Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 24 KR 14/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 105/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 18/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Rev. durch Rücknahme der Beklagten erledigt
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.03.2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte den Eltern der Klägerin einen Betrag von 590,70 Euro zu erstatten hat. Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer täglichen Katheterisierung der Klägerin während ihres Besuchs eines Kindergartens.
Bei der am 00.00.1997 geborenen Klägerin besteht eine angeborene lumbale Spina bifida (angeborene Spaltbildung an einem Teil der Wirbelsäule), die u.a. eine neurogene Blasenentleerungsstörung zur Folge hat. Seit November 2000 erfolgt die Blasenent-leerung durch vier- bis fünfmal tägliche Katheterisierung, die im häuslichen Bereich von den Eltern der Klägerin vorgenommen wurde. Bis zum 31.03.2003 war die Klägerin über ihren Vater bei der Beklagten familienversichert.
Die Klägerin erhielt im streitigen Zeitraum (Oktober bis Dezember 2002) Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I. In dem Pflegegutachten vom 18.09.2002 war ein krankheitsbedingter Mehraufwand bei der Grundpflege gegenüber einem gesunden altersgleichen Kind im Umfang von 105 Minuten täglich festgestellt worden. Das Katheterisieren wurde bei der Verrichtung "Blasenentleerung" im Umfang von 20 Minuten täglich bei der Grundpflege berücksichtigt.
Seit Sommer 2001 besuchte die Klägerin einen integrativen Kindergarten, der etwa 5 km von der Familienwohnung entfernt liegt. Sie wurde dort einmal täglich durch einen Pflegedienst katheterisiert. Die Beklagte übernahm aufgrund entsprechender ärztlicher Verordnungen seit dem 01.08.2001 diese Leistungen im Umfang von einmal täglich/fünfmal wöchentlich. Zuletzt erfolgte eine Bewilligung für das 3. Quartal 2002.
Mit Schreiben vom 16.08.2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Einmalkatheterisierung nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zähle und daher die Leistungen schon in der Vergangenheit nicht hätten bewilligt werden dürfen. Es bleibe bei den bisher erteilten Zusagen, für die Zukunft scheide jedoch eine Kostenübernahme aus. Die Klägerin wies mit einem Schreiben des Universitätsklinikums N - Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde - (Oberarzt Dr. G) vom 16.09.2002 darauf hin, aufgrund der vorliegenden neurogenen Blasenstörung sei die regelmäßige Katheterisierung zwingend erforderlich, um eine komplette Entleerung der Blase zu ermöglichen und weitere Folgekomplikationen zu verhindern. Mit einem weiteren Schreiben vom 24.09.2002 führte das Universitätsklinikum N aus, die Form der Blasenentleerung durch einen transurethralen Dauerkatheter werde bei Kindern mit einer Spina bifida aufgrund der erhöhten Infektionsgefahr sowie des dann nicht mehr möglichen Kontinenztrainings nicht angewandt. Nachdem Drs. U unter dem 20.02.2002 Behandlungspflege in Form der Katheterisierung (einmal täglich/fünfmal wöchentlich) für die Zeit vom 01.10. bis 31.12.2002 verordnet hatten, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.10.2002 die Bewilligung ab. Zwar sei die Einmalkatheterisierung die beste Behandlungsmöglichkeit und es bestünden auch keine Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit dieser Maßnahme. Die Richtlinien des (früheren) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen schlössen jedoch die Einmalkatheterisierung als Leistung aus. Außerdem könnten Leistungen der Behandlungspflege nur im Haushalt und nicht im außerhäuslichen Bereich erbracht werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2003 wies sie den Widerspruch der Klägerin zurück.
Die Klägerin hat am 12.02.2003 Klage erhoben und geltend gemacht, sie sei medizinisch auf die Einmalkatheterisierung angewiesen. Es handele sich um eine Maßnahme der Behandlungspflege, die durch die Richtlinien des Bundesausschusses nicht ausgeschlossen werden dürfe. Der Ausschluss einer notwendigen Leistung der Behandlungspflege sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Ihren Erstattungsanspruch für die Zeit vom 01.10.2002 bis 31.03.2003 hat die Klägerin mit 1.154,55 Euro beziffert. Zur medizinischen Notwendigkeit hat sie sich auf eine Bescheinigung des Universitätsklinikums N (Dr. F) vom 21.08.2003 bezogen, in der dargelegt wird, dass aufgrund der Blasenentleerungsstörung größere Urinmengen in der Blase verbleiben und ein erhöhter Druck innerhalb der Blase besteht. Dadurch bestehe die Gefahr eines Rückflusses des Harns von der Blase in die Nieren, der die Nieren ernsthaft schädigen könne. Um Folgekomplikationen zu vermeiden und eine Urinkontinenz zu erreichen, werde die Klägerin seit November 2004 bis fünfmal pro Tag katheterisiert. Das intermittierende Katheterisieren sei seit vielen Jahren eine etablierte, erfolgreiche und anerkannte Behandlungsmethode. Der Einsatz eines Dauerblasenkatheters sei kontraindiziert. Zum einen bestehe die Gefahr rezidivierender häufiger Harnwegsinfekte durch den ständigen Fremdkörper in der Blase. Zum anderen werde die vorhandene Blasenfunktion durch den kontinuierlichen Urinablauf völlig außer Kraft gesetzt, es entstehe eine Durchlaufblase und eine komplette Inkontinenz.
Mit Urteil vom 30.03.2004 hat das Sozialgericht die Beklagte zur Erstattung des geforderten Betrages verurteilt. Es hat einen Leistungsanspruch der Klägerin aus § 37 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bejaht, der durch die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen weder beschränkt noch ausgeschlossen werden könne.
Gegen das ihr am 10.05.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 01.06.2004 Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, die Richtlinien des Bundesausschusses stünden einer Leistungsgewährung entgegen. Außerdem sei die Erforderlichkeit der Maßnahme im Rahmen des § 37 Abs. 2 SGB V zu verneinen, da das Katheterisieren mit einer Verrichtung im Bereich der Grundpflege (Blasenentleerung) zusammentreffe und dementsprechend als Hilfebedarf im Rahmen der Grundpflege berücksichtigt worden sei. Somit bestehe für diese Leistung eine alleinige Leistungspflicht der Pflegekasse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.03.2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und weist auf eine Entscheidung des Bayerischen LSG vom 28.10.2004 hin, das in einem vergleichbaren Fall ebenfalls einen Leistungsanspruch bejaht habe.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, schließt sich in der Sache aber den Ausführungen der Beklagten an. Er trägt vor, dem Gemeinsamen Bundesausschuss komme die Befugnis zu, in seinen Richtlinien nach § 92 SGB V Inhalt und Umfang der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen gegenüber allen Beteiligten mit normativer Wirkung festzulegen. Es sei Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses, in seinen Richtlinien das gesetzliche Rahmenrecht des Versicherten verbindlich zu konkretisieren, so dass in den Richtlinien insbesondere auch die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und eine ärztliche Zielsetzung zu regeln seien. Die Katheterisierung der Harnblase zur Ableitung des Urins sei in dem Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der einschlägigen Richtlinien geregelt. Danach sei die streitige intermittierende Einmalkatheterisierung keine zu Lasten der GKV durchführbare Maßnahme. Dass die Einmalkatheterisierung nicht im Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen enthalten sei, verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Die Einmalkatheterisierung sei zum einen in Notsituationen mit akutem Harnverhalt und zum anderen bei chronischen Erkrankungen der Harnblase medizinisch geboten. In beiden Fällen sei es jedoch sachgerecht, sie nicht zum Gegenstand der häuslichen Krankenpflege zu machen. In Notfällen habe der behandelnde Arzt die Katheterisierung vorzu-nehmen und bei chronischen Störungen entspreche es dem Stand der medizinischen Erkenntnisse, dass der Patient oder eine in seinem Haushalt lebende Person in der Durchführung der Einmalkatheterisierung geschult werde. Bei Patienten, die aus bestimmten Gründen die Einmalkatheterisierung nicht erlernen könnten, kämen alternative Versorgungsformen in Betracht. Hierzu zähle zum einen die Urinableitung mittels eines transurethralen Dauerkatheters, die eine zu Lasten der GKV erbringbare Maßnahme der häuslichen Krankenpflege sei. Als weitere alternative Maßnahme komme die Katheterisierung mit einem suprapubischen Katheter in Betracht, der den ärztlichen Leistungen zuzurechnen sei. Auch Kinder mit Spina bifida seien, soweit es die anatomischen und intellektuellen Voraussetzungen erlaubten, bereits in einem frühen Alter in der Lage, die Einmalkatheterisierung selbst zu erlernen und eigenständig durchzuführen. Soweit dies im Einzelfall nicht möglich sei, stünden die genannten Alternativmaßnahmen zur Verfügung.
Unabhängig davon vertritt auch der Beigeladene die Auffassung, dass die streitige Einmalkatheterisierung als untrennbarer Bestandteil der Blasenentleerung zu den im Rahmen der Pflegeversicherung bei der Grundpflege berücksichtigungsfähigen Verrichtungen zähle und daher ein ein- und dieselbe Maßnahme betreffender Anspruch auf häusliche Krankenpflege aus der Krankenversicherung ausscheide.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. H, Orthopädische Universitätsklinik I, Abteilung Orthopädie II. In seinem Gutachten vom 14.10.2004 beschreibt er die Entwicklung der Therapie neurogener Blasenentleerungsstörungen bei angeborenen oder erworbenen Rückenmarksschädigungen und legt dar, dass sich der intermittierende Katheterismus als Blasenentleerungsmethode allgemein durchgesetzt habe und als Behandlungsmethode der Wahl gelte. Personen mit angeborener Wirbelsäulenmißbildung seien auf Dauer auf eine regelmäßige Katheterisierung angewiesen, das Einbringen eines dauernd verweilenden Katheters sei nur kurzfristig statthaft, wenn zwingende medizinische Gründe das intermittierende Katheterisieren unmöglich machten. Grundsätzlich könnten Kinder mit Spina bifida das eigenständige Katheterisieren erlernen. Üblicherweise könne damit in etwa mit der Schulreife begonnen werden, allerdings könne den Kindern zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Eigenverantwortung für das Einmalkatheterisieren übertragen werden. In keinem Fall sei die Einlage eines Dauerkatheters bei Kindern indiziert, bei denen davon ausgegangen werden könne, dass sie das Einmalkatheterisieren im weiteren Verlauf ihrer Entwicklung lernten. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg, denn das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht zur Erstattung der für das Katheterisieren im Kindergarten angefallenen Kosten verurteilt. Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschlossenen Teilvergleichs sind in diesem Verfahren nur noch die im letzten Quartal 2002 angefallenen Kosten in Höhe von 590,70 Euro im Streit. Der Senat hat insoweit den Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung geändert
Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Die Klägerin ist berechtigt, die von ihren Eltern im Rahmen ihrer familiären Fürsorge übernommenen Kosten des Pflegedienstes wie eigene Aufwendungen geltend zu machen (BSG, Urteil vom 16.09.2004 - B 3 KR 19/03 R -). In der mündlichen Verhandlung ist klargestellt worden, dass die Forderung des Pflegedienstes von den Eltern inzwischen beglichen worden ist, so dass die Erstattung der für das 4. Quartal 2002 angefallenen Kosten in Höhe von 590,70 Euro verlangt werden kann. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V sind erfüllt, da die Beklagte in dem Bescheid vom 24.10.2002 zu Unrecht die Bewilligung der für das 4. Quartal 2002 ärztlich verordneten Katheterisierung während des Kindergartenbesuchs abgelehnt hat.
1. Versicherte haben nach § 37 Abs. 2 SGB V Anspruch auf Behandlungspflege in ihrem Haushalt oder ihrer Familie, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Die von Drs. U verordnete einmal tägliche Katheterisierung ist eine Maßnahme der Behandlungspflege. Hierzu zählen alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, eines der Behandlungsziele des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu erreichen (BSGE 82, 27; 83, 254). Die Katheterisierung der Klägerin ist als Folge der neurogenen Blasenentleerungsstörung notwendig und dient der Verhütung einer Verschlimmerung (Schädigung der Nieren durch Rückfluss des Restharns, s. Bescheinigung Universitätsklinikums N (Dr. F) vom 21.8.2003). Die Versorgung mit einem transurethralen oder suprapubischen Dauerkatheter kam als Alternative nicht in Betracht. Prof. Dr. H hat insoweit auf die Gefahr von Harnwegsinfekten bei Einbringung eines dauerhaft in der Blase einliegenden Katheters hingewiesen. Selbst wenn tatsächlich, wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, keine größere Infektionsgefahr als bei der Einmalkatheterisierung bestünde, spricht gegen einen Dauerkatheter der weitere, im Schreiben des Universitätsklinikums N vom 21.08.2003 genannte Gesichtspunkt: Durch den kontinuierlichen Urinablauf wird die vorhandene Blasenfunktion außer Kraft gesetzt, so dass eine Durchlaufblase und damit eine komplette Inkontinenz entstehen kann. Prof. Dr. H hat ausdrücklich die Einlage eines Dauerkatheters bei einem Kind, bei dem - wie bei der Klägerin - davon ausgegangen werden kann, dass es die Eigenkatheterisierung erlernen kann, als nicht dem wissenschaftlichen Stand entsprechend bezeichnet. Selbst die Beklagte hat die medizinische Notwendigkeit der Einmalkatheterisierung anerkannt.
Es ist auch unerheblich, dass die streitige Maßnahme außerhalb des häuslichen Bereichs erbracht worden ist, da der Anspruch auf häusliche Krankenpflege räumlich nicht auf den Haushalt des Versicherten oder den seiner Familie beschränkt ist. Medizinisch erforderliche Maßnahmen, die bei einem vorübergehenden Aufenthalt außerhalb der Familienwohnung anfallen (wie hier während des Besuchs des Kindergartens) sind nicht ausgeschlossen, wenn sich der Versicherte ansonsten in seinem (Familien-)Haushalt aufhält und dort seinen Lebensmittelpunkt hat (BSG SozR 3?2500 § 37 Nr. 5 S. 35; SozR 4?2500 § 32 Nr. 1 S. 3). Die im streitigen Zeitraum fünfjährige Klägerin war auch nicht in der Lage, die Katheterisierung selbst vorzunehmen. Prof. Dr. H hat dargelegt, dass üblicherweise die Eigenkatheterisierung ab Erreichen der Schulreife beginnt, wobei aber den Kindern in diesem Alter noch nicht die Eigenverantwortung für die Katheterisierung übertragen werden kann. Auch in der Stellungnahme des MDK vom 06.01.2004 (Dr. H1) wird konzediert, dass die Klägerin noch nicht in der Lage sei, die Einmalkatheterisierung selbst durchzuführen.
Der Anspruch ist auch nicht nach § 37 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen, denn den Eltern der Klägerin war die Übernahme der Pflege während des Kindergartenbesuchs nicht zumutbar. Der Vater der Klägerin ist ganztägig berufstätig. Der nicht berufstätigen Mutter war nicht zuzumuten, täglich eine Wegstrecke von der Wohnung bis zum Kindergarten von 5 km hin und zurück zu bewältigen, zumal sie noch ein weiteres schulpflichtiges Kind nach dessen Schulbesuch zu betreuen hatte. Außerdem wird in dem Schreiben des Universitätsklinikums N vom 24.09.2002 darauf hingewiesen, durch einen regelmäßigen täglichen Besuch der Mutter im Kindergarten werde der Integrations- und Ablöseprozess der Klägerin erschwert. Auch die Beklagte hat offensichtlich die Erbringung der Leistung durch die Mutter nicht für zumutbar gehalten, wie ihre Leistungsbewilligungen bis zum 30.09.2002 zeigen.
2. Die Notwendigkeit (§ 12 Abs. 1 SGB V) der Einmalkatheterisierung im Kindergarten kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, dass die Katheterisierung bei der Grundpflege im Rahmen der Pflegeversicherung berücksichtigt worden sei, so dass insoweit die alleinige Leistungspflicht der Pflegekasse bestehe. Zwar soll nach dem Urteil des BSG vom 30.10.2002 (SozR 3?2500 § 37 Nr. 3 S. 23) grundsätzlich ein dieselbe Maßnahme betreffender Anspruch auf häusliche Krankenpflege entfallen, wenn die krankheitsspezifische Pflegemaßnahme zum Grundpflegebedarf nach § 14 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zu zählen ist, weil sie entweder untrennbarer Bestandteil einer Katalogverrichtung ist oder mit einer solchen Verrichtung objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang steht. Entgegen der Annahme des Sozialgerichts liegen auch die Voraussetzungen für die Einbeziehung der Katheterisierung zum Grundpflegebedarf vor, weil diese mit der Katalogverrichtung "Blasenentleerung" untrennbar verbunden ist (BSG USK 2001-84). Dementsprechend ist auch im Pflegegut-achten vom 18.09.2002 ein täglicher zeitlicher Aufwand von 20 Minuten für die Katheterisierung beim Grundpflegebedarf berücksichtigt worden.
Der Senat hat jedoch bereits in seinen Urteilen vom 04.12.2003 (L 5 KR 23/03; 139/03) Bedenken gegen die Rechtsprechung des BSG geäussert: Diese Rechtsprechung hat in allen Fällen, in denen die Einbeziehung der krankheitsspezifischen Maßnahme in die Grundpflege nicht zu einer höheren Pflegestufe mit weitergehenden Leistungsansprüchen führt, zur Folge, dass die Versicherten medizinischen Hilfebedarf, der nach der gesetzlichen Regelung über § 37 Abs. 2 SGB V abgedeckt werden soll, aus den begrenzten Leistungen der Pflegeversicherung abdecken müssen (Zweifel an der Auffassung des BSG auch bei Udsching, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, 691, 696 f). Der von der Beklagten und dem Beigeladenen für ihre Auffassung benannte Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 13.12.2004 (L 4 KR 340/04 ER) zeigt, zu welchen unangemessenen Ergebnissen die Rechtsprechung des BSG führen kann. Die dortige Versicherte erhielt ein monatliches Pflegegeld von 410,00 Euro, während sich die Kosten für die tägliche Einmalkatheterisierung im Kindergarten auf 13,52 Euro pro Tag beliefen, was bei 23 Bezugstagen im Monat einen Betrag von 310,96 Euro ergab. Das Pflegegeld würde somit zu 75% schon für eine Maßnahme verbraucht werden, deren Sicherstellung an sich über § 37 Abs. 2 SGB V vorgesehen ist.
Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass für eine Maßnahme der Behandlungspflege die Notwendigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V allenfalls dann verneint werden kann, wenn die Berücksichtigung dieser Maßnahme bei der Grundpflege zu einer höheren Pflegestufe führt. Das ist hier nicht der Fall, denn selbst unter Berücksichtigung der Katheterisierung bei der Blasenentleerung mit einem Zeitbedarf von 20 Minuten betrug der Grundpflegebedarf insgesamt 105 Minuten. Die Klägerin erreichte also selbst unter Einbeziehung der Katheterisierung nicht den für die Pflegestufe II erforderlichen Zeitbedarf von 120 Minuten (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI), während andererseits der "sonstige" Pflegebedarf auch ohne die Katheterisierung über dem für die Pflegestufe I erforderlichen Bedarf von 45 Minuten (Nr. 1 aaO) lag.
3. Schließlich stehen dem Anspruch der Klägerin auch nicht die Richtlinien des (früheren) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V vom 16.02.2000 (BAnz. Nr. 91 vom 13.05.2000 (Krankenpflege-RL)) entgegen. Das Verzeichnis der verord-nungsfähigen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege (Anlage der Krankenpflege-RL) sah in dem hier maßgeblichen Zeitraum allerdings in Nr. 23 nur das Einlegen, Entfernen und Wechseln eines transurethralen Dauerkatheters in die Harnblase (alle drei vier Wochen) vor. Erst durch den Beschluss vom 24.03.2003 (BAnz. Nr. 123 vom 08.07.2003) ist die Nr. 23 mit Wirkung vom 09.07.2003 um das Einbringen eines transurethralen Einmalkatheters erweitert worden, allerdings ausdrücklich nur zur Schulung von Patienten in der sachgerechten Anwendung des Einmalkatheters. In der erläuternden Bemerkung wird darauf hingewiesen, dass die Schulungskatheterisierung bei Patienten verordnungsfähig sei, die im Rahmen der vorhergehenden Behandlung nicht ausreichend geschult worden seien und die Fähigkeit besässen, die Selbstkatheterisierung zu erlernen. Die Leistung kann nur für maximal fünf Tage verordnet werden. Nach Abschnitt I Nr. 3 der Krankenpflege-RL werden die verordnungsfähigen Maßnahmen in der Anlage aufgeführt, dort nicht genannte Maßnahmen sind als häusliche Krankenpflege nicht verordnungsfähig. Die Krankenpflege-RL gehen also von einer enumerativen Aufzählung der verordnungsfähigen Maßnahmen aus. Da der Einmalkatheterismus weder in der im streitigen Zeitraum noch in der derzeit geltenden Fassung der Krankenpflege-RL in der Anlage genannt wird, wäre demnach eine entsprechende Verordnung nicht möglich.
Zwar handelt es sich bei den auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 SGB V erlassenen Richtlinien um untergesetzliche Normen, die auch für das Leistungsrecht verbindliche Regelungen treffen können (BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 6 S. 32; Nr. 7 S. 51; BSGE 81, 240, 242). Der Ausschluss der Einmalkatheterisierung als einer medizinisch notwendigen Maßnahme der Behandlungspflege in den Krankenpflege-RL ist jedoch von der Ermächtigungsgrundlage des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, Abs. 7 SGB V nicht gedeckt und verstößt gegen höherrangiges Recht (ebenso der 16. Senat des LSG NRW, Urteil vom 17.03.2005 - L 16 KR 99/04 -). Die Auffassung des Beigeladenen, die Krankenpflege-RL konkretisierten lediglich das aus §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 37 Abs. 2 SGB V folgende Rahmenrecht der Versicherten und legten insoweit den Inhalt des Anspruchs aus § 37 Abs. 2 SGB V im Einzelnen fest, kann der Senat nicht teilen.
§ 92 Abs. 7 SGB V (eingefügt durch das 2. GKV-Neuordnungsgesetz vom 23.06.1997, BGBl. I, 1520) erlaubt nur Regelungen zur Verordnung und deren ärztlicher Zielsetzung sowie zur Zusammenarbeit des verordnenden Arztes mit dem Leistungserbringer und dem Krankenhaus. Um die Regelung solcher Fragen geht es hier aber nicht. Nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ist der Gemeinsame Bundesausschuss ermächtigt, Vorschriften zur Sicherung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung zu erlassen. Die Richtlinien sollen im Sinne der §§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1, 72 Abs. 2 SGB V den allgemeinen Standard für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse festlegen (Hencke in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung - SGB V, § 92 Rn. 5). Aufgabe des Bundesausschusses ist es also, in den Richtlinien die gesetzlichen Ansprüche gesetzeskonform so zu konkretisieren, dass die ärztliche Versorgung gesichert ist. Insoweit mag auch eine inhaltliche Konkretisierung und Begrenzung von behandlungspflegerischen Maßnahmen in Betracht kommen. Das BSG hat jedoch bereits in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Ermächtigung in § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB V dem Bundesausschuss nicht die Befugnis gibt, darüber hinausgehend Leistungsansprüche durch eine inhaltliche Bestimmung leistungsrechtlicher Begriffe zu begrenzen (s. BSGE 81,240, 242 zum Arzneimittelbegriff; BSGE 85, 36, 45 zum Krankheitsbegriff). Ebenso wenig ist der Gemeinsame Bundesausschuss befugt, medizinisch notwendige krankheitsbedingte Pflegemaßnahmen aus dem Bereich der Behandlungspflege herauszunehmen. Selbst nach der Einfügung des Halbsatzes 3 in § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 (BGBl. I, 2190) kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nur Leistungen und Maßnahmen ausschließen, deren Nutzen, Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen ist. Diese Einfügung hat der Gesetzgeber aber nur als "Präzisierung" des Normsetzungsprogramms nach Inhalt, Zweck und Ausmaß gesehen (BT-Drucksache 15/1525 107). Dem Gemeinsamen Bundesausschuss sollte also keine weitergehende Kompetenz eingeräumt werden. Die Regelung dient nur der Klarstellung der Kompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses gegenüber der Verordnungsermächtigung nach § 34 SGB V und mag ihn nun allenfalls ermächtigen, Maßnahmen, die im Grenzbereich von Krankenbehandlung und allgemeiner Lebensführung liegen, unter Abwägung der relevanten medizinischen und finanziellen Verhältnisse aus dem Leistungskatalog herauszunehmen (vgl. insoweit BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 12 S. 66 f).
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Ausschluss der Einmalkatheterisierung damit gerechtfertigt werden könnte, diese Maßnahme sei nicht notwendig oder unwirtschaftlich. Sowohl in dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H als auch in dem Schreiben des Universitätsklinikums N vom 21.08.2003 wird überzeugend dargelegt, dass bei angeborenen oder erworbenen Rückenmarksschädigungen mit daraus resultierender neurogener Blasenentleerungsstörung allein die intermittierende Katheterisierung dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Auch in den von der Beklagten eingeholten Stellungnahmen des MDK ist dies nie in Frage gestellt worden. Die Haltung des Beigeladenen zu dieser Frage ist widersprüchlich und kaum verständlich. Auch er hält in seiner - in einem Parallelverfahren eingeholten und zum Verfahren beigezogenen - Auskunft vom 19.08.2004 bei chronischen Blasenentleerungsstörungen die Einmalkatheterisierung für medizinisch geboten. Dass es insoweit den medizinischen Erkenntnissen entspricht, dass die Versicherten die Eigenkatheterisierung erlernen sollen, berührt nicht die medizinische Erforderlichkeit des Einmalkatheterismus; die vorrangige Durchführung durch den Versicherten selbst berücksichtigt nur die ihm zuzumutende Eingenverantwortung (§ 1 Satz 2 SGB V). Mit der Anerkennung der Einmalkatheterisierung als medizinischem Standard ist es aber unvereinbar, Personen, die aus anatomischen oder intellektuellen Gründen die Eigenkatheterisierung nicht erlernen können, auf einen Dauerkatheter zu verweisen. Die Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 19.08.2004 nennt keinerlei Gründe, weshalb gleichwohl in diesem Fall ein Dauerkatheter dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) entspricht. Der Ausschluss kann auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass häufig eine Fremdkatheterisierung durch Personen aus dem Umfeld der Versicherten in Betracht kommt. Insoweit ergibt sich bereits aus § 37 Abs. 3 SGB V ein Ausschluss auf Leistungen zu Lasten der Krankenkasse; dieser Ausschluss ist anhand der insoweit maßgeblichen Kriterien zu beurteilen (s. in diesem Zusammenhang insbesondere BSG SozR 3-2500 § 37 Nr. 2). Die Möglichkeit einer Fremdkatheterisierung durch Angehörige ist aber kein Grund, generell die Einmalkatheterisierung als verordnungsfähige Maßnahme auszuschließen.
Insbesondere hinsichtlich der Versorgung von Kindern mit Spina bifida kann die Auffassung des Beigeladenen nicht nachvollzogen werden. Insoweit wird in der Auskunft vom 19.08.2004 darauf hingewiesen, dass die jungen Patienten aufgrund bestehender Vereinbarungen in der Anwendung des Einmalkatheters geschult würden, so dass davon auszugehen sei, dass ein großer Teil der Patienten die Einmalkatheterisierung erlernen werden. Kinder mit Spina bifida seien schon im frühen Alter in der Lage, die Einmalkatheterisierung zu erlernen und selbst durchzuführen. Abgesehen davon, dass die Aussage des Beigeladenen in diesem Zusammenhang die wichtige Einschränkung enthält, "sofern es die anatomischen und intellektuellen Voraussetzungen erlauben", kann nach dem Gutachten von Prof. Dr. H üblicherweise erst ab Erreichen der Schulreife die Einmalkatheterisierung erlernt werden (wobei er aber gleichzeitig darauf hinweist, dass Kindern in diesem Alter noch nicht die Eigenverantwortung für die Katheterisierung übertragen werden kann, sondern ihre Beaufsichtigung erforderlich ist). Unabhängig davon, dass es somit schon zahlreiche Versicherte geben wird, die überhaupt nicht in der Lage sind, die Eigenkatheterisierung zu erlernen, würde die Auffassung des Beigeladenen darauf hinauslaufen, dass "zunächst" alle Kinder mit Spina bifida mit einem Dauerkatheter versorgt werden müssten, bevor sie selbst die Katheterisierung erlernen können (der Verweis auf die mögliche Durchführung durch Angehörige kann - wie dargelegt - den Ausschluss nicht rechtfertigen). Ein solches Vorgehen hat Prof. Dr. H ausdrücklich als "schlicht fehlerhaft" bezeichnet. Zur vollends ungereimten Ergebnissen führt der Ausschluss der Einmalkatheterisierung in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Eltern im häuslichen Bereich die Katheterisierung durchführen, die ihnen aber während des Kindergarten- oder Schulbesuches nicht möglich oder unzumutbar ist. Auch aus der Sicht des Beigeladenen wird medizinisch kaum in Betracht kommen, ein Kind nur für die Dauer der Abwesenheit aus dem Haushalt mit einem Dauerkatheter zu versorgen. Sollte, worauf Äußerungen des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vorsitzenden des Unterausschusses Häusliche Krankenpflege hindeuten, der Bundesausschuss sich von der Überlegung hat leiten lassen, dass bei Personen mit Fremdhilfebedarf bei der Katheterisierung wegen der Berücksichtigung dieser Maßnahme bei der Grundpflege im Regelfall ein Leistungsanspruch aus der gesetzlichen Pflegeversicherung bestehe, lägen diese Erwägungen neben der Sache. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann bei einer Entscheidung über Krankenversicherungsleistungen nicht medizinisch erforderliche Leistungen deshalb ausschließen, weil die Versicherten diese auch von einem Träger aus einem anderen Sozialversicherungszweig erlangen können.
Da jedenfalls bei Kindern nach dem Gutachten von Prof. Dr. H die Versorgung mit einem Dauerkatheter sogar als Kunstfehler zu bewerten wäre (also entgegen der Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales vom 12.08.2003 gegenüber dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages keineswegs als ausreichende Versorgung angesehen werden kann), handelt es sich bei der Einmalkatheterisierung um eine medizinisch notwendige Maßnahme im Rahmen der Krankenbehandlung. Deren Wirtschaftlichkeit kann angesichts fehlender Alternativen ungeachtet der hierfür anfallenden Kosten nicht verneint werden. Der völlige Ausschluss der Einmalkatheterisierung in den Krankenpflege-RL ist somit mit dem in §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 37 Abs. 2 SGB V verbürgten Anspruch auf Krankenbehandlung unter Einschluss häuslicher Krankenpflege unvereinbar und damit unbeachtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer täglichen Katheterisierung der Klägerin während ihres Besuchs eines Kindergartens.
Bei der am 00.00.1997 geborenen Klägerin besteht eine angeborene lumbale Spina bifida (angeborene Spaltbildung an einem Teil der Wirbelsäule), die u.a. eine neurogene Blasenentleerungsstörung zur Folge hat. Seit November 2000 erfolgt die Blasenent-leerung durch vier- bis fünfmal tägliche Katheterisierung, die im häuslichen Bereich von den Eltern der Klägerin vorgenommen wurde. Bis zum 31.03.2003 war die Klägerin über ihren Vater bei der Beklagten familienversichert.
Die Klägerin erhielt im streitigen Zeitraum (Oktober bis Dezember 2002) Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I. In dem Pflegegutachten vom 18.09.2002 war ein krankheitsbedingter Mehraufwand bei der Grundpflege gegenüber einem gesunden altersgleichen Kind im Umfang von 105 Minuten täglich festgestellt worden. Das Katheterisieren wurde bei der Verrichtung "Blasenentleerung" im Umfang von 20 Minuten täglich bei der Grundpflege berücksichtigt.
Seit Sommer 2001 besuchte die Klägerin einen integrativen Kindergarten, der etwa 5 km von der Familienwohnung entfernt liegt. Sie wurde dort einmal täglich durch einen Pflegedienst katheterisiert. Die Beklagte übernahm aufgrund entsprechender ärztlicher Verordnungen seit dem 01.08.2001 diese Leistungen im Umfang von einmal täglich/fünfmal wöchentlich. Zuletzt erfolgte eine Bewilligung für das 3. Quartal 2002.
Mit Schreiben vom 16.08.2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Einmalkatheterisierung nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zähle und daher die Leistungen schon in der Vergangenheit nicht hätten bewilligt werden dürfen. Es bleibe bei den bisher erteilten Zusagen, für die Zukunft scheide jedoch eine Kostenübernahme aus. Die Klägerin wies mit einem Schreiben des Universitätsklinikums N - Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde - (Oberarzt Dr. G) vom 16.09.2002 darauf hin, aufgrund der vorliegenden neurogenen Blasenstörung sei die regelmäßige Katheterisierung zwingend erforderlich, um eine komplette Entleerung der Blase zu ermöglichen und weitere Folgekomplikationen zu verhindern. Mit einem weiteren Schreiben vom 24.09.2002 führte das Universitätsklinikum N aus, die Form der Blasenentleerung durch einen transurethralen Dauerkatheter werde bei Kindern mit einer Spina bifida aufgrund der erhöhten Infektionsgefahr sowie des dann nicht mehr möglichen Kontinenztrainings nicht angewandt. Nachdem Drs. U unter dem 20.02.2002 Behandlungspflege in Form der Katheterisierung (einmal täglich/fünfmal wöchentlich) für die Zeit vom 01.10. bis 31.12.2002 verordnet hatten, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.10.2002 die Bewilligung ab. Zwar sei die Einmalkatheterisierung die beste Behandlungsmöglichkeit und es bestünden auch keine Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit dieser Maßnahme. Die Richtlinien des (früheren) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen schlössen jedoch die Einmalkatheterisierung als Leistung aus. Außerdem könnten Leistungen der Behandlungspflege nur im Haushalt und nicht im außerhäuslichen Bereich erbracht werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2003 wies sie den Widerspruch der Klägerin zurück.
Die Klägerin hat am 12.02.2003 Klage erhoben und geltend gemacht, sie sei medizinisch auf die Einmalkatheterisierung angewiesen. Es handele sich um eine Maßnahme der Behandlungspflege, die durch die Richtlinien des Bundesausschusses nicht ausgeschlossen werden dürfe. Der Ausschluss einer notwendigen Leistung der Behandlungspflege sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Ihren Erstattungsanspruch für die Zeit vom 01.10.2002 bis 31.03.2003 hat die Klägerin mit 1.154,55 Euro beziffert. Zur medizinischen Notwendigkeit hat sie sich auf eine Bescheinigung des Universitätsklinikums N (Dr. F) vom 21.08.2003 bezogen, in der dargelegt wird, dass aufgrund der Blasenentleerungsstörung größere Urinmengen in der Blase verbleiben und ein erhöhter Druck innerhalb der Blase besteht. Dadurch bestehe die Gefahr eines Rückflusses des Harns von der Blase in die Nieren, der die Nieren ernsthaft schädigen könne. Um Folgekomplikationen zu vermeiden und eine Urinkontinenz zu erreichen, werde die Klägerin seit November 2004 bis fünfmal pro Tag katheterisiert. Das intermittierende Katheterisieren sei seit vielen Jahren eine etablierte, erfolgreiche und anerkannte Behandlungsmethode. Der Einsatz eines Dauerblasenkatheters sei kontraindiziert. Zum einen bestehe die Gefahr rezidivierender häufiger Harnwegsinfekte durch den ständigen Fremdkörper in der Blase. Zum anderen werde die vorhandene Blasenfunktion durch den kontinuierlichen Urinablauf völlig außer Kraft gesetzt, es entstehe eine Durchlaufblase und eine komplette Inkontinenz.
Mit Urteil vom 30.03.2004 hat das Sozialgericht die Beklagte zur Erstattung des geforderten Betrages verurteilt. Es hat einen Leistungsanspruch der Klägerin aus § 37 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bejaht, der durch die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen weder beschränkt noch ausgeschlossen werden könne.
Gegen das ihr am 10.05.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 01.06.2004 Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, die Richtlinien des Bundesausschusses stünden einer Leistungsgewährung entgegen. Außerdem sei die Erforderlichkeit der Maßnahme im Rahmen des § 37 Abs. 2 SGB V zu verneinen, da das Katheterisieren mit einer Verrichtung im Bereich der Grundpflege (Blasenentleerung) zusammentreffe und dementsprechend als Hilfebedarf im Rahmen der Grundpflege berücksichtigt worden sei. Somit bestehe für diese Leistung eine alleinige Leistungspflicht der Pflegekasse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.03.2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und weist auf eine Entscheidung des Bayerischen LSG vom 28.10.2004 hin, das in einem vergleichbaren Fall ebenfalls einen Leistungsanspruch bejaht habe.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, schließt sich in der Sache aber den Ausführungen der Beklagten an. Er trägt vor, dem Gemeinsamen Bundesausschuss komme die Befugnis zu, in seinen Richtlinien nach § 92 SGB V Inhalt und Umfang der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen gegenüber allen Beteiligten mit normativer Wirkung festzulegen. Es sei Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses, in seinen Richtlinien das gesetzliche Rahmenrecht des Versicherten verbindlich zu konkretisieren, so dass in den Richtlinien insbesondere auch die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und eine ärztliche Zielsetzung zu regeln seien. Die Katheterisierung der Harnblase zur Ableitung des Urins sei in dem Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der einschlägigen Richtlinien geregelt. Danach sei die streitige intermittierende Einmalkatheterisierung keine zu Lasten der GKV durchführbare Maßnahme. Dass die Einmalkatheterisierung nicht im Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen enthalten sei, verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Die Einmalkatheterisierung sei zum einen in Notsituationen mit akutem Harnverhalt und zum anderen bei chronischen Erkrankungen der Harnblase medizinisch geboten. In beiden Fällen sei es jedoch sachgerecht, sie nicht zum Gegenstand der häuslichen Krankenpflege zu machen. In Notfällen habe der behandelnde Arzt die Katheterisierung vorzu-nehmen und bei chronischen Störungen entspreche es dem Stand der medizinischen Erkenntnisse, dass der Patient oder eine in seinem Haushalt lebende Person in der Durchführung der Einmalkatheterisierung geschult werde. Bei Patienten, die aus bestimmten Gründen die Einmalkatheterisierung nicht erlernen könnten, kämen alternative Versorgungsformen in Betracht. Hierzu zähle zum einen die Urinableitung mittels eines transurethralen Dauerkatheters, die eine zu Lasten der GKV erbringbare Maßnahme der häuslichen Krankenpflege sei. Als weitere alternative Maßnahme komme die Katheterisierung mit einem suprapubischen Katheter in Betracht, der den ärztlichen Leistungen zuzurechnen sei. Auch Kinder mit Spina bifida seien, soweit es die anatomischen und intellektuellen Voraussetzungen erlaubten, bereits in einem frühen Alter in der Lage, die Einmalkatheterisierung selbst zu erlernen und eigenständig durchzuführen. Soweit dies im Einzelfall nicht möglich sei, stünden die genannten Alternativmaßnahmen zur Verfügung.
Unabhängig davon vertritt auch der Beigeladene die Auffassung, dass die streitige Einmalkatheterisierung als untrennbarer Bestandteil der Blasenentleerung zu den im Rahmen der Pflegeversicherung bei der Grundpflege berücksichtigungsfähigen Verrichtungen zähle und daher ein ein- und dieselbe Maßnahme betreffender Anspruch auf häusliche Krankenpflege aus der Krankenversicherung ausscheide.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. H, Orthopädische Universitätsklinik I, Abteilung Orthopädie II. In seinem Gutachten vom 14.10.2004 beschreibt er die Entwicklung der Therapie neurogener Blasenentleerungsstörungen bei angeborenen oder erworbenen Rückenmarksschädigungen und legt dar, dass sich der intermittierende Katheterismus als Blasenentleerungsmethode allgemein durchgesetzt habe und als Behandlungsmethode der Wahl gelte. Personen mit angeborener Wirbelsäulenmißbildung seien auf Dauer auf eine regelmäßige Katheterisierung angewiesen, das Einbringen eines dauernd verweilenden Katheters sei nur kurzfristig statthaft, wenn zwingende medizinische Gründe das intermittierende Katheterisieren unmöglich machten. Grundsätzlich könnten Kinder mit Spina bifida das eigenständige Katheterisieren erlernen. Üblicherweise könne damit in etwa mit der Schulreife begonnen werden, allerdings könne den Kindern zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Eigenverantwortung für das Einmalkatheterisieren übertragen werden. In keinem Fall sei die Einlage eines Dauerkatheters bei Kindern indiziert, bei denen davon ausgegangen werden könne, dass sie das Einmalkatheterisieren im weiteren Verlauf ihrer Entwicklung lernten. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg, denn das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht zur Erstattung der für das Katheterisieren im Kindergarten angefallenen Kosten verurteilt. Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschlossenen Teilvergleichs sind in diesem Verfahren nur noch die im letzten Quartal 2002 angefallenen Kosten in Höhe von 590,70 Euro im Streit. Der Senat hat insoweit den Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung geändert
Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Die Klägerin ist berechtigt, die von ihren Eltern im Rahmen ihrer familiären Fürsorge übernommenen Kosten des Pflegedienstes wie eigene Aufwendungen geltend zu machen (BSG, Urteil vom 16.09.2004 - B 3 KR 19/03 R -). In der mündlichen Verhandlung ist klargestellt worden, dass die Forderung des Pflegedienstes von den Eltern inzwischen beglichen worden ist, so dass die Erstattung der für das 4. Quartal 2002 angefallenen Kosten in Höhe von 590,70 Euro verlangt werden kann. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V sind erfüllt, da die Beklagte in dem Bescheid vom 24.10.2002 zu Unrecht die Bewilligung der für das 4. Quartal 2002 ärztlich verordneten Katheterisierung während des Kindergartenbesuchs abgelehnt hat.
1. Versicherte haben nach § 37 Abs. 2 SGB V Anspruch auf Behandlungspflege in ihrem Haushalt oder ihrer Familie, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Die von Drs. U verordnete einmal tägliche Katheterisierung ist eine Maßnahme der Behandlungspflege. Hierzu zählen alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, eines der Behandlungsziele des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu erreichen (BSGE 82, 27; 83, 254). Die Katheterisierung der Klägerin ist als Folge der neurogenen Blasenentleerungsstörung notwendig und dient der Verhütung einer Verschlimmerung (Schädigung der Nieren durch Rückfluss des Restharns, s. Bescheinigung Universitätsklinikums N (Dr. F) vom 21.8.2003). Die Versorgung mit einem transurethralen oder suprapubischen Dauerkatheter kam als Alternative nicht in Betracht. Prof. Dr. H hat insoweit auf die Gefahr von Harnwegsinfekten bei Einbringung eines dauerhaft in der Blase einliegenden Katheters hingewiesen. Selbst wenn tatsächlich, wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, keine größere Infektionsgefahr als bei der Einmalkatheterisierung bestünde, spricht gegen einen Dauerkatheter der weitere, im Schreiben des Universitätsklinikums N vom 21.08.2003 genannte Gesichtspunkt: Durch den kontinuierlichen Urinablauf wird die vorhandene Blasenfunktion außer Kraft gesetzt, so dass eine Durchlaufblase und damit eine komplette Inkontinenz entstehen kann. Prof. Dr. H hat ausdrücklich die Einlage eines Dauerkatheters bei einem Kind, bei dem - wie bei der Klägerin - davon ausgegangen werden kann, dass es die Eigenkatheterisierung erlernen kann, als nicht dem wissenschaftlichen Stand entsprechend bezeichnet. Selbst die Beklagte hat die medizinische Notwendigkeit der Einmalkatheterisierung anerkannt.
Es ist auch unerheblich, dass die streitige Maßnahme außerhalb des häuslichen Bereichs erbracht worden ist, da der Anspruch auf häusliche Krankenpflege räumlich nicht auf den Haushalt des Versicherten oder den seiner Familie beschränkt ist. Medizinisch erforderliche Maßnahmen, die bei einem vorübergehenden Aufenthalt außerhalb der Familienwohnung anfallen (wie hier während des Besuchs des Kindergartens) sind nicht ausgeschlossen, wenn sich der Versicherte ansonsten in seinem (Familien-)Haushalt aufhält und dort seinen Lebensmittelpunkt hat (BSG SozR 3?2500 § 37 Nr. 5 S. 35; SozR 4?2500 § 32 Nr. 1 S. 3). Die im streitigen Zeitraum fünfjährige Klägerin war auch nicht in der Lage, die Katheterisierung selbst vorzunehmen. Prof. Dr. H hat dargelegt, dass üblicherweise die Eigenkatheterisierung ab Erreichen der Schulreife beginnt, wobei aber den Kindern in diesem Alter noch nicht die Eigenverantwortung für die Katheterisierung übertragen werden kann. Auch in der Stellungnahme des MDK vom 06.01.2004 (Dr. H1) wird konzediert, dass die Klägerin noch nicht in der Lage sei, die Einmalkatheterisierung selbst durchzuführen.
Der Anspruch ist auch nicht nach § 37 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen, denn den Eltern der Klägerin war die Übernahme der Pflege während des Kindergartenbesuchs nicht zumutbar. Der Vater der Klägerin ist ganztägig berufstätig. Der nicht berufstätigen Mutter war nicht zuzumuten, täglich eine Wegstrecke von der Wohnung bis zum Kindergarten von 5 km hin und zurück zu bewältigen, zumal sie noch ein weiteres schulpflichtiges Kind nach dessen Schulbesuch zu betreuen hatte. Außerdem wird in dem Schreiben des Universitätsklinikums N vom 24.09.2002 darauf hingewiesen, durch einen regelmäßigen täglichen Besuch der Mutter im Kindergarten werde der Integrations- und Ablöseprozess der Klägerin erschwert. Auch die Beklagte hat offensichtlich die Erbringung der Leistung durch die Mutter nicht für zumutbar gehalten, wie ihre Leistungsbewilligungen bis zum 30.09.2002 zeigen.
2. Die Notwendigkeit (§ 12 Abs. 1 SGB V) der Einmalkatheterisierung im Kindergarten kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, dass die Katheterisierung bei der Grundpflege im Rahmen der Pflegeversicherung berücksichtigt worden sei, so dass insoweit die alleinige Leistungspflicht der Pflegekasse bestehe. Zwar soll nach dem Urteil des BSG vom 30.10.2002 (SozR 3?2500 § 37 Nr. 3 S. 23) grundsätzlich ein dieselbe Maßnahme betreffender Anspruch auf häusliche Krankenpflege entfallen, wenn die krankheitsspezifische Pflegemaßnahme zum Grundpflegebedarf nach § 14 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zu zählen ist, weil sie entweder untrennbarer Bestandteil einer Katalogverrichtung ist oder mit einer solchen Verrichtung objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang steht. Entgegen der Annahme des Sozialgerichts liegen auch die Voraussetzungen für die Einbeziehung der Katheterisierung zum Grundpflegebedarf vor, weil diese mit der Katalogverrichtung "Blasenentleerung" untrennbar verbunden ist (BSG USK 2001-84). Dementsprechend ist auch im Pflegegut-achten vom 18.09.2002 ein täglicher zeitlicher Aufwand von 20 Minuten für die Katheterisierung beim Grundpflegebedarf berücksichtigt worden.
Der Senat hat jedoch bereits in seinen Urteilen vom 04.12.2003 (L 5 KR 23/03; 139/03) Bedenken gegen die Rechtsprechung des BSG geäussert: Diese Rechtsprechung hat in allen Fällen, in denen die Einbeziehung der krankheitsspezifischen Maßnahme in die Grundpflege nicht zu einer höheren Pflegestufe mit weitergehenden Leistungsansprüchen führt, zur Folge, dass die Versicherten medizinischen Hilfebedarf, der nach der gesetzlichen Regelung über § 37 Abs. 2 SGB V abgedeckt werden soll, aus den begrenzten Leistungen der Pflegeversicherung abdecken müssen (Zweifel an der Auffassung des BSG auch bei Udsching, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, 691, 696 f). Der von der Beklagten und dem Beigeladenen für ihre Auffassung benannte Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 13.12.2004 (L 4 KR 340/04 ER) zeigt, zu welchen unangemessenen Ergebnissen die Rechtsprechung des BSG führen kann. Die dortige Versicherte erhielt ein monatliches Pflegegeld von 410,00 Euro, während sich die Kosten für die tägliche Einmalkatheterisierung im Kindergarten auf 13,52 Euro pro Tag beliefen, was bei 23 Bezugstagen im Monat einen Betrag von 310,96 Euro ergab. Das Pflegegeld würde somit zu 75% schon für eine Maßnahme verbraucht werden, deren Sicherstellung an sich über § 37 Abs. 2 SGB V vorgesehen ist.
Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass für eine Maßnahme der Behandlungspflege die Notwendigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V allenfalls dann verneint werden kann, wenn die Berücksichtigung dieser Maßnahme bei der Grundpflege zu einer höheren Pflegestufe führt. Das ist hier nicht der Fall, denn selbst unter Berücksichtigung der Katheterisierung bei der Blasenentleerung mit einem Zeitbedarf von 20 Minuten betrug der Grundpflegebedarf insgesamt 105 Minuten. Die Klägerin erreichte also selbst unter Einbeziehung der Katheterisierung nicht den für die Pflegestufe II erforderlichen Zeitbedarf von 120 Minuten (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI), während andererseits der "sonstige" Pflegebedarf auch ohne die Katheterisierung über dem für die Pflegestufe I erforderlichen Bedarf von 45 Minuten (Nr. 1 aaO) lag.
3. Schließlich stehen dem Anspruch der Klägerin auch nicht die Richtlinien des (früheren) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V vom 16.02.2000 (BAnz. Nr. 91 vom 13.05.2000 (Krankenpflege-RL)) entgegen. Das Verzeichnis der verord-nungsfähigen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege (Anlage der Krankenpflege-RL) sah in dem hier maßgeblichen Zeitraum allerdings in Nr. 23 nur das Einlegen, Entfernen und Wechseln eines transurethralen Dauerkatheters in die Harnblase (alle drei vier Wochen) vor. Erst durch den Beschluss vom 24.03.2003 (BAnz. Nr. 123 vom 08.07.2003) ist die Nr. 23 mit Wirkung vom 09.07.2003 um das Einbringen eines transurethralen Einmalkatheters erweitert worden, allerdings ausdrücklich nur zur Schulung von Patienten in der sachgerechten Anwendung des Einmalkatheters. In der erläuternden Bemerkung wird darauf hingewiesen, dass die Schulungskatheterisierung bei Patienten verordnungsfähig sei, die im Rahmen der vorhergehenden Behandlung nicht ausreichend geschult worden seien und die Fähigkeit besässen, die Selbstkatheterisierung zu erlernen. Die Leistung kann nur für maximal fünf Tage verordnet werden. Nach Abschnitt I Nr. 3 der Krankenpflege-RL werden die verordnungsfähigen Maßnahmen in der Anlage aufgeführt, dort nicht genannte Maßnahmen sind als häusliche Krankenpflege nicht verordnungsfähig. Die Krankenpflege-RL gehen also von einer enumerativen Aufzählung der verordnungsfähigen Maßnahmen aus. Da der Einmalkatheterismus weder in der im streitigen Zeitraum noch in der derzeit geltenden Fassung der Krankenpflege-RL in der Anlage genannt wird, wäre demnach eine entsprechende Verordnung nicht möglich.
Zwar handelt es sich bei den auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 SGB V erlassenen Richtlinien um untergesetzliche Normen, die auch für das Leistungsrecht verbindliche Regelungen treffen können (BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 6 S. 32; Nr. 7 S. 51; BSGE 81, 240, 242). Der Ausschluss der Einmalkatheterisierung als einer medizinisch notwendigen Maßnahme der Behandlungspflege in den Krankenpflege-RL ist jedoch von der Ermächtigungsgrundlage des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, Abs. 7 SGB V nicht gedeckt und verstößt gegen höherrangiges Recht (ebenso der 16. Senat des LSG NRW, Urteil vom 17.03.2005 - L 16 KR 99/04 -). Die Auffassung des Beigeladenen, die Krankenpflege-RL konkretisierten lediglich das aus §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 37 Abs. 2 SGB V folgende Rahmenrecht der Versicherten und legten insoweit den Inhalt des Anspruchs aus § 37 Abs. 2 SGB V im Einzelnen fest, kann der Senat nicht teilen.
§ 92 Abs. 7 SGB V (eingefügt durch das 2. GKV-Neuordnungsgesetz vom 23.06.1997, BGBl. I, 1520) erlaubt nur Regelungen zur Verordnung und deren ärztlicher Zielsetzung sowie zur Zusammenarbeit des verordnenden Arztes mit dem Leistungserbringer und dem Krankenhaus. Um die Regelung solcher Fragen geht es hier aber nicht. Nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ist der Gemeinsame Bundesausschuss ermächtigt, Vorschriften zur Sicherung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung zu erlassen. Die Richtlinien sollen im Sinne der §§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1, 72 Abs. 2 SGB V den allgemeinen Standard für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse festlegen (Hencke in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung - SGB V, § 92 Rn. 5). Aufgabe des Bundesausschusses ist es also, in den Richtlinien die gesetzlichen Ansprüche gesetzeskonform so zu konkretisieren, dass die ärztliche Versorgung gesichert ist. Insoweit mag auch eine inhaltliche Konkretisierung und Begrenzung von behandlungspflegerischen Maßnahmen in Betracht kommen. Das BSG hat jedoch bereits in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Ermächtigung in § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB V dem Bundesausschuss nicht die Befugnis gibt, darüber hinausgehend Leistungsansprüche durch eine inhaltliche Bestimmung leistungsrechtlicher Begriffe zu begrenzen (s. BSGE 81,240, 242 zum Arzneimittelbegriff; BSGE 85, 36, 45 zum Krankheitsbegriff). Ebenso wenig ist der Gemeinsame Bundesausschuss befugt, medizinisch notwendige krankheitsbedingte Pflegemaßnahmen aus dem Bereich der Behandlungspflege herauszunehmen. Selbst nach der Einfügung des Halbsatzes 3 in § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 (BGBl. I, 2190) kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nur Leistungen und Maßnahmen ausschließen, deren Nutzen, Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen ist. Diese Einfügung hat der Gesetzgeber aber nur als "Präzisierung" des Normsetzungsprogramms nach Inhalt, Zweck und Ausmaß gesehen (BT-Drucksache 15/1525 107). Dem Gemeinsamen Bundesausschuss sollte also keine weitergehende Kompetenz eingeräumt werden. Die Regelung dient nur der Klarstellung der Kompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses gegenüber der Verordnungsermächtigung nach § 34 SGB V und mag ihn nun allenfalls ermächtigen, Maßnahmen, die im Grenzbereich von Krankenbehandlung und allgemeiner Lebensführung liegen, unter Abwägung der relevanten medizinischen und finanziellen Verhältnisse aus dem Leistungskatalog herauszunehmen (vgl. insoweit BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 12 S. 66 f).
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Ausschluss der Einmalkatheterisierung damit gerechtfertigt werden könnte, diese Maßnahme sei nicht notwendig oder unwirtschaftlich. Sowohl in dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H als auch in dem Schreiben des Universitätsklinikums N vom 21.08.2003 wird überzeugend dargelegt, dass bei angeborenen oder erworbenen Rückenmarksschädigungen mit daraus resultierender neurogener Blasenentleerungsstörung allein die intermittierende Katheterisierung dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Auch in den von der Beklagten eingeholten Stellungnahmen des MDK ist dies nie in Frage gestellt worden. Die Haltung des Beigeladenen zu dieser Frage ist widersprüchlich und kaum verständlich. Auch er hält in seiner - in einem Parallelverfahren eingeholten und zum Verfahren beigezogenen - Auskunft vom 19.08.2004 bei chronischen Blasenentleerungsstörungen die Einmalkatheterisierung für medizinisch geboten. Dass es insoweit den medizinischen Erkenntnissen entspricht, dass die Versicherten die Eigenkatheterisierung erlernen sollen, berührt nicht die medizinische Erforderlichkeit des Einmalkatheterismus; die vorrangige Durchführung durch den Versicherten selbst berücksichtigt nur die ihm zuzumutende Eingenverantwortung (§ 1 Satz 2 SGB V). Mit der Anerkennung der Einmalkatheterisierung als medizinischem Standard ist es aber unvereinbar, Personen, die aus anatomischen oder intellektuellen Gründen die Eigenkatheterisierung nicht erlernen können, auf einen Dauerkatheter zu verweisen. Die Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 19.08.2004 nennt keinerlei Gründe, weshalb gleichwohl in diesem Fall ein Dauerkatheter dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) entspricht. Der Ausschluss kann auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass häufig eine Fremdkatheterisierung durch Personen aus dem Umfeld der Versicherten in Betracht kommt. Insoweit ergibt sich bereits aus § 37 Abs. 3 SGB V ein Ausschluss auf Leistungen zu Lasten der Krankenkasse; dieser Ausschluss ist anhand der insoweit maßgeblichen Kriterien zu beurteilen (s. in diesem Zusammenhang insbesondere BSG SozR 3-2500 § 37 Nr. 2). Die Möglichkeit einer Fremdkatheterisierung durch Angehörige ist aber kein Grund, generell die Einmalkatheterisierung als verordnungsfähige Maßnahme auszuschließen.
Insbesondere hinsichtlich der Versorgung von Kindern mit Spina bifida kann die Auffassung des Beigeladenen nicht nachvollzogen werden. Insoweit wird in der Auskunft vom 19.08.2004 darauf hingewiesen, dass die jungen Patienten aufgrund bestehender Vereinbarungen in der Anwendung des Einmalkatheters geschult würden, so dass davon auszugehen sei, dass ein großer Teil der Patienten die Einmalkatheterisierung erlernen werden. Kinder mit Spina bifida seien schon im frühen Alter in der Lage, die Einmalkatheterisierung zu erlernen und selbst durchzuführen. Abgesehen davon, dass die Aussage des Beigeladenen in diesem Zusammenhang die wichtige Einschränkung enthält, "sofern es die anatomischen und intellektuellen Voraussetzungen erlauben", kann nach dem Gutachten von Prof. Dr. H üblicherweise erst ab Erreichen der Schulreife die Einmalkatheterisierung erlernt werden (wobei er aber gleichzeitig darauf hinweist, dass Kindern in diesem Alter noch nicht die Eigenverantwortung für die Katheterisierung übertragen werden kann, sondern ihre Beaufsichtigung erforderlich ist). Unabhängig davon, dass es somit schon zahlreiche Versicherte geben wird, die überhaupt nicht in der Lage sind, die Eigenkatheterisierung zu erlernen, würde die Auffassung des Beigeladenen darauf hinauslaufen, dass "zunächst" alle Kinder mit Spina bifida mit einem Dauerkatheter versorgt werden müssten, bevor sie selbst die Katheterisierung erlernen können (der Verweis auf die mögliche Durchführung durch Angehörige kann - wie dargelegt - den Ausschluss nicht rechtfertigen). Ein solches Vorgehen hat Prof. Dr. H ausdrücklich als "schlicht fehlerhaft" bezeichnet. Zur vollends ungereimten Ergebnissen führt der Ausschluss der Einmalkatheterisierung in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Eltern im häuslichen Bereich die Katheterisierung durchführen, die ihnen aber während des Kindergarten- oder Schulbesuches nicht möglich oder unzumutbar ist. Auch aus der Sicht des Beigeladenen wird medizinisch kaum in Betracht kommen, ein Kind nur für die Dauer der Abwesenheit aus dem Haushalt mit einem Dauerkatheter zu versorgen. Sollte, worauf Äußerungen des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vorsitzenden des Unterausschusses Häusliche Krankenpflege hindeuten, der Bundesausschuss sich von der Überlegung hat leiten lassen, dass bei Personen mit Fremdhilfebedarf bei der Katheterisierung wegen der Berücksichtigung dieser Maßnahme bei der Grundpflege im Regelfall ein Leistungsanspruch aus der gesetzlichen Pflegeversicherung bestehe, lägen diese Erwägungen neben der Sache. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann bei einer Entscheidung über Krankenversicherungsleistungen nicht medizinisch erforderliche Leistungen deshalb ausschließen, weil die Versicherten diese auch von einem Träger aus einem anderen Sozialversicherungszweig erlangen können.
Da jedenfalls bei Kindern nach dem Gutachten von Prof. Dr. H die Versorgung mit einem Dauerkatheter sogar als Kunstfehler zu bewerten wäre (also entgegen der Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales vom 12.08.2003 gegenüber dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages keineswegs als ausreichende Versorgung angesehen werden kann), handelt es sich bei der Einmalkatheterisierung um eine medizinisch notwendige Maßnahme im Rahmen der Krankenbehandlung. Deren Wirtschaftlichkeit kann angesichts fehlender Alternativen ungeachtet der hierfür anfallenden Kosten nicht verneint werden. Der völlige Ausschluss der Einmalkatheterisierung in den Krankenpflege-RL ist somit mit dem in §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 37 Abs. 2 SGB V verbürgten Anspruch auf Krankenbehandlung unter Einschluss häuslicher Krankenpflege unvereinbar und damit unbeachtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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