Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AL 832/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 AL 3812/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7a/7 AL 94/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.) Ein Arbeitnehmer meldet sich nur dann unverzüglich arbeitssuchend, wenn er unmittelbar nach Kenntnis vom Ende seines Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten persönlich vorspricht.
2.) Die verspätete Meldung ist dem Arbeitnehmer nur dann nicht vorzuhalten, wenn er der unverzüglichen Meldung im Hinblick auf objektiv vorliegende Hindernisse zunächst nicht nachkommen kann.
3.) Der Arbeitnehmer hat keine Überlegungsfrist, ob er zunächst ohne Einschaltung der Beklagten versuchen soll, ein anderes Arbeitsverhältnis zu begründen.
4.) Es ist für die Verpflichtung zur unverzüglichen Arbeitssuche unerheblich, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB 3 über die Meldepflicht informiert hat oder nicht.
5.) Aus dem Grundsatz der formellen Publizität folgt, dass es unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer die zum 1. Juli 2003 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen kannte.
6.) Deshalb muss sich auch ein der deutschen Sprache nicht mächtiger, aus Indien stammender Hilfskoch eine verspätete Arbeitssuchendmeldung zurechnen lassen.
2.) Die verspätete Meldung ist dem Arbeitnehmer nur dann nicht vorzuhalten, wenn er der unverzüglichen Meldung im Hinblick auf objektiv vorliegende Hindernisse zunächst nicht nachkommen kann.
3.) Der Arbeitnehmer hat keine Überlegungsfrist, ob er zunächst ohne Einschaltung der Beklagten versuchen soll, ein anderes Arbeitsverhältnis zu begründen.
4.) Es ist für die Verpflichtung zur unverzüglichen Arbeitssuche unerheblich, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB 3 über die Meldepflicht informiert hat oder nicht.
5.) Aus dem Grundsatz der formellen Publizität folgt, dass es unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer die zum 1. Juli 2003 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen kannte.
6.) Deshalb muss sich auch ein der deutschen Sprache nicht mächtiger, aus Indien stammender Hilfskoch eine verspätete Arbeitssuchendmeldung zurechnen lassen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Juli 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen verspäteter Meldung als arbeitsuchend.
Der 1964 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Sri Lanka. Er meldete sich erstmals bei der Beklagten am 1. Dezember 2003 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Er war zuletzt ausweislich der Arbeitsbescheinigung des Restaurants C. in H. vom 2. Dezember 2003 in der Zeit vom 1. Oktober 2001 bis 15. November 2003 als Koch beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis war im Zusammenhang mit einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem Arbeitskollegen (Bedrohung mit einem Küchenmesser) mit Kündigung vom 9. November 2003 zum 30. November 2003 beendet worden. Wegen noch bestehender Urlaubsansprüche war der Kläger bis zum 30. November 2003 von der Arbeitsleistung frei gestellt worden.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 11. Dezember 2003 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 16. November 2003 bis 7. Februar 2004 fest (Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2004 - Bl. 17 Verwaltungsakte - VA -). Mit Schreiben vom 11. Dezember 2003 teilte die Beklagte dem Kläger ergänzend zu dem ihm noch gesondert zugehenden Bewilligungsbescheid mit, er sei nach § 37 b Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) verpflichtet gewesen, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald er den Zeitpunkt der Beendigung seines Versicherungspflichtverhältnisses gekannt habe. Dieser Pflicht sei er nicht rechtzeitig nachgekommen. Nach den vorliegenden Unterlagen habe er sich spätestens am 16. November 2003 beim Arbeitsamt arbeitsuchend melden müssen. Tatsächlich habe er sich erst am 1. Dezember 2003 gemeldet. Die Meldung sei somit um 15 Tage zu spät erfolgt. Nach § 140 SGB III mindere sich sein Anspruch auf Leistungen um 7 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung (längstens jedoch für 30 Tage). In seinem Fall errechne sich somit ein Minderungsbetrag in Höhe von insgesamt 105 EUR. Die Minderung erfolge, indem dieser Minderungsbetrag auf die halbe Leistung angerechnet werde, dies bedeute, ihm werde bis zur vollständigen Minderung des Betrages nur die Hälfte der ohne die Minderung zustehenden Leistung ausgezahlt. Die Höhe des Abzuges von der täglichen Leistung betrage 8,33 EUR. Die Anrechnung beginne am 8. Februar 2004 und sei voraussichtlich ab dem 20. Februar 2004 beendet. Für den letzten Tag der Minderung erfolge die Anrechnung gegebenenfalls nur noch in Höhe des noch verbleibenden Restbetrages der Minderungssumme. Mit Bescheid vom 7. Januar 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 8. Februar 2004 (wöchentlicher Leistungssatz 116,48 EUR, davon abzusetzender wöchentlicher Anrechnungsbetrag 58,24 EUR, wöchentliches Bemessungsentgelt 220 EUR, Leistungstabelle 2004, 67 v.H., Leistungsgruppe C/1 - Bl. 35 VA - ). Zur Minderung verweist der Bewilligungsbescheid auf ein gesondertes Schreiben (gemeint ist das Schreiben vom 11. Dezember 2003). Mit weiterem Änderungsbescheid vom 26. Februar 2004 bewilligte sie Arbeitslosengeld ab 21. Februar 2004 ohne Minderung.
Gegen den Bescheid vom 7. Januar 2004 erhob der Kläger am 6. Februar 2004 Widerspruch mit der Begründung, er habe sich nach seiner Kündigung umgehend mit dem Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) in Verbindung gesetzt und sei mit der Minderung aufgrund verspäteter Meldung nicht einverstanden. Im Übrigen habe er das Schreiben wegen der Minderung gemäß § 140 SGB III bisher nicht erhalten, auch sei die Berechnung für ihn nicht nachvollziehbar (Bl. 25 VA). Er habe in dem Glauben gehandelt, dass er sich erst nach Ablauf der Urlaubstage seines damaligen Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten habe melden müssen, um Arbeitslosengeld zu beantragen. Es sei ihm unbekannt, dass im Juli des vergangenen Jahres eine Gesetzesänderung in Kraft getreten sei, auf Grund derer er eine Leistungsminderung erhalten würde, wenn er sich nicht sofort nach dem Erhalt der Kündigung durch den Arbeitgeber bei der Beklagten melde. Dies sei ihm auch nicht mitgeteilt worden. Im Übrigen stelle die Leistungsminderung auch eine große Härte für ihn und seine Familie dar. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei durch die am 9. November 2003 zugegangene Arbeitgeberkündigung erfolgt. Am Tag danach habe die dem Kläger eingeräumte Reaktionszeit begonnen. Die Unverzüglichkeit der Meldung werde von der Beklagten nur anerkannt, wenn sie spätestens am siebten Kalendertag ab dem Tag nach Beginn der Meldepflicht vorgenommen werde. Die Meldung wäre also unverzüglich erfolgt, wenn sie bis spätestens am 15. November 2003 erfolgt wäre. Der Kläger habe sich jedoch erst am 1. Dezember 2003 - und damit nicht unverzüglich - persönlich bei der Beklagten gemeldet. Gründe für die verspätete Meldung seien nicht anzuerkennen. Nach alledem sei die Meldung um 15 Tage zu spät erfolgt. Dem Kläger sei eine Entgeltersatzleistung nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 220 EUR bewilligt, die Minderung betrage damit gemäß § 140 SGB III für jeden Verspätungstag 7 EUR. Es errechne sich bei der Zahl der genannten Verspätungstage damit ein Minderungsbetrag in Höhe von insgesamt 105 EUR.
Hiergegen hat der Kläger am 24. März 2004 Klage vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, er sei der deutschen Sprache nicht mächtig und habe bis zur Arbeitslosmeldung am 1. Dezember 2003 keinerlei Kenntnis von der erst am 1. Juli 2003 in Kraft getretenen Regelung des § 37 b SGB III gehabt. Er sei bis zu diesem Zeitpunkt noch nie arbeitslos geworden und auch in seinem Bekanntenkreis mit der neuen Regelung nicht konfrontiert worden. Die von den Arbeitsämtern (jetzt Agenturen für Arbeit) betriebene öffentliche Aufklärung sei wegen fehlender Sprachkenntnisse völlig an ihm vorbei gegangen. Schuldhafte Verzögerung setze jedoch die Kenntnis der Tatsache, dass man etwas tun müsse, voraus. Der Kläger sei im Übrigen auch nicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III von seinem Arbeitgeber auf die Verpflichtung einer unverzüglichen Meldung als arbeitsuchend hingewiesen worden. Es treffe ihn somit keine Schuld an der verzögerten Meldung.
Mit Urteil vom 28. Juli 2004 hat das SG der Klage stattgegeben, den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2004 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Arbeitslosengeld ohne Minderung zu gewähren. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, der Kläger habe zu seiner Überzeugung nicht gegen seine Meldeobliegenheit in vorwerfbarer Weise verstoßen. Der Begriff der Unverzüglichkeit sei nach der (allgemein gültigen) Legaldefinition in § 121 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dahin zu verstehen, dass ohne schuldhaftes Zögern zu handeln sei. Hieraus folge, dass eine Verletzung der in § 37 b S. 1 SGB III normierten Obliegenheit nur dann angenommen werden könne, wenn diese schuldhaft, also zumindest fahrlässig herbeigeführt werde. Fahrlässig handle nach § 276 Abs. 1 S. 2 BGB derjenige, der die im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt außer acht lasse (mit Hinweis auf Urteil des LSG Baden-Württemberg, 3. Senat, vom 9. Juni 2004 - L 3 AL 1267/04). Hieraus folge nach Auffassung des SG, dass derjenige, der die ihn treffende Meldeobliegenheit nach § 37 b S. 1 SGB III nicht kenne, von vorn herein schuldlos handele und eine Minderung des Arbeitslosengeldes nicht eintreten könne. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die Beklagte hat gegen das ihr mit Empfangsbekenntnis am 10. August 2004 zugestellte Urteil am 2. September 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, es handele sich bei der Regelung in § 140 SGB III um einen "pauschalen Schadensausgleich der Versichertengemeinschaft". Arbeitnehmer, die sich nicht unverzüglich meldeten, verzögerten die Einleitung von Vermittlungs- und Eingliederungsbemühungen und würden daher der Arbeitsverwaltung insoweit die Möglichkeiten nehmen, den Eintritt des Schadensfalles zu vermeiden bzw. den Umfang des Versicherungsschadens zu reduzieren. Bei der Meldepflicht nach § 37b SGB III handele es sich um eine allgemeine Obliegenheitspflicht. Für Pflichtverletzungen nach § 37b SGB III sei es unerheblich, ob dem Versicherten die Pflicht zur Meldung subjektiv bekannt gewesen sei. Das Arbeitslosengeld mindere sich für den Versicherten bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 140 SGB III, da die Kenntnis von der "Obliegenheit" nach § 37b SGB III typisierend unterstellt werde. Nur dann, wenn der Betroffene aus tatsächlichen Gründen gehindert sei, sich nach § 37b SGB III unverzüglich zu melden, könne eine Meldung später, dies bedeute am Tag nach Wegfall des Hinderungsgrundes, akzeptiert werden. Grundsätzlich sei die Unkenntnis über gesetzliche Neuregelungen schon nach dem Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen als schuldhaft anzusehen. Auch gebe es nach den Gesetzesmaterialien keinerlei Nachweis dafür, dass im Bereich des hier maßgeblichen Sozialrechts großzügigere Maßstäbe anzulegen seien. Keinesfalls könne daher dem SG darin zugestimmt werden, dass hier subjektive und individualisierende Verschuldenskriterien wie etwa bei §§ 144, 145 SGB III oder bei der Rücknahme und Aufhebung von begünstigenden Verwaltungsakten (§§ 45, 48 SGB X) zu beachten seien. Die Tatsache, dass die angefochtene Verwaltungsentscheidung unzutreffenderweise nur von 15 statt von 21 Minderungstagen ausgehe, sei darauf zurückzuführen, dass nach einer internen Verwaltungsregelung die Meldung des Klägers bis spätestens 16. November 2003 sanktionslos gewesen wäre. Die Überschreitung dieser Frist hätte aber dazu führen müssen, dass für jeden Tag nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes des Arbeitsverhältnisses eine Minderung eintrete. Da der Kläger insoweit begünstigt werde, könne er dies nicht beanstanden. Im Übrigen werde vollumfänglich auf die Entscheidung des LSG vom 9. Juni 2004 (L 3 AL 1267/04) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Juli 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Die Berufung ist durch das SG zugelassen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2004 aufgehoben. Die Voraussetzungen für eine Minderung des Anspruchs gemäß § 37 b und § 140 SGB III sind erfüllt.
Gegenstand des Rechtsstreites ist der Bewilligungsbescheid vom 7. Januar 2004. Denn die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld verfügte die Beklagte in diesem Bewilligungsbescheid. In diesem Bewilligungsbescheid wurde wegen der Minderung auf ein gesondertes Schreiben verwiesen. Im Falle des Klägers war dies das Schreiben vom 11. Dezember 2003. In diesem Schreiben erläuterte die Beklagte lediglich Grund und Berechnung der Höhe der Minderung. Das Schreiben enthält damit keine (zusätzliche) Regelung hinsichtlich der Minderung sondern die Begründung. Es ist deswegen kein Verwaltungsakt. Dass die Beklagte dieses Schreiben auch nicht als Verwaltungsakt ansah, zeigt sich darin, dass dem Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war. 1. Zunächst ist festzustellen, dass auf Grund des Bewilligungsbescheids über Arbeitslosengeld vom 7. Januar 2004 dem Kläger ab 8. Februar 2004 (Ruhen des Anspruches wegen der Sperrzeit für die Zeit ab der Arbeitslosmeldung am 1. Dezember 2003 bis zum 7. Februar 2004) ein Anspruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach zustand. Zwar hat der Kläger den Bewilligungsbescheid nur insoweit angefochten, als ihm Arbeitslosengeld für 15 Tage in geminderter Höhe bewilligt worden ist, so dass im Übrigen der Bewilligungsbescheid bestandskräftig ist. Macht ein Leistungsbezieher aber einen Anspruch auf höhere Leistung geltend, so ist im gerichtlichen Verfahren nicht nur die von ihm geltend gemachte Beanstandung, sondern die Rechtmäßigkeit der Leistungsfeststellung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (z.B. BSG Urteil vom 29. Januar 2003 - B 11 AL 47/02 R -).
Der Kläger war im Sinne von § 117 Abs. 1 SGB III arbeitslos (Nr. 1), hatte sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt (Nr. 3). Der Kläger war ab 1. Dezember 2003 arbeitslos, denn er stand ab diesem Zeitpunkt (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis (Beschäftigungslosigkeit) und (Nr. 2) suchte eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung (Beschäftigungssuche). Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf ausdrückliche Nachfrage bestätigt, dass der Kläger selbstverständlich jederzeit eine ihm während dieser Zeit angebotene, unbefristete oder befristete Beschäftigung aufgenommen und ausgeübt hätte. Auch die Beklagte ging für den hier streitigen Zeitraum von der Verfügbarkeit des Klägers aus. Der Kläger hat damit zum Einen gem. § 119 Abs. 1 Nr.1 SGB III alle Möglichkeiten genutzt und nutzen wollen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und (Nr. 2) den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung gestanden (Verfügbarkeit). Denn er war arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend auch arbeitsbereit (§ 119 Abs. 2 SGB III). Dem Kläger stand schließlich aufgrund seiner eine Anwartschaftszeit erfüllenden und anspruchsbegründenden Beschäftigung unter Berücksichtigung der aufgrund der Sperrzeit eingetretenen Minderung der Anspruchsdauer ein Anspruch in Höhe von 270 Kalendertagen zu. 2. Die Beklagte hat mit dem Bewilligungsbescheid vom 7. Januar 2004 zu Recht den Anspruch des Klägers gem. §§ 37 b, 140 SGB III um wöchentlich 58,24 EUR (täglich 8,33 EUR) bis zur Erreichung des Gesamtminderungsbetrags von 105 EUR gemindert.
Gem. § 37 b SGB III (mit Wirkung zum 1. Juli 2003 durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 - Bundesgesetzblatt I S. 4607 - eingefügt) sind Personen, deren Pflichtversicherungsverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich beim Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) arbeitsuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens 3 Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht wird. Die Pflicht zur Meldung gilt nicht bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis.
Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, so mindert sich gem. § 140 SGB III (ebenfalls eingefügt durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 mit Wirkung zum 1. Juli 2003) das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt gem. § 140 Satz 2 SGB III
1. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 400,00 EUR 7,00 EUR, 2. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 700,00 EUR 35,00 EUR und 3. bei einem Bemessungsentgelt über 700,00 EUR 50,00 EUR
für jeden Tag der verspäteten Meldung. Die Minderung ist gem. Satz 3 auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet. Die Minderung erfolgt, indem der Minderungsbetrag, der sich nach den Sätzen 2 und 3 ergibt, auf das halbe Arbeitslosengeld angerechnet wird (§ 140 Satz 4 SGB III).
Der Kläger unterfällt der Regelung des § 37 b SGB III, er hat die Kündigung seines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses als Koch nach Inkrafttreten der Vorschrift, und zwar durch die ihm am 9. November 2003 ausgehändigte Kündigung zum 30. November 2003 erhalten. Die Voraussetzungen des § 37 b SGB III sind gegeben.
Der Kläger wusste, dass sein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis enden wird. Denn der Arbeitgeber kündigte am 9. November 2003 das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund und stellte ihn noch unter Anrechnung von Urlaubstagen bis zum 30. November 2003 von der Arbeit frei. Diese Kündigung wurde beim Kläger noch am selben Tag in den Briefkasten eingeworfen. Der Kläger wusste mithin, dass er zum 1. Dezember 2003 arbeitslos sein wird und auf Leistungen der Beklagten angewiesen sein wird.
Der Kläger meldete sich auch nicht unverzüglich im Sinne von § 37 b SGB III arbeitsuchend.
Unverzüglich bedeutet, dass die persönliche Meldung ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) zu erfolgen hat, nachdem die versicherungspflichtige Person vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses Kenntnis erlangt hat (vgl. auch Voelzke, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts Rdnr. 492; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom. 9. Juni 2004 - L 3 AL 1267/04 -; Revision beim BSG - B 11 AL 47/04 R -). Unverzüglich ist nicht gleichbedeutend mit sofort. Dem Betreffenden steht eine angemessene Überlegungsfrist zu (Palandt, BGB, 63. Aufl., § 121 Rdnr. 3). Was im Einzelfall als unverzüglich anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung des Zwecks der entsprechenden gesetzlichen Regelung zu beurteilen. Nach Auffassung des Senats muss im Hinblick auf den Zweck der Regelung des § 37 b SGB III der Arbeitnehmer sich unmittelbar nach Kenntnis, dass sein Versicherungspflichtverhältnis endet, bei der Beklagten arbeitsuchend melden. Eine Verletzung der - vom Gesetzgeber als eine allgemeine Obliegenheitspflicht des Versicherten aus dem Versicherungsverhältnis (vgl. BT-Drs. 15/25, S. 31 zu Nr.19 zu § 140 SGB III) angesehenen - Meldung als arbeitsuchend ist dem Arbeitnehmer nur dann nicht vorzuhalten, wenn er der Meldung nach § 37 b Satz 1 SGB III im Hinblick auf objektiv vorliegende Hindernisse zunächst nicht nachkommen kann.
Die Regelung des § 37 b SGB III hat ausweislich der Begründung zum Gesetzesentwurf zum Ziel, die Eingliederung von Arbeitsuchenden zu beschleunigen und damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen der Versichertengemeinschaft möglichst zu vermeiden bzw. die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen. Die Betroffenen sollen sich deshalb so früh wie möglich persönlich beim Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) arbeitsuchend melden. Das Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) kann dann sofort mit den in § 35 SGB III vorgesehenen Maßnahmen beginnen. Die Regelung fordert von den Betroffenen, dass sie sich unverzüglich beim Arbeitsamt persönlich melden müssen, wenn sie den Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses kennen. So entsteht die Meldepflicht z.B. bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen unverzüglich nach Zugang der Kündigung durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Die Meldung hat persönlich zu erfolgen, damit sofort mit dem Arbeitsamt eine Vereinbarung über das gemeinsame Vorgehen erfolgen kann (BT-Drs. 15/25 S. 27 zu Nr. 6 zu § 37 b). Daraus wird deutlich, dass mit der frühzeitigen Meldung als arbeitsuchend der Versicherungsfall Arbeitslosigkeit und damit die Zahlung von Arbeitslosengeld vermieden werden soll. Dies kommt auch in § 37 b Satz 3 SGB III zum Ausdruck, wonach die Pflicht zur Meldung unabhängig davon besteht, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht wird. Gerade also in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer mit Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu erkennen gibt, an dem bisherigen Arbeitsverhältnis festhalten und es fortsetzen zu wollen, soll gleichwohl schon mit der Arbeitsvermittlung begonnen werden und es wird deshalb vom Arbeitnehmer die Meldung als arbeitsuchend verlangt. Dies alles zeigt, dass die Meldung als arbeitsuchend umgehend nach Kenntnis vom Ende des Versicherungspflichtverhältnisses zu erfolgen hat. Der Arbeitnehmer hat somit keine Überlegungsfrist etwa dahin, zunächst ohne Einschaltung der Beklagten zu versuchen, ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen. Vielmehr soll unabhängig von den vom Gesetzgeber vorausgesetzten Eigenbemühungen des Arbeitnehmers (siehe § 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III) die Beklagte unmittelbar nach Ende des Versicherungspflichtverhältnisses in die Arbeitsvermittlung im Sinne des § 35 SGB III eingeschaltet werden. Mit der Minderung des Anspruchs wird ein pauschaler Schadensausgleich der Versichertengemeinschaft wegen der verzögerten Einleitung von Vermittlungs- und Eingliederungsbemühungen auf Grund der verspäteten Arbeitsuchendmeldung vorgenommen (vgl. BT-Drs. 15/25, S. 31 zu Nr.19 zu § 140 SGB III), und zwar in der Weise, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht in voller Höhe besteht. Auch dies zeigt, dass nicht konkret zu prüfen ist, ob möglicherweise durch das Verhalten des Arbeitnehmers sich der Schaden (Leistungen wegen Arbeitslosigkeit) vermindert hätte, wenn der Arbeitnehmer sich pflichtgemäß verhalten hätte.
Der Annahme, der Kläger habe sich nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, steht nicht entgegen, dass er die zum 1. Juli 2003 in Kraft getretene gesetzliche Regelung nicht kannte (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom. 9. Juni 2004 - L 3 AL 1267/04 -; Revision beim BSG - B 11 AL 47/04 R -). Für die Verletzung der Obliegenheit des § 37 b SGB III ist es unerheblich, ob dem Versicherten die Pflicht zur Meldung als arbeitsuchend bekannt war (vgl. Spellbrink in Hennig, SGB III, § 37 b, Rdnr. 27 der eine unbedingte Verhaltenspflicht annimmt, bei der es nicht auf Kenntnis oder kennen müssen ankomme, weil die Kenntnis typisierend zugerechnet werde). Insoweit hat das SG zutreffend auf den Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen verwiesen. Mit der Verkündung gelten die Gesetze grundsätzlich allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann sie von ihnen tatsächlich Kenntnis erlangt haben (BSG SozR 3-1200 § 13 Nr. 1, mwN; SozR 3-1300 § 27 Nr. 3).
Des Weiteren steht der Annahme, der Kläger habe sich nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, nicht entgegen, dass der Arbeitgeber es entgegen § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III unterlassen hat, den Arbeitnehmer über die Meldepflicht zu informieren (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juni 2004 - L 3 AL 1267/04 -; Revision beim BSG - B 11 AL 47/04 R -). Arbeitnehmer sollen nach dieser Vorschrift vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ihren Arbeitgeber frühzeitig über die Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung beim Arbeitsamt informiert werden. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung zum Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zur Neuregelung des § 2 Abs. 2 SGB III ausgeführt, dass die Regelung die Verpflichtung zur Mitwirkung des Arbeitgebers am nahtlosen Übergang des gekündigten Arbeitnehmers in eine neue Beschäftigung konkretisiere und mit dem arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch korrespondiere. Der Arbeitgeber unterstütze frühzeitige Anstrengungen des Arbeitnehmers bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung. Damit leiste er einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit. Die Regelung stehe im Kontext mit der Konkretisierung der Meldepflicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in § 37 b SGB III und der Einführung von Minderungen des Arbeitslosengelds bei verspäteter Meldung in § 140 SGB III ( BT-Drs. 15/25, S. 26 zu Nr.2 zu § 2 SGB III). Mit dem Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass die Informationspflicht des Arbeitgebers aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III lediglich "im Kontext" der §§ 37 b, 140 SGB III stehe, wird umschrieben, dass die Meldepflicht des Arbeitnehmers aus § 37 b SGB III rechtlich unabhängig von der Wahrnehmung der Verpflichtung des Arbeitgebers besteht (so auch Spellbrink in Hennig, SGB III, § 37 b Rdnr. 30). Selbst wenn der Arbeitgeber seiner Pflicht aus § 2 Abs. 2 Satz Nr. 3 SGB III nicht nachkommt, kann das den Arbeitnehmer nicht entlasten (andere Ansicht Gagel/Kruse, SGB III, § 37 b Rdnr. 8 und Gagel/Winkler, SGB III, § 140 Rdnr. 3 die dann fehlendes Verschulden des Arbeitnehmers annehmen) und befreit ihn das nicht von seiner eigenen Verpflichtung nach § 37 b SGB III (vgl. GK-SGB III/Rademacher, § 37 b Rdnr. 21). Für die Auffassung des Senats spricht auch, dass der Gesetzgeber die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Information nur als eine Soll-Vorschrift ausgeformt (vgl. GK - SGB III/Rademacher, § 37 b, Rdnr. 21) und diese nicht in § 37 b SGB III oder § 140 SGB III mit dem Verhalten des Arbeitslosen verknüpft, sondern schon mit räumlichem Abstand im Gesetz ohne weitere ausdrückliche Verbindung zu diesen Vorschriften in § 2 SGB III niedergelegt hat. Eine mit Konsequenzen für die Frage des Verschuldens versehene Form der "Rechtsfolgenbelehrung" durch den Arbeitgeber anstelle der Beklagten ist im Arbeitsförderungsrecht systemfremd und würde diesen dann bei Fehlern ggf. zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen aussetzen, die ersichtlich nicht vom Gesetzgeber gewollt waren (vgl. z. B. Arbeitsgericht Verden vom 27. November 2003 - 3 Ca 1567/03 -, welches unter Hinweis auf den Soll-Charakter sowie Wortlaut und Aufbau der Vorschrift des § 2 SGB III keinen Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers bei unterlassener Aufklärung durch den Arbeitgeber zuerkannte; ablehnend zu Schadenersatzansprüchen auch Spellbrink in Hennig, SGB III, § 37 b Rdnr. 31), denn die Vorschrift ist als nicht staatlich durchsetzbar ausgestaltet (vgl. GK SGB III/Rademacher, § 37 b Rdnr. 29). Würde das Verschulden des Arbeitnehmers von der Aufklärung durch den Arbeitgeber abhängig gemacht, so wäre dem kollusiven Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmer zum Nachteil der Versichertengemeinschaft bei entsprechendem wirtschaftlichen Interesse beider oder freundschaftlichen bzw. familiären Bindungen Raum gegeben.
Auch weitere Umstände, die den Kläger an der Meldung als arbeitsuchend bis zum ersten Tag seiner Arbeitslosigkeit am 1. Dezember 2003 hinderten, sind nicht gegeben. Der Kläger wusste, dass er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine neue Beschäftigung haben wird. Er hätte deshalb begründeten Anlass gehabt, sich um eine neue Beschäftigung zu bemühen, statt für die sich abzeichnende Arbeitslosigkeit auf den Erhalt von Leistungen der Versichertengemeinschaft zu vertrauen. Die (nach Auffassung des Gesetzgebers) Obliegenheit, an die § 37 b SGB III anknüpft, ist letztlich Ausdruck einer Selbstverständlichkeit für jeden von Arbeitslosigkeit betroffenen bzw. bedrohten Arbeitnehmer, nämlich dafür Sorge zu tragen, so schnell wie möglich wieder in Arbeit zu kommen.
Die Höhe des Minderungsbetrages errechnete die Beklagte auch zutreffend (Bl. 12 VA), wobei sie noch zu Gunsten des Klägers erst von einer Meldung spätestens am 15. November 2003 und nicht unmittelbar nach Kenntnis der Kündigung ausging und erst ab diesem Tag die Anzahl der Verspätungstage berechnete.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (Auslegung des Begriffs "unverzüglich") zugelassen.
Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen verspäteter Meldung als arbeitsuchend.
Der 1964 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Sri Lanka. Er meldete sich erstmals bei der Beklagten am 1. Dezember 2003 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Er war zuletzt ausweislich der Arbeitsbescheinigung des Restaurants C. in H. vom 2. Dezember 2003 in der Zeit vom 1. Oktober 2001 bis 15. November 2003 als Koch beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis war im Zusammenhang mit einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem Arbeitskollegen (Bedrohung mit einem Küchenmesser) mit Kündigung vom 9. November 2003 zum 30. November 2003 beendet worden. Wegen noch bestehender Urlaubsansprüche war der Kläger bis zum 30. November 2003 von der Arbeitsleistung frei gestellt worden.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 11. Dezember 2003 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 16. November 2003 bis 7. Februar 2004 fest (Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2004 - Bl. 17 Verwaltungsakte - VA -). Mit Schreiben vom 11. Dezember 2003 teilte die Beklagte dem Kläger ergänzend zu dem ihm noch gesondert zugehenden Bewilligungsbescheid mit, er sei nach § 37 b Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) verpflichtet gewesen, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald er den Zeitpunkt der Beendigung seines Versicherungspflichtverhältnisses gekannt habe. Dieser Pflicht sei er nicht rechtzeitig nachgekommen. Nach den vorliegenden Unterlagen habe er sich spätestens am 16. November 2003 beim Arbeitsamt arbeitsuchend melden müssen. Tatsächlich habe er sich erst am 1. Dezember 2003 gemeldet. Die Meldung sei somit um 15 Tage zu spät erfolgt. Nach § 140 SGB III mindere sich sein Anspruch auf Leistungen um 7 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung (längstens jedoch für 30 Tage). In seinem Fall errechne sich somit ein Minderungsbetrag in Höhe von insgesamt 105 EUR. Die Minderung erfolge, indem dieser Minderungsbetrag auf die halbe Leistung angerechnet werde, dies bedeute, ihm werde bis zur vollständigen Minderung des Betrages nur die Hälfte der ohne die Minderung zustehenden Leistung ausgezahlt. Die Höhe des Abzuges von der täglichen Leistung betrage 8,33 EUR. Die Anrechnung beginne am 8. Februar 2004 und sei voraussichtlich ab dem 20. Februar 2004 beendet. Für den letzten Tag der Minderung erfolge die Anrechnung gegebenenfalls nur noch in Höhe des noch verbleibenden Restbetrages der Minderungssumme. Mit Bescheid vom 7. Januar 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 8. Februar 2004 (wöchentlicher Leistungssatz 116,48 EUR, davon abzusetzender wöchentlicher Anrechnungsbetrag 58,24 EUR, wöchentliches Bemessungsentgelt 220 EUR, Leistungstabelle 2004, 67 v.H., Leistungsgruppe C/1 - Bl. 35 VA - ). Zur Minderung verweist der Bewilligungsbescheid auf ein gesondertes Schreiben (gemeint ist das Schreiben vom 11. Dezember 2003). Mit weiterem Änderungsbescheid vom 26. Februar 2004 bewilligte sie Arbeitslosengeld ab 21. Februar 2004 ohne Minderung.
Gegen den Bescheid vom 7. Januar 2004 erhob der Kläger am 6. Februar 2004 Widerspruch mit der Begründung, er habe sich nach seiner Kündigung umgehend mit dem Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) in Verbindung gesetzt und sei mit der Minderung aufgrund verspäteter Meldung nicht einverstanden. Im Übrigen habe er das Schreiben wegen der Minderung gemäß § 140 SGB III bisher nicht erhalten, auch sei die Berechnung für ihn nicht nachvollziehbar (Bl. 25 VA). Er habe in dem Glauben gehandelt, dass er sich erst nach Ablauf der Urlaubstage seines damaligen Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten habe melden müssen, um Arbeitslosengeld zu beantragen. Es sei ihm unbekannt, dass im Juli des vergangenen Jahres eine Gesetzesänderung in Kraft getreten sei, auf Grund derer er eine Leistungsminderung erhalten würde, wenn er sich nicht sofort nach dem Erhalt der Kündigung durch den Arbeitgeber bei der Beklagten melde. Dies sei ihm auch nicht mitgeteilt worden. Im Übrigen stelle die Leistungsminderung auch eine große Härte für ihn und seine Familie dar. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei durch die am 9. November 2003 zugegangene Arbeitgeberkündigung erfolgt. Am Tag danach habe die dem Kläger eingeräumte Reaktionszeit begonnen. Die Unverzüglichkeit der Meldung werde von der Beklagten nur anerkannt, wenn sie spätestens am siebten Kalendertag ab dem Tag nach Beginn der Meldepflicht vorgenommen werde. Die Meldung wäre also unverzüglich erfolgt, wenn sie bis spätestens am 15. November 2003 erfolgt wäre. Der Kläger habe sich jedoch erst am 1. Dezember 2003 - und damit nicht unverzüglich - persönlich bei der Beklagten gemeldet. Gründe für die verspätete Meldung seien nicht anzuerkennen. Nach alledem sei die Meldung um 15 Tage zu spät erfolgt. Dem Kläger sei eine Entgeltersatzleistung nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 220 EUR bewilligt, die Minderung betrage damit gemäß § 140 SGB III für jeden Verspätungstag 7 EUR. Es errechne sich bei der Zahl der genannten Verspätungstage damit ein Minderungsbetrag in Höhe von insgesamt 105 EUR.
Hiergegen hat der Kläger am 24. März 2004 Klage vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, er sei der deutschen Sprache nicht mächtig und habe bis zur Arbeitslosmeldung am 1. Dezember 2003 keinerlei Kenntnis von der erst am 1. Juli 2003 in Kraft getretenen Regelung des § 37 b SGB III gehabt. Er sei bis zu diesem Zeitpunkt noch nie arbeitslos geworden und auch in seinem Bekanntenkreis mit der neuen Regelung nicht konfrontiert worden. Die von den Arbeitsämtern (jetzt Agenturen für Arbeit) betriebene öffentliche Aufklärung sei wegen fehlender Sprachkenntnisse völlig an ihm vorbei gegangen. Schuldhafte Verzögerung setze jedoch die Kenntnis der Tatsache, dass man etwas tun müsse, voraus. Der Kläger sei im Übrigen auch nicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III von seinem Arbeitgeber auf die Verpflichtung einer unverzüglichen Meldung als arbeitsuchend hingewiesen worden. Es treffe ihn somit keine Schuld an der verzögerten Meldung.
Mit Urteil vom 28. Juli 2004 hat das SG der Klage stattgegeben, den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2004 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Arbeitslosengeld ohne Minderung zu gewähren. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, der Kläger habe zu seiner Überzeugung nicht gegen seine Meldeobliegenheit in vorwerfbarer Weise verstoßen. Der Begriff der Unverzüglichkeit sei nach der (allgemein gültigen) Legaldefinition in § 121 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dahin zu verstehen, dass ohne schuldhaftes Zögern zu handeln sei. Hieraus folge, dass eine Verletzung der in § 37 b S. 1 SGB III normierten Obliegenheit nur dann angenommen werden könne, wenn diese schuldhaft, also zumindest fahrlässig herbeigeführt werde. Fahrlässig handle nach § 276 Abs. 1 S. 2 BGB derjenige, der die im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt außer acht lasse (mit Hinweis auf Urteil des LSG Baden-Württemberg, 3. Senat, vom 9. Juni 2004 - L 3 AL 1267/04). Hieraus folge nach Auffassung des SG, dass derjenige, der die ihn treffende Meldeobliegenheit nach § 37 b S. 1 SGB III nicht kenne, von vorn herein schuldlos handele und eine Minderung des Arbeitslosengeldes nicht eintreten könne. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die Beklagte hat gegen das ihr mit Empfangsbekenntnis am 10. August 2004 zugestellte Urteil am 2. September 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, es handele sich bei der Regelung in § 140 SGB III um einen "pauschalen Schadensausgleich der Versichertengemeinschaft". Arbeitnehmer, die sich nicht unverzüglich meldeten, verzögerten die Einleitung von Vermittlungs- und Eingliederungsbemühungen und würden daher der Arbeitsverwaltung insoweit die Möglichkeiten nehmen, den Eintritt des Schadensfalles zu vermeiden bzw. den Umfang des Versicherungsschadens zu reduzieren. Bei der Meldepflicht nach § 37b SGB III handele es sich um eine allgemeine Obliegenheitspflicht. Für Pflichtverletzungen nach § 37b SGB III sei es unerheblich, ob dem Versicherten die Pflicht zur Meldung subjektiv bekannt gewesen sei. Das Arbeitslosengeld mindere sich für den Versicherten bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 140 SGB III, da die Kenntnis von der "Obliegenheit" nach § 37b SGB III typisierend unterstellt werde. Nur dann, wenn der Betroffene aus tatsächlichen Gründen gehindert sei, sich nach § 37b SGB III unverzüglich zu melden, könne eine Meldung später, dies bedeute am Tag nach Wegfall des Hinderungsgrundes, akzeptiert werden. Grundsätzlich sei die Unkenntnis über gesetzliche Neuregelungen schon nach dem Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen als schuldhaft anzusehen. Auch gebe es nach den Gesetzesmaterialien keinerlei Nachweis dafür, dass im Bereich des hier maßgeblichen Sozialrechts großzügigere Maßstäbe anzulegen seien. Keinesfalls könne daher dem SG darin zugestimmt werden, dass hier subjektive und individualisierende Verschuldenskriterien wie etwa bei §§ 144, 145 SGB III oder bei der Rücknahme und Aufhebung von begünstigenden Verwaltungsakten (§§ 45, 48 SGB X) zu beachten seien. Die Tatsache, dass die angefochtene Verwaltungsentscheidung unzutreffenderweise nur von 15 statt von 21 Minderungstagen ausgehe, sei darauf zurückzuführen, dass nach einer internen Verwaltungsregelung die Meldung des Klägers bis spätestens 16. November 2003 sanktionslos gewesen wäre. Die Überschreitung dieser Frist hätte aber dazu führen müssen, dass für jeden Tag nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes des Arbeitsverhältnisses eine Minderung eintrete. Da der Kläger insoweit begünstigt werde, könne er dies nicht beanstanden. Im Übrigen werde vollumfänglich auf die Entscheidung des LSG vom 9. Juni 2004 (L 3 AL 1267/04) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Juli 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Die Berufung ist durch das SG zugelassen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2004 aufgehoben. Die Voraussetzungen für eine Minderung des Anspruchs gemäß § 37 b und § 140 SGB III sind erfüllt.
Gegenstand des Rechtsstreites ist der Bewilligungsbescheid vom 7. Januar 2004. Denn die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld verfügte die Beklagte in diesem Bewilligungsbescheid. In diesem Bewilligungsbescheid wurde wegen der Minderung auf ein gesondertes Schreiben verwiesen. Im Falle des Klägers war dies das Schreiben vom 11. Dezember 2003. In diesem Schreiben erläuterte die Beklagte lediglich Grund und Berechnung der Höhe der Minderung. Das Schreiben enthält damit keine (zusätzliche) Regelung hinsichtlich der Minderung sondern die Begründung. Es ist deswegen kein Verwaltungsakt. Dass die Beklagte dieses Schreiben auch nicht als Verwaltungsakt ansah, zeigt sich darin, dass dem Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war. 1. Zunächst ist festzustellen, dass auf Grund des Bewilligungsbescheids über Arbeitslosengeld vom 7. Januar 2004 dem Kläger ab 8. Februar 2004 (Ruhen des Anspruches wegen der Sperrzeit für die Zeit ab der Arbeitslosmeldung am 1. Dezember 2003 bis zum 7. Februar 2004) ein Anspruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach zustand. Zwar hat der Kläger den Bewilligungsbescheid nur insoweit angefochten, als ihm Arbeitslosengeld für 15 Tage in geminderter Höhe bewilligt worden ist, so dass im Übrigen der Bewilligungsbescheid bestandskräftig ist. Macht ein Leistungsbezieher aber einen Anspruch auf höhere Leistung geltend, so ist im gerichtlichen Verfahren nicht nur die von ihm geltend gemachte Beanstandung, sondern die Rechtmäßigkeit der Leistungsfeststellung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (z.B. BSG Urteil vom 29. Januar 2003 - B 11 AL 47/02 R -).
Der Kläger war im Sinne von § 117 Abs. 1 SGB III arbeitslos (Nr. 1), hatte sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt (Nr. 3). Der Kläger war ab 1. Dezember 2003 arbeitslos, denn er stand ab diesem Zeitpunkt (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis (Beschäftigungslosigkeit) und (Nr. 2) suchte eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung (Beschäftigungssuche). Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf ausdrückliche Nachfrage bestätigt, dass der Kläger selbstverständlich jederzeit eine ihm während dieser Zeit angebotene, unbefristete oder befristete Beschäftigung aufgenommen und ausgeübt hätte. Auch die Beklagte ging für den hier streitigen Zeitraum von der Verfügbarkeit des Klägers aus. Der Kläger hat damit zum Einen gem. § 119 Abs. 1 Nr.1 SGB III alle Möglichkeiten genutzt und nutzen wollen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und (Nr. 2) den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung gestanden (Verfügbarkeit). Denn er war arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend auch arbeitsbereit (§ 119 Abs. 2 SGB III). Dem Kläger stand schließlich aufgrund seiner eine Anwartschaftszeit erfüllenden und anspruchsbegründenden Beschäftigung unter Berücksichtigung der aufgrund der Sperrzeit eingetretenen Minderung der Anspruchsdauer ein Anspruch in Höhe von 270 Kalendertagen zu. 2. Die Beklagte hat mit dem Bewilligungsbescheid vom 7. Januar 2004 zu Recht den Anspruch des Klägers gem. §§ 37 b, 140 SGB III um wöchentlich 58,24 EUR (täglich 8,33 EUR) bis zur Erreichung des Gesamtminderungsbetrags von 105 EUR gemindert.
Gem. § 37 b SGB III (mit Wirkung zum 1. Juli 2003 durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 - Bundesgesetzblatt I S. 4607 - eingefügt) sind Personen, deren Pflichtversicherungsverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich beim Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) arbeitsuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens 3 Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht wird. Die Pflicht zur Meldung gilt nicht bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis.
Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, so mindert sich gem. § 140 SGB III (ebenfalls eingefügt durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 mit Wirkung zum 1. Juli 2003) das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt gem. § 140 Satz 2 SGB III
1. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 400,00 EUR 7,00 EUR, 2. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 700,00 EUR 35,00 EUR und 3. bei einem Bemessungsentgelt über 700,00 EUR 50,00 EUR
für jeden Tag der verspäteten Meldung. Die Minderung ist gem. Satz 3 auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet. Die Minderung erfolgt, indem der Minderungsbetrag, der sich nach den Sätzen 2 und 3 ergibt, auf das halbe Arbeitslosengeld angerechnet wird (§ 140 Satz 4 SGB III).
Der Kläger unterfällt der Regelung des § 37 b SGB III, er hat die Kündigung seines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses als Koch nach Inkrafttreten der Vorschrift, und zwar durch die ihm am 9. November 2003 ausgehändigte Kündigung zum 30. November 2003 erhalten. Die Voraussetzungen des § 37 b SGB III sind gegeben.
Der Kläger wusste, dass sein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis enden wird. Denn der Arbeitgeber kündigte am 9. November 2003 das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund und stellte ihn noch unter Anrechnung von Urlaubstagen bis zum 30. November 2003 von der Arbeit frei. Diese Kündigung wurde beim Kläger noch am selben Tag in den Briefkasten eingeworfen. Der Kläger wusste mithin, dass er zum 1. Dezember 2003 arbeitslos sein wird und auf Leistungen der Beklagten angewiesen sein wird.
Der Kläger meldete sich auch nicht unverzüglich im Sinne von § 37 b SGB III arbeitsuchend.
Unverzüglich bedeutet, dass die persönliche Meldung ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) zu erfolgen hat, nachdem die versicherungspflichtige Person vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses Kenntnis erlangt hat (vgl. auch Voelzke, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts Rdnr. 492; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom. 9. Juni 2004 - L 3 AL 1267/04 -; Revision beim BSG - B 11 AL 47/04 R -). Unverzüglich ist nicht gleichbedeutend mit sofort. Dem Betreffenden steht eine angemessene Überlegungsfrist zu (Palandt, BGB, 63. Aufl., § 121 Rdnr. 3). Was im Einzelfall als unverzüglich anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung des Zwecks der entsprechenden gesetzlichen Regelung zu beurteilen. Nach Auffassung des Senats muss im Hinblick auf den Zweck der Regelung des § 37 b SGB III der Arbeitnehmer sich unmittelbar nach Kenntnis, dass sein Versicherungspflichtverhältnis endet, bei der Beklagten arbeitsuchend melden. Eine Verletzung der - vom Gesetzgeber als eine allgemeine Obliegenheitspflicht des Versicherten aus dem Versicherungsverhältnis (vgl. BT-Drs. 15/25, S. 31 zu Nr.19 zu § 140 SGB III) angesehenen - Meldung als arbeitsuchend ist dem Arbeitnehmer nur dann nicht vorzuhalten, wenn er der Meldung nach § 37 b Satz 1 SGB III im Hinblick auf objektiv vorliegende Hindernisse zunächst nicht nachkommen kann.
Die Regelung des § 37 b SGB III hat ausweislich der Begründung zum Gesetzesentwurf zum Ziel, die Eingliederung von Arbeitsuchenden zu beschleunigen und damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen der Versichertengemeinschaft möglichst zu vermeiden bzw. die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen. Die Betroffenen sollen sich deshalb so früh wie möglich persönlich beim Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) arbeitsuchend melden. Das Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) kann dann sofort mit den in § 35 SGB III vorgesehenen Maßnahmen beginnen. Die Regelung fordert von den Betroffenen, dass sie sich unverzüglich beim Arbeitsamt persönlich melden müssen, wenn sie den Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses kennen. So entsteht die Meldepflicht z.B. bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen unverzüglich nach Zugang der Kündigung durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Die Meldung hat persönlich zu erfolgen, damit sofort mit dem Arbeitsamt eine Vereinbarung über das gemeinsame Vorgehen erfolgen kann (BT-Drs. 15/25 S. 27 zu Nr. 6 zu § 37 b). Daraus wird deutlich, dass mit der frühzeitigen Meldung als arbeitsuchend der Versicherungsfall Arbeitslosigkeit und damit die Zahlung von Arbeitslosengeld vermieden werden soll. Dies kommt auch in § 37 b Satz 3 SGB III zum Ausdruck, wonach die Pflicht zur Meldung unabhängig davon besteht, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht wird. Gerade also in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer mit Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu erkennen gibt, an dem bisherigen Arbeitsverhältnis festhalten und es fortsetzen zu wollen, soll gleichwohl schon mit der Arbeitsvermittlung begonnen werden und es wird deshalb vom Arbeitnehmer die Meldung als arbeitsuchend verlangt. Dies alles zeigt, dass die Meldung als arbeitsuchend umgehend nach Kenntnis vom Ende des Versicherungspflichtverhältnisses zu erfolgen hat. Der Arbeitnehmer hat somit keine Überlegungsfrist etwa dahin, zunächst ohne Einschaltung der Beklagten zu versuchen, ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen. Vielmehr soll unabhängig von den vom Gesetzgeber vorausgesetzten Eigenbemühungen des Arbeitnehmers (siehe § 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III) die Beklagte unmittelbar nach Ende des Versicherungspflichtverhältnisses in die Arbeitsvermittlung im Sinne des § 35 SGB III eingeschaltet werden. Mit der Minderung des Anspruchs wird ein pauschaler Schadensausgleich der Versichertengemeinschaft wegen der verzögerten Einleitung von Vermittlungs- und Eingliederungsbemühungen auf Grund der verspäteten Arbeitsuchendmeldung vorgenommen (vgl. BT-Drs. 15/25, S. 31 zu Nr.19 zu § 140 SGB III), und zwar in der Weise, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht in voller Höhe besteht. Auch dies zeigt, dass nicht konkret zu prüfen ist, ob möglicherweise durch das Verhalten des Arbeitnehmers sich der Schaden (Leistungen wegen Arbeitslosigkeit) vermindert hätte, wenn der Arbeitnehmer sich pflichtgemäß verhalten hätte.
Der Annahme, der Kläger habe sich nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, steht nicht entgegen, dass er die zum 1. Juli 2003 in Kraft getretene gesetzliche Regelung nicht kannte (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom. 9. Juni 2004 - L 3 AL 1267/04 -; Revision beim BSG - B 11 AL 47/04 R -). Für die Verletzung der Obliegenheit des § 37 b SGB III ist es unerheblich, ob dem Versicherten die Pflicht zur Meldung als arbeitsuchend bekannt war (vgl. Spellbrink in Hennig, SGB III, § 37 b, Rdnr. 27 der eine unbedingte Verhaltenspflicht annimmt, bei der es nicht auf Kenntnis oder kennen müssen ankomme, weil die Kenntnis typisierend zugerechnet werde). Insoweit hat das SG zutreffend auf den Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen verwiesen. Mit der Verkündung gelten die Gesetze grundsätzlich allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann sie von ihnen tatsächlich Kenntnis erlangt haben (BSG SozR 3-1200 § 13 Nr. 1, mwN; SozR 3-1300 § 27 Nr. 3).
Des Weiteren steht der Annahme, der Kläger habe sich nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, nicht entgegen, dass der Arbeitgeber es entgegen § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III unterlassen hat, den Arbeitnehmer über die Meldepflicht zu informieren (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juni 2004 - L 3 AL 1267/04 -; Revision beim BSG - B 11 AL 47/04 R -). Arbeitnehmer sollen nach dieser Vorschrift vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ihren Arbeitgeber frühzeitig über die Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung beim Arbeitsamt informiert werden. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung zum Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zur Neuregelung des § 2 Abs. 2 SGB III ausgeführt, dass die Regelung die Verpflichtung zur Mitwirkung des Arbeitgebers am nahtlosen Übergang des gekündigten Arbeitnehmers in eine neue Beschäftigung konkretisiere und mit dem arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch korrespondiere. Der Arbeitgeber unterstütze frühzeitige Anstrengungen des Arbeitnehmers bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung. Damit leiste er einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit. Die Regelung stehe im Kontext mit der Konkretisierung der Meldepflicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in § 37 b SGB III und der Einführung von Minderungen des Arbeitslosengelds bei verspäteter Meldung in § 140 SGB III ( BT-Drs. 15/25, S. 26 zu Nr.2 zu § 2 SGB III). Mit dem Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass die Informationspflicht des Arbeitgebers aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III lediglich "im Kontext" der §§ 37 b, 140 SGB III stehe, wird umschrieben, dass die Meldepflicht des Arbeitnehmers aus § 37 b SGB III rechtlich unabhängig von der Wahrnehmung der Verpflichtung des Arbeitgebers besteht (so auch Spellbrink in Hennig, SGB III, § 37 b Rdnr. 30). Selbst wenn der Arbeitgeber seiner Pflicht aus § 2 Abs. 2 Satz Nr. 3 SGB III nicht nachkommt, kann das den Arbeitnehmer nicht entlasten (andere Ansicht Gagel/Kruse, SGB III, § 37 b Rdnr. 8 und Gagel/Winkler, SGB III, § 140 Rdnr. 3 die dann fehlendes Verschulden des Arbeitnehmers annehmen) und befreit ihn das nicht von seiner eigenen Verpflichtung nach § 37 b SGB III (vgl. GK-SGB III/Rademacher, § 37 b Rdnr. 21). Für die Auffassung des Senats spricht auch, dass der Gesetzgeber die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Information nur als eine Soll-Vorschrift ausgeformt (vgl. GK - SGB III/Rademacher, § 37 b, Rdnr. 21) und diese nicht in § 37 b SGB III oder § 140 SGB III mit dem Verhalten des Arbeitslosen verknüpft, sondern schon mit räumlichem Abstand im Gesetz ohne weitere ausdrückliche Verbindung zu diesen Vorschriften in § 2 SGB III niedergelegt hat. Eine mit Konsequenzen für die Frage des Verschuldens versehene Form der "Rechtsfolgenbelehrung" durch den Arbeitgeber anstelle der Beklagten ist im Arbeitsförderungsrecht systemfremd und würde diesen dann bei Fehlern ggf. zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen aussetzen, die ersichtlich nicht vom Gesetzgeber gewollt waren (vgl. z. B. Arbeitsgericht Verden vom 27. November 2003 - 3 Ca 1567/03 -, welches unter Hinweis auf den Soll-Charakter sowie Wortlaut und Aufbau der Vorschrift des § 2 SGB III keinen Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers bei unterlassener Aufklärung durch den Arbeitgeber zuerkannte; ablehnend zu Schadenersatzansprüchen auch Spellbrink in Hennig, SGB III, § 37 b Rdnr. 31), denn die Vorschrift ist als nicht staatlich durchsetzbar ausgestaltet (vgl. GK SGB III/Rademacher, § 37 b Rdnr. 29). Würde das Verschulden des Arbeitnehmers von der Aufklärung durch den Arbeitgeber abhängig gemacht, so wäre dem kollusiven Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmer zum Nachteil der Versichertengemeinschaft bei entsprechendem wirtschaftlichen Interesse beider oder freundschaftlichen bzw. familiären Bindungen Raum gegeben.
Auch weitere Umstände, die den Kläger an der Meldung als arbeitsuchend bis zum ersten Tag seiner Arbeitslosigkeit am 1. Dezember 2003 hinderten, sind nicht gegeben. Der Kläger wusste, dass er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine neue Beschäftigung haben wird. Er hätte deshalb begründeten Anlass gehabt, sich um eine neue Beschäftigung zu bemühen, statt für die sich abzeichnende Arbeitslosigkeit auf den Erhalt von Leistungen der Versichertengemeinschaft zu vertrauen. Die (nach Auffassung des Gesetzgebers) Obliegenheit, an die § 37 b SGB III anknüpft, ist letztlich Ausdruck einer Selbstverständlichkeit für jeden von Arbeitslosigkeit betroffenen bzw. bedrohten Arbeitnehmer, nämlich dafür Sorge zu tragen, so schnell wie möglich wieder in Arbeit zu kommen.
Die Höhe des Minderungsbetrages errechnete die Beklagte auch zutreffend (Bl. 12 VA), wobei sie noch zu Gunsten des Klägers erst von einer Meldung spätestens am 15. November 2003 und nicht unmittelbar nach Kenntnis der Kündigung ausging und erst ab diesem Tag die Anzahl der Verspätungstage berechnete.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (Auslegung des Begriffs "unverzüglich") zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved