L 3 U 135/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 13 U 50/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 135/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 03.03.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

I.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen der von ihr als Berufskrankheit (BK) anerkannten Meniskuserkrankung nach der Nr.2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) Verletztenrente zu gewähren hat.

Der 1948 geborene Kläger war nach Abschluss einer dreijährigen Lehre ab 1965 als Fliesenleger tätig. Seit 1974 ist er Unternehmer einer Fliesenlegerfirma und bei der Beklagten freiwillig versichert.

Im Dezember 1991 musste sich der Kläger im Städtischen Krankenhaus P. einer Meniskusoperation am linken Knie unterziehen. Nachdem auch am rechten Knie Beschwerden aufgetreten waren, zeigte der Arbeitsmedizinische Dienst der Beklagten am 01.04.1993 den Verdacht auf das Vorliegen einer BK nach der Nr.2102 (Meniskuserkrankung) an. Mit Bescheid vom 02.04.1997 erkannte die Beklagte eine Meniskuserkrankung nach der Nr.2102 als BK an, lehnte aber eine Rentenzahlung ab, da nach dem Gutachten des Dr. K. der Meniskusschaden an beiden Kniegelenken kein rentenberechtigendes Ausmaß erreiche (10 v.H.). Mit weiterem Bescheid vom 19.08.1998 erkannte die Beklagte eine Silikose als BK nach der Nr.4101 an; Rente zahlte sie nicht, weil keine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zurückgeblieben sei.

Die BK-Anzeige des Orthopäden Dr. T. vom 24.02.2000, der über eine Arthroskopie des rechten Kniegelenks am 14.02.2000 berichtete, fasste die Beklagte als Antrag auf Neufeststellung wegen einer Verschlimmerung auf. In seiner Stellungnahme vom 22.05.2000 kam der Chirurg Dr. K. an Hand der medizinischen Unterlagen zu dem Ergebnis, dass die Operation des rechten Knies auf die berufsbedingte Meniskuserkrankung zurückzuführen sei. Die Beklagte gewährte dementsprechend während der nachfolgenden Arbeitsunfähigkeit vom 01.01.2000 bis 31.05.2001 Verletztengeld. Sie zog die von Dr. T. am 21.12.2000 gefertigten Magnetresonanztomogramme (MRT s) des rechten und linken Kniegelenks sowie dessen für die private Rentenversicherung erstattete Gutachten vom 20.12.2000 bei und beauftragte Dr. D., Chefarzt der Orthopädischen Fachklinik S. mit der Erstattung eines Gutachtens. Am 27.07.2001 legte Dr. D. dar, beim Kläger bestehe eine berufsbedingte degenerative Meniskuserkrankung an beiden Kniegelenken mit beginnender Gonarthrose nach der Innenmeniskusteilresektion an beiden Kniegelenken. Im Vergleich zu dem Gutachten vom 14.01.1997 lasse sich unter funktionellen Aspekten keine wesentliche Befundverschlechterung feststellen, so dass es weiterhin bei einer MdE um 10 v.H. bleiben müsse.

Mit Bescheid vom 02.10.2001 lehnte die Beklagte erneut eine Rentenzahlung ab. Der dagegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 25.01.2002).

Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht Landshut (SG) Klage erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2002 zu verurteilen, ihm Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren. Das SG hat die Akten des Amtes für Versorgung und Familienförderung L. sowie die einschlägigen Röntgenaufnahmen und Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Es hat den Orthopäden Dr. F. beauftragt, zu der Frage, in welchem Grad die Erwerbsfähigkeit des Klägers jetzt durch die Folgen der anerkannten BK gemindert werde, ein Gutachten zu erstatten. Am 18.07.2003 sowie in einer ergänzenden Stellungnahme vom 24.10.2003 hat der Sachverständige ausgeführt, die funktionellen Verhältnisse beider Kniegelenke hätten noch kein Ausmaß erreicht, das eine MdE um 20 v.H. rechtfertigen würde. Eine rentenberechtigende MdE sei erst dann angemessen, wenn eines der Kniegelenke nur noch bis 90 Grad gebeugt werden könne. Der Zustand beim Kläger sei jedoch besser. Eine Bänderschwäche - wie vom behandelnden Orthopäden Dr. R. vermutet - bestehe nicht. Selbst wenn man das gesamte Ausmaß der Knorpelschäden der BK - und nicht anteilmäßig der Abnutzung infolge der O-Beinstellung - zuordne, werde nach funktionellen Gesichtspunkten noch keine rentenberechtigende MdE erreicht.

Mit Urteil vom 03.03.2004 hat das SG dem Gutachten des Dr. F. folgend die Klage abgewiesen.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und sich auf die Auffassung seines behandelnden Orthopäden gestützt. Auf Antrag des Klägers hat der Senat - nach Beiziehen der während des Behandlungsverlaufs erstellten Röntgenaufnahme - Prof. Dr. G. gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Sachverständigen ernannt. In seinem Gutachten vom 14.09.2004 hat Prof. Dr. G. ausgeführt, beide Kniegelenke seien vollkommen bandstabil; die inzwischen aufgetretenen Knorpelschäden seien nur zu einem Teil durch die berufsbedingte Meniskuserkrankung und zum anderen Teil infolge der anlagebedingten Varusachse verursacht worden. Ohne Rücksicht auf die Ursache betrage die MdE 20 v.H. Die Funktionseinschränkung allein infolge der BK-bedingten Meniskuserkrankung sei nicht mit mehr als 15 v.H. zu bewerten. Die Beklagte hat mitgeteilt, dass die anerkannte BK nach der Nr.4101 nach dem von ihr erholten Gutachten des Dr. T. weiterhin keine MdE in meßbarem Grade hervorrufe. Ein Stützrententatbestand sei nicht gegeben. Der Senat hat Prof.Dr. G. gebeten, zu den vom Kläger für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen Stellung zu nehmen, nämlich ob die Varusstellung anlagebedingt oder wesentlich beruflich bedingt sei. Am 18.12.2004 hat der Sachverständige die Frage dahin beantwortet, dass aufgrund der von ihm angestellten radiologischen Berechnung eine Varusachse von 3 Grad vorliege, diese anlagebedingt sei und Einfluss auf das Entstehen der Knorpelerkrankung gehabt habe. Es müsse daher bei der bisherigen Beantwortung der Beweisfragen sein Bewenden haben.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 03.03.2004 und des Bescheides vom 02.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2002 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab dem 01.06.2001 wegen der als Berufskrankheit anerkannten Meniskuserkrankung zu gewähren; hilfsweise Dr.R. als sachverständigen Zeugen zu hören, ob bei ihm eine erhebliche Varusstellung vorliegt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 03.03.2004 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhaltes gemäß § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten (Az: U07 93 030869) sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente wegen der als BK anerkannten beidseitigen Meniskusschädigung (§§ 9, 56 Abs.1, 2 und 3 des Siebten Sozialgesetzbuches ), denn seine Erwerbsfähigkeit wird durch die Folgen dieser BK nicht in rentenberechtigendem Ausmaß gemindert; eine Stützrentengewährung infolge der ebenfalls als BK anerkannten Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) kommt nicht in Betracht. Nach den vorgenannten Vorschriften haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles um wenigstens 20 v.H. gemindert wird, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die vom Hundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für den früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen des Versicherungsfalles sind nur zu berücksichtigen, wenn die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. gemindert ist.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang, der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Bewertung der MdE ist demnach im Kern eine Funktionsbegutachtung und bezieht sich auf den gesamten Arbeitsmarkt und nicht auf den speziellen, zuletzt ausgeübten Beruf. Demzufolge sind zum Beispiel auch sitzende Tätigkeiten miteinzubeziehen.

Nach den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. F. und Prof. Dr. G. beeinträchtigen die als BK nach der Nr.2102 anerkannten Meniskusschäden beidseits die Arbeitsfähigkeit des Klägers nicht derart, dass ein Grad der MdE um wenigstens 20 v.H. erreicht wird. Dabei kann dahinstehen, ob die MdE 15 v.H. - wie von Prof. Dr. G. eingeschätzt - oder 10 v.H. - nach Dr.F. - beträgt. Entscheidend ist, dass die auf die Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes bezogenen Funktionseinschränkungen nicht 20 v.H. erreichen. Dabei geht der Senat davon aus, dass eine funktionsmindernde Bandinstabilität nicht zu verifizieren ist und die bislang in Erscheinung getretene - als beginnend bezeichnete - Knorpelschädigung sich nicht wesentlich bewegungsmindernd auswirkt. Die erhaltene Kniegelenksbeweglichkeit wird von den Sachverständigen nur unwesentlich unterschiedlich gemessen. Während Dr. F. Werte für Beugung und Streckung mit 125 Grad rechts und 130 Grad links angibt, beschreibt Prof. Dr. G. solche Werte von 120 Grad rechts und 120 Grad links. Ganz eindeutig liegt damit die Beugemöglichkeit deutlich über 90 Grad, bei der nach der Rentenliteratur (Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Aufl. S. 685 und 724) erst eine MdE um 20 v.H. in Betracht kommt. Da zudem beide Kniegelenke durch die erhaltene Funktion der Kreuz- und Seitenbänder ausreichend stabilisiert werden können, ist keine weiterreichendere Funktionseinschränkung zu erkennen. Der Senat hält demnach bereits aufgrund der insgesamt erhaltenen Funktionen der Kniegelenke eine MdE um 20 v.H. nicht für befundangemessen.

Ein Stützrententatbestand gem. § 56 Abs. 1 S.2 und 3 SGB VII kommt deshalb nicht in Betracht, weil die als BK anerkannte Silikose bislang keine messbare MdE verursacht.

Dem Antrag des Klägers, Dr. R. als sachverständigen Zeugen zur Frage zu hören, ob eine erhebliche Varusstellung vorliegt, war nicht zu entsprechen. Gem. § 202 SGG i.V.m. § 414 Zivilprozessordnung (ZPO) kann zum Beweise vergangener Tatsachen oder Zustände, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war, eine sachkundige Person als Zeuge einvernommen werden. Auf eine derartige Wahrnehmung ist der Antrag des Klägers nicht gerichtet. Die Varusstellung ist aktuell noch vorhanden und wurde von den Sachverständigen Dr. F. und Prof. Dr. G. eingehend begutachtet. Über ihr Vorliegen besteht kein Zweifel. Die Einvernahme eines Zeugen über Wahrnehmungen in der Vergangenheit kommt bereits begrifflich nicht in Betracht. Die Antragstellung des Klägers zielt auf eine weitere gutachterliche Stellungnahme ab. Da der Kläger von seinem Recht aus § 109 SGG bereits Gebrauch gemacht hat und das von Prof.Dr. G. erstattete Gutachten - auch nach dem Vortrag des Klägers - keiner weiteren Ergänzung bedarf, war seinem Antrag nicht weiter nachzugehen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 30.03.2004 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und SGG zuzulassen, sind nicht erkennbar.
Rechtskraft
Aus
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