L 5 ER 57/05 KR

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 7 ER 76/05 KR
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 ER 57/05 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Krankenkassenverbände sind nicht berechtigt, unter Umgehung des § 129 SGB V mit anderen natürlichen oder juristischen Personen als den Apothekerverbänden Vereinbarungen über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch Apotheken (sog „Ad-on-Verträge“) abzuschließen.
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 7.6.2005 abgeändert. Der Antrag der Antragstellerin zu 2 wird als unzulässig abgelehnt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegner haben die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen des Antragstellers zu 1 zu jeweils 1/4 zu erstatten. Die Antragstellerin zu 2 hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner zu Hälfte zu erstatten. Im Übrigen findet eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten nicht statt. Von den Gerichtskosten beider Instanzen tragen die Antragstellerin zu 2 die Hälfte und die Antragsgegner jeweils 1/8.

3. Der Streitwert wird auf 50.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Umstritten ist, ob die Antragsteller gegen die Antragsgegner einen Anspruch auf Unterlassung des Vollzugs der zwischen diesen und der Firma p -D.com GmbH getroffenen "Vereinbarung über die Arzneimittelversorgung durch BKK-IKK-LKK Partnerapotheken" und "Vereinbarung über den Arzneimittelversand durch BKK-IKK-LKK Versand-Partnerapotheken" (sog "Ad-on-Verträge"; im Folgenden: Vereinbarungen) in der Fassung vom 14.2.2005 haben. Diese Vereinbarungen sind an die Stelle von Verträgen vom 1.12.2004 getreten, welche die Antragsgegner mit den Firmen M -P GmbH & Co KG bzw p -D.com GmbH geschlossen hatten.

Der Antragsteller zu 1 ist der Spitzenverband der Apotheker im Land Rheinland-Pfalz; die Antragstellerin zu 2 ist eine rheinland-pfälzische Apothekerin. Die Antragsgegner sind Landesverbände gesetzlicher Krankenkassen. Apotheken, die den von diesen getroffenen Vereinbarungen vom 14.2.2005 beitreten, sollen "BKK-IKK-LKK Partnerapotheken" bzw "BKK-IKK-LKK Versand-Partnerapotheken" werden. Sie können sich gegen eine monatliche Gebühr von 198,-- EUR einem Netzwerk unter der Regie der Firma p -D.com GmbH anschließen, das dazu dient, die nach den Vereinbarungen vorgesehenen Qualitätssicherungsmaßnahmen durchzuführen. Nach der von den Antragstellern bestrittenen Behauptung der Antragsgegner ist der Anschluss an das Netzwerk nicht Voraussetzung dafür, dass die Apotheke "BKK-IKK-LKK Partnerapotheke" bzw "BKK-IKK-LKK Versand-Partnerapotheke" werden kann.

Am 18.5.2005 haben die Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Mainz einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, den Antragsgegnern zu untersagen, die getroffenen Vereinbarungen zu vollziehen und zu erfüllen sowie für den Beitritt von Betriebskrankenkassen zu diesen Vereinbarungen zu werben bzw deren Beitritt entgegenzunehmen.

Unter dem 7.6.2005 hat das Sozialgericht (SG) beschlossen:
1. Den Antragsgegnern, und zwar jedem für sich, wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes von 50.000,-- EUR für jeden Fall des Zuwiderhandelns, ersatzweise Ordnungshaft von drei Monaten, zu vollziehen an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern, untersagt,
die zwischen den Antragsgegnern einerseits und der p -D.com GmbH andererseits geschlossene "Vereinbarung über die Arzneimittelversorgung durch BKK-IKK-LKK Partnerapotheken" vom 14.2.2005 zu vollziehen oder zu erfüllen;
die zwischen den Antragsgegnern einerseits und der p -D.com GmbH bzw der M -P GmbH & Co KG andererseits geschlossene "Vereinbarung über den Arzneimittelversand durch BKK-IKK-LKK Partnerapotheken" zu vollziehen oder zu erfüllen.
2. Den Antragsgegnern zu 1 und 2 und zwar jedem für sich, wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes von 50.000,-- EUR für jeden Fall des Zuwiderhandelns, ersatzweise Ordnungshaft von drei Monaten, zu vollziehen an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern, untersagt,
für den Beitritt von Betriebskrankenkassen zu den von den Antragsgegnern einerseits und der p -D.com GmbH geschlossenen
(1) "Vereinbarung über die Arzneimittelversorgung durch BKK-IKK-LKK Partnerapotheken" und/oder
(2) "Vereinbarung über den Arzneimittelversand durch BKK-IKK-LKK Partnerapotheken"
zu werben;
und/oder
den Beitritt von Betriebskrankenkassen zu der von den Antragsgegnern einerseits und der p -D.com GmbH andererseits geschlossenen
(1) "Vereinbarung über die Arzneimittelversorgung durch BKK-IKK-LKK Partnerapotheken"
(2) "Vereinbarung über den Arzneimittelversand durch BKK-IKK-LKK Partnerapotheken"
entgegenzunehmen und das sich aus einem solchen Beitritt ergebende Rechtsverhältnis zu vollziehen.

Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die Antragsgegner seien aufgrund der abschließenden Regelung des § 129 SGB V nicht berechtigt gewesen, die streitbefangenen Vereinbarungen zu treffen. Nach dieser Vorschrift komme dem Antragsteller zu 1 als Spitzenverband der Apotheker eine Monopolstellung für den Abschluss des Rahmenvertrages und ergänzender Verträge zu (Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG -, 25.9.2001, B 3 KR 3/01 R). Ob die Monopolstellung für den Abschluss von ergänzenden Verträgen jegliche das Gebiet der Arzneimittelversorgung betreffende Verträge ausschließe, könne dahinstehen, da die hier betroffenen Verträge - speziell deren § 7 Satz 1 - die uneingeschränkte Geltung der vom Antragsteller zu 1 getroffenen Vereinbarungen nicht garantierten. In die Rechte der Antragstellerin zu 2 werde durch die Vereinbarungen ebenfalls eingegriffen. Denn diese müsste bei deren Durchführung befürchten, dass durch die unterschiedliche Abrechnungsmöglichkeit der konkurrierenden "BKK-IKK-LKK Partnerapotheken" eigene Kunden verprellt würden. Auch ein ausreichender Anordnungsgrund liege vor. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Rechtswidrigkeit der getroffenen Vereinbarungen offen zutage trete.

Gegen diesen ihnen am 13.6.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 22.6.2005 beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz eingelegte Beschwerde der Antragsgegner, der das SG nicht abgeholfen hat. Die Antragsgegner tragen vor: Die Vereinbarungen bewegten sich außerhalb des Regelungsregimes des § 129 SGB V. Mit ihnen sei keine Ergänzung der nach § 129 Abs 5 SGB V geschlossenen Verträge beabsichtigt gewesen. Vielmehr hätten sie, die Antragsgegner, einen von den Vertragsabschlusskompetenzen nach § 129 SGB V unberührten Freiraum ausgefüllt. Dies gelte speziell für die Regelung des § 7 Abs 1 der Vereinbarungen, betreffend die Umsetzung der nach § 130a Abs 8 SGB V mit den pharmazeutischen Unternehmen geschlossenen Rabattverträge. Damit der Kostendämpfungsmechanismus des § 130a Abs 8 SGB V funktioniere, müsse der Apotheker veranlasst werden dürfen, an die Versicherten mit selektivvertraglichen Sonderrabatten belegte Arzneimittel verstärkt abzugeben. Die Arzneimittelsicherheit werde durch die umstrittenen Regelungen nicht gefährdet. Die Vereinbarungen verstießen auch nicht gegen § 10 Apothekengesetz (ApoG). In Rechte der Antragstellerin zu 2 sei durch sie schon deshalb nicht eingegriffen worden, weil diese die Teilnahme konkurrierender Berufskollegen an den Vereinbarungen hinnehmen müsse. Eine Rechtsverletzung des Antragstellers zu 1 durch den allein für das Land Hessen zuständigen Antragsgegner zu 2 komme nicht in Betracht, weil der Antragsteller zu 1 nicht Vertragspartner für Arzneimittelversorgungsverträge in Hessen sei. Im Übrigen fehle es an einem Anordnungsgrund.

II.

Die nach §§ 171, 172 SGG zulässige Beschwerde ist insoweit begründet, als der Antrag der Antragstellerin zu 2) in vollem Umfang und der Antrag des Antragstellers zu 1) gegen den Antragsgegner zu 2 unzulässig sind. Im Übrigen hat die Beschwerde keinen Erfolg.

1.
Der Antrag der Antragstellerin zu 2 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig. Für die Antragsbefugnis (die der Klagebefugnis im Hauptsacheverfahren entspricht; Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 86b Rz 8) bei der Unterlassungsklage ist § 54 Abs 1 Satz 2 SGG entsprechend anwendbar (aaO, § 54, Rz 42a). Unzulässig ist eine Klage im Hauptsacheverfahren bzw ein Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, wenn unter Zugrundelegung des Vorbringens des Klägers bzw Antragstellers eine Verletzung eigener Rechte offensichtlich und eindeutig nicht in Betracht kommt (aaO, § 54, Rz 13). Da hinsichtlich der in Rede stehenden Vereinbarungen unmittelbar nur der Antragsteller zu 1 betroffen ist, richtet sich die Antragsbefugnis bezüglich der Antragstellerin zu 2 nach den Grundsätzen der möglichen Drittbetroffenheit, wobei bei der Unterlassungsklage die Grundsätze für andere Klagearten (vgl aaO, § 54, Rz 14 – 14 i; § 55 Rz 15c – e) entsprechend gelten. Vorliegend kommt ein Anspruch der Antragstellerin zu 2 auf das begehrte Unterlassen der Antragsgegner von vornherein nicht in Betracht, weil aus der sich aus § 129 SGB V ergebenden Monopolposition der Apothekerverbände (dazu unten bei 4.) kein eigenes subjektives Recht der einzelnen Apotheker erwächst. Dies ergibt sich aus der Zweckbestimmung des § 129 SGB V, der allein der Erhaltung der Arzneimittelsicherheit und der Sicherung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, nicht aber den wirtschaftlichen Interessen der Apotheker, speziell dem Schutz vor Konkurrenz, dient.

2.
Die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 1 begegnet demgegenüber keinen Bedenken. Dies gilt auch für den Antrag gegen den Antragsgegner zu 2, der gemeinsam mit den übrigen Antragsgegnern die in Rede stehenden Vereinbarungen getroffen hat. Wie die Antragsteller zutreffend dargelegt haben, liegt die Möglichkeit nahe, dass Versicherte von Mitgliedskrankenkassen des Antragsgegners zu 2, beispielsweise Beschäftigte, die in das Rhein-Main-Gebiet pendeln und bei Hessischen Betriebskrankenkassen versichert sind, Arzneimittel von rheinland-pfälzischen Apotheken beziehen. In solchen Fällen droht eine Verletzung der Monopolposition des Antragstellers zu 1 durch die Antragsgegnerin zu 2.

3.
Im Übrigen ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig und begründet. Gemäß § 86 b Abs 2 Satz 1 SGG sind einstweilige Anordnungen in Bezug auf den Streitgegenstand zulässig, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog Sicherungsanordnung). Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten: Wenn die Klage im Hauptsacheverfahren offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, ist ein Recht, das geschützt werden müsste, nicht vorhanden; der Antrag auf eine einstweilige Anordnung ist in diesem Fall, auch wenn ein Anordnungsgrund vorliegt, abzulehnen (LSG Thüringen 2.4.2002, L 6 KR 145/02 ER Breithaupt 2002, 684). Ist die Klage im Hauptsacheverfahren offensichtlich zulässig und begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund (vgl LSG Niedersachsen-Bremen 20.10.2003, L 15 AL 23/03 ER, SGb 2004, 44) und ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung häufig stattzugeben (vgl LSG Thüringen, aaO; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, § 123, Rz 25), wobei allerdings auch in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist eine Interessenabwägung erforderlich. Die einstweilige Anordnung wird dann erlassen, wenn dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (Bayerisches LSG 17.12.1999, L 12 B 359/99 KA ER, Breithaupt 00, 245; LSG Nordrhein-Westfalen 25.2.2002, L 5 B 3/02 KR ER, NZS 2002, 498). Abzuwägen sind in diesem Fall die Folgen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich aber im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch besteht, und auf der anderen Seite entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich aber im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch nicht besteht (LSG Berlin, 28.1.2003, L 9 B 20/02 KR ER W 02 I).

4.
Bei der gebotenen summarischen Prüfung des Sach- und Streitstandes hat der Antragsteller zu 1 gegen die Antragsgegner den geltend gemachten Unterlassungsanspruch. Denn die Krankenkassenverbände waren zum Abschluss der umstrittenen Vereinbarungen nicht berechtigt. Rechtlich relevant sind insoweit die Vereinbarungen mit der Firma p -D.com GmbH vom 14.2.2005. Nach § 22 Abs 1 Satz 1 der Vereinbarungen vom 14.2.2005 treten diese Verträge an die Stelle der Vereinbarungen vom 1.12.2004, an denen auch die Firma M -P GmbH & Co KG beteiligt war.

Gemäß § 129 Abs 2 SGB V regeln die Spitzenverbände der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker in einem gemeinsamen Rahmenvertrag das Nähere hinsichtlich der in Abs 1 dieser Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen der Abgabe verordneter Arzneimittel. Nach § 129 Abs 5 Satz 1 SGB V können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene ergänzende Verträge schließen. Mit diesen Vorschriften wollte der Gesetzgeber der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen der Apotheker gebildeten Spitzenorganisation bzw Organisation auf Landesebene die ausschließliche Befugnis für den Abschluss solcher Verträge einräumen (hierzu und zum Folgenden: BSG, 25.9.2001, B 3 KR 3/01 R, SozR 3-2500 § 69 Nr 1; LSG Nordrhein-Westfalen, 20.09.2004, L 16 B 4/04 KR ER). Nach § 129 SGB V kommt diesen Apothekerorganisationen hiernach eine Monopolstellung in Bezug auf den Abschluss von Rahmenverträgen und ergänzenden Verträgen zur Arzneimittelversorgung zu. Diese vom Gesetz eingeräumte Sonderstellung beruht auf der ausschließlichen gesetzlichen Befugnis von Apothekern zur Abgabe von apothekenpflichtigen Arzneimitteln (§ 1 ApoG). Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung der Arzneimittelsicherheit und der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung einen besonders hohen Rang eingeräumt, weshalb beim Nichtzustandekommen von Rahmenverträgen über die Arzneimittelversorgung sogar ein Ersatz durch eine Schiedsstellenentscheidung vorgesehen ist (§ 129 Abs 7 und 8 SGB V). Entgegen der Auffassung der Antragsgegner beziehen sich die Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 25.9.2001 (aaO) nicht nur auf das Verhältnis der Spitzenorganisation der Apotheker zu Hilfsmittelerbringern, sondern allgemein auf die Rechtsstellung der Apothekerorganisationen. Dass ausschließlich diese die Spitzenorganisation der Apotheker (§ 129 Abs 2 SGB V) bzw die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen der Apotheker auf Landesebene (§ 129 Abs 5 SGB V) zuständige Organisation darstellen, ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig.

Aus alledem folgt, dass die Krankenkassenverbände nicht zum Abschluss von Verträgen mit anderen natürlichen oder juristischen Personen berechtigt sind, welche entweder einem der nach §§ 129 Abs 2, 5 SGB V geschlossenen Verträge widersprechen oder ebenfalls Rahmenverträge oder ergänzende Verträge im Sinne dieser Vorschriften darstellen. Sie sind auch nicht berechtigt, mit den Bestimmungen des Rahmenvertrags oder eines ergänzenden Vertrages - hier des von den Krankenkassenverbänden mit dem Kläger geschlossenen Arzneiliefervertrages - ganz oder weitgehend inhaltsgleiche Vorschriften als eigene Regelungen in eine Vereinbarung aufzunehmen. Gerade dies ist aber in den vorliegend getroffenen Vereinbarungen in vielfältiger Hinsicht geschehen, wie die Antragsteller in dem Schriftsatz vom 12.5.2005 zutreffend im Einzelnen dargelegt haben. Dafür dass die insoweit einschlägigen Bestimmungen der Vereinbarungen nur "deklaratorische" Bedeutung haben, ist aus den Vereinbarungen nichts ersichtlich. Den in diesen enthaltenen, ganz oder teilweise aus dem Rahmenvertrag oder dem Arzneiliefervertrag entnommenen Regelungen kommt im Übrigen schon deshalb eine eigenständige rechtserhebliche Bedeutung zu, weil die Vereinbarungen nach deren § 22 Abs 1 Satz 2 auf unbestimmte Zeit geschlossen wurden und deren Laufzeit nicht an die Geltung des derzeit in Kraft befindlichen Rahmenvertrages und Arzneiliefervertrages gekoppelt ist.

5.
Die mit der Firma p -D.com GmbH geschlossenen Vereinbarungen gehen, wie sich aus deren § 1 Satz 2 ergibt, von einem Vorrang ("soweit in dieser Vereinbarung nichts Ergänzendes geregelt ist") gegenüber dem Rahmenvertrag und dem Arzneiliefervertrag aus, was im Hinblick auf § 129 SGB V rechtlich nicht zulässig ist. Die in Rede stehenden Vereinbarungen enthalten Regelungen, die nicht im Einklang mit denjenigen des Arzneiliefervertrages stehen. Dazu folgende Beispiele:

a)
§ 7 Abs 1 der Vereinbarungen weicht von § 4 des Rahmenvertrages idF der Schiedsentscheidung vom 5.4.2004 und von § 3 des Arzneiliefervertrages ab. In den beiden zuletzt genannten Vorschriften ist geregelt, nach welchen Kriterien der Apotheker die Arzneimittel auszuwählen hat, die er zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgibt. In § 7 Abs 1 der Vereinbarungen ist bestimmt: "Soweit die Krankenkassenverbände mit pharmazeutischen Unternehmen Herstellerrabatte nach § 130a Abs 8 SGB V vereinbart haben, unterstützt die Apotheke (hinsichtlich der Vereinbarung über den Arzneimittelversand: die Versand-Apotheke) aktiv im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten die aufgrund § 130 a Abs 8 SGB V geschlossenen Rabattverträge bei der Arzneimittelabgabe , aut idem gemäß § 129 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V, soweit dies dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht widerspricht." Mit dieser Vorschrift wurde der in den genannten Vorschriften des Rahmenvertrages und des Arzneiliefervertrages erfasste Regelungsbereich hinsichtlich der Auswahl der Arzneimittel in entscheidender Hinsicht modifiziert, wobei es keine entscheidende Rolle spielt, dass dem Apotheker in § 7 Abs 1 der Vereinbarungen keine bestimmte konkrete Verhaltensweise im Einzelfall zwingend vorgeschrieben wird.

Ohne Erfolg wenden die Antragsgegner in diesem Zusammenhang ein, zur praktischen Umsetzung der Regelung des § 130 a Abs 8 SGB V (Rabatte durch pharmazeutische Unternehmen) bedürfe es einer Beteiligung der Apotheken dergestalt, dass diese angehalten werden, vornehmlich Medikamente abzugeben, bei denen pharmazeutische Unternehmen einen Rabatt eingeräumt haben. Eine Notwendigkeit des Mitwirkens der Apotheker an der Umsetzung der Vorgaben des § 130 a Abs 8 SGB V ist dieser Vorschrift nicht zu entnehmen. Dass die bevorzugte Abgabe kostengünstiger Medikamente für die Krankenkassen im Interesse der Kosteneinsparung wünschenswert ist, vermag de lege lata nicht die von den Krankenkassenverbänden gewählte Verfahrensweise unter Ausschluss der Beteiligung des Antragstellers zu 1 zu rechtfertigen. Davon, dass die Regelung des § 130 a Abs 8 SGB V ohne die von den Krankenkassenverbänden gewünschte Einbeziehung der Apotheker von vornherein leer laufen würde, kann keine Rede sein.

Ohne Erfolg stützen sich die Antragsgegner auf den in § 70 Abs 1 SGB V normierten Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Dieser stellt nicht die einzige Leitlinie dar, nach der in der gesetzlichen Krankenversicherung zu verfahren wäre, sondern steht in einem Spannungsverhältnis zu dem ebenfalls in § 70 Abs 1 SGB V festgelegten Prinzip der ausreichenden Krankenversorgung. Welcher dieser Grundsätze im jeweiligen Zusammenhang vorrangig ist, ist - je nach dem betreffenden Regelungskomplex - den Einzelregelungen des SGB V zu entnehmen. Soweit es das Monopol des Antragstellers zu 1 im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 129 SGB V anbetrifft, hat der Gesetzgeber dem Grundsatz der Arzneimittelsicherheit den Vorrang vor der Möglichkeit des Krankenversicherungsträgers, durch Verhandlungen mit konkurrierenden Anbietern günstigere Vertragsbedingungen zu erhalten, eingeräumt. Die alleinige Zuständigkeit der Apothekerverbände - auf Seiten der Apotheker - auch für Regelungen, die der Verwirklichung des Wirtschaftlichkeitsprinzips dienen, ergibt sich im Übrigen aus § 129 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V, wonach in dem Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V Regelungen vereinbart werden, die zusätzliche Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen.

b)
Ferner weicht die in § 5 Abs 1 der Vereinbarungen mit der Firma p -D.com GmbH bestimmte Importquote von § 5 Abs 3 des Rahmenvertrages ab. Diese Quote wird nach den Vereinbarungen mit der Firma p -D.com GmbH auf der Grundlage "aller Verordnungen", dh einschließlich der verordneten, nicht fertigen Arzneimittel, berechnet, während nach § 5 Abs 3 des Rahmenvertrags Berechnungsgrundlage nur der Umsatz mit Fertigarzneimitteln ist.

c)
Bei dieser Sachlage kommt es nicht entscheidend darauf an, ob § 7 Abs 1 der Vereinbarungen gegen § 10 ApoG verstößt. Unerheblich ist ferner, ob die - von den Antragstellern bestrittene - Behauptung der Antragsgegner zutrifft, auch solche Apotheker, die nicht die monatliche Gebühr von 198, EUR an die Firma p -D.com GmbH zahlen, könnten "BKK-IKK-LKK Partnerapotheken" bzw "BKK-IKK-LKK Versand-Partnerapotheken" werden.

6.
Auch ein Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung liegt vor. Denn ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung würden die Antragsgegner bis zur Rechtskraft einer Hauptsacheentscheidung der in § 129 SGB V normierten Monopolstellung des Antragstellers zu 1 zuwiderhandeln, was Konsequenzen für dessen Mitgliederbestand haben, aber auch zB dessen Verhandlungsposition bei zukünftigen Arzneilieferungsverträgen beinträchtigen könnte. In Anbetracht dessen und der eindeutigen Rechtswidrigkeit der Vereinbarungen ist bei Abwägung aller rechtserheblicher Umstände der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sachgerecht.

7.
Der angefochtene Beschluss ist auch hinsichtlich der Androhung von Ordnungsgeld, hilfsweise Ordnungshaft rechtmäßig (§ 198 Abs 1 SGG iVm § 890 Zivilprozessordnung ZPO ).
8.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG. Da die Antragsgegner, die Streitgenossen sind, teilweise obsiegt haben und teilweise unterlegen sind, ist die Entscheidung über die Gerichtskosten einerseits und die außergerichtlichen Kosten (in ergänzender Heranziehung des § 100 Zivilprozessordnung - ZPO -) andererseits nach der sog "Baumbach´schen Formel" zu trennen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig, aaO, § 197a, Rz 23; Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 62. Auflage, § 100 Rz 51; Putzo in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Auflage, § 100, Rz 15). Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten gilt: Die Antragstellerin zu 2, die unterlegen ist, hat ihre Kosten selbst zu tragen. Die Antragsgegner, die gegen die Antragstellerin zu 2 obsiegt haben, haben Anspruch gegen diese auf Erstattung der Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten. Der Antragsteller zu 1, der obsiegt hat, hat Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten (dh von ½ der Kosten der mit der Antragstellerin zu 2 gemeinsamen Prozessbevollmächtigten; vgl Oberlandesgericht - OLG - Dresden, NJW-RR 1999, 293; Putzo, aaO, Rz 18). Von den Gerichtskosten beider Instanzen tragen die unterlegene Antragstellerin zu 2 die Hälfte und die ebenfalls unterlegenen Antragsgegner insgesamt ebenfalls ½, dh jeweils 1/8.
Der Streitwert ist im Hinblick auf die Höhe des angedrohten Ordnungsgeldbetrages mit 50.000,-- EUR festzusetzen.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde beim Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).

Berichtigungsbeschluss:

Der Beschluss vom 25.07.2005 wird insoweit gemäß § 142 Abs. 1 i.V.m. § 138 SGG berichtigt, als auf Seite 6 II. 1. Absatz die Worte "in vollem Umfang und der Antrag des Antragstellers zu 1. gegen den Antragsteller zu 2" entfallen und statt des Wortes "sind" das Wort "ist" aufgenommen wird.

Gründe:

Das Versehen des Senats war von Amts wegen zu berichtigen.
Rechtskraft
Aus
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