L 1 KR 33/04

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 KR 867/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 33/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Kostenerstattung für eine Haushaltshilfe bei einer chronischen Erkrankung (hier: Epstein-Barr-Virus-Infektion).
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 12. November 2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten einer Haushaltshilfe in Höhe von 1.170,89 Euro zu erstatten hat.

Die 1966 geborene und bei der Beklagten gesetzlich versicherte Klägerin ist alleinerziehende Mutter eines 1995 geborenen Sohnes. In der Zeit vom 3. Mai 2000 bis 30. Juni 2000 versorgte Frau V. K. im Umfang von 5 Tagen pro Woche für jeweils vier Stunden den Haushalt der Klägerin. Diese beantragte am 19. Juni 2000 unter Beifügung einer ärztlichen Bescheinigung von Frau Dr. S. vom 19. Juni 2000 bei der Beklagten die Gewährung einer Haushaltshilfe. Frau Dr. S. wies im Rahmen ihrer ärztlichen Bescheinigung darauf hin, dass die Klägerin ab dem 3. Mai 2000 aufgrund einer chronisch reaktiven Epstein-Barr-Virus-(EBV)-Infektion, eines ausgeprägten Erschöpfungssyndroms und anhaltender fieberhafter Infekte zur Weiterführung ihres Haushalts nur eingeschränkt in der Lage sei. Mit Bescheid vom 4. Juli 2000 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für eine Haushaltshilfe wegen mangelnder medizinischer Notwendigkeit ab. Auf den Widerspruch der Klägerin vom 25. Juli 2000, dem diese ein ärztliches Attest von Frau Dr. S. vom 21. Juli 2000 beifügte, zog die Beklagte von Frau Dr. S. weitere medizinische Unterlagen, unter anderem in Form einer Laboruntersuchung der Dres. H., Prof. Dr. B. und Dr. AM. vom 9. Juni 2000, bei und lehnte nach Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens von Dr. K. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 10. Januar 2001 den Antrag auf Kostenübernahme mit Bescheid vom 23. Januar 2001 erneut ab. Auf den erneuten Widerspruch der Klägerin vom 1. Februar 2001, dem diese eine ärztliche Bescheinigung von Dr. P. vom 27. Februar 2001 beifügte, übernahm die Beklagte nach der Einholung eines weiteren Gutachtens von Dr. K. vom 1. März 2001 mit Bescheid vom 19. April 2001 für die Zeit vom 24. Mai 2000 bis 31. Mai 2000 und vom 19. Juni 2000 bis 25. Juni 2000 die Kosten einer Haushaltshilfe in Höhe von 209,60 Euro. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2001 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin im Übrigen zurück.

Die Klägerin hat hiergegen am 15. Mai 2001 Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben und weiterhin die Auffassung vertreten, dass ihr in dem gesamten Zeitraum vom 3. Mai 2000 bis 30. Juni 2000 und nicht nur in den von der Beklagten anerkannten zwei Wochen die Kosten einer Haushaltshilfe zu erstatten seien. Die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung sei willkürlich und bei der bei ihr zugrunde liegenden chronischen Erkrankung nicht nachvollziehbar. Ihr im streitigen Zeitraum gleichbleibend schlechter Gesundheitszustand sei durch die vorgelegten Unterlagen von Frau Dr. S. und Dr. P. belegt. Die Beklagte ist demgegenüber bei ihrer Rechtsauffassung geblieben. Nach den Angaben von Frau Dr. S. habe die Klägerin sie am 24. Mai 2000 wegen einer Angina und am 19. Juni 2000 wegen eines Infekts, Halsschmerzen und Fieber, aufgesucht. Zu Gunsten der Klägerin sei unterstellt worden, dass diese für jeweils eine Woche nicht in der Lage gewesen sei, ihren Haushalt zu führen. Für weitere akute Erkrankungen bestünden keine Anhaltspunkte. Die bei der Klägerin vorliegende chronische Erkrankung könne keinen Anspruch auf die Gewährung einer Haushaltshilfe begründen. Das Sozialgericht hat der Klägerin mit Beschluss vom 1. August 2002 Prozesskostenhilfe bewilligt und Befundberichte bei Dr. VL., Dr. M., Dr. P. und bei Frau Dr. S. eingeholt. Mit Urteil vom 12. November 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass eine Leistungsgewährung lediglich bei akuten Schüben einer chronischen Erkrankung in Betracht komme. Auf der Grundlage der beigezogenen medizinischen Unterlagen hätten solche jedoch lediglich in den von der Beklagten bereits anerkannten Zeiträumen vorgelegen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung vor dem 19. Juni 2000 scheitere zudem daran, dass der Antrag vom 19. Juni 2000 und die ärztliche Verordnung vom 19. Juni 2000 auch in der Vergangenheit liegende Zeiträume umfassen würden. Eine vorherige Beantragung und Bewilligung aller Sachleistungen entspreche nach § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) dem Regelprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung. Im vorliegenden Fall sei es der Beklagten ansonsten verwehrt, den Anspruch auf Haushaltshilfe als Sachleistung zu erfüllen.

Gegen dieses, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 9. Februar 2004 zugestellte Urteil, hat die Klägerin am 9. März 2004 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren. Ergänzend weist sie darauf hin, dass auch Dr. K. vom MDK im Rahmen des sozialmedizinischen Gutachtens vom 10. Januar 2001 ausgeführt habe, dass im Allgemeinen die Erkrankung nach einigen Wochen folgenlos abheile. Selbst der MDK sei also nicht davon ausgegangen, dass sie nur für jeweils eine Woche unter einem akuten Schub gelitten habe. Auch hätte sie den entsprechenden Antrag auf die Gewährung einer Haushaltshilfe rechtzeitig gestellt, wenn ihr bereits früher der Anspruch auf die Gewährung einer Haushaltshilfe bekannt gewesen wäre. Insoweit sei von Seiten der Beklagten keine Beratung erfolgt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 12. November 2003 und die Bescheide der Beklagten vom 4. Juli 2000 und vom 23. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2001 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten einer Haushaltshilfe in der Zeit vom 3. bis 23. Mai 2000, vom 1. bis 18. Juni 2000 und vom 26. bis 30. Juni 2000 in Höhe von 1.170,89 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Das Gericht hat der Klägerin mit Beschluss vom 16. Juli 2004 Prozesskostenhilfe bewilligt und ein internistisch-arbeitsmedizinisches Gutachten bei Dr. C. in Auftrag gegeben. Dr. C. kommt im Rahmen seines Sachverständigengutachtens vom 26. November 2004 nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis, dass diese im Mai und Juni 2000 aufgrund ihrer Gesundheitsstörungen nicht an der Weiterführung ihres Haushaltes gehindert gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese hat keinen Anspruch auf die Erstattung der Kosten für eine Haushaltshilfe in dem Zeitraum vom 3. Mai bis 23. Mai 2000, vom 1. Juni bis 18. Juni 2000 und vom 26. Juni bis 30. Juni 2000. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs ist § 38 Abs. 4 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 38 Abs. 2 SGB V und § 23 Abs. 1 der Satzung der Beklagten vom 1. Januar 1989 in der Fassung des 35. Nachtrages (Stand: 1. Januar 2000). Nach § 38 Abs. 4 Satz 1 SGB V sind den Versicherten die Kosten für eine selbst beschaffte Haushaltshilfe in angemessener Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse keine Haushaltshilfe stellen kann oder Grund besteht, davon abzusehen. Ob für die Zeit vor dem 19. Juni 2000 ein Kostenerstattungsanspruch bereits wegen der fehlenden vorherigen Antragstellung der Klägerin scheitert oder eine solche nicht erforderlich ist, weil unter Umständen von vornherein ein Grund vorgelegen hat, von einer Sachleistung abzusehen (BSG, Urteil vom 16. November 1999 - B 1 KR 16/98 R -, SozR 3-2500 § 38 Nr. 2) kann im vorliegenden Fall offen bleiben.

Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Haushaltshilfe sowohl als Sachleistung als auch im Wege der Kostenerstattung liegen nicht vor.

Nach § 38 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten vom 1. Januar 1989 in der Fassung des 35. Nachtrages vom 1. Januar 2000 erhalten Versicherte Haushaltshilfe, sofern ihnen wegen einer akuten Erkrankung die Weiterführung des Haushaltes nicht möglich ist. Voraussetzung für die Gewährung einer Haushaltshilfe ist ferner, dass im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 SGB V i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Beklagten vom 1. Januar 1989 in der Fassung des 35. Nachtrages vom 1. Januar 2000).

In dem streitigen Zeitraum war die Klägerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht an der Weiterführung ihres Haushaltes gehindert. Bei der Beurteilung des gesundheitlichen Leistungsvermögens der Klägerin stützt sich der Senat auf das internistisch-arbeitsmedizinische Sachverständigengutachten von Dr. C. vom 26. November 2004. Das Gutachten ist in sich schlüssig, widerspruchsfrei und für den Senat nachvollziehbar, da es auf der Grundlage einer eingehenden Untersuchung der Klägerin und unter Würdigung der beigezogenen medizinischen Unterlagen erstellt wurde. Nach Dr. C. besteht bei der Klägerin aktuell keine objektivierbare Erkrankung, die sie daran hindern würde, leichte und auch mittelschwere körperliche Arbeiten auszuüben. Lediglich eine geringgradig beeinträchtigte lymphozytäre Immunkompetenz, ein abgelaufener EBV-Infekt und eine Neigung zu Streptokokkeninfekten konnten von Dr. C. im Rahmen der Untersuchung festgestellt werden. Auch im streitigen Zeitraum war nach Dr. C. die objektive Befundsituation ähnlich gelagert. Die im Jahr 2000 von der Klägerin geschilderte massive Zunahme der Beschwerdesymptomatik konnte während des stationären Aufenthalts der Klägerin im Krankenhaus H. in B. vom 24. Juli bis 4. August 2000 nicht objektiviert werden. So waren dort bis auf eine diskrete Leukopenie, eine leicht erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit und ein leicht erhöhtes Bilirubin keine pathologischen Laborwerte festzustellen. Die Klägerin war bis auf die geklagten Halsschmerzen beschwerdefrei, befand sich in gutem Allgemeinzustand und pathologisch vergrößerte Lymphknoten in Bereich von Nacken, Hals, Axilla und Leiste waren nicht palpabel. Bereits im September 2000 fanden sich nach Dr. C. bei der Klägerin keine IgM-Antikörper im Sinne einer frischen EBV-Infektion und ausweislich der Laboruntersuchung durch die Dres. H., Prof. Dr. B., Dr. AM. am 13. Juni 2000 ergaben sich serologisch keine Hinweise auf eine akute Erkrankung der Klägerin. Auch Frau Dr. S. berichtet im Rahmen ihres im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Befundberichts von einer Arbeitsunfähigkeit der Klägerin erst ab dem 24. Mai 2000. Nach der Auffassung des Senats besteht für eine weitere Begutachtung der Klägerin auf einem anderen, insbesondere nervenfachärztlichen Fachgebiet in Übereinstimmung mit Dr. C. ausweislich der aktenkundigen ärztlichen Befunde und dem Vortrag der Klägerin keine Veranlassung.

Auch die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 SGB V, wonach Versicherte Haushaltshilfe erhalten, wenn ihnen wegen Krankenhausbehandlung oder wegen einer anderen in der Vorschrift genannten medizinischen Maßnahme die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist, sind mangels entsprechender stattgefundener Maßnahmen hier nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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