L 3 U 564/01

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 1613/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 564/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 403/04 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 1. Februar 2001 aufgehoben, soweit dem Kläger ab 19. September 1993 Verletztenrente als Dauerrente nach einer MdE von 10 v.H. gemäß § 581 Abs. 3 RVO zugesprochen worden ist.

II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte dem Kläger aus Anlass eines Arbeitsunfalls vom 18. September 1991 mit Fraktur des 1. Lendenwirbelkörpers (LWK) ab 19. September 1993 gemäß § 581 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 v.H. zu zahlen hat, weil eine Stütz-MdE von weiteren 10 v.H. aus einem Entschädigungsfall nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vorliegt.

Bei dem 1922 geborenen Kläger wurden vom Versorgungsamt Kassel aufgrund seines Antrags vom April 1950 als Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 BVG anerkannt: "Stecksplitter in der Rückenmuskulatur zwischen 1. und 2. Lendenwirbel rechts und Steckschuss links in der Gesäßmuskulatur."

Dieser Anerkennung lagen zwei Kriegsverletzungen vom 17. Februar 1945 (Granatsplitter rechter Rückenbereich) und vom 31. Juli 1941 (Infanteriesteckgeschoss linker Oberschenkel/Becken) zugrunde. Eine Beschädigtenrente wurde durch Bescheid vom 28. Juli 1954 mit der Begründung abgelehnt, dass eine MdE von mindestens 25 v.H. nicht erreicht werde. In dem zugrunde liegenden fachchirurgischen Zusatzgutachten vom 11. Dezember 1953 des Dr. v. H. und neurologischen Zusatzgutachten vom 16. März 1954 des Dr. M. war das Vorliegen von Schädigungsfolgen entgegen der Stellungnahme des behandelnden praktischen Arztes Dr. S. vom 17. April 1950 jeweils verneint worden und sämtliche vom Kläger für die Zeit ab April 1950/1949 bzw. von dem Zeitpunkt der ersten Kriegsverletzung 1941 an geklagte Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen als schädigungsunabhängig - rheumatisch - gewertet worden. Der internistische Hauptgutachter Dr. K. hatte im abschließenden Gutachten vom 22./23. Juni 1954 – bestätigt durch den Ärztlichen Dienst am 24. Juni 1954 – für die im Bescheid vom 28. Juli 1954 im Einzelnen bezeichneten Schädigungsfolgen (Stecksplitter/Steckschuss) eine MdE von 10 v.H. in Ansatz gebracht. Die hiergegen erhobene Klage (Az.: V-St-129/54) nahm der Kläger zurück.

Am 15. April 1958 erlitt der Kläger auf dem Weg zum Arbeitsamt einen Motorradunfall mit Knöchelbruch links und am 27. Dezember 1967 bei einem bei der Berufsgenossenschaft (BG) für Fahrzeughaltungen versicherten Arbeitsunfall einen Kahnbeinbruch links, für den er ab 6. Mai 1968 bis 31. Dezember 1969 eine Verletztenrente erhielt, zuletzt ab 27. Dezember 1968 nach einer MdE von 10 v.H. unter Berücksichtigung einer MdE von 10 v.H. für das Versorgungsleiden seitens dieser BG (Bescheid vom 6. Januar 1972). Ab dem 1. Dezember 1970 wurden die Arbeitsunfallfolgen mit unter 10 v.H. bewertet. Ein Verschlimmerungsantrag des praktischen Arztes J. nach dem BVG von Dezember 1968 blieb gemäß Bescheid des Versorgungsamtes Kassel vom 5. Dezember 1969 erfolglos. In dem zuvor eingeholten fachchirurgischen Hauptgutachten des Dr. I. vom 10. November 1969 und nervenfachärztlichen Zusatzgutachten vom 10. November 1969 des Dr. R. war eine wesentliche Änderung jeweils verneint und von schädigungsunabhängigen Kreuzschmerzen mit zeitweiligen Wurzelkompressionserscheinungen ausstrahlend in die Beine bei anlagebedingten Wirbelsäulenumbauvorgängen mit lumbosakraler Wirbelanomalie bzw. anlagebedingter Verschmälerung der lumbosakralen Bandscheibe mit Osteochondrose und Spondylose ausgegangen worden.

Am 18. Dezember 1976 zog sich der Kläger durch einen privaten Auffahrunfall einen Oberarmschaftbruch und eine Olecranon-Absprengung links, einen Oberschenkelschaftbruch und Schienbeinkopftrümmerbruch links mit resultierender Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk und Gehbehinderung am linken Bein sowie eine Symphysensprengung zu, die leicht verschoben verheilte. Im Februar 1985 stellt der den Kläger behandelnde praktische Arzt J ... beim Versorgungsamt Kassel einen weiteren Verschlimmerungsantrag wegen "Verdacht auf Plexus lumbosacralis-Irritation" infolge der Lage und der vermutlich stattgefundenen Korrosion des in den Randkonturen unscharf gewordenen Projektils gemäß Bericht des Priv.-Doz. Dr. G., Medizinische Hochschule H., vom 4. Februar 1985. Im fachchirurgischen Hauptgutachten vom 20. August 1985 des Dr. L. und nervenärztlichen Zusatzgutachten vom 20. August 1985 des Dr. P. wurde weiterhin kein Anhalt für das Vorliegen schädigungsbedingter sensibler oder motorischer Funktionsstörungen und den Eintritt einer Änderung/Verschlechterung gesehen. Beim Kläger handele es sich weiterhin um anlagebedingte Kreuzschmerzen im Sinne von Wurzelkompressionen, die gelegentlich in die Beine, zum Kopf und in den Nacken ausstrahlten. Der Auffassung des Klägers, dass jedenfalls als Spätfolgen einer Fleckfiebererkrankung im Kriegseinsatz 1941/1942 noch ein Herz- und Augenleiden sowie Kopfschmerzen zu berücksichtigen seien, wurde im augen-fachärztlichen Gutachten vom 3. April 1986 des Dr. W. und den internistischen Gutachten vom 21. April 1986 und 18. Juni 1986 des Dr. O. entgegengetreten. Der letztlich durch Bescheid des Versorgungsamtes vom 5. Dezember 1985 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1986 abgelehnte Verschlimmerungsantrag wurde noch im Verfahren vor dem Sozialgericht Kassel (-SG-, Az.: S-6/V – 243/86) durch das von Amts wegen eingeholte chirurgische Gutachten des Prof. Dr. G. vom 10. Dezember 1987 (fertig gestellt 1988) überprüft, mit für den Kläger negativem Ergebnis. Der Sachverständige meinte, dass sich schädigungsbedingt zwar gewisse dauerhafte Veränderungen, Störungen am und im Körper des Klägers ergäben wie die verbliebenen Fremdkörper, ferner die – etwas druckempfindlichen – Narben mit "gewissen subjektiven Narbenbeschwerden" und eine Verschmächtigung des linken Gesäßes, die man "sicher" als Folge der Verletzung beurteilen müsse, die "aber kaum eine funktionelle Wirkung" habe. Bei fehlenden schwereren objektivierbaren Folgen der Verletzungen könne man den körperlichen Gesamtschaden jedoch "nicht höher als die Vorgutachter mit 10 % beurteilen". Das gelte auch dann, wenn der Kläger entsprechend seinem Vortrag bei der Kriegsverletzung im Februar 1945 durch einen Steinschotterschlag auch noch eine Verletzung im Nacken erlitten hätte, da daraus allenfalls eine narbige Veränderung mit geringer sensibler Auswirkung/Druckempfindlichkeit abzuleiten sei. Nach Ablehnung psychischer Schädigungsfolgen durch die beiden Kriegsverletzungen sowie sonstige Kriegserlebnisse seitens des Nervenarztes Dr. Q in einer Stellungnahme vom 30. September 1998 wies das SG durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 15. Februar 1998 die Klage ab, weil weitere Schädigungsfolgen nach dem BVG u.a. psychischer Art nicht festzustellen seien und die anerkannten Schädigungsfolgen sich nicht verschlimmert hätten. Nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) wurde seit 1979 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 anerkannt (Bescheid vom 2. Februar 1979).

Am 18. September 1991 zog sich der seit dem unversicherten Unfall von 1976 berentete Kläger im Alter von 69 Jahren bei der Apfelernte für den Haushalt befreundeter Nachbarn durch Sturz von der Leiter einen Bruch des 1. LWK zu. Gestützt auf das Gutachten des Chirurgen und Radiologen Dr. N., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik (BGUK) C-Stadt, vom 17. November 1995 und die beratungsärztliche Stellungnahme vom 28. Dezember 1995 des Chirurgen Dr. Sch. erkannte die Beklagte durch Bescheid vom 22. Januar 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 1996 als Arbeitsunfallfolgen an: "Unter leichter keilähnlicher Verformung mit vorderer und linksvorderseitiger Höhenminderung sowie kräftiger spangenartiger Knochenneubildung im vorderen Längsbandbereich zum 12. Brustwirbelkörper hin sowie mit Einengung des Rückenmarkkanals stabil und ohne un-fallbedingt statisch wirksame Knickbildung des Achsenorganes verfestigter, vornehmlich linkshälftiger vorderer Zusammendrückbruch des 1. Lendenwirbelkörpers. Weitgehende Aufhebung der segmentalen Beweglichkeit zwischen dem 12. Brustwirbelkörper und dem 1. Lendenwirbelkörper."

Sie bewilligte dem Kläger ab 19. September 1991 bis 30. September 1992 Verletztenrente nach MdE-Graden von 50, 30 und zuletzt 20 v.H. Für die Zeit ab 1. Oktober 1992 lehnte sie die Gewährung einer Rente ab.

Hiergegen hat der Kläger am 12. Dezember 1996 beim SG Klage erhoben. Dieses hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das radiologische Gutachten vom 16. Juni 1997 des Dr. F. und auf dessen Empfehlung von Amts wegen das chirurgische Gutachten vom 11. November 1998 des Dr. A., E-Krankenhaus K., mit ergänzenden Stellungnahmen vom 25. Februar und 23. April 1999 eingeholt, der eine etwas andere MdE-Staffelung bis 18. Dezember 1993 vornahm und ab 19. Dezember 1993 – entgegen Dr. N. u.a. in einer Stellungnahme vom 26. März 1999 und mit Dr. Sch. – eine unfallbedingte MdE von 10 v.H. auf Dauer in Ansatz brachte. Der vom SG außerdem noch von Amts wegen zum Sachverständigen bestellte Prof. Dr. E., Orthopädische Universitätsklinik E-Stadt, schloss sich in seinem Gutachten vom 5. Oktober 1999 mit ergänzender Stellungnahme vom 27. Januar 2000 bezüglich der Bewertung der Arbeitsunfallfolgen im Wesentlichen dem Vorschlag des Dr. A. an, insbesondere auch soweit ab 19. September 1993 abweichend von der Beurteilung des Dr. N. in einer weiteren Stellungnahme vom 13. Dezember 1999 eine MdE von 10 v.H. auf Dauer vorgeschlagen worden war. Die Folgen der Kriegsbeschädigung bewertete Prof. Dr. E. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. Mai 2000 und – nach erneuter klinischer und radiologischer Untersuchung des Klägers – in einer Stellungnahme vom 27. September 2000 abweichend von der Stellungnahme des Dr. N. vom 3. März 2000 mit 10 v.H. Zur Begründung führte er aus, dass der reaktionslos in der Rückenmuskulatur einliegende Stecksplitter in Abhängigkeit von Belastungen und Bewegungen zu gewissen Irritationen der Wirbelsäulen- bzw. Rückenmuskulatur führen müsse bzw. mit hinreichender Wahrscheinlichkeit führe, vor allem aber Beschwerden im linken Beckenbereich "durchaus glaubhaft und nachvollziehbar" bzw. "zwangsläufig" seien, weil das verbliebene Infanterieprojektil nicht in der linken Gesäßmuskulatur, sondern vor dem Kreuzbein und unterhalb des linken Kreuz-Darmbeingelenks im linken inneren Beckenbereich – in der Beckenmuskulatur – in nächster Nähe von Nerven und Gefäßen liege. Diese Auswirkungen seien "deutlich schwerwiegender" als diejenigen des Stecksplitters in der Rückenmuskulatur, der "nach der Lokalisation nur wenig Probleme verursachen dürfte". Auch sprächen die zum Teil unruhig wirkenden Konturen des Geschossprojektils vor dem Kreuzbein für eine "gewisse Korrosion" im Laufe der Jahre und Jahrzehnte. Schließlich seien die Schädigungsfolgen nach den Versorgungsakten bei den Begutachtungen auch wiederholt ganz klar mit 10 v.H. eingeschätzt worden. Demgegenüber vertrat Dr. N. die Auffassung, dass mit den reaktionslos seit Jahrzehnten in den Weichgeweben liegenden Metallteilen von vornherein irgendwelche Funktionsstörungen nicht verbunden gewesen seien und sie weiterhin auch keinerlei Beschwerden oder Probleme bereiteten. Nach unfallversicherungsrechtlichen Maßstäben komme damit nur eine MdE-Bewertung unter 10 v.H. in Betracht.

Durch Urteil vom 1. Februar 2001 hat das SG die Beklagte wesentlich gestützt auf die Beurteilung des Prof. Dr. E. und auch des Dr. A. unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger eine vorläufige Verletztenrente vom 19. September 1991 bis 18. Oktober 1991 nach einer MdE von 100 v.H., vom 19. Oktober 1991 bis 18. März 1992 nach einer MdE von 50 v.H., vom 19. März 1992 bis 18. September 1992 nach einer MdE von 30 v.H. und vom 19. September 1992 bis 18. September 1993 nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren sowie ab 19. September 1993 nach § 581 Abs. 3 RVO eine Dauerrente nach einer MdE von 10 v.H. zu zahlen. Auch aus dem Gutachten des Prof. Dr. G. vom 10. Dezember 1987 ergebe sich, dass die Kriegsverletzungsfolgen entsprechend der Ansicht des Prof. Dr. E. mit 10 v.H. zu bewerten seien.

Gegen das ihr am 16. Mai 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. Mai 2001 unter Vorlage eines orthopädischen Gutachtens vom 20. August 2001 des Dr. C., Institut für Medizinische Begutachtung K., und einer Stellungnahme des Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. B. vom 4. März 2002 Berufung eingelegt. Danach seien Einwände gegen das erstinstanzliche Urteil bezogen auf die Zeit vom 19. September 1991 bis 18. September 1993 zwar nicht zu erheben und auch nicht zu beanstanden, dass die Folgen der LWK 1-Fraktur auf Dauer mit 10 v.H. bewertet worden seien. Jedoch ergebe sich daraus kein Anspruch auf eine sog. Kleinrente ab 19. September 1993, weil ein Stütztatbestand aufgrund des Versorgungsleidens nicht vorliege. Die für das Versorgungsleiden allein nach unfallversicherungsrechtlichen Maßstäben festzustellende MdE liege deutlich unter 10 v.H., da das Geschossprojektil nach dem Ergebnis der Auswertung sämtlicher Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen von 1953, 1969, 1994 bis 1998 und 2000 durch Dr. C. entgegen der Ansicht des Prof. Dr. E. nicht im inneren kleinen Becken in der Nähe von Gefäß- oder Nervenbahnen oder einer knöchernen Struktur, sondern in der tieferen, zum kleinen Becken hin gewandten Glutealmuskulatur mindestens mehrere Zentimeter von der Gefäß-/Nervenbahn des Plexus lumbocsacralis entfernt liege, die deshalb z.B. im Sitzen oder Liegen auch nicht unter Druckbelastung durch das Geschoss geraten könne. Der Gesichtspunkt der "Wanderung" und der "Korrosion" spiele für beide seit Jahrzehnten mit Sicherheit reizfrei bindegewebig/narbig "eingemauerten" Geschosseinsprengungen keine Rolle. Außerdem sei nach den vagen und unbestimmten Angaben des Prof. Dr. E. und unter Berücksichtigung der vom Versorgungsamt eingeholten Gutachten auch völlig unklar, welche objektiv feststellbaren Schädigungsfolgen in Form von Funktionseinbußen in Abhängigkeit von Belastungen/Bewegungen eigentlich vorliegen sollten. Vermutungen und bloße Möglichkeiten reichten insoweit nicht aus. Abgesehen vom Einliegen der Projektile sei überhaupt erstmals im Gutachten des Prof. Dr. G. vom 10. Dezember 1987 ein objektiv regelwidriger Befund in Form einer "Verschmächtigung der linken Gesäßmuskulatur" festgestellt worden, der aber eher mit den Folgen des schweren privaten Unfalls von 1976 und seinen Auswirkungen u.a. auf das linke Bein zusammenzuhängen scheine und im Übrigen von Prof. Dr. G. selbst als funktionell unbedeutend eingestuft worden sei und später u.a. von Prof. Dr. E. auch nicht mehr beschrieben worden sei. Nachweisbar seien dagegen zahlreiche unfall- und schädigungsunabhängige Erkrankungen der gesamten Wirbelsäule.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 1. Februar 2001 aufzuheben, soweit dem Kläger ab 19. September 1993 Verletztenrente als Dauerrente nach einer MdE von 10 v.H. gemäß § 581 Abs. 3 RVO zugesprochen worden ist.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist u.a. auf eine Bescheinigung des Versorgungsamtes Kassel vom 2. November 2001 als Ersatz für den Bescheid vom 28. Juli 1954, in der es abweichend von diesem Bescheid ausdrücklich heißt: "Durch diese Schädigungen ist die Erwerbsfähigkeit um 10 v.H. (wörtlich 10 vom Hundert) gemindert. – Unter 25 v.H.".

Im Berufungsverfahren ist zur weiteren Sachaufklärung zunächst eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme vom 15. Februar 2002 des Prof. Dr. E. eingeholt worden, der an seiner Beurteilung festgehalten hat. Eine schädigungsbedingte Beschwerdesymptomatik sei für die zurückliegende Zeit auch beschrieben und berücksichtigt worden, da andernfalls die MdE unter 10 v.H. eingeschätzt worden wäre. Zwar sei die Einschätzung für "KB-Schäden" eher etwas großzügiger als in der gesetzlichen Unfallversicherung. Er selbst richte sich jedoch nicht nach solchen unterschiedlichen Bewertungen und gehe im Falle des Klägers davon aus, dass eine 10 % schädigungsbedingte Erwerbsminderung aus den schon dargelegten Gründen durchgehend gerechtfertigt sei.

Auf Anregung der Beklagten ist ferner noch das rechtsmedizinische Gutachten vom 22. August 2003 des Prof. Dr. D., Universitätsklinik D-Stadt, eingeholt worden. Dieser ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Eindringtiefe des Infanteriegeschosses und deshalb auch die räumliche Nähe zu sensiblen Strukturen nicht abschließend zu bestimmen sei. Sowohl bei einer Projektilendlage innerhalb der Gesäßmuskulatur als auch tiefer im kleinen Becken innerhalb der Weichteile des kleinen Beckens sei eine Druckbeeinflussung von Nerven- und Gefäßstrukturen grundsätzlich möglich, in letzterem Fall allerdings aufgrund größerer räumlicher Nähe wahrscheinlicher. Die Frage, ob infolge der eingeschlossenen Fremdkörper schädigungsbedingt Funktionseinbußen und Beschwerden beim Kläger vorlägen, könne deshalb nur unter Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte beantwortet werden, wie "subjektive Beschwerdeschilderung des Klägers, klinisches Bild und Einschätzung durch die behandelnden Ärzte" von Anfang an bzw. seit 1950, "Gewebsreaktionen", "Lageänderung", "Korrosion" und dadurch bedingte Möglichkeiten des Auftretens, Hinzutretens bzw. der Modifizierung/Verschlimmerung von Beschwerden. Aus rechtsmedizinischer Sicht gebe es im Falle des Klägers keine Hinweise für lokale entzündliche Gewebsreaktionen oder systemische Komplikationen aufgrund der Fremdkörpereinschlüsse in der Frühphase des Heilungsverlaufs oder zu einem späteren Zeitpunkt sowie für eine Lageänderung und/oder chemische Reaktion in Form einer "Korrosion" und damit auch keine Hinweise, dass sich eine schädigungsbedingte Beschwerdesymptomatik beim Kläger nach Abschluss der Wundheilung in den letzten Jahrzehnten noch verändert/verschlimmert haben könnte. "Dies sei zumindest sehr unwahrscheinlich." Bezüglich der stark differierenden subjektiven Beschwerdeschilderung des Klägers seit 1950 gegenüber den behandelnden und begutachtenden Ärzten und deren Einschätzungen ergebe sich aus rechtsmedizinischer Sicht kein einheitliches Bild. Die abschließende Wertung und Würdigung sei Sache des Gerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten des Versorgungsamtes Kassel (Az.: 78-0232, Az.: 436 Hb und Handakte 35503), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Kläger hat entgegen der Ansicht des SG ab 19. September 1993 keinen Anspruch auf eine sog. Kleinrente nach einer MdE von 10 v.H. gemäß § 581 Abs. 3 RVO (jetzt § 56 Abs. 1 Sätze 3 und 4 Sozialgesetzbuch – 7. Band –SGB VII-). Zwar sind die Folgen des Arbeitsunfalls vom 18. September 1991 mit Bruch des 1. LWK nach zutreffender Ansicht des SG unter Berücksichtigung der überzeugenden Beurteilungen des Prof. Dr. E. und Dr. A. von diesem Zeitpunkt an und auf Dauer mit 10 v.H. zu bewerten. Einwände insoweit werden auch von der Beklagten nicht mehr erhoben, nachdem auch Dr. C. sich im Gutachten vom 20. August 2001 abweichend von Dr. N. für eine unfallbedingte MdE von 10 v.H. auf Dauer ausgesprochen hat. Eine Rente in dieser Höhe kann dem Kläger jedoch nicht gewährt werden, weil eine weitere MdE von mindestens 10 v.H. aus einem anderen Arbeitsunfall oder gleichgestellten Entschädigungsfall nicht besteht und es damit an den Voraussetzungen des § 581 Abs. 3 RVO fehlt. Denn die als Stütztatbestand allein in Betracht kommenden Schadensfälle nach dem BVG vom 29. August 1941 (Steckschuss im linken Oberschenkel) und 17. Februar 1945 (Granatsplitterverletzung am Rücken rechts) verursachen weder jeder für sich allein noch zusammen eine weitere MdE von 10 v.H. Zwar ist in den vom Versorgungsamt im Laufe der Jahre eingeholten Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen teilweise eine schädigungsbedingte MdE von 10 v.H. geschätzt oder bestätigt worden und auch in dem im Verfahren S-6/V -243/86 vom SG eingeholten chirurgischen Sachverständigengutachten vom 10. Dezember 1997 des Prof. Dr. G. mit "nicht höher als 10 v.H." beurteilt worden. Eine Bindung des Unfallversicherungsträgers daran besteht jedoch nicht. Seine Prüfung der Voraussetzungen einer Stützrente sind nur dann eingeschränkt, wenn dem Versicherten zum Zeitpunkt der Unfallrentengewährung durch Verwaltungsakt des Versorgungsamtes rechtsverbindlich eine Entschädigung nach dem BVG gewährt wird (Bundessozialgericht –BSG- SozR 2200 § 581 Nr. 14), was hier nicht der Fall ist. Ob eine vom Versorgungsamt im Verfügungssatz des Bescheides unabhängig von einer Rentengewährung – unzulässigerweise – festgestellte MdE von 10 v.H. Bindungswirkung u.a. für den Unfallversicherungsträger erzeugen kann, kann dahinstehen, da dies im Bescheid des Versorgungsamtes vom 28. Juli 1954 und nachfolgenden Bescheiden nicht geschehen ist, sondern nur in der Ersatzbescheinigung vom 2. November 2001 für den Bescheid vom 28. Juli 1954, die insoweit den Inhalt dieses Bescheides nicht zutreffend wiedergibt. Für die Frage, ob dem Kläger eine Teilrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren ist, ist deshalb die Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit auch hinsichtlich der Kriegsbeschädigung vom Unfallversicherungsträger selbständig zu prüfen, und zwar nach unfallversicherungsrechtlichen Maßstäben und nicht nach versorgungsrechtlichen Gesichtspunkten (u.a. BSG SozR 2200 § 581 Nr. 15). Einen medizinisch oder rechtlich fundierten Unterschied der MdE-Bewertung für beide Rechtsgebiete gibt es zwar grundsätzlich nicht. Jedoch wird im Bereich der KOV seit jeher der Gesichtspunkt der körperlichen Intaktheit bzw. der "Versehrtheit" stärker betont (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 6). Auch ist bekannt und wird hingenommen, dass die sog. allgemeinen "Erfahrungswerte" in der gesetzlichen Unfallversicherung und dem Versorgungsrecht nicht in allen Punkten übereinstimmen (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 15).

Im Falle des Klägers steht ein Zustand der "Versehrtheit" durch die Kriegsverletzungen fest. Als Folge der Granatsplitterverletzung 1945 zeigt sich radiologisch die Einlagerung eines metalldichten Fremdkörpers/Stecksplitters in der rechtsseitigen Rückenstreckmuskulatur in Höhe der oberen Lendenwirbelsäule (LWS). Als Folge der Steckschussverletzung 1941 findet sich die Einlagerung eines metalldichten Fremdkörpers/Infanteriegeschosses in die Weichgewebe des linksseitigen Gesäß- bzw. Beckenbereichs. Jedoch sind funktionelle Beeinträchtigungen und Beschwerden dadurch mit Auswirkungen auf die Fähigkeit des Klägers zum Erwerb auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens nicht erwiesen und nicht einmal wahrscheinlich zu machen, d.h. aus überwiegenden medizinischen Gründen anzunehmen, schon gar nicht solche, die eine MdE von 10 v.H. rechtfertigen. Der dahingehenden Beurteilung des Prof. Dr. E. und des SG kann bei Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht gefolgt werden.

Aus der Granatsplitterverletzung 1945 resultiert eine MdE von 10 v.H. eindeutig nicht. Die Lokalisation des Stecksplitters in den Rückenweichteilen wird in den seit 1950 vorliegenden Berichten und Gutachten des versorgungsamtlichen Verfahrens sowie des vorliegenden Verfahrens weitgehend einheitlich dahingehend angegeben, dass der Stecksplitter in der rechtsseitigen Rückenmuskulatur seitlich der Dornfortsätze sowie hinter den Wirbelkörpern etwa am Übergangsbereich zwischen 1. und 2. LWK zu liegen kam, ein gewisser Abstand zwischen Stecksplitter und Wirbelsäule besteht und eine Läsion von knöchernen Strukturen und von Nerven und Nervenwurzeln nicht vorliegt. Eine konkrete wesentliche Funktionsbeeinträchtigung infolge dieser Kriegsverletzung wurde nie beschrieben. Prof. Dr. E. führte in seinem Gutachten vom 27. September 2002 zwar einerseits aus, dass der Stecksplitter "an dieser Stelle auch in Abhängigkeit von Belastungen und Bewegungen zu Muskelirritationen führen muss" bzw. "hinreichend wahrscheinlich zu gewissen Irritationen der Wirbelsäulenmuskulatur bzw. Rückenmuskulatur führt". Gleichzeitig meinte er jedoch, dass "der Stecksplitter in der Rückenmuskulatur reaktionslos einliegt und nach der Lokalisation nur wenig Probleme verursachen dürfte". Auch in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 27. Februar 2000 und 15. Februar 2002 hat sich Prof. Dr. E. zur Begründung einer schädigungsbedingten MdE von 10 v.H. nicht wesentlich auf diese Verletzung von 1945, sondern auf die "deutlich schwereren Auswirkungen" des von der Verletzung 1941 verbliebenen Geschossprojektils berufen, denen an der MdE von 10 v.H. "eindeutig größerer Anteile zukommen". Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.

Die Auffassung des Prof. Dr. E. beruht auf der Annahme, dass das Steckprojektil radiologisch im "linken unteren inneren Beckenbereich in unmittelbarer Nachbarschaft von Nerven und Gefäßen" zu lokalisieren sei und deswegen "Beschwerden im linken Becken" in Form "belastungs-, bewegungs-, lagerungsabhängiger Nerven- und Gefäßirritationen" anzunehmen seien. Dazu ist jedoch festzustellen, dass Prof. Dr. E. die als Folge der Kriegsverletzung 1941 angenommenen Beschwerden speziell im linken Beckenbereich in seinem Gutachten vom 5. Oktober 1999 und Ergänzungsgutachten vom 27. September 2000 nach zweimaliger Untersuchung des Klägers selbst weder direkt noch indirekt durch bestimmte Befunde wie z.B. Druck-, Kompressions-, Stauchungsschmerzen oder Schonungszeichen (z.B. Verschmächtigung der linken Gesäßmuskulatur) objektiviert hat, sondern nur aus der von ihm angenommenen Lokalisation des Projektils als "durchaus glaubhaft und auch nachvollziehbar" oder gar als "zwangsläufig" abgeleitet hat. Die von ihm angenommene Lokalisation des Infanteriegeschosses ist jedoch ihrerseits nicht erwiesen.

Das aus der Verletzung von 1941 resultierende Infanteriegeschoss wird entsprechend der ausführlichen Darstellung im Gutachten des Prof. Dr. D. vom 22. August 2003 hinsichtlich seiner Höhe seit 1950 weitgehend übereinstimmend auf den Übergangsbereich zwischen Kreuzbein und Steißbein lokalisiert. Jedoch besteht Uneinigkeit über die Tiefenlokalisation bzw. darüber, ob sich das Projektil (unter Berücksichtigung der Eintrittsstelle und der Flugbahn des Projektils) noch in der Gesäßmuskulatur (so z.B. Gutachten Dr. C. vom 20. August 2001, Stellungnahme Dr. Sch. vom 28. Dezember 1995, Stellungnahme Dr. N. vom 3. März 2002) oder "bereits" tiefer im Bereich des linken kleinen Beckens selbst in räumlicher Nähe sensibler Nervenstrukturen befindet (so Ergänzungsgutachten Prof. Dr. E. vom 27. September 2000 und Stellungnahme vom 15. Februar 2002, Gutachten Dr. A. vom 11. November 1998, Bericht Dr. V. vom 19. Mai 1992). Die differierenden Angaben beruhen laut Ausführungen des Prof. Dr. D. offenbar auch auf den differierenden Strahlengängen der jeweiligen radiologischen Untersuchungen. Eine abschließende Beurteilung der Eindringtiefe des Projektils und insbesondere seiner räumlichen Nähe zu sensiblen Nervenstrukturen ist laut Aussage des Sachverständigen anhand der Röntgenverlaufserie jedenfalls nicht möglich. Damit fehlt es aber am Nachweis einer Projektillokalisation, aus der sich nach der Beurteilung des Prof. Dr. E. Beschwerden im linken Beckenbereich "zwangsläufig" oder jedenfalls mit Wahrscheinlichkeit ergeben. Zwar ist nach der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. D. auch bei der von Dr. C. et al angenommenen Variante eine Druckbeeinflussung von Nervenstrukturen und Gefäßen nicht "gänzlich unwahrscheinlich", sondern grundsätzlich möglich, wenn auch weniger wahrscheinlich. Eine derartige Schädigung kann unter den gegebenen Umständen jedoch in jedem Fall nur dann angenommen werden, wenn die von Prof. Dr. E. daraus abgeleiteten Beschwerden im linken Beckenbereich in Form von belastungs- und lagerungsabhängigen Nerven- und Gefäßirritationen von Anfang an tatsächlich auch nachweisbar vorgelegen haben. Denn Hinweise auf eine Lageveränderung des Granatsplitters und insbesondere des Infanteriegeschosses im Laufe der Jahre, aus der eine Änderung bzw. Zunahme der Symptomatik resultieren könnte, haben sich durch keines der vorliegenden zahlreichen Gutachten ergeben. Auch sind außer der im Laufe der Jahre gleichbleibenden Lokalisation des Projektils keine weiteren Umstände als Ursachen schädigungsbedingter Beschwerden von Anfang an oder von einem späteren Zeitpunkt an in Betracht zu ziehen.

Lokale entzündliche Gewebsreaktionen oder systemische Komplikationen aufgrund der Fremdkörpereinschlüsse wurden zu keiner Zeit beschrieben. Vielmehr ist seit dem ersten Gutachten des Dr. v. H. vom 11. Dezember 1953 immer wieder von einem "reizlos eingeheilten Geschoss" bzw. Projektil die Rede, u.a. in dem Gutachten des Dr. C. vom 20. August 2001 und des Sachverständigen Prof. Dr. E. vom 15. Februar 2002. Auch eine Korrosion der eingeschlossenen Metallpartikel, die aufgrund "etwas aufgelockerter unscharfer Randkanten" von Prof. Dr. G. im Bericht vom 4. Februar 1985 und Gutachten vom 10. Dezember 1987 und von Prof. Dr. E. im Gutachten vom 27. September 2000 für möglich gehalten wurde, ist als Ursache von Beschwerden nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Zum einen ist nach dem Gutachten des Dr. P. und des Dr. L. vom 20. August 1985 sowie des Dr. C. vom 20. August 2001 – unter Berücksichtigung einer Verbesserung der Aufnahmequalität – von einer radiologisch unveränderten Beschaffenheit des Infanteriegeschosses seit den ersten Röntgenaufnahmen 1953 auszugehen. Zum anderen ist die Möglichkeit "einer gewissen Korrosion" laut ergänzender Stellungnahme des Prof. Dr. E. vom 15. Februar 2002 "für die Beurteilung der Schädigungsfolge im hier vorliegenden Fall auch ohne Bedeutung". Das entspricht auch der Einschätzung des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. D ... Dieser hat – wie schon zuvor Dr. C. - ausführlich dargelegt, dass es im vorliegenden Fall unter Zugrundelegung der zahlreichen Vorbefunde und Vorgutachten, in denen immer wieder auf einen komplikationslosen Heilungsverlauf der im Weichgewebe eingelagerten Fremdkörper hingewiesen wurde, schon sehr unwahrscheinlich ist, dass es zu einer Korrosion des Infanteriegeschosses gekommen ist. Selbst wenn dies anzunehmen wäre, ist es zumindest sehr unwahrscheinlich, dass aufgrund von Veränderungen der Oberflächenstruktur des Projektils eine wesentliche Veränderung von Beschwerden eingetreten ist. Die Lokalisation der eingeschlossenen Metallpartikel beim Kläger sowie ihr reizloses Einheilen und die hierdurch aller Voraussicht nach gegebene bindegewebige Ummantelung des Projektils lassen laut Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. D. vielmehr auch einen relevanten Übertritt von metallischen Molekülen in den Körper als zumindest sehr unwahrscheinlich erscheinen.

Bei unveränderter Lage des Infanteriegeschosses in den Weichgeweben des linksseitigen Gesäß- oder auch Beckenbereichs und einer sich allein aus dieser Lokalisation ergebenden Möglichkeit, dass schädigungsbedingt parallel zu den Folgen des Arbeitsunfalls vom 18. September 1991 u.a. seit 19. September 1993 eine Beschwerdesymptomatik in Form der von Prof. Dr. E. selbst nicht nachgewiesenen, sondern nur als "wahrscheinlich", "glaubhaft und nachvollziehbar" oder "zwangsläufig" angenommenen belastungs- und lagerungsabhängigen Nerven- und Gefäßirritationen im linken Beckenbereich tatsächlich besteht, kommt es entsprechend der Ansicht des Prof. Dr. D. letztlich entscheidend darauf an, ob die aktenkundigen subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers seit der Verletzung 1941 bzw. seit Abschluss des Heilungsverlaufs und die ärztlicherseits dokumentierten klinischen Symptome sowie ihre ursächliche Zuordnung durch die den Kläger seit 1949/1950 behandelnden und begutachtenden Ärzte in der Lage sind, die Auffassung des Prof. Dr. E. zu stützen. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat Beschwerden der von Prof. Dr. E. als schädigungsbedingt in Betracht gezogenen Art im linken Beckenbereich nicht nachweisbar von Anfang an geklagt. Die von ihm und seinem seinerzeit behandelnden Hausarzt Dr. S. im Zusammenhang mit der Antragstellung beim Versorgungsamt Kassel 1950 und den anschließenden Begutachtungen 1953 und 1954 durch die Dres. K., H. und M. angegebenen Beschwerden (Schmerzen im Kreuz und rechten Bein mit Gefühlsstörungen, im rechten Arm, der Schulter, am rechten Hals, Kopfschmerzen, Empfindungsstörungen der gesamten linken Körperhälfte einschließlich oberer Gliedmaßen und Hirnnerven) waren anderer Art und wurden hinsichtlich ihres Beginns zunächst auch auf April 1949/1950 und erst später – wechselnd – auch auf die Zeit nach der Schussverletzung 1941 datiert. Eine Zuordnung dieser und der späteren Beschwerdeangaben des Klägers anlässlich seiner durch den Hausarzt J. unterstützten Neufeststellungsanträge von Dezember 1968 (zunehmende belastungsabhängige "neuralgische" Beschwerden in der Kreuz- und Lendengegend, insbesondere beim starken Bücken) und Februar 1985 (u.a. Schmerzen und Sensibilitätsstörungen im linken Gesäß und linken Oberschenkel) zu den schädigungsbedingt eingeschlossenen Fremdkörpern erfolgte durch die vom Versorgungsamt insbesondere auf chirurgischem und neurologischem Fachgebiet beauftragten Gutachter (1969 Dres. I. und R., 1985 Dres. L. und P.) zu keiner Zeit. Auch sämtliche erhobene Befunde wurden schädigungsunabhängigen Ursachen "rheumatischer" Art (1953/1954) bzw. durch die Röntgenverlaufserie nachweisbaren degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule u.a. LWS mit Bandscheibenverschmälerung, Osteochondrose, Spondylose und Spondylarthrose insbesondere lumbosakral bei L5/S1 und daraus resultierenden gelegentlichen Wurzelkompressionserscheinungen ausstrahlend u.a. in die Beine oder – 1985 – auch den Folgen des schweren Privatunfalls von Dezember 1976 u.a. mit Schienbeinkopftrümmerfraktur und Oberschenkelschaftbruch links sowie leicht verschoben verheilter Symphysensprengung zugerechnet. Die gleichwohl von Anfang an intern in Ansatz gebrachte MdE von 10 v.H. resultierte bei ausdrücklicher Verneinung sowohl von Schädigungsfolgen wie auch einer MdE in den chirurgischen und nervenärztlichen Zusatzgutachten der Dres. v. H. und M. vom 11. Dezember 1953 und 16. März 1954 aus dem Hauptgutachten des Internisten Dr. K. vom 22./23. Juni 1954 und der zustimmenden Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes vom 24. Juni 1954. Sie wurde den Umständen nach allein für den im Bescheid vom 28. Juli 1954 anerkannten Zustand der "Versehrtheit" durch die beiden Kriegsverletzungen 1941 und 1945 – "Stecksplitter in der Rückenmuskulatur zwischen 1. und 2. Lendenwirbel rechts und Steckschuss links in der Gesäßmuskulatur" – vorgeschlagen und im Weiteren dann bei Verneinung irgendwelcher schädigungsbedingter Änderungen/Verschlechterungen beibehalten und fortgeschrieben. Lediglich Prof. Dr. G. spricht in seinem vom SG im Verfahren S-6/V – 243/86 eingeholten Gutachten vom 10. Dezember 1987 bei ausdrücklicher Verneinung "einer wesentlichen funktionellen Schädigung funktionell wichtiger Strukturen in den Weichteilen nach den röntgenologischen und klinischen Befunden" konkret von einer "geringen Druckempfindlichkeit der Narben" und "gewissen subjektiven Narbenbeschwerden" bei gleichzeitiger Bezeichnung der Narben zumindest im Beckenbereich als "reizlos" sowie von einer "Verschmächtigung des linken Gesäßes", die er ohne Diskussion anderer denkbarer Ursachen, z.B. der Folgen des Privatunfalls von 1976, zwar "sicher" als Folge der Verletzung wertet, zugleich aber hervorhebt, dass "sie aber kaum eine funktionelle Wirkung" hat. Schon deshalb ist auch die Aussage dieses Gutachters, dass "man bei dem Fehlen schwererer objektivierbarer Folgen der Verletzungen den körperlichen Gesamtschaden nicht höher als die Vorgutachter mit 10 % beurteilen kann", als Argument für eine Bewertung der Schädigungsfolgen mit 10 v.H. unter Berücksichtigung ihrer funktionellen Auswirkungen sowie nach unfallversicherungs-rechtlichen Maßstäben und ab dem hier zur Diskussion stehenden Zeitpunkt – 19. September 1993 – nicht verwertbar. Außerdem ist eine Verschmächtigung der linken Gesäßhälfte als mögliches schädigungsbedingtes Schonungszeichen seither nicht – mehr – festgestellt worden, u.a. nicht bei den beiden Untersuchungen des Klägers durch Prof. Dr. E., der seine Bewertung der MdE mit 10 v.H. im Übrigen auch nicht mit 1987/1988 von Prof. Dr. G. hervorgehobenen "gewissen subjektiven Narbenbeschwerden" begründet hat. Insoweit verweist Prof. Dr. E. auch zu Unrecht auf eine aktenkundige durchgehende Beschreibung von schädigungsbedingten Funktionseinbußen und Beschwerden in der Vergangenheit als Begründung für die im Verfahren nach dem BVG von Anfang an angenommene MdE von 10 v.H. Schon gar nicht kann er die Krankenvorgeschichte, mit der er sich im Einzelnen ebenso wenig befasst hat wie mit konkurrierenden anlagebedingten und unfallbedingten Ursachen, als Beleg für die von ihm postulierten schädigungsbedingten Nerven- und Gefäßirritationen im linken Beckenbereich anführen. Da deren Vorliegen mithin weder direkt noch indirekt als erwiesen angesehen werden kann, stellt sich die Frage, ob sich daraus nach unfallversicherungsrechtlichen Maßstäben überhaupt schon ein Grad der MdE von 10 v.H. rechtfertigen ließe, von vornherein nicht.

Da sonstige Gesundheitsstörungen z.B. psychischer Art, ein Herz- und Augenleiden oder Kopfschmerzen als Schädigungsfolgen nicht ernsthaft zu diskutieren sind und nach dem Ergebnis des Verfahrens vor dem SG S-6/V – 243/86 vom Versorgungsamt zu Recht nicht anerkannt wurden, musste die Berufung der Beklagten Erfolg haben.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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