berichtigung und Rückforderung enthalten sei. Dies treffe auch für den Bescheid vom 20.10.1999 zu, der lediglich eine Reaktion auf den Widerspruch der Kläger darstelle. Zwingende Verfahrensvorschriften, wie die in § 16 Abs.5 des Bayerischen Gesamtvertrages-Zahnärzte (GV-Z) genannten Fristen, habe die Beklagte nicht eingehalten. In materieller Hinsicht seien sowohl der Hinweis vom 17.05.1999 als der Bescheid vom 20.10.1999 rechtswidrig, weil sie auf die Richtigkeit der Mehrfachberechnung der Bema-Nr. 54 b und c hätten vertrauen dürfen. Dies habe den von der Beklagten herausgegebenen Abrechnungshinweisen entsprochen. Insoweit habe die Beklagte zu ihren Gunsten einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen. In bestandskräftig gewordene Honorarbescheide dürfe unter diesen Umständen aus Gründen der Planungssicherheit nicht mehr eingegriffen werden. Durch die im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z), EKV-Z und GV-Z enthaltenen Spezialregelungen, auf die die Beklagte ihre Berichtigungsbefugnis stütze, könne das verfassungsrechtlich gem. Art. 20 Grundgesetz (GG) abgesicherte Vertrauen auf den Bestand eines erlassenen Verwaltungsaktes nicht umgangen werden. Dem Urteil des BSG vom 13.05.1998 sei nicht zu folgen. Es gehe von zahnmedizinisch unzutreffenden Tatsachen aus. Die Mehrfachabrechnungen der Bema-Nr. 54 b und c seien systemgerecht. Hinsichtlich der für das 1. Quartal 1997 ausgesprochenen Berichtigung gelte entsprechendes.

Die Beklagte hat auf die Anfrage des Senats mitgeteilt, die streitige Berichtigung habe sie in Absprache mit den Verbänden der Kassen von Amts wegen durchgeführt. Der Senat hat die betroffenen Kassen beigeladen.

Die Beigeladene zu 3 hat sich auf den von ihr vorgelegten Beschluss des BSG vom 15.05.2002 (B 6 KA 82/01 B) bezogen.

Die Kläger beantragen, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 05.10.2000 sowie der Bescheide vom 20.10.1999 und vom 29.11.1999 jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 12.04.2000 zu verurteilen, einbehaltenes Honorar in Höhe von insgesamt 17.367,55 Euro auszubezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.10.2000 zurückzuweisen.

Die erschienen Beigeladenen schließen sich dem Antrag der Beklagten an; die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Akten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die gem. § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie nach § 143 i.V.m. § 144 SGG statthafte Berufung der Kläger ist zulässig, aber unbegründet. Lediglich im Kostenausspruch war das Urteil zu korrigieren.

Die Bescheide der Beklagten vom 20.10.1999 und 29.11.1999 jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 12.04.2000 entsprechen der Sach- und Rechtslage; sie genügen den Anforderungen an einen Verwaltungsakt hinsichtlich Bestimmtheit und Begründetheit. Die Beklagte konnte die Honorarbescheide der Kläger für die Quartale 2/1996 bis 1/1997 hinsichtlich der Mehrfachabrechnung von Wurzelspitzenresektionen an mehrwurzeligen Seitenzähne bei Patienten in derselben Sitzung berichtigen und den überzahlten Betrag zurückfordern bzw. damit gegen den laufenden Honoraranspruch der Kläger aufrechnen. Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen dem nicht entgegen.

Die Berichtigungsbefugnis der Beklagten ergibt sich aus § 75 Abs.2 Satz 2 1.Halbsatz des 5. Sozialgesetzbuchs (SGB V) in der maßgeblichen Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12. 1992 (BGBl. I S 2266). Danach haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen (KZV en) unter anderem dafür zu sorgen, dass die Vertrags(zahn)ärzte die von ihnen erbrachten vertrags(zahn)- ärztlichen Leistungen ordnungsgemäß, d.h. entsprechend der auf der Grundlage von § 83 Abs.1 SGB V abgeschlossenen Gesamtverträge (§ 19a BMV-Z i.V.m.§ 16 Abs.2 und 3 GV-Z und § 12 Abs.1 Satz 1 EKV-Z) abrechnen. Stellt sich bei dieser Überprüfung eine rechnerische oder gebührenordnungsmäßige Unrichtigkeit heraus, so hat die zuständige KZV eine Berichtigung vorzunehmen. Hierzu ist sie von Amts wegen verpflichtet. Daneben können die Kassen ihrerseits Anträge stellen und damit ein Prüfverfahren durch die Beklagte einleiten (§ 16 Abs. 2 1.Halbsatz GV-Z und § 12 Abs. 1 Satz 1 EKV-Z i.V.m. Beschluss Nr. 103 vom 16.02.1984). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 24.08.1994 - 6 RKa 20/93; vom 31.10.2001 - B 6 KA 16/00 R; vom 12.12.2001 - B 6 KA 3/01 R und vom 26.06.2002 - B 6 KA 26/01 R) kann eine Berichtigung der Honorarabrechnung eines Vertragszahnarztes auch dann noch erfolgen, wenn aufgrund der eingereichten Honorarabrechnung bereits eine Auszahlung an den Vertragszahnarzt erfolgt ist. Der Vertragszahnarzt hat dann das zuviel erhaltene Honorar zurückzuzahlen bzw. die Beklagte ist berechtigt, mit der Überzahlung gegen eine spätere Honorarforderung des Vertragszahnarztes aufzurechnen.

Diese grundsätzliche Befugnis zur Richtigstellung steht der Beklagten nicht unbegrenzt zu. Mehrfach betonte das BSG, dass der Berichtigungsanspruch einer Ausschlussfrist unterliegt (BSG vom 15.11.1995, SozR 3-5535 Nr.119; und BSG vom 10.05.1995 - 6 RKa 17/94). Diese Frist beträgt in entsprechender Anwendung des § 45 Abs.1 des SGB I vier Jahre und beginnt mit der Bekanntgabe der jeweiligen Quartalsabrechnung an den Zahnarzt. Im hier zu entscheidenden Rechtsstreit spielt der Ablauf der Ausschlussfrist keine Rolle, denn von den vorläufigen Quartalszahlungen ab dem 2. Quartal 1996 an gerechnet war die 4-Jahresfrist weder bis zum Erlass der mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen wiederholenden Berichtigungsbescheide vom 20.10.1999 und 29.11.1999 noch bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens mit den Widerspruchsbescheiden vom 12.04.2000 verstrichen.

Die in den Schreiben vom 17.05.1999 bzw. 06.08.1999 ausgesprochenen Berichtigungen erfüllen bereits die an einen Verwaltungsakt gem. §§ 31, 33 Abs. 1 und 35 Abs. 1 SGB X zu stellenden Anforderungen.

Nach § 31 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, wenn die Beklagte, wie in den Schreiben vom 17.05.1999 und 06.08.1999 geschehen, die Kläger auffordert, einen bestimmten Geldbetrag zurückzuzahlen, liegt offen zutage. Im Übrigen verstanden die Kläger die Schreiben auch in diesem Sinne, wie ihr "Widerspruch" vom 09.06.1999 bzw. "Einspruch" vom 11.08.1999 erkennen läßt. Da die Erklärung der Beklagten - wie jede Erklärung - so auszulegen ist, wie sie vom Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstanden werden muss (v.Wulffen, SGB X, 4.Aufl. § 31, Anm. 26), kommt eine andere Deutung nicht in Betracht. Die Kläger wandten Vertrauensschutz ein und baten, von der Rückforderung Abstand zu nehmen. Unzweifelhaft verstanden sie das Vorgehen der Beklagten als Eingriff in ihre Rechtssphäre.

§ 33 Abs. 1 SGB X fordert, dass ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein muss. Dies ist dann der Fall, wenn für den verständigen Beteiligten der Wille der Behörde unzweideutig erkennbar wird und eine unterschiedliche subjektive Bewertung nicht möglich ist (v.Wulffen, a.a.O.§ 33 Anm. 3). Maßgebender Zeitpunkt der Bestimmtheit ist der Zeitpunkt des Zugangs des Verwaltungsaktes und, wenn ein Widerspruchsbescheid ergangen ist, dessen Zugang. Ist der Widerspruchsbescheid hinreichend begründet, wirkt dies auf den Ausgangsbescheid zurück (v.Wulffen, a.a.O. § 33 Anm. 4 und 10). Da den Klägern das Protokoll über die Sitzung des Widerspruchsausschusses vom 14.03. 2000 übermittelt wurde, darin die Anträge der Beigeladenen detailliert aufgeführt und sämtliche Unterlagen, die der Entscheidung zugrunde gelegt wurden, aufgeführt sind, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass Zweifel am Inhalt der Berichtigung bestanden haben sollen.

Auf den von den Klägern behaupteten Verstoss gegen die Pflicht, einen schriftlichen Verwaltungsakt gem.§ 35 Abs. 1 SGB X zu begründen, kommt es schon deshalb nicht an, weil eine Begründung für bis zum 01.01.2001 nicht abgeschlossene Verfahren gem. § 41 Abs. 2 SGB X noch bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann. Der Senat kommt somit zum Ergebnis, dass bereits die Schreiben der Beklagten vom 17.05.1999 bzw. vom 06.08.1999 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 12.04.2000 den Anforderungen an einen Verwaltungsakt genügten. Entsprechendes gilt für die die Berichtigung und Rückforderung wiederholenden Bescheide vom 20.10.1999 und 29.11.1999, die zudem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen waren.

Die Rüge der Kläger, die Beklagte habe das in den gesamtvertraglichen Vereinbarungen vorgesehene Verfahren, insbesondere die dortigen Fristen nicht eingehalten, führt ebensowenig zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Die gesamtvertraglichen Bestimmungen regeln ein Verfahren zwischen den Kassen und der Beklagten und begründen keine darüberhinausgehenden Rechte des Zahnarztes, auch nicht i.S. einer analogen Anwendung. Da die Beklagte zudem eine Berichtigung von Amts wegen vornahm, wozu sie - wie schon ausgeführt - nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet war, ist nicht erkennbar, woraus die Kläger eine Rechtswidrigkeit zu ihren Gunsten ableiten wollen.

Die im Streit stehenden Bescheide verstoßen nicht gegen materielles Recht. Der Berichtigungsanspruch der Beklagten setzt lediglich voraus, dass eine Abrechnung nicht vertragsgemäß vorgenommen wurde und sie daher unrichtig ist. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Dass die Mehrfachabrechnungen von Leistungen nach der Bema-Nr. 54 b und c unrichtig waren, entnimmt der Senat dem Urteil des BSG vom 13.05.1998, dem er sich in jeder Hinsicht und im Ergebnis auch bezüglich der Korrektur von Leistungen der Bema-Nr. 54 c anschließt. Die Einwendungen der Kläger, das BSG habe dort einen zahnmedizinisch unzutreffenden Sachverhalt zu Grunde gelegt, sind ohne Relevanz. Das BSG betonte, wegen der vorrangigen Funktionszuweisung gem. § 87 SGB V an die Bewertungsausschüsse bzw. an die Vertragspartner des EKV-Z sei es Sache der Bewertungsgremien, angemessene Vergütungen vorzugeben. Den Gerichten steht insoweit lediglich eine eingeschränkte Korrekturmöglichkeit zu. Dies verdeutlicht der von der Beigeladenen zu 3 in das Verfahren eingeführte Beschluss des BSG vom 15.05.2002 (a.a.O.). Die zum 01.01.2004 von den Vertragspartnern getroffene Neuregelung zur Bema-Nr. 54 b und c wirkt sich bei den von den Klägern erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklagen nicht zu ihren Gunsten aus, da es bei diesen Klagearten auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verwaltungsakte ankommt (Mayer-Ladewig, SGG-Kommentar, 7.Auflage, § 54 Anm. 32). Die von einem Gericht festgestellte Rechtswidrigkeit einer bestimmten Abrechnungsweise, wie das unzulässige Mehrfachberechnen von Leistungen nach der Bema-Nr. 54 b bei Wurzelspitzenresektionen an einem mehrwurzeligen Seitenzahn, hat zur Folge, dass diese Auslegung für die gesamte Geltungsdauer der entsprechenden Bema-Nr. - hier bis zur Neufassung ab 01.01.2004 - gilt. Das mehrfache Inrechnungstellen durch die Kläger vom 2. Quartal 1996 bis zum 1. Quartal 1997 war damit unrichtig.

Der Senat kann den Klägern nicht folgen, wenn diese meinen, ein Gerichtsurteil habe keine "Gesetzeswirkung" und könne nicht zur Berichtigung von in der Vergangenheit liegenden Abrechnungen herangezogen werden. Zum einen verkennen die Kläger, dass einzige Voraussetzung für eine Richtigstellung die - gleichgültig, ob von der Behörde oder einem Gericht erkannte - Unrichtigkeit ist. Zum anderen können Vertrauensschutzgesichtspunkte einer sachlich-rechnerischen Berichtigung nur sehr eingeschränkt entgegen gehalten werden. Soweit die Kläger vorbringen, ihr Vertrauen in den Bestand der streitigen Honorarquartalsabrechnungen für die Quartale 2/1996 bis 1/1997 sei schutzwürdig, schließt sich der Senat den Ausführungen des BSG (zuletzt Urteil vom 26.06.2002; a.a.O.) an. Danach verdrängen die Bestimmungen über die Befugnisse der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, vertrags(zahn)ärztliche Honoraranforderungen und Honorarbescheide wegen sachlich-rechnerischer Fehler nachträglich zu korrigieren, in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X. Letztgenannte Vorschrift schränkt das Recht, einen Verwaltungsakt, der unanfechtbar geworden ist, zurückzunehmen, ein. Insbesondere darf ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraute und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) stellen die vertrags(zahn)ärztlichen Berichtigungsbefugnisse von den Vorschriften des SGB X abweichende Regelungen i.S.d. § 37 Satz 1 des 1. Sozialgesetzbuchs (SGB I) dar, die auf gesetzlicher Grundlage, nämlich auf Grund von Normen der Reichsversicherungsordnung und später des SGB V, erlassen worden sind. Dabei ist die Berichtigungsbefugnis nicht auf die Fälle beschränkt, in welchen dem Vertrags (zahn)arzt ein Fehler bei der Handhabung der Gebührenordnung anzulasten ist. Vielmehr ist einzige Voraussetzung die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt. Dass die Kläger auf die von der Beklagten empfohlene mehrfache Abrechnung vertrauten und nicht wussten, dass die Auslegung der Bema-Nr. 54 streitbefangen und durch das BSG anders entschieden wurde, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Ein besonderer Vertrauenstatbestand - wie die Kläger meinen - wurde durch die Abrechnungsempfehlung nicht zu ihren Gunsten geschaffen. Von einem solchen könnte nur dann ausgegangen werden, wenn die Beklagte durch eine besondere Handlung - zeitlich nach der jeweiligen Quartalsabrechnung und speziell auf die Kläger bezogen - die Kläger in ihrer Meinung bestärkt hätte, dass die Mehrfachabrechnung rechtens sei.

Dies hat das BSG dann angenommen, wenn eine Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung im Streit um die Abrechenbarkeit einer Leistung auf den Widerspruch des Vertrags(zahn)arztes hin eine sachlich-rechnerische Richtigstellung zurücknimmt (BSG Urteil vom 12.12.2001 a.a.O.). Dann ist diese Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung im Regelfall gehindert, insoweit nochmals eine Berichtigung gerade hinsichtlich der zuvor bereits beanstandeten Position durchzuführen. Ein vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor.

Honorarbescheide ergehen grundsätzlich unter dem Vorbehalt der späteren Überprüfung auf ihre Rechtmäßigkeit (BSG Urteile vom 31.10.2001 und vom 12.12.2001 a.a.O.). Nur so läßt sich erreichen, dass die Vertrags(zahn)ärzte möglichst rasch ihr Honorar erhalten, auch wenn eine endgültige Prüfung und eine damit verbundene Berichtigung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann. Die Kläger konnten sich solange nicht auf Vertrauen berufen, bis eine umfassende - nicht bloß auf einzelne, wirtschaftlich unbedeutende Positionen bezogene - Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlickeit stattgefunden hatte oder die Quartalshonorarbescheide wegen Ablaufs der gesetzlichen, bundesmanteltariflichen oder gesamtvertraglichen Fristen nicht mehr überprüft werden konnten. Erst von diesem Zeitpunkt an können Honorarbescheide wegen anfänglicher Fehlerhaftigkeit nur noch unter der Voraussetzung des § 45 SGB X zurückgenommen werden. Das Vertrauen des Vertrags(zahn)arztes auf den Bestand eines Honorarbescheides ist daher von vornherein erheblich eingeschränkt und nicht mit demjenigen eines Sozialleistungsempfängers zu vergleichen.

Der Einwand der Kläger, Art. 20 Grundgesetz (GG) stehe einer solchen Vorläufigkeit entgegen, greift nicht durch. Auch unter Verfassungsgrundsätzen ist Vertrauen auf den Bestand eines Verwaltungshandelns nicht schutzwürdig, wenn der Bürger nach der rechtlichen Situation die Vorläufigkeit seiner Position kannte oder kennen musste (Leibhold-Rinck-Hesselberg, GG-Kommentar, Art. 20 GG Anm. 1631-1633). Aus welchen Gründen aus Art. 20 GG abzuleiten sei, dass Verträge, die lediglich vorläufige, später abänderbare Rechtspositionen verschaffen, verfassungswidrig seien, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Ebenso wenig kann er die Auffassung der Kläger teilen, die Entscheidung des BSG vom 13.05.1998 (a.a.O.) könne die Berichtigung zeitlich früherer Abrechnungen nicht erfassen. Zum einen führt das aus Art. 20 GG abzuleitende Rückwirkungsverbot nicht dazu, dass die Gerichte an eine einmal getroffene Rechtsprechung gebunden wären, auch wenn sich diese im Lichte anderer Erkenntnisse oder veränderter Umstände als nicht haltbar erweist. Zum anderen folgt aus dem Rechtsstaatsgebot und dem ihm folgenden Prinzip der Beachtung des Vertrauensschutzes nicht in jedem Fall, dass jegliche einmal - durch einen begünstigenden Verwaltungsakt - erworbene Position ungeachtet der wirklichen Rechtslage Bestand haben muss (vgl. Leibhold u.a., a.a.O. Art. 20 GG Anm. 1632, 1741, 1742). In solchen Fällen ist eine Prüfung nach den Kriterien der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit im Einzelfall vorzunehmen. Nach Aufassung des Senats führt eine solche Prüfung zum Ergebnis, dass die Kläger solange eine Korrektur ihrer Abrechnung hinnehmen müssen, bis sie wegen einer umfassenden sachlich-rechnerischen Prüfung oder Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw. wegen des Ablaufs der vierjährigen Ausschlussfrist mit keiner Änderung mehr rechnen durften. Die von ihnen angeführte Planungssicherheit muss dabei in den Hintergrund treten.

Die Kläger können, um die Aufhebung der Berichtigungen und die Rückzahlung des einbehaltenen Honorars zu erreichen, auch nicht mit Erfolg einwenden, die Beklagte hätte die ursprünglichen Honorarbescheide mit einem Vorbehalt der späteren Berichtigung und Kürzung versehen müssen, weil ihr die Streitbefangenheit der Abrechnungspraxis zur Bema-Nr. 54 bekannt gewesen sei. Sie hätte, so meinen die Kläger, auf den vor dem SG Kiel anhängigen Rechtsstreit hinweisen müssen. Nach Auffassung des Senats wäre es völlig überzogen, wollte man von der Beklagten fordern, sie habe auf die zahlreichen streitigen Gebührenansätze und die in der gesamten Bundesrepublik diesbezüglich anhängigen Verfahren hinzuweisen und Honorarbescheide unter einen konkret zu bezeichnenden Vorbehalt zu stellen. Anderes gilt, wenn die Unrichtigkeit des Regelwerkes, wie des Honorarverteilungsmaßstabs, dessen Anwendung in den Verantwortungsbereich der Beklagten fällt und auf dem die gesamte Honorarabrechnung beruht, streitbefangen ist. Unrichtigkeiten beim Ansatz einzelner Gebühren gehören hingegen zum typischen Risiko des Vertragsarztes. Mit Berichtigungen muss er rechnen. Es kann ihm zugemutet werden, den Wegfall einzelner - wirtschaftlich nicht existenzgefährdender - Honorarposten ins Kalkül zu ziehen.

Damit steht fest, dass die von den Klägern angefochtenen vorgenannten Bescheide in der Fassung der jeweiligen Widerspruchsbescheide vom 12.04.2000 nicht zu beanstanden sind. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.10.2000 war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGG in der bis zum 02.01.2001 gem. Art. 17 Abs.1 des 6. Sozialgerichtsänderungsgesetzes (BGBl. I, 2158) geltenden Fassung. Danach hat der Kläger der Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten, nicht jedoch den übrigen Beteiligten, den Beigeladenen zu 1 bis 17 (Meyer-Ladewig, SGG, 6.Auflage § 193 Anm. 3 b). Insoweit war das Urteil des Sozialgerichts zu Ziffer II auch zum Nachteil der Kläger abzuändern, denn das Verbot der reformatio in peius erstreckt sich nur auf den der Disposition der Beteiligten unterliegenden Streitgegenstand, der durch das Rechtsmittel in die höhere Instanz gelangt, nicht aber auf von Amts wegen zu treffende Entscheidungen wie der Entscheidung über die Kosten (BSG in SozSich 1988, 220).

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe i.S.d. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved