L 6/10 AL 1404/01

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 9 AL 271/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6/10 AL 1404/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Trainingsmaßnahme ist einem Arbeitslosen jedenfalls dann nicht mehr zumutbar, wenn mehr als die Hälfte des Unterrichtsinhaltes diesen Arbeitslosen krass unterfordert. Es ist einem Arbeitslosen nicht zumutbar, an einer Trainingsmaßnahme teilzunehmen, wenn von sechs Wochen allein vier Wochen sich mit fachlichen Unterrichtsinhalten für Anfänger befassen, wenn der Arbeitslose vertiefte Kenntnisse des Fachgebietes hat, und nur zwei Wochen ein Bereich unterrichtet wird, der geeignet ist, die Eingliederungaussichten des Arbeitslosen zu verbessern. Wird ein Arbeitsloser ohne Rücksicht auf seinen Kenntnisstand von der Beklagten in irgendeine Maßnahme gesteckt und kann er sich wegen einer drohenden Sperrzeit nicht dagegen zu Wehr setzen, wird er zum reinen Objekt staatlichen Handelns und es fehlt die Angemessenheit der Maßnahme im Sinne des § 48 Abs. 1 Nr. 1 SGB 3.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 11. Juni 2001 sowie der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2001 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Es geht in dem Rechtsstreit um eine Sperrzeit von 3 Wochen für die Zeit vom 16. Januar bis zum 5. Februar 2001 wegen Nichtteilnahme an einer Trainingsmaßnahme für IT-Berufe.

Der 1960 geborene Kläger absolvierte nach verschiedenen kürzeren Beschäftigungsverhältnissen und Zeiten der Arbeitslosigkeit vom 1. April 1980 bis zum 30. Juni 1981 den Grundwehrdienst. In der Folgezeit wechselten Zeiten der Beschäftigung mit Zeiten des Leistungsbezuges bei der Beklagten. Ab November 1984 bis September 1986 war der Kläger bei den US-Streitkräften in G. als Wachgruppenführer beschäftigt, arbeitete anschließend als Verkäufer für Microcomputer und Büromaschinen im Warenhaus in D. und war sodann bis zum 30. Oktober 1988 als Geschäftsstellenleiter bei der D. Filiale der L. GmbH (Computer und Softwaremarkt) tätig. Die Kündigung erfolgte durch die Arbeitgeberin mit Hinweis auf die Auflösung der Geschäftsstelle in D ... Im Anschluss bezog der Kläger Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, arbeitete von Dezember 1989 bis März 1990 als PC-Verkäufer bei der H. OHG in D., bezog Arbeitslosenhilfe von April 1990 bis Februar 1991, meldete sich ab 1. März 1991 in die Selbständigkeit ab, arbeitete anschließend bis Oktober 1991 als Computerfachverkäufer und stellvertretender Filialleiter bei der E. GmbH und von November 1991 bis März 1993 als Projektleiter Mailbox bei X-Software GmbH & Co KG in F ... Das Arbeitsverhältnis endete auf der Grundlage eines Aufhebungsvertrages mit Zahlung einer Abfindung in Höhe von DM 13.500,-. Im Anschluss bezog der Kläger wiederum Arbeitslosengeld bis 20. Juni 1993 und arbeitete sodann bis Oktober 1993 bei der am 30. November 1993 in Konkurs gegangenen E. Daten- und Informationssysteme GmbH als Angestellter im Vertrieb [Vertriebsbeauftragter]. Von Dezember 1993 bis Mai 1994 war der Kläger selbständig und bezog im Anschluss erneut Arbeitslosengeld und ab Februar 1995 Arbeitslosenhilfe. Ein Ende März 1995 unter Bezug von Unterhaltsgeld (UHG) begonnener Qualifizierungslehrgang (Rechnungswesen/Steuern) wurde zum 5. Mai 1995 aus persönlichen Gründen des Klägers (drohende Obdachlosigkeit) abgebrochen. Seither steht der Kläger im Leistungsbezug bei der Beklagten. In einem Ausdruck der BewA von Anfang 1996 finden sich die folgenden Hinweise: "Filialleitung EDV, Programmierung DOS u. Windows. Turbo Pascal, Softwareentwicklung, Projektleitung". Vom 25. März 1996 bis zum 18. September 1996 nahm der Kläger unter Bezug von UHG erfolgreich an dem Lehrgang "Praxisorientierte Systementwicklung in heterogenen Netzwerken unter Windows NT und UNIX" teil. Im Anschluss bezog der Kläger wieder Arbeitslosenhilfe. Zuletzt vor dem streitbefangenen Zeitraum bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 19. Oktober 2000 Arbeitslosenhilfe vom 1. November 2000 bis zum 31. März 2001 in Höhe von DM 309,05 wöchentlich. Mit Schreiben vom 7. November 2000 bot die Beklagte dem Kläger eine Trainingsmaßnahme für IT-Berufe (27.11.00 bis 12.1.01) in der X.-Akademie, X-Straße, X-Stadt, an. Auf die Rechtsfolgenbelehrung auf der Rückseite war formularmäßig verwiesen, die zutreffende jedoch nicht angekreuzt. Mit Schreiben vom 8. November 2000 äußerte der Kläger nach Teilnahme an der Informationsveranstaltung und Durchsicht der Zielsetzungen seine Zweifel an dem Sinn seiner Teilnahme an der Trainingsmaßnahme. Es sei ihm ein Rätsel, was er noch nachweisen solle, zumal die Inhalte unterhalb seiner erworbenen Qualifikation lägen. Er halte dies für eine Verschwendung öffentlicher Mittel und man solle lieber anderen Personen eine Chance zur Qualifizierung geben, anstatt bei ihm die bekannten Inhalte "aufzufrischen". Auf die Aufforderung an den Kläger, am 27. November 2000 die Trainingsmaßnahme zu beginnen, teilte der Kläger mit Fax vom 27. November 2000 mit, dass er aus finanziellen Gründen (Ausbleiben der Arbeitslosenhilfe) nicht kommen könne. Einem Beratungsvermerk vom 9. Januar 2001 ist zu entnehmen, dass dem Kläger nunmehr die Trainingsmaßnahme (Kommunikationstraining und Feststellungsmaßnahme für IT-Berufe) für die Zeit vom 15. Januar bis 23. Februar 2001 angeboten wurde und der Kläger entweder nicht hingehen und eine verkürzte Sperrzeit in Kauf nehmen wollte oder doch hingehen wollte, aber Krankheitszeiten wegen einer Zahnbehandlung ankündigte. Vom Kläger formlos beantragte zusätzliche Verpflegungskosten wurden abgelehnt, da es sich nicht um eine auswärtige Maßnahme handele. Fahrtkosten für die Beratungen am 7. November 2000 und am 9. Januar 2001 wurden erstattet, für die Anfahrt zum 15. Januar 2001 in Höhe von DM 3,- ausgehändigt und ferner vereinbart, dass er am ersten Maßnahmetag den Betrag für die Monatskarte ausgezahlt erhalte. Am 15. Januar 2001 erschien der Kläger zu Beginn der Maßnahme bei der D., weigerte sich jedoch, die Hausordnung zu unterschreiben unter Hinweis auf das Risiko der sich aus Nr. 6 Satz 3 der Hausordnung ergebenden Regelung: "Gegenstände, die grob fahrlässig oder vorsätzlich zerstört werden, müssen von demjenigen ersetzt werden, der den Schaden verursacht hat." Einem Beratungsvermerk von diesem Tag ist zu entnehmen, dass der Kläger seine Haftung auf Vorsatz beschränken wollte, da auch eine Ungeschicklichkeit bei EDV-Geräten schnell als grob fahrlässig ausgelegt werden könne. Eine Aufnahme des Klägers in die Maßnahme kam deshalb nicht zustande, obwohl der Kläger auf die Folge einer dreiwöchigen Sperrzeit hingewiesen wurde. Mit Fax vom 16. Januar 2001 teilte der Kläger mit, dass er die Haftungsübernahme für grob fahrlässig verursachte Schäden schon deshalb nicht habe unterschreiben können, da er finanziell zu keinerlei Schadensersatz in der Lage sei und auch weder eine Haftpflicht- noch eine Rechtsschutzversicherung habe. Die von ihm für den Fall des Vorsatzes unterschriebene Haftungserklärung liege der Beklagten vor und diese könne vielleicht eine Einigung mit der Kursleitung erreichen. Mit Fax vom 18. Januar 2001 wies der Kläger vorsorglich darauf hin, dass in seinem Falle die gezahlte Arbeitslosenhilfe noch nicht einmal den Sozialhilfesatz erreiche und die Sperre damit eine besondere Härte darstelle, so dass eine Verkürzung auf eine Woche zu erfolgen habe. Mit Bescheid vom 31. Januar 2001 stellte die Beklagte fest, dass eine Sperrzeit vom 16. Januar bis zum 5. Februar 2001 (3 Wochen) eingetreten sei, da der Kläger sich geweigert habe, an der Maßnahme teilzunehmen. Die Teilnahme sei dem Kläger zumutbar gewesen. Damit ruhe der Leistungsanspruch des Klägers während der Sperrzeit. Hiergegen hat der Kläger mit Fax vom 31. Januar 2001 und vom 1. Februar 2001 Widerspruch eingelegt u.a. mit der Begründung, nur aus Sympathie habe er überhaupt den Kurs angenommen (ansonsten Steuermittelverschwendung). Er sei zur Aufnahme des Kurses vor Ort gewesen, obwohl er dies schon habe verweigern können, weil es für einen Programmierer und ausgebildeten Systems-Engineer mit seinen Referenzen unzumutbar sei, einen IT Einsteigerkurs zu besuchen. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, der Kläger habe durch die Verweigerung seiner Unterschrift unter die Hausordnung das Zustandekommen der Maßnahme vereitelt. Dies stehe einer offenen und unmittelbaren Ablehnung der Maßnahmeteilnahme gleich. Angesichts der jahrelangen Arbeitslosigkeit wäre es dem Kläger zuzumuten gewesen, an der Maßnahme teilzunehmen, zumal sie in einem Berufsfeld stattgefunden habe, in dem der Kläger Vorkenntnisse habe. Aufgrund der Spezialregelung des § 144 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB 3) betrage die Sperrzeitdauer nur 3 Wochen. Die Aufhebung der Arbeitslosenhilfe-Bewilligung für die Zeit der Sperrzeit sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Eintritt der Sperrzeit stelle eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse im Sinne § 48 SGB 10 dar. Aufgrund der ihm erteilten Belehrung habe der Kläger gewusst, dass eine Ablehnung der Teilnahme zum Ruhen des Leistungsanspruchs führen würde. Hiergegen hat der Kläger mit Fax am 21. Februar 2001 Klage erhoben und u.a. vorgetragen, er habe wider besseres Wissen an dem Kurs teilnehmen wollen, der ihm eigentlich als Berufskenner mit langjähriger Praxiserfahrung unzumutbar gewesen wäre. Aus Gesprächen mit anderen Kursteilnehmern vor seinem Ausschluss habe er erfahren, dass die anderen noch niemals in einem IT-Beruf bzw. allenfalls als Anwender tätig gewesen wären. Er habe substanziell nicht dazu beigetragen, vom Kurs ausgeschlossen zu werden. Seine Beanstandung der Haftungsregelung in der Hausordnung sei berechtigt gewesen. Ohne juristischen Beistand hätte er die Frage, ob er auch im Falle grober Fahrlässigkeit haften müsse, nicht klären können. Der sofortige Ausschluss aus der Maßnahme sei nicht gerechtfertigt gewesen. Die Beklagte hat vorgetragen, der erste Teil des Lehrganges (Kommunikation, Motivation usw.) biete Gelegenheit, sein persönliches Verhalten bei Bewerbungsgesprächen usw. zu überprüfen und ggf. zu revidieren, der zweite Teil sei fachlich auf Hardware und Software ausgerichtet und keineswegs nur für Anfänger im EDV-Bereich geeignet. Das Sozialgericht hat den Ausbildungsstättenleiter der D. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11. Juni 2001 als Zeugen gehört und dessen Unterlagen zu den Gerichtsakten genommen. Mit Urteil vom 11. Juni 2001 hat das Sozialgericht Darmstadt die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. In der Begründung hat es ausgeführt, die Trainingsmaßnahme sei für den Kläger zumutbar gewesen, denn sie sei im Sinne des § 49 Abs. 1 SGB 3 geeignet gewesen, im ersten Teil die Kommunikation und Motivation des Klägers zu fördern und im zweiten Teil auf die persönliche Eignung für spezifische EDV-Berufe einzugehen. Dabei sei Weiterbildung nicht die Zielrichtung gewesen. Dies habe auch der Zeuge bestätigt. Ein Drittel der Maßnahme habe zum Ziel gehabt, die Teilnehmer mit sozialer Kompetenz auszustatten, die von den Arbeitgebern im EDV-Bereich gefordert werde. Im Hinblick auf die lange Arbeitslosigkeit des Klägers scheine es gerade geboten gewesen, dass die Beklagte versucht habe, Hinweise über die Vermittlungsmöglichkeiten des Klägers zu erlangen. Der Kläger habe entweder durch sein Fernbleiben die Maßnahme abgebrochen oder durch die Weigerung seiner Unterschrift Anlass für den Ausschluss gesetzt. Hierfür habe der Kläger keinen wichtigen Grund gehabt. Es sei der D. Akademie entsprechend den im Arbeitsrecht geltenden Haftungsmaßstäben unbenommen gewesen, in der Hausordnung festzustellen, dass die Maßnahmeteilnehmer für vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführte Schäden haften sollten. Damit sei es dem Kläger verwehrt gewesen, seine Haftung auf vorsätzlich herbeigeführte Schäden zu beschränken. Mit Fax vom 12. Juni 2001 hat der Kläger Beschwerde eingelegt hinsichtlich des nicht entschiedenen Antrages auf Prozesskostenhilfe (PKH) und der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch verspätete Vorlage der im Termin von dem Zeugen überreichten Unterlagen. Der Kläger hat vorgetragen, die von dem Zeugen in die Verhandlung eingebrachten Unterlagen seien ihm erst am Ende des Verfahrens zugegangen, als das Gericht sich zur Beratung zurückgezogen und er keine Möglichkeit mehr gehabt habe, auf die widersprüchlichen Aussagen des Zeugen einzugehen. Aus den Unterlagen und weiteren Zeugenaussagen von an dem Kurs teilnehmenden IT-Einsteigern hätte sich hinsichtlich der Zumutbarkeit des Kurses zu seinen Gunsten ein völlig anderes Bild ergeben. Der Kurs werde in dieser Form nicht mehr angeboten und vom Arbeitsamt nicht mehr finanziell gefördert. All dies spreche gegen die Darstellung des Zeugen "als Chance" des Kurses für ihn, den Kläger. Sein Antrag auf PKH sei vor der Hauptverhandlung unberücksichtigt geblieben. Deshalb wundere er sich auch nicht über den Verfahrensausgang. Er beabsichtige jedoch nicht, dieses Unrecht unwidersprochen hinzunehmen. Er habe schon vorab gefürchtet, dass er ohne Anwalt schlichtweg überfahren werde. Dies habe sich leider voll und ganz bewahrheitet. Mit Beschluss vom 20. November 2001 hat der 10. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (HLSG) die Berufung zugelassen, da der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt worden sei. Das Sozialgericht habe über den Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH erst nach Verkündung des angefochtenen Urteils entschieden. Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor, der angebotene IT-Einsteigerkurs sei für ihn als einen ausgebildeten IT-Systems-Engineer nicht zumutbar. Aus den verspätet vorgelegten Beweismitteln ergebe sich, dass der Schwerpunkt des Kursinhaltes sich an IT-Einsteiger ohne PC Kenntnisse richte. Die Darstellung des Zeugen, die soziale Kompetenz des Klägers hätte durch Unterrichtung der Mitschüler verbessert werden können, sei nicht schlüssig. In diesem Fall hätte die Beklagte ihm eine Arbeit als Dozent anbieten sollen, anstatt seine Arbeitskraft im Rahmen eines wertlosen Lehrganges zu missbrauchen. Er sei seit 1991 Programmierer, ausgebildeter Spezialist, Ex-Unternehmer und kein IT interessierter Laie. Unabhängig von der fragwürdigen Hausordnung sei ihm der Kurs unzumutbar gewesen. Er sei außerdem berechtigt gewesen, die für ihn haftungsrechtliche Benachteiligung zu streichen. Unter diesen Bedingungen sei seine Teilnahme von der Kursleitung abgelehnt worden. Fraglich sei, ob sich die streitbefangene Maßnahme im Sinne der §§ 48, 49 SGB 3 als geeignet darstelle, ihn wieder ins Arbeitsleben einzugliedern. Normiert sei die vom Sozialgericht herausgestellte soziale Komponente jedenfalls nicht. Man könne jedoch davon ausgehen, dass jeder Maßnahme auch eine soziale Zielsetzung inne wohnen solle, dass diese aber nicht eines der vordringlichen Ziele sei. Es müsse daher vordringlich untersucht werden, welche fachlichen Vorteile ihm die streitbefangene Trainingsmaßnahme geboten hätte. Er könne bereits als Computerfachmann bezeichnet werden. Er sei im Umgang mit den Betriebssystemen Windows NT und UNIX geschult und habe im Zeitraum vom 25. März bis zum 18. September 1996 an einem Lehrgang für praxisorientierte Systementwicklung in heterogenen Netzwerken unter Windows NT und UNIX teilgenommen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass er dem dortigen Unterrichtspersonal Kenntnisse hätte vermitteln können. Bei dem Kursus habe es sich um die einfachsten Dinge in der Benutzung eines Computers gehandelt. Das Ziel der sozialen Integration hätte sich auch in einem anderen Kurs, bei dem auch seine fachlichen Qualifikationen gefördert worden seien, realisieren lassen. Hinsichtlich der Verteilung des Haftungsrisikos bei der Schulungseinrichtung ergäben sich doch erhebliche Bedenken. Eine Haftung der Schulungseinrichtung sollte gänzlich ausgeschlossen sein, während er für Schäden infolge grober Fahrlässigkeit und Vorsatz haben haften sollen. Dies führe zu einer Ungleichbehandlung. Soweit das erstinstanzliche Gericht Erwägungen aus dem Arbeitsleben ableite, müsse gesehen werden, dass ein Arbeitgeber gemäß § 618 BGB in der Haftung stehe, Schäden von den Mitarbeitern abzuwenden. Ggf. sollte die Schulungseinrichtung hier einmal ihre Teilnahmebedingungen überprüfen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 11. Juni 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ist kraft Zulassung durch Beschluss vom 20. November 2001 zulässig und auch begründet.

Die reine Anfechtungsklage gegen den belastenden Bescheid mit Feststellung einer dreiwöchigen Sperrzeit ist zulässig, da mit dem begehrten Wegfall der angefochtenen Entscheidung die ursprüngliche Arbeitslosenhilfe-Bewilligung vom 19. Oktober 2000 wieder in Kraft tritt, § 54 Abs. 1 SGG. Eines zusätzlichen Verpflichtungs- bzw. Leistungsantrages bedurfte es daher nicht. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 11. Juni 2001 ist rechtsfehlerhaft und war daher aufzuheben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2001 ist rechtswidrig. Nach § 144 Abs. Nr. 3 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB 3) tritt eine Sperrzeit ein, wenn sich der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert hat, an einer Trainingsmaßnahme ...teilzunehmen (Sperrzeit wegen Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Nach Auffassung des erkennenden Senates hatte der Kläger einen wichtigen Grund, die Teilnahme an der Trainingsmaßnahme abzulehnen, denn diese war ihm unzumutbar. Es kam daher nicht mehr darauf an, ob die Rechtsauffassung des Klägers hinsichtlich seiner ausgesprochenen Haftungsbeschränkung gegenüber dem Maßnahmeträger zutreffend ist. Es ist auch unbeachtlich, dass unter Berücksichtigung der langen Arbeitslosigkeit des Klägers eine Verbesserung der Eingliederungsaussichten des Klägers dringend geboten wäre. Denn eine Verbesserung der Eingliederungsaussichten darf jedenfalls nicht durch eine dem Arbeitslosen unzumutbare Maßnahme durch die Beklagte erreicht werden. Nach § 48 Abs. 1 SGB 3 können Arbeitslose bei Tätigkeiten und bei Teilnahme an Maßnahmen, die zur Verbesserung ihrer Eingliederungsaussichten beitragen (Trainingsmaßnahmen), durch Weiterleistung von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe und durch Übernahme der Maßnahmekosten gefördert werden, wenn die Tätigkeit oder Maßnahme 1. geeignet und angemessen ist, die Eingliederungsaussichten des Arbeitslosen zu verbessern und 2. auf Vorschlag oder mit Einwilligung des Arbeitsamtes erfolgt. Dabei genügt nicht eine irgendwie geartete Eignung der Maßnahme zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten des Arbeitslosen, sondern es muss ein angemessenes Verhältnis zwischen Dauer und Umfang der Maßnahme und dem Grad der Verbesserung der Eingliederungsaussichten bestehen. Ferner muss das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Zumutbarkeit der Maßnahme für den Arbeitslosen erfüllt sein (vgl. Henke in Hennig SGB III, Loseblattkommentar, Stand Februar 2003, § 144 RdNr. 186; LSG Rheinland-Pfalz 25.4.2002 - L 1 AL 50/01 = Juris KSRE059091305). Unter Zurückstellung der Frage, in welchem Umfang die konkrete Trainingsmaßnahme die Eingliederungsaussichten des Klägers voraussichtlich hätte fördern können, geht der erkennende Senat davon aus, dass die Teilnahme an dieser Trainingsmaßnahme dem Kläger unzumutbar gewesen ist. Die Berücksichtigung von Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit des Arbeitsuchenden in Verbindung mit den Anforderungen der angebotenen Stelle findet sich im Bereich der Arbeitsvermittlung, § 35 Abs. 2 SGB 3. Die Leistungsfähigkeit und Berücksichtigung von Eignung und Neigung unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit sind Voraussetzung im Bereich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, § 35 Abs. 3 SGB 3. Auch bei der Auswahl der Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben sind u.a. Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit angemessen zu berücksichtigen, § 97 Abs. 2 SGB 3. Maßnahmen der beruflichen Bildung sind für die Förderung zugelassen, wenn die Maßnahme nach Gestaltung der Inhalte der Maßnahme sowie der Methoden und Materialien ihrer Vermittlung eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten lässt, § 85 SGB 3. Die Dauer einer Maßnahme ist angemessen, wenn sie sich auf den für das Erreichen des Bildungsziels erforderlichen Umfang beschränkt, § 85 Abs. 2 SGB 3. Diese sich durch das SGB 3 hinziehenden Grundsätze zeigen, dass die von der Beklagten eingesetzten Mittel konzentriert und zielgerichtet einzusetzen sind unter Berücksichtigung von Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit des Arbeitsuchenden und unter Vermeidung von Überflüssigem und Leerlauf. Dies gilt um so mehr in einem Bereich, in dem bei Ablehnung einer angebotenen Maßnahme leistungsrechtliche Konsequenzen drohen. Dabei ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Kläger mit dem bisherigen beruflichen Schwerpunkt des IT-Bereiches hinsichtlich seiner Neigung keinen Ablehnungsgrund hinsichtlich der streitbefangenen Trainingsmaßnahme haben konnte, die im IT-Bereich angesiedelt war. Jedoch hinsichtlich Eignung und Leistungsfähigkeit besteht zwischen dem beruflichen Werdegang des Klägers und den Lerninhalten der hier vorliegenden Trainingsmaßnahme ein krasses Missverhältnis, das zur Unzumutbarkeit der Trainingsmaßnahme geführt hat. Die Inhalte der Maßnahme nehmen so wenig Rücksicht auf die Vorkenntnisse des Klägers, dass die Beklagte nicht ernsthaft davon ausgehen konnte, dass der Kläger fachlich auch nur den geringsten Nutzen aus der Maßnahme gehabt hätte. Soweit die erstinstanzliche Entscheidung maßgeblich auf die Förderung der Kommunikation und Motivation abhebt und der Zeuge M. davon spricht, dass etwa ein Drittel der Maßnahme das Ziel habe, die Teilnehmer mit der notwendigen sozialen Kompetenz auszustatten, reicht dies jedoch deshalb nicht aus, da nach den vorgelegten Unterrichtsplänen der Schwerpunkt - nämlich zwei Drittel der Maßnahme - in Wissensvermittlung aus dem IT-Bereich besteht. Von den Teilnehmern wird dabei keinerlei Vorkenntnis erwartet, wie die einzelnen Unterrichtseinheiten zeigen. Bereits 8 Stunden entfallen auf Einschalten des Gerätes, Umgang mit der Tastatur, Windows starten und sauber beenden, sich auf der Windowsoberfläche selbständig bewegen, Fenstergrößen verändern, Symbole im Dialogfenster und Umgang damit, Programme starten und beenden. Weitere 8 Stunden entfallen auf Grundfertigkeiten der Textverarbeitung, weitere 8 Stunden auf Grundfertigkeiten bei Excel, weitere 8 Stunden auf Grundzüge von Netzwerkmodellen, weitere 8 Stunden werden auf die Unterschiede der diversen Betriebssysteme verwendet. Damit ist bereits eine Woche verbraucht, ohne dass für den Kläger als Fachmann im IT-Bereich auch nur irgendetwas herausgekommen wäre. Das selbe Ergebnis zeigen weitere Unterrichtseinheiten, wie ein Tag Bildbearbeitung, ein Tag Grafikbearbeitung, ein Tag für Programmerstellung, zwei Tage für Programmierung, ½ Tag für HTML-Grundlagen, ein Tag Internet. Soweit der Zeuge M. ausgesagt hat, dass der Lehrplan genügend Raum gebe, um auf die unterschiedlichen individuellen Vorbildungen und Bedürfnisse der Teilnehmer einzugehen, ist für den erkennenden Senat unerfindlich, wie einem Profi aus dem IT-Bereich - wenn auch vielleicht nicht dem aktuellen Stand in allen Bereichen - in einer Maßnahme für IT-Einsteiger auch nur andeutungsweise fachlich etwas Neues vermittelt werden kann. Demgegenüber reicht es nicht aus, dass etwa zu einem Drittel die Teilnehmer mit der notwendigen sozialen Kompetenz ausgestattet werden. Wenn es nur oder überwiegend um die soziale Kompetenz gegangen wäre, wäre die Teilnahme an der Trainingsmaßnahme dem Kläger zumutbar gewesen. Auch der erkennende Senat geht davon aus, dass der Kläger aufgrund der langen Arbeitslosigkeit durchaus der Förderung der Beklagten bedurfte. Eine Trainingsmaßnahme ist einem Arbeitslosen jedoch jedenfalls dann nicht mehr zumutbar, wenn mehr als die Hälfte des Unterrichtsinhaltes diesen Arbeitslosen krass unterfordert, wie es bei dem Kläger der Fall war. Oder zeitlich ausgedrückt, es ist einem Arbeitslosen nicht zumutbar, an einer Trainingsmaßnahme teilzunehmen, wenn von sechs Wochen allein vier Wochen sich mit fachlichen Unterrichtsinhalten für Anfänger befassen, wenn der Arbeitslose vertiefte Kenntnisse des Fachgebietes hat, und nur zwei Wochen ein Bereich unterrichtet wird, der geeignet ist, die Eingliederungaussichten des Arbeitslosen zu verbessern. Soweit der Zeuge M. vor dem Sozialgericht ausgesagt hat, dass die soziale Kompetenz gestärkt werde, wenn in einer Maßnahme der Stärkere den Schwächeren stützt, so kann das nicht dazu führen, dass ein Arbeitsloser ohne Rücksicht auf seinen Kenntnisstand in irgendeine Maßnahme gesteckt wird und er sich wegen einer drohenden Sperrzeit nicht dagegen zur Wehr setzen kann. Damit würde ein Arbeitsloser zum reinen Objekt staatlichen Handelns und es fehlte die Angemessenheit der Maßnahme im Sinne des § 48 Abs. 1 Nr. 1 SGB 3. So hat der erkennende Senat mit Urteil vom 9. August 2000 (L 6 AL 166/00) eine viertägige Maßnahme zum Schreiben von Bewerbungen bei einem Arbeitslosen, der 6 Monate vorher die Meisterprüfung abgelegt hat, als nicht mehr angemessen angesehen. Bei dieser rechtlichen Situation konnte es nicht darauf ankommen, ob der Kläger im vorliegenden Fall zu Recht die Unterschrift unter die Hausordnung des Maßnahmeträgers verweigert hat, da ihm die Maßnahme nicht zumutbar war. Mit der Aufhebung des angefochtenen Sperrzeitbescheides entfiel das Ruhen der dem Kläger mit Bescheid vom 19. Oktober 2000 bewilligten Arbeitslosenhilfe. Eines zusätzlichen Leistungsausspruches durch den erkennenden Senat bedurfte es daher nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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