Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 41 U 314/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 269/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.01.2004 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 09.11. 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2000 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Klägerin Verletztenrente wegen der Folgen ihres Unfalls vom 17.08.1998 zusteht.
Die 1953 geb. Klägerin war zum Unfallzeitpunkt als Hilfsköchin beim Städt. Krankenhaus M. beschäftigt. Am 17.08.1998 stürzte sie bei ihrer Tätigkeit und verletzte sich beim Aufprall auf den Boden an der rechten Hüfte, dem Gesäß, der linken Hand sowie am Kopf. Nach dem Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. K. , Städt. Krankenhaus M. , vom 19.08.1998 zog sie sich dabei multiple Prellungen zu. Daneben diagnostizierte Prof. Dr. K. eine traumatisch aktive Schultergelenksentzündung und eine akute Lumboischialgie. Im von der Beklagten eingeholten Vorerkrankungsverzeichnis der AOK sind ab 1979 zahlreiche Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen allgemeiner Erschöpfung, Wirbelsäulenbeschwerden und Depression vermerkt. Dres. P. , die die Klägerin nach dem Unfall von 1998 weiterbehandelten, bezeichneten Prellungen im Bereich der rechten Schulter, des rechten Beckens und eine akute Lumbalgie als Unfallfolgen. Der Chirurg Dr. A. , den die Klägerin am 23.10.1998 aufsuchte, beschrieb eine im Vordergrund stehende, unfallunabhängige Scheuermann sche Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) und Schulterarmbeschwerden rechts; die unfallbedingte Behandlung sei mit dem 30.09.1998 abgeschlossen und die Klägerin sei ab diesem Zeitpunkt wieder arbeitsfähig.
Während des Feststellungsverfahrens machte die Klägerin weitere Unfälle, nämlich vom 23.03.1993, vom 11.10.1993 und vom 21.06.1995 geltend und verlangte wegen aller Unfälle eine Entschädigung.
Mit Bescheid vom 09.11.1998 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab, weil nach keinem der geltend gemachten Unfälle eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaß verblieben sei. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 20.03.2000).
Dagegen hat die Klägerin beim Sozialgericht München (SG) Klage erhoben, zuletzt mit dem Antrag, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und ihr - nur noch - wegen der Folgen ihres Arbeitsunfalls vom 17.08.1998 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Sie hat verschiedene Röntgenbilder, MRT s und CT s sowie einen Bericht über ein Heilverfahren in den Kliniken H. Aibling aus der Zeit vom 08.02.1999 bis 01.03.1999 und einen Bericht des Städt. Krankenhauses M. vom 29.07.1999 vorgelegt. Darin ist die Diagnose einer chronischen Schmerzkrankheit gestellt worden.
Das SG hat den Unfallchirurgen Dr. K. zum Sachverständigen bestellt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 10.11.2000 die Beschwerden eingehend dargestellt und darauf verwiesen, dass die Klägerin bei der körperlichen Untersuchung auch bei leichtester Betastung heftige Schmerzreaktionen gezeigt habe, was auf eine eigenständige Schmerzkrankheit deute. Bei dem Unfall vom 17.08.1998 sei es lediglich zu Weichteilverletzungen gekommen, die längst ausgeheilt seien und keine dauerhaften Gesundheitsstörungen zurückgelassen hätten.
Die Klägerin hat ein Attest des Allgemeinarztes Dr. M. vom 01.02.2001 vorgelegt, der eine reaktive, depressive Dekompensation durch Fehlverarbeitung von Arbeitsunfällen bei vorbestehender chronifizierter, neurotischer Depression diagnostizierte. Auf Antrag der Klägerin hat der Neurologe Dr. S. gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 17.08.2001 ein Gutachten erstattet. Er hat die Beschwerden der Klägerin als eine durch den Unfall vom 17.08.1998 verursachte Konversionsstörung gedeutet und den Unfallfolgenzustand mit einer MdE um 20 v.H. bewertet. Die Beklagte hat sich gegen diese Beurteilung unter Bezug auf eine Stellungnahme des Neurologen Dr. R. vom 20.11.2001 gewandt. Das SG hat daraufhin ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. K. eingeholt. Dieser hat am 30.07.2002 hervorgehoben, bei der Klägerin bestehe eine ausgeprägte histronische Persönlichkeit, wie die Krankschreibungen wegen psychiatrischer Krankheitsbilder seit 1979 bewiesen. Es sei von einer besonders leicht ansprechbaren Anlage auszugehen, auf die das Trauma keinen wesentlichen Einfluss gehabt habe. Dr. S. hat am 25.07.2002 eingewandt, der Unfall sei keine bloße Gelegenheitsursache gewesen; die Klägerin habe den Unfall, der zwar als Bagatellunfall zu bezeichnen sei, aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur als nachhaltig und schwer empfunden.
Mit Urteil vom 27.01.2004 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.1999 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2000 verurteilt, der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.08.1998 die gesetzlichen Leistungen nach einer MdE um 20 v.H. ab der 26. Woche nach dem Arbeitsunfall zu gewähren.
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, das Gutachten des Dr. S. könne nicht überzeugen. Übereinstimmend seien die Neurologen Dr. R. und Dr. K. zum Ergebnis gelangt, der Unfall habe nur die Bedeutung einer austauschbaren Gelegenheitsursache; ihm komme keine wesentliche Verursachung oder Mitverursachung zu. Der Senat hat die - von der Klägerin vorgeschlagene - Neurologin und Psychiaterin Dr. P. mit der Erstattung eines weiteren Gutachtens beauftragt. Die Sachverständige hat am 10.02.2005 ausgeführt, nach der Schilderung der Klägerin hatten bei ihr ab Mitte der 70er Jahre psychosoziale Belastungen eingesetzt und zu einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung geführt. Mit Sicherheit habe bereits vor August 1998 eine solche Schmerzstörung vorgelegen. Der Arbeitsunfall vom 17.08.1998 sei keineswegs eine auch nur annähernd gleichwertige Ursache für die spätere Krankheitsentwicklung gewesen. Ein ursächlicher Zusammenhang sei zu verneinen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG München vom 27.01.2004 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 09.11.1999 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2000 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.01.2004 zurückzuweisen; hilfsweise den Sachverständigen Dr. S. erneut zum Gutachten Dr. P. anzuhören.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143,151 SGG) und begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 27.01.2004 und zur Abweisung der Klage gegen den Bescheid vom 09.11.1999 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2000, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung von Unfallfolgen nach ihrem Arbeitsunfall vom 17.08.1998 gem. §§ 8, 26, 56 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII) hat.
Bei dem streitgegenständlichen Unfall erlitt die Klägerin lediglich Prellungen an der rechten Hüfte, dem Becken und der linken Hand, wie dem Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. K. vom 19.08.1998 zu entnehmen ist. Dabei handelte es sich um Weichteilverletzungen, die in kurzer Zeit abgeheilt waren. Insoweit stützt sich der Senat auf das Gutachten des Dr. K. , der sich nach einer körperlichen Untersuchung der Klägerin eingehend mit ihren Beschwerdeschilderungen und den objektivierbaren Befunden befasste. Er fand ein symmetrisch verteiltes Schmerzbild, das eine - unfallunabhängige - Fibromyalgie nahelegt, aber kein organisches Korrelat erkennen lässt. Auf unfallchirurgischem Gebiet sind demnach keinerlei Folgen über die 26. Woche nach dem Unfall verblieben.
Auch auf neurologisch - psychiatrischem Gebiet lassen sich keine Gesundheitsstörungen feststellen, die in einem zumindest teilursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen stehen. Der Senat bezieht sich insoweit vor allem auf das in seinem Auftrag erstattete Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. P. vom 10.02.2005. Die Sachverständige setzt sich darin eingehend mit der von der Klägerin selbst geschilderten Lebensgeschichte, ihren psychosozialen Belastungen ab Mitte der 70er Jahre und der damit einhergehenden Überforderung am Arbeitsplatz sowie den verschiedenen Erkrankungen mit Arbeitsunfähigkeitszeiten vor dem Unfall auseinander. Danach handelt es sich bei der Klägerin um eine somatoforme Schmerzstörung aufgrund anhaltender Belastungen in der Kindheit wie auch im späteren Leben, die ihre Schmerzempfindlichkeit verstärkten. Typisch für dieses Krankheitsbild sind starke Schmerzen ohne ausreichendes organisches Korrelat. In Begleitung einer solchen somatoformen Schmerzstörung kommt es häufig - so Dr. P.- - zu einer depressiven Verstimmung bzw. zu einer Erschöpfungssymptomatik, wie sie bei der Klägerin ab 1979 - verbunden mit häufigen Arbeitsunfähigkeitszeiten - dokumentiert ist. Dies lässt die Aussage zu, dass mit Sicherheit bereits vor August 1998 eine somatoforme Schmerzstörung vorgelegen hat. Diese hat sich infolge des Unfalles auch nicht nachhaltig verschlimmert, sondern besteht in gleicher Weise fort, wie der Beschwerdeverlauf verdeutlicht. Bei der Klägerin war das Krankheitsbild vor dem Unfall bereits so ausgeprägt, dass bei der gegebenen Vorgeschichte jedes Bagatellereignis dazu hätte führen können, dass sich die langjährig nicht gelebten Regressionswünsche endgültig manifestierten. Die Wahrscheinlichkeit, dass derart schwere Symptome auftreten würden, war auch ohne den speziellen Unfall ausgesprochen hoch. Die psychische Verletzlichkeit war so leicht ansprechbar, dass Bagatelleereignisse ausgereicht hätten, um Beschwerden der vorliegenden Art auszulösen. Damit kommt dem Unfall nach der in der gestzlichen Unfallversicherung geltenden Kausallehre keine wesentliche Ursache oder Mitursache zu.
Der Auffassung des Dr. S. kann sich der Senat nicht anschließen, weil dieser den zeitlichen Zusammenhang in den Mittelpunkt seiner Beurteilung stellt und die Vorgeschichte der Klägerin sowie die bei ihr bestehende überdurchschnittliche psychische Verletzlichkeit unberücksichtigt läßt. Ihm ist insoweit vorzuhalten, dass er keine Wertung der verschiedenen Ursachen vornimmt, zumal auch er von einer histrionischen psychischen Grundstruktur der Klägerin, also von einem unfallunabhängigen Ursachenfaktor, ausgeht. Es ist zwar richtig, dass nicht auf die psychische Verarbeitungsfähigkeit eines Durchnittsmenschen abzustellen ist, sondern auf die Persönlichkeit des Verletzten (Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 236 ff.). Auch leichte Unfälle können eine schwere Erlebnisreaktion bewirken. Je schwerer aus objektiver und subjektiver Sicht das Unfallgeschehen ist, desto wahrscheinlicher ist die Annahme eines psychischen Traumas. Im umgekehrten Fall, also bei einem objektiv leichteren Unfallgeschehen, ist zu prüfen, ob sich die Einschränkung der Willenskraft, psychische Störungen zu überwinden, vorwiegend aus dem Erlebnisgehalt des Ereignisses oder mehr aus der Persönlichkeitsstruktur ableiten läßt. Diese Wertung hat Dr. S. nicht getroffen. Seine Ausführungen lassen eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen konkurrierenden Verursachungsfaktoren vermissen.
Damit kommt der Senat zum Ergebnis, dass ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung von Unfallfolgen nach ihrem Arbeitsunfall vom 17.08.1998 nicht zu begründen ist. Auf die Berufung der Beklagten waren das Urteil des Sozialgericht München vom 27.01.2004 aufzuheben und die Klage gegen die angefochtenen Bescheide abzuweisen.
Dem Hilfsantrag, Dr. S. erneut zum Gutachten der von Amts wegen beauftragten Dr. P. anzuhören, war nicht zu entsprechen. Die wiederholte Anhörung desselben Gutachters ist nur dann gerechtfertigt, wenn besondere Gründe hierfür vorliegen. Dies kann dann der Fall sein, wenn sich infolge eines weiteren Gutachtens entscheidende Gesichtspunkte ergeben haben, zu denen sich der Gutachter nach § 109 SGG noch nicht hatte äußern können (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, Komm. zum SGG, 8.Aufl., § 109 Rdnr.10 b mit weiteren Nachweisen). Derartige Gründe brachte die Klägerin nicht vor und solche Gründe sind für den Senat auch nicht zu erkennen. Entgegen der Meinung der Klägerin ist die Vorschrift des § 109 SGG auch nicht dahin auszulegen, dass dem von ihr ausgewählten Gutachter das "letzte Wort" verbleiben müßte (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, a.a.O.). Ihrem Hilfsantrag war daher nicht nachzukommen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand kein Grund i. S. des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Klägerin Verletztenrente wegen der Folgen ihres Unfalls vom 17.08.1998 zusteht.
Die 1953 geb. Klägerin war zum Unfallzeitpunkt als Hilfsköchin beim Städt. Krankenhaus M. beschäftigt. Am 17.08.1998 stürzte sie bei ihrer Tätigkeit und verletzte sich beim Aufprall auf den Boden an der rechten Hüfte, dem Gesäß, der linken Hand sowie am Kopf. Nach dem Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. K. , Städt. Krankenhaus M. , vom 19.08.1998 zog sie sich dabei multiple Prellungen zu. Daneben diagnostizierte Prof. Dr. K. eine traumatisch aktive Schultergelenksentzündung und eine akute Lumboischialgie. Im von der Beklagten eingeholten Vorerkrankungsverzeichnis der AOK sind ab 1979 zahlreiche Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen allgemeiner Erschöpfung, Wirbelsäulenbeschwerden und Depression vermerkt. Dres. P. , die die Klägerin nach dem Unfall von 1998 weiterbehandelten, bezeichneten Prellungen im Bereich der rechten Schulter, des rechten Beckens und eine akute Lumbalgie als Unfallfolgen. Der Chirurg Dr. A. , den die Klägerin am 23.10.1998 aufsuchte, beschrieb eine im Vordergrund stehende, unfallunabhängige Scheuermann sche Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) und Schulterarmbeschwerden rechts; die unfallbedingte Behandlung sei mit dem 30.09.1998 abgeschlossen und die Klägerin sei ab diesem Zeitpunkt wieder arbeitsfähig.
Während des Feststellungsverfahrens machte die Klägerin weitere Unfälle, nämlich vom 23.03.1993, vom 11.10.1993 und vom 21.06.1995 geltend und verlangte wegen aller Unfälle eine Entschädigung.
Mit Bescheid vom 09.11.1998 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab, weil nach keinem der geltend gemachten Unfälle eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaß verblieben sei. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 20.03.2000).
Dagegen hat die Klägerin beim Sozialgericht München (SG) Klage erhoben, zuletzt mit dem Antrag, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und ihr - nur noch - wegen der Folgen ihres Arbeitsunfalls vom 17.08.1998 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Sie hat verschiedene Röntgenbilder, MRT s und CT s sowie einen Bericht über ein Heilverfahren in den Kliniken H. Aibling aus der Zeit vom 08.02.1999 bis 01.03.1999 und einen Bericht des Städt. Krankenhauses M. vom 29.07.1999 vorgelegt. Darin ist die Diagnose einer chronischen Schmerzkrankheit gestellt worden.
Das SG hat den Unfallchirurgen Dr. K. zum Sachverständigen bestellt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 10.11.2000 die Beschwerden eingehend dargestellt und darauf verwiesen, dass die Klägerin bei der körperlichen Untersuchung auch bei leichtester Betastung heftige Schmerzreaktionen gezeigt habe, was auf eine eigenständige Schmerzkrankheit deute. Bei dem Unfall vom 17.08.1998 sei es lediglich zu Weichteilverletzungen gekommen, die längst ausgeheilt seien und keine dauerhaften Gesundheitsstörungen zurückgelassen hätten.
Die Klägerin hat ein Attest des Allgemeinarztes Dr. M. vom 01.02.2001 vorgelegt, der eine reaktive, depressive Dekompensation durch Fehlverarbeitung von Arbeitsunfällen bei vorbestehender chronifizierter, neurotischer Depression diagnostizierte. Auf Antrag der Klägerin hat der Neurologe Dr. S. gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 17.08.2001 ein Gutachten erstattet. Er hat die Beschwerden der Klägerin als eine durch den Unfall vom 17.08.1998 verursachte Konversionsstörung gedeutet und den Unfallfolgenzustand mit einer MdE um 20 v.H. bewertet. Die Beklagte hat sich gegen diese Beurteilung unter Bezug auf eine Stellungnahme des Neurologen Dr. R. vom 20.11.2001 gewandt. Das SG hat daraufhin ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. K. eingeholt. Dieser hat am 30.07.2002 hervorgehoben, bei der Klägerin bestehe eine ausgeprägte histronische Persönlichkeit, wie die Krankschreibungen wegen psychiatrischer Krankheitsbilder seit 1979 bewiesen. Es sei von einer besonders leicht ansprechbaren Anlage auszugehen, auf die das Trauma keinen wesentlichen Einfluss gehabt habe. Dr. S. hat am 25.07.2002 eingewandt, der Unfall sei keine bloße Gelegenheitsursache gewesen; die Klägerin habe den Unfall, der zwar als Bagatellunfall zu bezeichnen sei, aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur als nachhaltig und schwer empfunden.
Mit Urteil vom 27.01.2004 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.1999 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2000 verurteilt, der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.08.1998 die gesetzlichen Leistungen nach einer MdE um 20 v.H. ab der 26. Woche nach dem Arbeitsunfall zu gewähren.
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, das Gutachten des Dr. S. könne nicht überzeugen. Übereinstimmend seien die Neurologen Dr. R. und Dr. K. zum Ergebnis gelangt, der Unfall habe nur die Bedeutung einer austauschbaren Gelegenheitsursache; ihm komme keine wesentliche Verursachung oder Mitverursachung zu. Der Senat hat die - von der Klägerin vorgeschlagene - Neurologin und Psychiaterin Dr. P. mit der Erstattung eines weiteren Gutachtens beauftragt. Die Sachverständige hat am 10.02.2005 ausgeführt, nach der Schilderung der Klägerin hatten bei ihr ab Mitte der 70er Jahre psychosoziale Belastungen eingesetzt und zu einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung geführt. Mit Sicherheit habe bereits vor August 1998 eine solche Schmerzstörung vorgelegen. Der Arbeitsunfall vom 17.08.1998 sei keineswegs eine auch nur annähernd gleichwertige Ursache für die spätere Krankheitsentwicklung gewesen. Ein ursächlicher Zusammenhang sei zu verneinen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG München vom 27.01.2004 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 09.11.1999 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2000 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.01.2004 zurückzuweisen; hilfsweise den Sachverständigen Dr. S. erneut zum Gutachten Dr. P. anzuhören.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143,151 SGG) und begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 27.01.2004 und zur Abweisung der Klage gegen den Bescheid vom 09.11.1999 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2000, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung von Unfallfolgen nach ihrem Arbeitsunfall vom 17.08.1998 gem. §§ 8, 26, 56 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII) hat.
Bei dem streitgegenständlichen Unfall erlitt die Klägerin lediglich Prellungen an der rechten Hüfte, dem Becken und der linken Hand, wie dem Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. K. vom 19.08.1998 zu entnehmen ist. Dabei handelte es sich um Weichteilverletzungen, die in kurzer Zeit abgeheilt waren. Insoweit stützt sich der Senat auf das Gutachten des Dr. K. , der sich nach einer körperlichen Untersuchung der Klägerin eingehend mit ihren Beschwerdeschilderungen und den objektivierbaren Befunden befasste. Er fand ein symmetrisch verteiltes Schmerzbild, das eine - unfallunabhängige - Fibromyalgie nahelegt, aber kein organisches Korrelat erkennen lässt. Auf unfallchirurgischem Gebiet sind demnach keinerlei Folgen über die 26. Woche nach dem Unfall verblieben.
Auch auf neurologisch - psychiatrischem Gebiet lassen sich keine Gesundheitsstörungen feststellen, die in einem zumindest teilursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen stehen. Der Senat bezieht sich insoweit vor allem auf das in seinem Auftrag erstattete Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. P. vom 10.02.2005. Die Sachverständige setzt sich darin eingehend mit der von der Klägerin selbst geschilderten Lebensgeschichte, ihren psychosozialen Belastungen ab Mitte der 70er Jahre und der damit einhergehenden Überforderung am Arbeitsplatz sowie den verschiedenen Erkrankungen mit Arbeitsunfähigkeitszeiten vor dem Unfall auseinander. Danach handelt es sich bei der Klägerin um eine somatoforme Schmerzstörung aufgrund anhaltender Belastungen in der Kindheit wie auch im späteren Leben, die ihre Schmerzempfindlichkeit verstärkten. Typisch für dieses Krankheitsbild sind starke Schmerzen ohne ausreichendes organisches Korrelat. In Begleitung einer solchen somatoformen Schmerzstörung kommt es häufig - so Dr. P.- - zu einer depressiven Verstimmung bzw. zu einer Erschöpfungssymptomatik, wie sie bei der Klägerin ab 1979 - verbunden mit häufigen Arbeitsunfähigkeitszeiten - dokumentiert ist. Dies lässt die Aussage zu, dass mit Sicherheit bereits vor August 1998 eine somatoforme Schmerzstörung vorgelegen hat. Diese hat sich infolge des Unfalles auch nicht nachhaltig verschlimmert, sondern besteht in gleicher Weise fort, wie der Beschwerdeverlauf verdeutlicht. Bei der Klägerin war das Krankheitsbild vor dem Unfall bereits so ausgeprägt, dass bei der gegebenen Vorgeschichte jedes Bagatellereignis dazu hätte führen können, dass sich die langjährig nicht gelebten Regressionswünsche endgültig manifestierten. Die Wahrscheinlichkeit, dass derart schwere Symptome auftreten würden, war auch ohne den speziellen Unfall ausgesprochen hoch. Die psychische Verletzlichkeit war so leicht ansprechbar, dass Bagatelleereignisse ausgereicht hätten, um Beschwerden der vorliegenden Art auszulösen. Damit kommt dem Unfall nach der in der gestzlichen Unfallversicherung geltenden Kausallehre keine wesentliche Ursache oder Mitursache zu.
Der Auffassung des Dr. S. kann sich der Senat nicht anschließen, weil dieser den zeitlichen Zusammenhang in den Mittelpunkt seiner Beurteilung stellt und die Vorgeschichte der Klägerin sowie die bei ihr bestehende überdurchschnittliche psychische Verletzlichkeit unberücksichtigt läßt. Ihm ist insoweit vorzuhalten, dass er keine Wertung der verschiedenen Ursachen vornimmt, zumal auch er von einer histrionischen psychischen Grundstruktur der Klägerin, also von einem unfallunabhängigen Ursachenfaktor, ausgeht. Es ist zwar richtig, dass nicht auf die psychische Verarbeitungsfähigkeit eines Durchnittsmenschen abzustellen ist, sondern auf die Persönlichkeit des Verletzten (Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 236 ff.). Auch leichte Unfälle können eine schwere Erlebnisreaktion bewirken. Je schwerer aus objektiver und subjektiver Sicht das Unfallgeschehen ist, desto wahrscheinlicher ist die Annahme eines psychischen Traumas. Im umgekehrten Fall, also bei einem objektiv leichteren Unfallgeschehen, ist zu prüfen, ob sich die Einschränkung der Willenskraft, psychische Störungen zu überwinden, vorwiegend aus dem Erlebnisgehalt des Ereignisses oder mehr aus der Persönlichkeitsstruktur ableiten läßt. Diese Wertung hat Dr. S. nicht getroffen. Seine Ausführungen lassen eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen konkurrierenden Verursachungsfaktoren vermissen.
Damit kommt der Senat zum Ergebnis, dass ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung von Unfallfolgen nach ihrem Arbeitsunfall vom 17.08.1998 nicht zu begründen ist. Auf die Berufung der Beklagten waren das Urteil des Sozialgericht München vom 27.01.2004 aufzuheben und die Klage gegen die angefochtenen Bescheide abzuweisen.
Dem Hilfsantrag, Dr. S. erneut zum Gutachten der von Amts wegen beauftragten Dr. P. anzuhören, war nicht zu entsprechen. Die wiederholte Anhörung desselben Gutachters ist nur dann gerechtfertigt, wenn besondere Gründe hierfür vorliegen. Dies kann dann der Fall sein, wenn sich infolge eines weiteren Gutachtens entscheidende Gesichtspunkte ergeben haben, zu denen sich der Gutachter nach § 109 SGG noch nicht hatte äußern können (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, Komm. zum SGG, 8.Aufl., § 109 Rdnr.10 b mit weiteren Nachweisen). Derartige Gründe brachte die Klägerin nicht vor und solche Gründe sind für den Senat auch nicht zu erkennen. Entgegen der Meinung der Klägerin ist die Vorschrift des § 109 SGG auch nicht dahin auszulegen, dass dem von ihr ausgewählten Gutachter das "letzte Wort" verbleiben müßte (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, a.a.O.). Ihrem Hilfsantrag war daher nicht nachzukommen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand kein Grund i. S. des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.
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