Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 8 U 219/02
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 B 162/02 U-PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 16. September 2002 aufgehoben. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Herr Rechtsanwalt S ..., Anwaltsbüro ..., ... beigeordnet.
Gründe:
I.
Streitig ist die Erfolgsaussicht einer Klage, mit der ein Anspruch auf Verletztenrente geltend gemacht wird.
Am 20.04.1999 gelangte beim Schleifen von Türen ein Splitter in das rechte Auge des Klägers. Das linke Auge war von vornherein in seiner Sehschärfe stark beeinträchtigt. Die Unfallanzeige erfolgte durch Dr. B1 ... Auf Nachfrage der Beklagten teilte dieser (Schr. v. 15.10.1999) mit, es werde voraussichtlich nach dem Unfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 v.H. verbleiben. Die Beklagte ließ ein "Erstes Rentengutachten" erstatten.
Beim Spritzen mit einem Hochdruckspritzgerät geriet dem Kläger am 11.09.2000 Farbe in die linke Hand. Nach der ärztlichen Unfallmeldung fand sich im Bereich des Grundgelenks eine querverlaufende Wunde am dritten Finger, es bestanden Parästhesien, der Finger-Hohlhand-Abstand betrug 6 cm. Gemäß der Wiedergabe in der handchirurgischen Stellungnahme vom 13.02.2001 berichtete der Kläger, der Finger sei kalt und blau, bei Erwärmung aber schmerze er. Beugefähigkeit und Faustschluss seien eingeschränkt. Das größte Problem aber sei die extreme Kälteempfindlichkeit. Die Untersuchung ergab eine eingeschränkte Beweglichkeit des linken Handgelenks, eine volle Streckung des Fingers war nicht möglich. Die Durchblutungssituation könne nicht operativ verbessert werden, die einzige Möglichkeit sei insoweit eine Amputation. Dem Kläger falle aber die Entscheidung für eine Amputation schwer. Nach einem Telefonvermerk vom 11.04.2001 teilte der Kläger nunmehr mit, er wolle sich den Finger wegen nicht beherrschbarer Gefühlsstörungen und Kälteempfindungen doch amputieren lassen. In ihrem "Zwischenbericht" vom 19.07.2001 an die Beklagte sprechen sich die Ärzte Prof. L1 .../ Dr. von G1 ... jedoch gegen eine Amputation aus. Es sei davon auszugehen, dass sich die Durchblutung im Laufe der nächsten Jahre bessern und dies die Schmerzsymptomatik vor allem bei Kälte lindern werde.
Nach dem "Ersten Rentengutachten" vom 09.11.2001 (Priv.-Doz. S1 ..., Dr. K1 ...) bestand eine MdE ab 23.07.2001 bis zum 04.11.2001 um 20 v.H., für das folgende Jahr bis zum 05.11.2002 empfahlen die Sachverständigen eine Gesamtvergütung auf der Basis einer MdE um 20 v.H., für die Zeit danach betrage die MdE 10 v.H. Der als Beratungsarzt von der Beklagten herangezogene Prof. K2 ... begrenzte in seiner Stellungnahme vom 04.12.2001 die Gesamtvergütung auf die Zeit vom 23.07.2001 bis zum 23.01.2002, ohne allerdings eine Begründung für diese Abweichung zu geben. Dieser Einschätzung folgte die Beklagte mit Bescheid vom 06.03.2002. Den Widerspruch des Klägers, in dem dieser darauf hinwies, die Gründe für die Begrenzung der Rente auf den 23.01.2002 seien ihm nicht mitgeteilt worden, wies die Beklagte mit Bescheid vom 24.07.2002 zurück. Wörtlich heißt es darin:
Die Unfallfolgen bewerten Herr Priv.-Doz. Dr. S1 ... und Herr Prof. Dr. K2 ... mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. für die Zeit vom 23.07.2001 bis 23.01.2002. Danach beträgt die MdE noch 10 v.H ... Die Verletzungen am rechten Auge können in dieser Unfallsache nicht berücksichtigt werden.
Dagegen hat der Kläger am 26.08.2002 das Sozialgericht Chemnitz (SG) angerufen mit dem Hinweis, die Blutumlaufstörungen hätten die Sachverständigen (S1 .../K1 ...) dazu veranlasst, die MdE jedenfalls für die Zeit bis 05.11.2002 mit 20 v.H. zu bewerten. Außerdem habe er eine Augenverletzung erlitten. Er hat am 28.08.2002 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt. Er beziehe Arbeitslosengeld in Höhe von 722,00 EUR. Seine Frau erhalte 913,24 EUR brutto aus nichtselbständiger Arbeit. Sie hätten ein Kind. Mit Beschluss vom 16.09.2002 hat das SG die Bewilligung von PKH abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Es fehlt an einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO).
Die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger eine Verletztenteilrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 11.09.2000 nur für sechs Monate zu gewähren und darüber hinaus das Vorliegen einer rentenberechtigenden MdE um mindestens 20 v.H. abzulehnen, entspricht den unfallmedizinischen Bewertungsgrundsätzen, wonach selbst die Amputation eines Mittelfinqers, jedenfalls über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus und auf Dauer, lediglich eine MdE um 10 v.H. begründet (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Anhang 12 S. J 051 Abb. 1.6; Mehrhoff/Muhr, Unfallbegutachtung, 10. Aufl. 1999, Anh. 1 Abb. 79, S. 294). Die Voraussetzungen einer besonderen beruflichen Betroffenheit i.S.d. § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII sind nicht dargetan.
Über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Stützrente, gem. § 56 Abs. l S. 2, 3 SGB VII wird die Beklagte noch zu entscheiden haben; dies war jedoch nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens und ist somit auch nicht Klagegegenstand.
Gegen den ihm am 19.09.2002 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 15.10.2002 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Das Gericht sei nicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalles eingegangen. Er hat am 08.10.2003 eine weitere Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht und Unterlagen beigefügt (LSG-Akten Bl. 19-39).
II.
Die fristgemäß eingelegte und auch sonst zulässige Beschwerde ist begründet.
Zu Unrecht hat das SG bereits die Erfolgsaussicht des Hauptverfahrens verneint und deshalb die Gewährung von PKH abgelehnt. Dem schließt sich der Senat nicht an.
A. Dass die Verletzungsfolgen am Mittelfinger der linken Hand nur bis zum 23.01.2002 mit 20 v.H. zu bewerten sind, steht noch nicht fest. Wahrheitswidrig hat die Beklagte allerdings im Widerspruchsbescheid behauptet, die Unfallfolgen würden von Herrn Priv.-Doz. Dr. S1 ... und Herrn Prof. Dr. K2 ... übereinstimmend mit einer MdE von 20 v.H. für die Zeit vom 23.07.2001 bis 23.01.2002 bewertet. Danach betrage die MdE nur noch 10 v.H. Tatsächlich aber hatte Dr. S1 ... die MdE bis zum 05.11.2002 mit 20 v.H. eingeschätzt. Es war allein Prof. K2 ..., der - ohne weitere Begründung - die Leistungsdauer auf den 23.01.2002 begrenzt hat. Es ist aber der Zeitraum von genau sechs Monaten nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit eine astronomische und keine handchirurgische Größe. Zu bewerten sind die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles. In Bezug auf diesen haben die Ärzte die für eine Verbesserung der Durchblutung erforderliche Zeit mit "Jahren" angegeben. Daraus lässt sich zwar nicht ableiten, dass auch eine MdE um 20 v.H. so lange bestehen werde, es ist aber immerhin ein Indiz dafür, dass sie in diesem Ausmaß über den 23.01.2002 hinaus gerechtfertigt sein könnte.
Dagegen vermag der Hinweis im angefochtenen Beschluss auf die Bewertung der Amputationsfolgen nicht zu überzeugen. Denn gemessen an dem bestehenden - und von den Ärzten durchaus ernst genommenen - Leidensdruck des Klägers sollte eine Amputation den Zustand ja gerade verbessern. Dass eine Funktionsbeeinträchtigung am erhaltenen Finger höher zu bewerten sein kann als dessen vollständiger Verlust zeigt das Beispiel der Versteifung aller Gelenke des zweiten Fingers, die mit 20 v.H. eingeschätzt wird, während des Verlust des gesamten Fingers nur 10 v.H. ausmacht (Mehrhoff/Muhr, Unfallbegutachtung, 10. Aufl. 1999 S. 149, 150). Es bestehen also genügend Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsfähigkeit über den 23.01.2002 um 20 v.H. gemindert sein könnte. Insoweit ist die Erfolgsaussicht der Klage zu bejahen.
B. Aussicht auf Erfolg aber hat die Klage noch aus einem anderen Grund.
Die Beklagte hat ihrem Bescheid vom 06.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.07.2002 das Gutachten der Dres. S1 ... und K1 ... vom 09.11.2001 zugrunde gelegt, wonach die Erwerbsfähigkeit als Folge des Unfalls vom 11.09.2000 auf Dauer um 10 v.H. gemindert ist (Bekl.- Akten Bl. 98); sie hat dieses Maß im Widerspruchsbescheid ausdrücklich genannt.
Ist jedoch die Erwerbsfähigkeit eines Verletzten infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert und erreichen die Hundertsätze der durch die einzelnen Arbeitsunfälle verursachten Minderung zusammen wenigstens die Zahl 20, so ist für jeden, auch einen früheren Arbeitsunfall, Verletztenrente zu gewähren. Die Folgen eines Arbeitsunfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 2 u. 3 SGB VII).
Es ist nicht auszuschließen, dass im Falle des Klägers diese Voraussetzung erfüllt ist. Denn er hatte am 20.04.1999 bereits einen anderen Arbeitsunfall erlitten, bei dem ihm ein Splitter beim Schleifen von Türen in das rechte Auge gedrungen war. Beim Versuch, diesen zu entfernen, rieb er sich diesen Splitter tiefer in die Hornhaut ein, so dass sich an dem Auge eine Hornhautnarbe bildete.
Der Senat teilt nicht die vom SG vertretene Ansicht, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Stützrente nicht Gegenstand des SG-Verfahrens sei. Zu dieser Frage hat das BSG in seinem Urteil vom 28.02.1986 ausgeführt (HV-INFO 1986, 841 ff.):
Bei den kleinen Renten werden zwar die Hundertsätze der MdE aus den einzelnen Arbeitsunfällen - und den ihnen gleichgestellten Unfällen und Entschädigungsfällen (s § 581 Abs 3 Satz 3 RVO) - zusammengezählt, es wird aber keine Gesamt-MdE gebildet. Für jeden Arbeitsunfall wird von den - wie hier - verschiedenen Unfallversicherungsträgern die Teilrente nach dem jeweiligen Grad der MdE gesondert festgestellt (BSG aaO; Brackmann aaO). Jeder der Unfallversicherungsträger ist jedoch zur Gewährung einer Rente nach einer MdE um wenigstens 10 vH nur dann verpflichtet, wenn und solange der von dem anderen Versicherungsträger zu entschädigende Arbeitsunfall eine MdE um wenigstens 10 vH hinterlassen hat (BSG aaO; BSG Urteil vom 29. April 1982 - 2 RU 19/82). Hätte im vorliegenden Fall die MdE entweder aus dem Arbeitsunfall vom 5. März 1954 oder aus dem Arbeitsunfall vom 23. Juli 1978 weniger als 10 vH betragen, wären beide Unfallversicherungsträger unabhängig davon nicht zur Gewährung einer Teilrente verpflichtet gewesen, aus welchen der beiden Arbeitsunfälle die MdE weniger als 10 vH betrug. Die besondere rechtliche Gestaltung der Voraussetzungen für die kleinen Renten besteht somit insoweit darin, dass für jede der zwei selbständigen Teilrenten einheitlich und jeweils im Zeitpunkt - hier - der Entscheidung über eine der beiden Teilrenten festgestellt werden muss, dass die MdE aus beiden maßgebenden Arbeitsunfällen zusammen wenigstens 20 vH beträgt. Die Verurteilung zur Gewährung der Verletztenrente nach einer MdE um 10 vH für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 23. Juli 1978 durfte deshalb nur zusammen mit der Entscheidung ergehen, dass zu diesem Zeitpunkt die MdE aus dem Arbeitsunfall vom 5. März 1954 gleichfalls mindestens 10 vH betrug; ebenso hätte die Gewährung einer Verletztenrente für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 5. März 1954 zugleich die tatsächliche Feststellung enthalten, dass auch die MdE aus dem Arbeitsunfall vom 23. Juli 1978 wenigstens 10 vH betrage. Es handelt sich bei der jeweils zugleich zu treffenden Feststellung der MdE aus dem anderen Arbeitsunfall nicht nur um eine materiell-rechtliche Vorfrage, die in einem späteren anderen Verfahren abweichend entschieden werden könnte (vgl BSGE 39, 14, 18; Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl 1981, § 141 RdNr 7) ... Gegenstand eines Streites über die Gewährung von Stützrenten aus zwei Arbeitsunfällen (bzw Unfällen oder Entschädigungsfällen) jeweils mit einer MdE unter 20 vH kann demnach nicht jeweils die Gewährung einer Teilrente allein sein, sondern den Gegenstand des Streites bilden letztlich beide Stützrenten, da beide Renten hinsichtlich der Feststellung der MdE untrennbar verbunden sind. Dem trägt auch die Rechtsprechung des BSG dadurch Rechnung, dass bei der Prüfung, ob die Folgen des in Betracht kommenden anderen Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vH mindern, nicht der Hundertsatz einer früheren Feststellung, sondern der zur Zeit des Beginns der Verletztenrente noch bestehende Grad der MdE zugrunde zu legen ist (BSG SozR Nr 5 zu § 581 RVO; Brackmann aaO S. 571; s. zur Rentengewährung BSG SozR 2200 § 581 Nr 14 und 15). Dadurch ist ebenfalls gewährleistet, dass für die Gewährung der kleinen Renten die MdE für beide Arbeitsunfälle bzw Entschädigungsfälle in einer Entscheidung festgestellt wird. Die Einheitlichkeit der Entscheidung über die MdE aus beiden für die Gewährung kleiner Renten in Betracht kommenden Arbeitsunfälle zeigt sich auch darin, dass diese Rente wegen der Folgen aus einem der beiden Arbeitsunfälle auch mit der Begründung abgelehnt werden darf, es könne dahinstehen, ob die durch sie bedingte MdE wenigstens 10 vH betrage, da jedenfalls die aus dem anderen Arbeitsunfall diesen Grad nicht erreiche.
Würde das SG die anhängige Klage wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 11.09.2000 allein deshalb abweisen, weil ein rentenberechtigender Grad der MdE um 20 v.H. nicht erreicht sei, wären aber die Folgen der Augenverletzung tatsächlich mit 10 v.H. zu bewerten (was allerdings das SG nicht festgestellt hätte), dann führte das zu einer materiellrechtlich falschen Entscheidung, weil der Kläger bereits jetzt eine Unfallrente nach einer MdE um 10 v.H. beanspruchen könnte. Eine derartige - hier möglich erscheinende - Fehlentscheidung lässt sich nur vermeiden, wenn das SG auch eine - die Beklagte bindende - Feststellung über die durch die Augenverletzung bedingte MdE trifft.
Das Ausmaß der verbliebenen Folgen der Augenverletzung stellt sich nach Aktenlage - jedenfalls für die summarische Prüfung, auf die sich das Beschwerdegericht bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht zu beschränken hat - als undurchsichtig dar. Nach dem "Ausführliche(n) Krankheitsbericht" von Dr. B1 ... (dem Arzt, den der Kläger am Unfalltag erstmals aufgesucht hatte, Beklagten-Akte Bl. 2) vom 29.08.1999 (Beklagten-Akte Bl. 9) erreichte die Sehschärfe am verletzten Auge bei der Untersuchung am 20.04.1999 den Wert von 0,4 pp (ebenso im Bericht vom 20.04.1999). Auf Anfrage der Beklagten vom 12.10.1999 gab dieser Arzt die Auskunft, es werde eine MdE um mindestens 20 v.H. verbleiben (Beklagten-Akte Bl. 15). Im Schreiben der Klinik für Augenheilkunde der Universität L ... vom 11.10.1999 wird von Oberärztin Dr. A1 ... darauf hingewiesen, es werde bei der Begutachtung "einiges zu beachten" sein. Nach dem Befund der Ärzte Dr. S2 ... und Dr. H1 ... vom 02.07.1999 fand sich am rechten Auge ein Visus von 0,3 (Bl. 6; ebenso Bericht Dr. B1 ... vom 29.08.1999). Im "Erste(n) Rentengutachten" vom 24.02.2000 (erstellt durch Prof. Dr. F1 ...) heißt es zur "Vorgeschichte", die Sehschärfe habe am rechten Auge ohne Korrektur ("lt. Aktenlage") 0,4, am linken Auge ("unfallunabhängig") 0,05 betragen. Unter "Gegenwärtiger Zustand und Beurteilung" ist als Sehschärfe ohne Korrektur für rechts der Wert 0,1 und links 1/40 angegeben. 1/40 entspricht allerdings 0,025, ist also bloß der halbe Wert. Während aber noch Dr. B1 ... eine Korrektur zumindest für nicht messbar hielt (bei der Untersuchung am 10.09.1999 wurde für rechts ohne und mit Korrektur ein Wert von 0,5 ermittelt, für links fehlt eine Angabe, Beklagten-Akte Bl. 10), beträgt nunmehr die Sehschärfe mit Korrektur rechts 0,6 und links 1/30. Der "Visometervisus" ist allerdings für das rechte Auge mit "0,2-0,3" bestimmt. Für Prof. F1 ... legte die Diskrepanz in der Sehschärfenbestimmung den "Verdacht der Aggravation" nahe, doch erklärt dies weder die unterschiedlichen Ergebnisse des unverletzten linken Auges noch den besseren Wert von 0,6.
Unverständlich bleibt auch der Weg zur Einschätzung der unfallbedingten MdE, wozu es (Gutachten S. 3, Beklagten-Akte Bl. 27) heißt: "Bei Ansatz von 100 % Erwerbsfähigkeit ergibt sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 %. Bei Berücksichtigung der schon vor dem Unfall herabgesetzten Sehschärfe des linken Auges aufgrund der Amblyopie ergibt sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vor dem Unfall von 25 %, so dass die Differenz nunmehr 5 % beträgt." Dieser Einschätzung liegt offenbar ein Visus rechts von 0,6 zugrunde. Wäre aber von 0,4 auszugehen, dann ergäbe sich ein Wert von 40 % und die Differenz machte 15 % aus (DOG-Tabelle 1995). Dies entspräche dem handschriftlichen Bearbeitungsvermerk, wonach die MdE nach Bereiter-Hahn/ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 40 v.H. betrage. Der von der Beklagte als Beratungsarzt herangezogene Dr. Zarth hält in seinem Gutachten vom 18.04.2000 (Beklagten-Akte Bl. 120 ff.) die Einschätzung von Dr. F1 ... für "akzeptabel", da die Gebrauchssehschärfe bei Blendung abnehme. Allerdings sei eine Korrektur mit Brille nur "zum Teil" sinnvoll.
Doch schon die rein rechnerische Ermittlung der MdE ist fragwürdig, da die Bedeutung einer Schädigung stets nach den persönlichen Verhältnissen des Versicherten zu ermitteln ist (Gramberg-Danielsen, Zur Schätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei Augenverletzungen, in: BG 1976 S. 287 mit Hinweis auf das Urteil des BSG vom 24.08.1966 - 2 RU 53/62). Hinzu kommt, dass bei (auch unfallunabhängigem) Vorschaden auf dem unverletzten Auge sich die Verletzungsfolgen stärker auswirken. So beträgt die MdE für den Verlust eines Auges (bei intaktem anderen) 25 v.H., jedoch bei vollständigem Fehlen der Sehschärfe am unverletzten Auge 100 %. In der unfallrechtlichen Literatur finden sich Tabellen, in denen die Abhängigkeit der MdE vom Maß der verbliebenen Sehschärfe dargestellt wird (s. Gramberg-Danielsen, Labiler, paralleler und stabiler Vorschaden, in: BG 1981 S. 460; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl. 1998 S. 359; Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., Anhang 12 J 009). Diesen liegt zwar als Vorschaden der vollständige Verlust des anderen Auges zugrunde. Ist aber das andere Augen nicht gänzlich blind, so ist zu prüfen, welche Auswirkungen die Herabsetzung der Sehschärfe individuell hat (so z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit ebd.). Im Falle des Klägers besteht umso mehr Anlass für eine derartige - nicht rechnerisch-mathematische - Prüfung, als die Sehschärfe auf dem anderen Auge bloß 0,05 oder gar bloß 1/40 beträgt.
Rechtliche Grundlage einer solchen Höherbewertung ist die Erkenntnis, dass ein schon vorgeschädigter Verletzter durch die Auswirkungen eines Unfalls regelmäßig in stärkerem Maße betroffen wird als ein zur Zeit des Unfalls Gesunder (s. BSG, Urteil vom 29.01.1959, BSGE 9, 104, 110 ff.; Urteil vom 29.04.1964, BSGE 21, 63, 65 ff.; Urteil des Hess. LSG vom 28.03.1984 - L 3 U 68/83 - Sozialversicherung 1985, 49). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Verletzung nicht den schon vorgeschädigten Körperteil trifft, insbesondere bei paarigen Organen.
Es lässt sich demnach nicht ausschließen, dass die unfallbedingte MdE am verletzten rechten Auge mit wenigstens 10 v.H. einzuschätzen ist, so dass die Erfolgsaussicht der Klage auch aus diesen Grund bejaht werden muss.
C. Der Kläger ist bei einem Bezug von Arbeitslosengeld i.H.v. 706,00 EUR monatlich (seine Ehefrau bezieht Arbeitslosengeld i.H.v. 750,00 EUR monatlich, die Tochter hat ein monatliches Schulgeld von 50,63 EUR für eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin zu entrichten und erhält keine Ausbildungsvergütung) auch bedürftig im Sinne von § 114 Zivilprozessordnung (ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Gründe:
I.
Streitig ist die Erfolgsaussicht einer Klage, mit der ein Anspruch auf Verletztenrente geltend gemacht wird.
Am 20.04.1999 gelangte beim Schleifen von Türen ein Splitter in das rechte Auge des Klägers. Das linke Auge war von vornherein in seiner Sehschärfe stark beeinträchtigt. Die Unfallanzeige erfolgte durch Dr. B1 ... Auf Nachfrage der Beklagten teilte dieser (Schr. v. 15.10.1999) mit, es werde voraussichtlich nach dem Unfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 v.H. verbleiben. Die Beklagte ließ ein "Erstes Rentengutachten" erstatten.
Beim Spritzen mit einem Hochdruckspritzgerät geriet dem Kläger am 11.09.2000 Farbe in die linke Hand. Nach der ärztlichen Unfallmeldung fand sich im Bereich des Grundgelenks eine querverlaufende Wunde am dritten Finger, es bestanden Parästhesien, der Finger-Hohlhand-Abstand betrug 6 cm. Gemäß der Wiedergabe in der handchirurgischen Stellungnahme vom 13.02.2001 berichtete der Kläger, der Finger sei kalt und blau, bei Erwärmung aber schmerze er. Beugefähigkeit und Faustschluss seien eingeschränkt. Das größte Problem aber sei die extreme Kälteempfindlichkeit. Die Untersuchung ergab eine eingeschränkte Beweglichkeit des linken Handgelenks, eine volle Streckung des Fingers war nicht möglich. Die Durchblutungssituation könne nicht operativ verbessert werden, die einzige Möglichkeit sei insoweit eine Amputation. Dem Kläger falle aber die Entscheidung für eine Amputation schwer. Nach einem Telefonvermerk vom 11.04.2001 teilte der Kläger nunmehr mit, er wolle sich den Finger wegen nicht beherrschbarer Gefühlsstörungen und Kälteempfindungen doch amputieren lassen. In ihrem "Zwischenbericht" vom 19.07.2001 an die Beklagte sprechen sich die Ärzte Prof. L1 .../ Dr. von G1 ... jedoch gegen eine Amputation aus. Es sei davon auszugehen, dass sich die Durchblutung im Laufe der nächsten Jahre bessern und dies die Schmerzsymptomatik vor allem bei Kälte lindern werde.
Nach dem "Ersten Rentengutachten" vom 09.11.2001 (Priv.-Doz. S1 ..., Dr. K1 ...) bestand eine MdE ab 23.07.2001 bis zum 04.11.2001 um 20 v.H., für das folgende Jahr bis zum 05.11.2002 empfahlen die Sachverständigen eine Gesamtvergütung auf der Basis einer MdE um 20 v.H., für die Zeit danach betrage die MdE 10 v.H. Der als Beratungsarzt von der Beklagten herangezogene Prof. K2 ... begrenzte in seiner Stellungnahme vom 04.12.2001 die Gesamtvergütung auf die Zeit vom 23.07.2001 bis zum 23.01.2002, ohne allerdings eine Begründung für diese Abweichung zu geben. Dieser Einschätzung folgte die Beklagte mit Bescheid vom 06.03.2002. Den Widerspruch des Klägers, in dem dieser darauf hinwies, die Gründe für die Begrenzung der Rente auf den 23.01.2002 seien ihm nicht mitgeteilt worden, wies die Beklagte mit Bescheid vom 24.07.2002 zurück. Wörtlich heißt es darin:
Die Unfallfolgen bewerten Herr Priv.-Doz. Dr. S1 ... und Herr Prof. Dr. K2 ... mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. für die Zeit vom 23.07.2001 bis 23.01.2002. Danach beträgt die MdE noch 10 v.H ... Die Verletzungen am rechten Auge können in dieser Unfallsache nicht berücksichtigt werden.
Dagegen hat der Kläger am 26.08.2002 das Sozialgericht Chemnitz (SG) angerufen mit dem Hinweis, die Blutumlaufstörungen hätten die Sachverständigen (S1 .../K1 ...) dazu veranlasst, die MdE jedenfalls für die Zeit bis 05.11.2002 mit 20 v.H. zu bewerten. Außerdem habe er eine Augenverletzung erlitten. Er hat am 28.08.2002 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt. Er beziehe Arbeitslosengeld in Höhe von 722,00 EUR. Seine Frau erhalte 913,24 EUR brutto aus nichtselbständiger Arbeit. Sie hätten ein Kind. Mit Beschluss vom 16.09.2002 hat das SG die Bewilligung von PKH abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Es fehlt an einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO).
Die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger eine Verletztenteilrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 11.09.2000 nur für sechs Monate zu gewähren und darüber hinaus das Vorliegen einer rentenberechtigenden MdE um mindestens 20 v.H. abzulehnen, entspricht den unfallmedizinischen Bewertungsgrundsätzen, wonach selbst die Amputation eines Mittelfinqers, jedenfalls über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus und auf Dauer, lediglich eine MdE um 10 v.H. begründet (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Anhang 12 S. J 051 Abb. 1.6; Mehrhoff/Muhr, Unfallbegutachtung, 10. Aufl. 1999, Anh. 1 Abb. 79, S. 294). Die Voraussetzungen einer besonderen beruflichen Betroffenheit i.S.d. § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII sind nicht dargetan.
Über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Stützrente, gem. § 56 Abs. l S. 2, 3 SGB VII wird die Beklagte noch zu entscheiden haben; dies war jedoch nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens und ist somit auch nicht Klagegegenstand.
Gegen den ihm am 19.09.2002 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 15.10.2002 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Das Gericht sei nicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalles eingegangen. Er hat am 08.10.2003 eine weitere Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht und Unterlagen beigefügt (LSG-Akten Bl. 19-39).
II.
Die fristgemäß eingelegte und auch sonst zulässige Beschwerde ist begründet.
Zu Unrecht hat das SG bereits die Erfolgsaussicht des Hauptverfahrens verneint und deshalb die Gewährung von PKH abgelehnt. Dem schließt sich der Senat nicht an.
A. Dass die Verletzungsfolgen am Mittelfinger der linken Hand nur bis zum 23.01.2002 mit 20 v.H. zu bewerten sind, steht noch nicht fest. Wahrheitswidrig hat die Beklagte allerdings im Widerspruchsbescheid behauptet, die Unfallfolgen würden von Herrn Priv.-Doz. Dr. S1 ... und Herrn Prof. Dr. K2 ... übereinstimmend mit einer MdE von 20 v.H. für die Zeit vom 23.07.2001 bis 23.01.2002 bewertet. Danach betrage die MdE nur noch 10 v.H. Tatsächlich aber hatte Dr. S1 ... die MdE bis zum 05.11.2002 mit 20 v.H. eingeschätzt. Es war allein Prof. K2 ..., der - ohne weitere Begründung - die Leistungsdauer auf den 23.01.2002 begrenzt hat. Es ist aber der Zeitraum von genau sechs Monaten nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit eine astronomische und keine handchirurgische Größe. Zu bewerten sind die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles. In Bezug auf diesen haben die Ärzte die für eine Verbesserung der Durchblutung erforderliche Zeit mit "Jahren" angegeben. Daraus lässt sich zwar nicht ableiten, dass auch eine MdE um 20 v.H. so lange bestehen werde, es ist aber immerhin ein Indiz dafür, dass sie in diesem Ausmaß über den 23.01.2002 hinaus gerechtfertigt sein könnte.
Dagegen vermag der Hinweis im angefochtenen Beschluss auf die Bewertung der Amputationsfolgen nicht zu überzeugen. Denn gemessen an dem bestehenden - und von den Ärzten durchaus ernst genommenen - Leidensdruck des Klägers sollte eine Amputation den Zustand ja gerade verbessern. Dass eine Funktionsbeeinträchtigung am erhaltenen Finger höher zu bewerten sein kann als dessen vollständiger Verlust zeigt das Beispiel der Versteifung aller Gelenke des zweiten Fingers, die mit 20 v.H. eingeschätzt wird, während des Verlust des gesamten Fingers nur 10 v.H. ausmacht (Mehrhoff/Muhr, Unfallbegutachtung, 10. Aufl. 1999 S. 149, 150). Es bestehen also genügend Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsfähigkeit über den 23.01.2002 um 20 v.H. gemindert sein könnte. Insoweit ist die Erfolgsaussicht der Klage zu bejahen.
B. Aussicht auf Erfolg aber hat die Klage noch aus einem anderen Grund.
Die Beklagte hat ihrem Bescheid vom 06.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.07.2002 das Gutachten der Dres. S1 ... und K1 ... vom 09.11.2001 zugrunde gelegt, wonach die Erwerbsfähigkeit als Folge des Unfalls vom 11.09.2000 auf Dauer um 10 v.H. gemindert ist (Bekl.- Akten Bl. 98); sie hat dieses Maß im Widerspruchsbescheid ausdrücklich genannt.
Ist jedoch die Erwerbsfähigkeit eines Verletzten infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert und erreichen die Hundertsätze der durch die einzelnen Arbeitsunfälle verursachten Minderung zusammen wenigstens die Zahl 20, so ist für jeden, auch einen früheren Arbeitsunfall, Verletztenrente zu gewähren. Die Folgen eines Arbeitsunfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 2 u. 3 SGB VII).
Es ist nicht auszuschließen, dass im Falle des Klägers diese Voraussetzung erfüllt ist. Denn er hatte am 20.04.1999 bereits einen anderen Arbeitsunfall erlitten, bei dem ihm ein Splitter beim Schleifen von Türen in das rechte Auge gedrungen war. Beim Versuch, diesen zu entfernen, rieb er sich diesen Splitter tiefer in die Hornhaut ein, so dass sich an dem Auge eine Hornhautnarbe bildete.
Der Senat teilt nicht die vom SG vertretene Ansicht, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Stützrente nicht Gegenstand des SG-Verfahrens sei. Zu dieser Frage hat das BSG in seinem Urteil vom 28.02.1986 ausgeführt (HV-INFO 1986, 841 ff.):
Bei den kleinen Renten werden zwar die Hundertsätze der MdE aus den einzelnen Arbeitsunfällen - und den ihnen gleichgestellten Unfällen und Entschädigungsfällen (s § 581 Abs 3 Satz 3 RVO) - zusammengezählt, es wird aber keine Gesamt-MdE gebildet. Für jeden Arbeitsunfall wird von den - wie hier - verschiedenen Unfallversicherungsträgern die Teilrente nach dem jeweiligen Grad der MdE gesondert festgestellt (BSG aaO; Brackmann aaO). Jeder der Unfallversicherungsträger ist jedoch zur Gewährung einer Rente nach einer MdE um wenigstens 10 vH nur dann verpflichtet, wenn und solange der von dem anderen Versicherungsträger zu entschädigende Arbeitsunfall eine MdE um wenigstens 10 vH hinterlassen hat (BSG aaO; BSG Urteil vom 29. April 1982 - 2 RU 19/82). Hätte im vorliegenden Fall die MdE entweder aus dem Arbeitsunfall vom 5. März 1954 oder aus dem Arbeitsunfall vom 23. Juli 1978 weniger als 10 vH betragen, wären beide Unfallversicherungsträger unabhängig davon nicht zur Gewährung einer Teilrente verpflichtet gewesen, aus welchen der beiden Arbeitsunfälle die MdE weniger als 10 vH betrug. Die besondere rechtliche Gestaltung der Voraussetzungen für die kleinen Renten besteht somit insoweit darin, dass für jede der zwei selbständigen Teilrenten einheitlich und jeweils im Zeitpunkt - hier - der Entscheidung über eine der beiden Teilrenten festgestellt werden muss, dass die MdE aus beiden maßgebenden Arbeitsunfällen zusammen wenigstens 20 vH beträgt. Die Verurteilung zur Gewährung der Verletztenrente nach einer MdE um 10 vH für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 23. Juli 1978 durfte deshalb nur zusammen mit der Entscheidung ergehen, dass zu diesem Zeitpunkt die MdE aus dem Arbeitsunfall vom 5. März 1954 gleichfalls mindestens 10 vH betrug; ebenso hätte die Gewährung einer Verletztenrente für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 5. März 1954 zugleich die tatsächliche Feststellung enthalten, dass auch die MdE aus dem Arbeitsunfall vom 23. Juli 1978 wenigstens 10 vH betrage. Es handelt sich bei der jeweils zugleich zu treffenden Feststellung der MdE aus dem anderen Arbeitsunfall nicht nur um eine materiell-rechtliche Vorfrage, die in einem späteren anderen Verfahren abweichend entschieden werden könnte (vgl BSGE 39, 14, 18; Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl 1981, § 141 RdNr 7) ... Gegenstand eines Streites über die Gewährung von Stützrenten aus zwei Arbeitsunfällen (bzw Unfällen oder Entschädigungsfällen) jeweils mit einer MdE unter 20 vH kann demnach nicht jeweils die Gewährung einer Teilrente allein sein, sondern den Gegenstand des Streites bilden letztlich beide Stützrenten, da beide Renten hinsichtlich der Feststellung der MdE untrennbar verbunden sind. Dem trägt auch die Rechtsprechung des BSG dadurch Rechnung, dass bei der Prüfung, ob die Folgen des in Betracht kommenden anderen Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vH mindern, nicht der Hundertsatz einer früheren Feststellung, sondern der zur Zeit des Beginns der Verletztenrente noch bestehende Grad der MdE zugrunde zu legen ist (BSG SozR Nr 5 zu § 581 RVO; Brackmann aaO S. 571; s. zur Rentengewährung BSG SozR 2200 § 581 Nr 14 und 15). Dadurch ist ebenfalls gewährleistet, dass für die Gewährung der kleinen Renten die MdE für beide Arbeitsunfälle bzw Entschädigungsfälle in einer Entscheidung festgestellt wird. Die Einheitlichkeit der Entscheidung über die MdE aus beiden für die Gewährung kleiner Renten in Betracht kommenden Arbeitsunfälle zeigt sich auch darin, dass diese Rente wegen der Folgen aus einem der beiden Arbeitsunfälle auch mit der Begründung abgelehnt werden darf, es könne dahinstehen, ob die durch sie bedingte MdE wenigstens 10 vH betrage, da jedenfalls die aus dem anderen Arbeitsunfall diesen Grad nicht erreiche.
Würde das SG die anhängige Klage wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 11.09.2000 allein deshalb abweisen, weil ein rentenberechtigender Grad der MdE um 20 v.H. nicht erreicht sei, wären aber die Folgen der Augenverletzung tatsächlich mit 10 v.H. zu bewerten (was allerdings das SG nicht festgestellt hätte), dann führte das zu einer materiellrechtlich falschen Entscheidung, weil der Kläger bereits jetzt eine Unfallrente nach einer MdE um 10 v.H. beanspruchen könnte. Eine derartige - hier möglich erscheinende - Fehlentscheidung lässt sich nur vermeiden, wenn das SG auch eine - die Beklagte bindende - Feststellung über die durch die Augenverletzung bedingte MdE trifft.
Das Ausmaß der verbliebenen Folgen der Augenverletzung stellt sich nach Aktenlage - jedenfalls für die summarische Prüfung, auf die sich das Beschwerdegericht bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht zu beschränken hat - als undurchsichtig dar. Nach dem "Ausführliche(n) Krankheitsbericht" von Dr. B1 ... (dem Arzt, den der Kläger am Unfalltag erstmals aufgesucht hatte, Beklagten-Akte Bl. 2) vom 29.08.1999 (Beklagten-Akte Bl. 9) erreichte die Sehschärfe am verletzten Auge bei der Untersuchung am 20.04.1999 den Wert von 0,4 pp (ebenso im Bericht vom 20.04.1999). Auf Anfrage der Beklagten vom 12.10.1999 gab dieser Arzt die Auskunft, es werde eine MdE um mindestens 20 v.H. verbleiben (Beklagten-Akte Bl. 15). Im Schreiben der Klinik für Augenheilkunde der Universität L ... vom 11.10.1999 wird von Oberärztin Dr. A1 ... darauf hingewiesen, es werde bei der Begutachtung "einiges zu beachten" sein. Nach dem Befund der Ärzte Dr. S2 ... und Dr. H1 ... vom 02.07.1999 fand sich am rechten Auge ein Visus von 0,3 (Bl. 6; ebenso Bericht Dr. B1 ... vom 29.08.1999). Im "Erste(n) Rentengutachten" vom 24.02.2000 (erstellt durch Prof. Dr. F1 ...) heißt es zur "Vorgeschichte", die Sehschärfe habe am rechten Auge ohne Korrektur ("lt. Aktenlage") 0,4, am linken Auge ("unfallunabhängig") 0,05 betragen. Unter "Gegenwärtiger Zustand und Beurteilung" ist als Sehschärfe ohne Korrektur für rechts der Wert 0,1 und links 1/40 angegeben. 1/40 entspricht allerdings 0,025, ist also bloß der halbe Wert. Während aber noch Dr. B1 ... eine Korrektur zumindest für nicht messbar hielt (bei der Untersuchung am 10.09.1999 wurde für rechts ohne und mit Korrektur ein Wert von 0,5 ermittelt, für links fehlt eine Angabe, Beklagten-Akte Bl. 10), beträgt nunmehr die Sehschärfe mit Korrektur rechts 0,6 und links 1/30. Der "Visometervisus" ist allerdings für das rechte Auge mit "0,2-0,3" bestimmt. Für Prof. F1 ... legte die Diskrepanz in der Sehschärfenbestimmung den "Verdacht der Aggravation" nahe, doch erklärt dies weder die unterschiedlichen Ergebnisse des unverletzten linken Auges noch den besseren Wert von 0,6.
Unverständlich bleibt auch der Weg zur Einschätzung der unfallbedingten MdE, wozu es (Gutachten S. 3, Beklagten-Akte Bl. 27) heißt: "Bei Ansatz von 100 % Erwerbsfähigkeit ergibt sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 %. Bei Berücksichtigung der schon vor dem Unfall herabgesetzten Sehschärfe des linken Auges aufgrund der Amblyopie ergibt sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vor dem Unfall von 25 %, so dass die Differenz nunmehr 5 % beträgt." Dieser Einschätzung liegt offenbar ein Visus rechts von 0,6 zugrunde. Wäre aber von 0,4 auszugehen, dann ergäbe sich ein Wert von 40 % und die Differenz machte 15 % aus (DOG-Tabelle 1995). Dies entspräche dem handschriftlichen Bearbeitungsvermerk, wonach die MdE nach Bereiter-Hahn/ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 40 v.H. betrage. Der von der Beklagte als Beratungsarzt herangezogene Dr. Zarth hält in seinem Gutachten vom 18.04.2000 (Beklagten-Akte Bl. 120 ff.) die Einschätzung von Dr. F1 ... für "akzeptabel", da die Gebrauchssehschärfe bei Blendung abnehme. Allerdings sei eine Korrektur mit Brille nur "zum Teil" sinnvoll.
Doch schon die rein rechnerische Ermittlung der MdE ist fragwürdig, da die Bedeutung einer Schädigung stets nach den persönlichen Verhältnissen des Versicherten zu ermitteln ist (Gramberg-Danielsen, Zur Schätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei Augenverletzungen, in: BG 1976 S. 287 mit Hinweis auf das Urteil des BSG vom 24.08.1966 - 2 RU 53/62). Hinzu kommt, dass bei (auch unfallunabhängigem) Vorschaden auf dem unverletzten Auge sich die Verletzungsfolgen stärker auswirken. So beträgt die MdE für den Verlust eines Auges (bei intaktem anderen) 25 v.H., jedoch bei vollständigem Fehlen der Sehschärfe am unverletzten Auge 100 %. In der unfallrechtlichen Literatur finden sich Tabellen, in denen die Abhängigkeit der MdE vom Maß der verbliebenen Sehschärfe dargestellt wird (s. Gramberg-Danielsen, Labiler, paralleler und stabiler Vorschaden, in: BG 1981 S. 460; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl. 1998 S. 359; Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., Anhang 12 J 009). Diesen liegt zwar als Vorschaden der vollständige Verlust des anderen Auges zugrunde. Ist aber das andere Augen nicht gänzlich blind, so ist zu prüfen, welche Auswirkungen die Herabsetzung der Sehschärfe individuell hat (so z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit ebd.). Im Falle des Klägers besteht umso mehr Anlass für eine derartige - nicht rechnerisch-mathematische - Prüfung, als die Sehschärfe auf dem anderen Auge bloß 0,05 oder gar bloß 1/40 beträgt.
Rechtliche Grundlage einer solchen Höherbewertung ist die Erkenntnis, dass ein schon vorgeschädigter Verletzter durch die Auswirkungen eines Unfalls regelmäßig in stärkerem Maße betroffen wird als ein zur Zeit des Unfalls Gesunder (s. BSG, Urteil vom 29.01.1959, BSGE 9, 104, 110 ff.; Urteil vom 29.04.1964, BSGE 21, 63, 65 ff.; Urteil des Hess. LSG vom 28.03.1984 - L 3 U 68/83 - Sozialversicherung 1985, 49). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Verletzung nicht den schon vorgeschädigten Körperteil trifft, insbesondere bei paarigen Organen.
Es lässt sich demnach nicht ausschließen, dass die unfallbedingte MdE am verletzten rechten Auge mit wenigstens 10 v.H. einzuschätzen ist, so dass die Erfolgsaussicht der Klage auch aus diesen Grund bejaht werden muss.
C. Der Kläger ist bei einem Bezug von Arbeitslosengeld i.H.v. 706,00 EUR monatlich (seine Ehefrau bezieht Arbeitslosengeld i.H.v. 750,00 EUR monatlich, die Tochter hat ein monatliches Schulgeld von 50,63 EUR für eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin zu entrichten und erhält keine Ausbildungsvergütung) auch bedürftig im Sinne von § 114 Zivilprozessordnung (ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
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