Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 51 AS 632/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 B 201/05 ER AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Juli 2005 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
Die am 12. Juli 2005 durch die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (SG) vom 7. Juli 2005 eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz -SGG), ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 SGG).
Sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Beschwerdeführerin zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Zustimmung zur Anmietung einer Wohnung sowie - darlehnsweise - die hierfür anfallende Kaution in erforderlicher Höhe zu bewilligen. Die Auffassung des SG, dass die Kosten der vom Antragsteller angemieteten Wohnung in der S.-Reye angemessen sind, ist nicht zu beanstanden.
Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffes der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist mangels näherer Anhaltspunkte im SGB II auf die zum früheren Sozialhilferecht entwickelten Rechtsgrundsätze zurückzugreifen.
Eine – nach § 27 Nr. 1 SGB II zulässige - Konkretisierung des Begriffes der Angemessenheit der Unterkunftskosten durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit ist bislang nicht erfolgt. Die in § 3 SGB II normierten Leistungsgrundsätze können zur Konkretisierung ebenfalls nicht herangezogen werden, da sie sich – mit Ausnahme des dritten Absatzes – nicht auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen; § 3 Abs. 3 SGB II bestimmt lediglich pauschal, dass Leistungen nur erbracht werden dürfen, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann.
Nach dem für die frühere Sozialhilfe maßgeblichen Recht und der hierzu ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bestimmte sich die Angemessenheit der Unterkunftskosten nach dem Bedarf des Hilfebedürftigen. Hierfür kam es auf die Besonderheiten des Einzelfalls an (§ 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO a.F.), vor allem auf die Person des Hilfebedürftigen, die Art seines Bedarfs und die örtlichen Verhältnisse (§ 3 Abs. 1 BSHG a.F.). Ausgehend hiervon waren bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für eine in Aussicht genommene oder bereits bewohnte Wohnung die örtlichen Verhältnisse insoweit zunächst maßgeblich, als auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne zu ermitteln war (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 2004, 5 C 8/04 = NJW 2005, 310 m.w.N.). Die Angemessenheitsprüfung musste sich - neben der Bestimmung des Kostenaufwands, der für die Unterkunft an sich (abstrakt) angemessen wäre - auch auf die Frage erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war (BVerwG a.a.O.).
Ausgehend von diesen, grundsätzlich auf das nach dem SGB II maßgebliche Recht übertragbaren Grundsätzen wäre die vom Antragsteller angemietete Wohnung sowohl nach ihrer Gesamtwohnfläche (30,29 Quadratmeter) als auch nach ihrer Bruttokaltmiete (257,99 Euro) dem Grunde nach angemessen, da sie die von der Beschwerdeführerin zugrunde gelegten Grenzwerte von 45 Quadratmetern (bzw. von 41 Quadratmetern bei Neuanmietung) und von 318.- Euro deutlich unterschreitet. Dies ist auch zu recht unstrittig.
Die danach grundsätzlich zu bejahende Angemessenheit der Unterkunftskosten wird auch nicht durch die von der Beschwerdeführerin angezogene Regelung in den Fachlichen Vorgaben zu § 22 II – Leistungen für Unterkunft und Heizung vom 15.10.2004 in Frage gestellt. Dort heißt es unter Ziffer 2: Bei Leistungsberechtigten, die erstmalig eine eigene Wohnung beziehen, sind in dieser Hinsicht besonders strenge Maßstäbe anzulegen. Bei jungen, alleinstehenden Menschen sollte vorrangig zunächst auf besonders preisgünstigen Wohnraum (möbliertes Zimmer, Untermiete, Wohngemeinschaft) verwiesen werden.
Hierbei handelt es sich um eine verwaltungsinterne Beurteilungs- bzw. Ermessensrichtlinie, an die die Gerichte nicht gebunden sind (vgl. etwa - zu Weisungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit an die Bundesagentur für Arbeit – LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.1.1999, L 7 Ar 23/98 m.w.N.).
Fraglich könnte bereits sein, ob diese Regelung dem Grunde nach rechtmäßig ist, da sie im Ergebnis dem genannten Personenkreis pauschal den Bezug einer eigenen Wohnung verwehrt (offen gelassen von OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5.12.1995, 8 A 1970/94 - juris).
Zwar können bei der Konkretisierung des Begriffes der Angemessenheit auch in der Person des Hilfebedürftigen liegende Gründe – wie etwa das Alter und der Familienstand - Berücksichtigung finden. Jedoch dient die Übernahme der Unterkunftskosten - wie in Ziffer 1 zutreffend festgestellt wird - der Befriedigung eines menschlichen Grundbedürfnisses, des Wohnens. Sie bildet einen Eckpfeiler für die Erreichung des übergeordneten Hilfeziels, der Loslösung aus dem Leistungsbezug. Dieses menschliche Grundbedürfnis ist nicht auf die schlichte Beseitigung der Obdachlosigkeit als solche beschränkt, sondern beinhaltet grundsätzlich auch die Möglichkeit, sich in einem abgeschlossenen, von Einflüssen Dritter freien Bereich aufzuhalten.
Auch wenn es zulässig sein dürfte, bei der Auslegung des Begriffes auch die Lebensgewohnheiten vergleichbarer Personengruppen heranzuziehen und es ggf. nicht zu beanstanden sein mag, etwa den Unterkunftsbedarf eines Jugendlichen, der noch die Schule besucht, zu beschränken (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 30.1.1998, 13 B 15/98), handelt es sich vorliegend bei dem Antragsteller jedoch um einen 24 Jahre alten, nicht in der Ausbildung befindlichen Erwachsenen.
Im Rahmen dieses Eilverfahrens braucht die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit derartiger Beschränkungen jedoch nicht abschließend entschieden zu werden. Denn auch wenn die Fachlichen Vorgaben insoweit grundsätzlich anwendbar wären, würden sie die Entscheidung der Beschwerdeführerin nicht rechtfertigen, da sie als solche zu pauschal und undifferenziert sind.
Zunächst gilt dies für die Beschränkung besonders preisgünstigen Wohnraums auf die im Klammerzusatz ( möbliertes Zimmer, Untermiete, Wohngemeinschaft ) genannten Wohnformen. So belegt gerade der vorliegende Fall, dass es besonders preisgünstigen Wohnraum auch in Form einfach ausgestatteter Wohnungen gibt. Zudem liegen die von der Beschwerdeführerin höchstens als angemessen erachteten Kosten eines Untermietzimmers (allerdings als Bruttowarmmiete) mit 250.- Euro für ein bis 15 Quadratmeter großes und 300.- Euro für ein größeres Zimmer nicht wesentlich unter dem für Mietwohnungen geltenden Höchstwert von 318.- Euro. Damit berücksichtigt die Beschwerdeführerin zutreffend, dass auch in diesem Mietsegment keineswegs per se besonders preisgünstiger Wohnraum verfügbar ist. Hinzu kommt, dass das Mietniveau öffentlich geförderten Wohnraums in der Regel deutlich günstiger als für vergleichbare Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ist; hiervon geht auch die Beschwerdeführerin in ihren Fachlichen Vorgaben aus. Zum freien Wohnungsmarkt gehören aber auch die im Klammerzusatz genannten Wohnformen; auf diesem Wohnungsmarktsegment konkurriert der Antragsteller unter anderem mit Studenten.
Zu beanstanden ist weiter, dass die Fachlichen Vorgaben die dort genannten Hilfeempfänger pauschal auf einen (abstrakten) besonders günstigen Wohnungsmarkt verweist. Nach der bereits zitierten Rechtsprechung muss dieser vielmehr dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum auch konkret verfügbar und zugänglich gewesen sein. Dies ist jedoch nicht der Fall.
So ergab eine kursorische Analyse der Wohnungsangebote im immonet des Hamburger Abendblatts vom 24. August 2005, die allerdings den öffentlich geförderten Wohnraum nicht vollständig erfassen dürfte, dass bei einem Gesamtangebot von 4775 Wohnungen lediglich 402 (= 8,4 %) unter einem Mietniveau von 318.- Euro lagen und sogar nur 74 (=1,6 %) unter 250.- Euro. Bei den möblierten Zimmern (einschließlich Wohnen auf Zeit ) lagen von insgesamt 1015 Angeboten 218 (= 21,5 %) unter 318.- Euro, unter 250.- Euro waren dies jedoch lediglich 24 (= 2,4 %). Lediglich bei den angebotenen 560 Zimmern in Wohngemeinschaften lagen 541 (= 80,5 %) unter 318.- Euro; unter 250.- Euro waren dies 178 (= 31,8 %) und unter 200.- Euro 50 (= 8,9 %).
In dem von der Beschwerdeführerin vorliegend als angemessen erachteten Bereich unterhalb von 250.- Euro gibt es mithin sowohl bei Wohnungen als auch bei möblierten Zimmern nur ein marginales Angebot. Der Verweis auf ein lediglich 1,6 bzw. 2,4 % des Angebots umfassendes Marktsegment ist nicht zumutbar. Ein als solches zu bezeichnender Markt für besonders günstigen Wohnraum ist allein im Bereich der Wohngemeinschaften vorhanden, da hier immerhin ein Drittel der Zimmer unterhalb des Betrages von 250.- Euro angeboten werden.
Es ist jedoch nicht erkennbar, dass dem Antragsteller Zimmer in Wohngemeinschaften zugänglich sind, da Wohngemeinschaften, wie bereits ihr Name nahe legt, ein gewisses Maß an Gemeinsamkeit und Nähe voraussetzen, und Wohngemeinschaftspartner daher in aller Regel zur Vermeidung unliebsamer Überraschungen sorgfältig ausgesucht werden. Es dürfte nahezu ausgeschlossen sein, dass Menschen, die – wie ausweislich der Stellungnahme der Sozialen Beratungsstelle Billstedt der Antragsteller - zum Personenkreis mit besonderen sozialen Schwierigkeiten gehören, eine realistische Chance in diesem Segment haben.
Durchweg günstiger und dem Antragsteller zugänglich sind somit lediglich die von der Beschwerdeführerin erwähnten Wohnheime; hierfür liegen die monatlichen Kosten nach der Gebührenordnung für öffentlich veranlasste Unterbringungen vom 21. Dezember 1999 (GVBl. 1999, 350) zwischen 159.- und 214,50 Euro. Eine dauerhafte Unterbringung in einem Wohnheim stellt jedoch wegen der damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Vermittelbarkeit keine zumutbare Alternative dar. Aber auch eine vorübergehende Unterbringung im Wohnheim zum Zwecke der Zimmersuche, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, hat auszuscheiden, weil – wie bereits dargelegt – die Möglichkeit, ein besonders günstiges Zimmer zu finden, vorliegend überhaupt nicht gegeben ist.
Im Übrigen handelt es sich bei dem Abschnitt der Fachlichen Vorgaben, auf den die Beschwerdeführerin ihre Entscheidung stützt, um eine Soll-Regelung ( sollte ...vorrangig ), die auf atypische Ausnahmefälle keine Anwendung finden kann. Der Antragsteller hat jedoch im Beschwerdeverfahren durch Vorlage eines ärztlichen Attestes glaubhaft gemacht, dass er aus gesundheitlichen Gründen eine eigene Wohnung benötigt.
Selbst wenn man berücksichtigen würde, dass sich die Bruttowarmmiete der Wohnung auf 280.- Euro beläuft, während Heiz- und Nebenkosten bei möblierten Zimmern enthalten wären, liegt doch die maßgebliche Bruttokaltmiete deutlich (um fast 20 %) unter dem Grenzwert von 318.- Euro, so dass der Antragsteller letztlich sogar besonders preiswerten Wohnraum im Sinne der Fachlichen Vorgaben bezogen hat. Ihre Behauptung, dass der Antragsteller bei intensiver Suche auch ein möbliertes Zimmer für deutlich weniger als einen Betrag von 250.- Euro finden könne, hat die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht hat. Hierzu dürfte sie auch kaum in der Lage sein.
Ob der Antragsteller überhaupt zum Adressatenkreis der Ziffer 2 der Fachlichen Vorgaben gehörte, also erstmalig eine eigene Wohnung bezieht, kann angesichts der vorstehenden Ausführungen offen bleiben. Da es auf hierauf nicht ankommt, bedarf auch die Frage keiner Erörterung, welche sachlichen Kriterien die Differenzierung zwischen jungen Alleinstehenden, die erstmalig eine Wohnung suchen und solchen, die bereits eine solche bewohnen, rechtfertigen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.
Gründe:
Die am 12. Juli 2005 durch die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (SG) vom 7. Juli 2005 eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz -SGG), ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 SGG).
Sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Beschwerdeführerin zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Zustimmung zur Anmietung einer Wohnung sowie - darlehnsweise - die hierfür anfallende Kaution in erforderlicher Höhe zu bewilligen. Die Auffassung des SG, dass die Kosten der vom Antragsteller angemieteten Wohnung in der S.-Reye angemessen sind, ist nicht zu beanstanden.
Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffes der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist mangels näherer Anhaltspunkte im SGB II auf die zum früheren Sozialhilferecht entwickelten Rechtsgrundsätze zurückzugreifen.
Eine – nach § 27 Nr. 1 SGB II zulässige - Konkretisierung des Begriffes der Angemessenheit der Unterkunftskosten durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit ist bislang nicht erfolgt. Die in § 3 SGB II normierten Leistungsgrundsätze können zur Konkretisierung ebenfalls nicht herangezogen werden, da sie sich – mit Ausnahme des dritten Absatzes – nicht auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen; § 3 Abs. 3 SGB II bestimmt lediglich pauschal, dass Leistungen nur erbracht werden dürfen, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann.
Nach dem für die frühere Sozialhilfe maßgeblichen Recht und der hierzu ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bestimmte sich die Angemessenheit der Unterkunftskosten nach dem Bedarf des Hilfebedürftigen. Hierfür kam es auf die Besonderheiten des Einzelfalls an (§ 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO a.F.), vor allem auf die Person des Hilfebedürftigen, die Art seines Bedarfs und die örtlichen Verhältnisse (§ 3 Abs. 1 BSHG a.F.). Ausgehend hiervon waren bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für eine in Aussicht genommene oder bereits bewohnte Wohnung die örtlichen Verhältnisse insoweit zunächst maßgeblich, als auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne zu ermitteln war (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 2004, 5 C 8/04 = NJW 2005, 310 m.w.N.). Die Angemessenheitsprüfung musste sich - neben der Bestimmung des Kostenaufwands, der für die Unterkunft an sich (abstrakt) angemessen wäre - auch auf die Frage erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war (BVerwG a.a.O.).
Ausgehend von diesen, grundsätzlich auf das nach dem SGB II maßgebliche Recht übertragbaren Grundsätzen wäre die vom Antragsteller angemietete Wohnung sowohl nach ihrer Gesamtwohnfläche (30,29 Quadratmeter) als auch nach ihrer Bruttokaltmiete (257,99 Euro) dem Grunde nach angemessen, da sie die von der Beschwerdeführerin zugrunde gelegten Grenzwerte von 45 Quadratmetern (bzw. von 41 Quadratmetern bei Neuanmietung) und von 318.- Euro deutlich unterschreitet. Dies ist auch zu recht unstrittig.
Die danach grundsätzlich zu bejahende Angemessenheit der Unterkunftskosten wird auch nicht durch die von der Beschwerdeführerin angezogene Regelung in den Fachlichen Vorgaben zu § 22 II – Leistungen für Unterkunft und Heizung vom 15.10.2004 in Frage gestellt. Dort heißt es unter Ziffer 2: Bei Leistungsberechtigten, die erstmalig eine eigene Wohnung beziehen, sind in dieser Hinsicht besonders strenge Maßstäbe anzulegen. Bei jungen, alleinstehenden Menschen sollte vorrangig zunächst auf besonders preisgünstigen Wohnraum (möbliertes Zimmer, Untermiete, Wohngemeinschaft) verwiesen werden.
Hierbei handelt es sich um eine verwaltungsinterne Beurteilungs- bzw. Ermessensrichtlinie, an die die Gerichte nicht gebunden sind (vgl. etwa - zu Weisungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit an die Bundesagentur für Arbeit – LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.1.1999, L 7 Ar 23/98 m.w.N.).
Fraglich könnte bereits sein, ob diese Regelung dem Grunde nach rechtmäßig ist, da sie im Ergebnis dem genannten Personenkreis pauschal den Bezug einer eigenen Wohnung verwehrt (offen gelassen von OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5.12.1995, 8 A 1970/94 - juris).
Zwar können bei der Konkretisierung des Begriffes der Angemessenheit auch in der Person des Hilfebedürftigen liegende Gründe – wie etwa das Alter und der Familienstand - Berücksichtigung finden. Jedoch dient die Übernahme der Unterkunftskosten - wie in Ziffer 1 zutreffend festgestellt wird - der Befriedigung eines menschlichen Grundbedürfnisses, des Wohnens. Sie bildet einen Eckpfeiler für die Erreichung des übergeordneten Hilfeziels, der Loslösung aus dem Leistungsbezug. Dieses menschliche Grundbedürfnis ist nicht auf die schlichte Beseitigung der Obdachlosigkeit als solche beschränkt, sondern beinhaltet grundsätzlich auch die Möglichkeit, sich in einem abgeschlossenen, von Einflüssen Dritter freien Bereich aufzuhalten.
Auch wenn es zulässig sein dürfte, bei der Auslegung des Begriffes auch die Lebensgewohnheiten vergleichbarer Personengruppen heranzuziehen und es ggf. nicht zu beanstanden sein mag, etwa den Unterkunftsbedarf eines Jugendlichen, der noch die Schule besucht, zu beschränken (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 30.1.1998, 13 B 15/98), handelt es sich vorliegend bei dem Antragsteller jedoch um einen 24 Jahre alten, nicht in der Ausbildung befindlichen Erwachsenen.
Im Rahmen dieses Eilverfahrens braucht die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit derartiger Beschränkungen jedoch nicht abschließend entschieden zu werden. Denn auch wenn die Fachlichen Vorgaben insoweit grundsätzlich anwendbar wären, würden sie die Entscheidung der Beschwerdeführerin nicht rechtfertigen, da sie als solche zu pauschal und undifferenziert sind.
Zunächst gilt dies für die Beschränkung besonders preisgünstigen Wohnraums auf die im Klammerzusatz ( möbliertes Zimmer, Untermiete, Wohngemeinschaft ) genannten Wohnformen. So belegt gerade der vorliegende Fall, dass es besonders preisgünstigen Wohnraum auch in Form einfach ausgestatteter Wohnungen gibt. Zudem liegen die von der Beschwerdeführerin höchstens als angemessen erachteten Kosten eines Untermietzimmers (allerdings als Bruttowarmmiete) mit 250.- Euro für ein bis 15 Quadratmeter großes und 300.- Euro für ein größeres Zimmer nicht wesentlich unter dem für Mietwohnungen geltenden Höchstwert von 318.- Euro. Damit berücksichtigt die Beschwerdeführerin zutreffend, dass auch in diesem Mietsegment keineswegs per se besonders preisgünstiger Wohnraum verfügbar ist. Hinzu kommt, dass das Mietniveau öffentlich geförderten Wohnraums in der Regel deutlich günstiger als für vergleichbare Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ist; hiervon geht auch die Beschwerdeführerin in ihren Fachlichen Vorgaben aus. Zum freien Wohnungsmarkt gehören aber auch die im Klammerzusatz genannten Wohnformen; auf diesem Wohnungsmarktsegment konkurriert der Antragsteller unter anderem mit Studenten.
Zu beanstanden ist weiter, dass die Fachlichen Vorgaben die dort genannten Hilfeempfänger pauschal auf einen (abstrakten) besonders günstigen Wohnungsmarkt verweist. Nach der bereits zitierten Rechtsprechung muss dieser vielmehr dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum auch konkret verfügbar und zugänglich gewesen sein. Dies ist jedoch nicht der Fall.
So ergab eine kursorische Analyse der Wohnungsangebote im immonet des Hamburger Abendblatts vom 24. August 2005, die allerdings den öffentlich geförderten Wohnraum nicht vollständig erfassen dürfte, dass bei einem Gesamtangebot von 4775 Wohnungen lediglich 402 (= 8,4 %) unter einem Mietniveau von 318.- Euro lagen und sogar nur 74 (=1,6 %) unter 250.- Euro. Bei den möblierten Zimmern (einschließlich Wohnen auf Zeit ) lagen von insgesamt 1015 Angeboten 218 (= 21,5 %) unter 318.- Euro, unter 250.- Euro waren dies jedoch lediglich 24 (= 2,4 %). Lediglich bei den angebotenen 560 Zimmern in Wohngemeinschaften lagen 541 (= 80,5 %) unter 318.- Euro; unter 250.- Euro waren dies 178 (= 31,8 %) und unter 200.- Euro 50 (= 8,9 %).
In dem von der Beschwerdeführerin vorliegend als angemessen erachteten Bereich unterhalb von 250.- Euro gibt es mithin sowohl bei Wohnungen als auch bei möblierten Zimmern nur ein marginales Angebot. Der Verweis auf ein lediglich 1,6 bzw. 2,4 % des Angebots umfassendes Marktsegment ist nicht zumutbar. Ein als solches zu bezeichnender Markt für besonders günstigen Wohnraum ist allein im Bereich der Wohngemeinschaften vorhanden, da hier immerhin ein Drittel der Zimmer unterhalb des Betrages von 250.- Euro angeboten werden.
Es ist jedoch nicht erkennbar, dass dem Antragsteller Zimmer in Wohngemeinschaften zugänglich sind, da Wohngemeinschaften, wie bereits ihr Name nahe legt, ein gewisses Maß an Gemeinsamkeit und Nähe voraussetzen, und Wohngemeinschaftspartner daher in aller Regel zur Vermeidung unliebsamer Überraschungen sorgfältig ausgesucht werden. Es dürfte nahezu ausgeschlossen sein, dass Menschen, die – wie ausweislich der Stellungnahme der Sozialen Beratungsstelle Billstedt der Antragsteller - zum Personenkreis mit besonderen sozialen Schwierigkeiten gehören, eine realistische Chance in diesem Segment haben.
Durchweg günstiger und dem Antragsteller zugänglich sind somit lediglich die von der Beschwerdeführerin erwähnten Wohnheime; hierfür liegen die monatlichen Kosten nach der Gebührenordnung für öffentlich veranlasste Unterbringungen vom 21. Dezember 1999 (GVBl. 1999, 350) zwischen 159.- und 214,50 Euro. Eine dauerhafte Unterbringung in einem Wohnheim stellt jedoch wegen der damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Vermittelbarkeit keine zumutbare Alternative dar. Aber auch eine vorübergehende Unterbringung im Wohnheim zum Zwecke der Zimmersuche, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, hat auszuscheiden, weil – wie bereits dargelegt – die Möglichkeit, ein besonders günstiges Zimmer zu finden, vorliegend überhaupt nicht gegeben ist.
Im Übrigen handelt es sich bei dem Abschnitt der Fachlichen Vorgaben, auf den die Beschwerdeführerin ihre Entscheidung stützt, um eine Soll-Regelung ( sollte ...vorrangig ), die auf atypische Ausnahmefälle keine Anwendung finden kann. Der Antragsteller hat jedoch im Beschwerdeverfahren durch Vorlage eines ärztlichen Attestes glaubhaft gemacht, dass er aus gesundheitlichen Gründen eine eigene Wohnung benötigt.
Selbst wenn man berücksichtigen würde, dass sich die Bruttowarmmiete der Wohnung auf 280.- Euro beläuft, während Heiz- und Nebenkosten bei möblierten Zimmern enthalten wären, liegt doch die maßgebliche Bruttokaltmiete deutlich (um fast 20 %) unter dem Grenzwert von 318.- Euro, so dass der Antragsteller letztlich sogar besonders preiswerten Wohnraum im Sinne der Fachlichen Vorgaben bezogen hat. Ihre Behauptung, dass der Antragsteller bei intensiver Suche auch ein möbliertes Zimmer für deutlich weniger als einen Betrag von 250.- Euro finden könne, hat die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht hat. Hierzu dürfte sie auch kaum in der Lage sein.
Ob der Antragsteller überhaupt zum Adressatenkreis der Ziffer 2 der Fachlichen Vorgaben gehörte, also erstmalig eine eigene Wohnung bezieht, kann angesichts der vorstehenden Ausführungen offen bleiben. Da es auf hierauf nicht ankommt, bedarf auch die Frage keiner Erörterung, welche sachlichen Kriterien die Differenzierung zwischen jungen Alleinstehenden, die erstmalig eine Wohnung suchen und solchen, die bereits eine solche bewohnen, rechtfertigen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.
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