Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
37
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 11501/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 32/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin eine Zusicherung zur Übernahme der Miete und der Kaution für die Wohnung in der T Z, 1 Berlin (574,14 EUR Bruttomiete) zu erteilen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die. Antragstellerin (Ast.) bewohnt gemeinsam mit ihren beiden Kindern P, geb. 3.89 und F, geb. 5.92 eine 86,61 qm große Wohnung. Der Mietzins beträgt ohne Abzug der Warmwasser-Pauschale 545,- EUR.
Wegen der bevorstehenden Geburt eines weiteren Kindes im April 2006 beantragte die Ast. die Erteilung einer Zusicherung für einen Wohnungswechsel in eine 3 1/2- Zimmer-Wohnung im näheren Wohnumfeld. Der jetzige Vermieter hatte der Ast. auf Anfrage zwei Wohnungen angeboten, eine Wohnung mit 89 qm zu einer Bruttomiete von 663,37 EUR, eine weitere Wohnung mit 94 qm zu 610,94 EUR Bruttomiete. Nach Angaben der Ast. werden die Wohnungs-angebote ca. 1-2 Wochen reserviert gehalten.
Gegen die mündliche Ablehnung einer Zusicherung der Mietkostenübernahme hat die Ast. das Sozialgericht auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes angerufen. Der Verweis des Antragsgegners (Ag.) auf die auch für 4 Personen hinreichend große Wohnfläche verkenne, dass die derzeitige Wohnung einen sehr ungünstigen Zuschnitt habe. Der nicht beheizbare Flur sei über 20 qm groß und eine Teilung der Räume nicht bzw. nur bei Verlust einer Fensterfläche möglich. F und P könnten nicht in einem Zimmer zusammen untergebracht werden. Eine Wohnung in der Nähe sei wegen der Einbindung der Kinder in Schule und Nachbarschaft erforderlich.
Die Ast. hat sich im Verlauf des Eilverfahrens um eine noch kostengünstigere Wohnung bemüht und von der GSW ein Angebot für eine ca. 90 qm große 3 1/2-Raum-Wohnung in der T Z zu 574,14 EUR Warmmiete erhalten. Nach telefonischer Auskunft der Ast. ist diese von der GSW als derzeit günstigstes Angebot bezeichnete Wohnung zum 1.3.2006 frei. Die Ast. unterliegt einer Kündigungsfrist von 3 Monaten.
Zu der vom Gericht gesetzten Frist hat sich der Ag. nicht geäußert.
II.
Der nach § 86 b Abs. 2 SGG zulässige Antrag ist auch begründet. Die Ast. hat Anspruch auf Zusicherung einer Mietübernahme für die Wohnung in der T Z. Denn unter Berücksichtigung der glaubhaft vorgetragenen und mit Unterlagen belegten Umstände (Grundriss der Wohnung, Mutterpass, Mietangebotsschreiben der GSW) ist wegen des Familienzuwachses ein Umzug erforderlich i.S. von § 22 Abs. 2 SGB II. Die aus dem Grundriss ersichtliche Wohnungsaufteilung, insbesondere der große Flur ohne Beheizungs-möglichkeit lässt erkennen, dass der Ast. bei der auch vom Gericht für notwendig gehaltenen separaten Zimmeraufteilung für P und F kein Rückzugs- und Ruheraum für sich und das Neugeborene bleibt.
Die angebotene Wohnung ist auch angemessen, da sie sowohl im Rahmen der Richtwerte von § 4 AV-Wohnen liegt, als auch möglichst knapp über die bisherige Miete hinausgeht. Da die soziale Einbindung der Kinder ein beachtlicher Aspekt für die Beurteilung der Angemessenheit ist (§ 4 Abs. 5 c) AV-Wohnen), braucht sich die Ast. nicht auf billigeren Wohnraum in einem anderen Stadtbezirk verweisen zu lassen. Ihrem glaubhaften Vorbringen nach ist die jetzt gefundene Wohnung, gemessen an den Verhältnissen im nahen Wohnumfeld, sehr günstig. Als Mutter mit einem Säugling ist die Ast. auf eine gute Ausstattung der Wohnung (ausrei-chende Heizung und sanitäre Ausstattung) angewiesen. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung die ist Wohnung in der T Z deshalb "angemessen" i.S. von § 22 Abs. 2 S. 2 SGB II (vgl. LSG NRW vom 24.8.2005 – L 19 B 28/05 AS ER).
Der Ag. ist daher verpflichtet, eine Zusicherung zu erteilen. Die Verpflichtung erstreckt sich im vorliegenden Fall auch auf die Übernahme der Kaution, da die Ast. bisher kautionsfrei wohnt und aufgrund der Arbeitslosigkeit nicht imstande ist, die Kaution aus eigenen Mitteln aufzubringen.
Selbst wenn man bei sehr strenger Auslegung der "Erforderlichkeit" in § 22 Abs. 2 SGB II im vorliegenden Fall keine Zustimmungsverpflichtung des Ag. annimmt, liegen die Gesamtum-stände so, dass das dem Ag. zustehende Ermessen, einem nicht notwendigen Wohnungswech-sel zuzustimmen, hier auf Null reduziert ist. Denn aus dem Fehlen einer § 9 Abs. 2 SGB XII entsprechenden Vorschrift im SGB II (bzgl. der laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt) kann nicht geschlossen werden, dass angemessene Hilfewünsche des Leistungsberechtigten unbeachtlich sind. Ihnen ist vielmehr über die Generalnorm des § 33 SGB I Geltung zu verschaffen, wenn es sich um einen "angemessenen" Wunsch handelt. Dann soll der Leistungsträger dem Wunsch bei Ausgestaltung der Hilfe entsprechen (§ 33 S. 2 SGB I).
Da die Gesamtkosten der neuen Unterkunft nur gering über den derzeitigen liegen, ist der Wunsch der Ast. nach einer Wohnflächenaufteilung, die berechtigten Anliegen der Familien-mitglieder Rechnung trägt, bei Abwägung mit dem wichtigen Anliegen einer sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel, nicht unangemessen. Eine Überschreitung der seit Juli 2005 geltenden Richtlinien für einen 4-Personen-Haushalt (619,- EUR) wird auch bei steigenden Energiepreisen nicht eintreten.
Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass mit Gewährung angemessener Wohnverhältnisse der Gefahr vorgebeugt wird, dass die Ast. P mit Eintritt der Volljährigkeit auf die Anmietung einer eigenen Wohnung verweisen könnte.
Nach alldem war dem Antrag im Hinblick auf die glaubhaft gemachte Gefahr einer anderweitigen Vermietung der nunmehr gefundenen Wohnung, des Erfordernisses, durch rechtzeitige Kündigung eine Doppelmiete zu vermeiden, sowie der Abwicklung des Umzugs, den die Ast. allein bewältigen will, möglichst vor der Mutterschutzfrist, stattzugeben. Sollten auf dem ortsnahen Wohnungsmarkt andere, gleichwertige Wohnungen noch günstiger zu erhalten sein, ist der Ag. durch diesen Beschluss nicht gehindert, der Ast. ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten.
Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass der Eilantrag den Widerspruch gegen einen evt. noch folgenden Ablehnungsbescheid nicht ersetzt. Der Widerspruch ist innerhalb der Monatsfrist nach Bekanntgabe des Bescheides beim JobCenter einzulegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die. Antragstellerin (Ast.) bewohnt gemeinsam mit ihren beiden Kindern P, geb. 3.89 und F, geb. 5.92 eine 86,61 qm große Wohnung. Der Mietzins beträgt ohne Abzug der Warmwasser-Pauschale 545,- EUR.
Wegen der bevorstehenden Geburt eines weiteren Kindes im April 2006 beantragte die Ast. die Erteilung einer Zusicherung für einen Wohnungswechsel in eine 3 1/2- Zimmer-Wohnung im näheren Wohnumfeld. Der jetzige Vermieter hatte der Ast. auf Anfrage zwei Wohnungen angeboten, eine Wohnung mit 89 qm zu einer Bruttomiete von 663,37 EUR, eine weitere Wohnung mit 94 qm zu 610,94 EUR Bruttomiete. Nach Angaben der Ast. werden die Wohnungs-angebote ca. 1-2 Wochen reserviert gehalten.
Gegen die mündliche Ablehnung einer Zusicherung der Mietkostenübernahme hat die Ast. das Sozialgericht auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes angerufen. Der Verweis des Antragsgegners (Ag.) auf die auch für 4 Personen hinreichend große Wohnfläche verkenne, dass die derzeitige Wohnung einen sehr ungünstigen Zuschnitt habe. Der nicht beheizbare Flur sei über 20 qm groß und eine Teilung der Räume nicht bzw. nur bei Verlust einer Fensterfläche möglich. F und P könnten nicht in einem Zimmer zusammen untergebracht werden. Eine Wohnung in der Nähe sei wegen der Einbindung der Kinder in Schule und Nachbarschaft erforderlich.
Die Ast. hat sich im Verlauf des Eilverfahrens um eine noch kostengünstigere Wohnung bemüht und von der GSW ein Angebot für eine ca. 90 qm große 3 1/2-Raum-Wohnung in der T Z zu 574,14 EUR Warmmiete erhalten. Nach telefonischer Auskunft der Ast. ist diese von der GSW als derzeit günstigstes Angebot bezeichnete Wohnung zum 1.3.2006 frei. Die Ast. unterliegt einer Kündigungsfrist von 3 Monaten.
Zu der vom Gericht gesetzten Frist hat sich der Ag. nicht geäußert.
II.
Der nach § 86 b Abs. 2 SGG zulässige Antrag ist auch begründet. Die Ast. hat Anspruch auf Zusicherung einer Mietübernahme für die Wohnung in der T Z. Denn unter Berücksichtigung der glaubhaft vorgetragenen und mit Unterlagen belegten Umstände (Grundriss der Wohnung, Mutterpass, Mietangebotsschreiben der GSW) ist wegen des Familienzuwachses ein Umzug erforderlich i.S. von § 22 Abs. 2 SGB II. Die aus dem Grundriss ersichtliche Wohnungsaufteilung, insbesondere der große Flur ohne Beheizungs-möglichkeit lässt erkennen, dass der Ast. bei der auch vom Gericht für notwendig gehaltenen separaten Zimmeraufteilung für P und F kein Rückzugs- und Ruheraum für sich und das Neugeborene bleibt.
Die angebotene Wohnung ist auch angemessen, da sie sowohl im Rahmen der Richtwerte von § 4 AV-Wohnen liegt, als auch möglichst knapp über die bisherige Miete hinausgeht. Da die soziale Einbindung der Kinder ein beachtlicher Aspekt für die Beurteilung der Angemessenheit ist (§ 4 Abs. 5 c) AV-Wohnen), braucht sich die Ast. nicht auf billigeren Wohnraum in einem anderen Stadtbezirk verweisen zu lassen. Ihrem glaubhaften Vorbringen nach ist die jetzt gefundene Wohnung, gemessen an den Verhältnissen im nahen Wohnumfeld, sehr günstig. Als Mutter mit einem Säugling ist die Ast. auf eine gute Ausstattung der Wohnung (ausrei-chende Heizung und sanitäre Ausstattung) angewiesen. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung die ist Wohnung in der T Z deshalb "angemessen" i.S. von § 22 Abs. 2 S. 2 SGB II (vgl. LSG NRW vom 24.8.2005 – L 19 B 28/05 AS ER).
Der Ag. ist daher verpflichtet, eine Zusicherung zu erteilen. Die Verpflichtung erstreckt sich im vorliegenden Fall auch auf die Übernahme der Kaution, da die Ast. bisher kautionsfrei wohnt und aufgrund der Arbeitslosigkeit nicht imstande ist, die Kaution aus eigenen Mitteln aufzubringen.
Selbst wenn man bei sehr strenger Auslegung der "Erforderlichkeit" in § 22 Abs. 2 SGB II im vorliegenden Fall keine Zustimmungsverpflichtung des Ag. annimmt, liegen die Gesamtum-stände so, dass das dem Ag. zustehende Ermessen, einem nicht notwendigen Wohnungswech-sel zuzustimmen, hier auf Null reduziert ist. Denn aus dem Fehlen einer § 9 Abs. 2 SGB XII entsprechenden Vorschrift im SGB II (bzgl. der laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt) kann nicht geschlossen werden, dass angemessene Hilfewünsche des Leistungsberechtigten unbeachtlich sind. Ihnen ist vielmehr über die Generalnorm des § 33 SGB I Geltung zu verschaffen, wenn es sich um einen "angemessenen" Wunsch handelt. Dann soll der Leistungsträger dem Wunsch bei Ausgestaltung der Hilfe entsprechen (§ 33 S. 2 SGB I).
Da die Gesamtkosten der neuen Unterkunft nur gering über den derzeitigen liegen, ist der Wunsch der Ast. nach einer Wohnflächenaufteilung, die berechtigten Anliegen der Familien-mitglieder Rechnung trägt, bei Abwägung mit dem wichtigen Anliegen einer sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel, nicht unangemessen. Eine Überschreitung der seit Juli 2005 geltenden Richtlinien für einen 4-Personen-Haushalt (619,- EUR) wird auch bei steigenden Energiepreisen nicht eintreten.
Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass mit Gewährung angemessener Wohnverhältnisse der Gefahr vorgebeugt wird, dass die Ast. P mit Eintritt der Volljährigkeit auf die Anmietung einer eigenen Wohnung verweisen könnte.
Nach alldem war dem Antrag im Hinblick auf die glaubhaft gemachte Gefahr einer anderweitigen Vermietung der nunmehr gefundenen Wohnung, des Erfordernisses, durch rechtzeitige Kündigung eine Doppelmiete zu vermeiden, sowie der Abwicklung des Umzugs, den die Ast. allein bewältigen will, möglichst vor der Mutterschutzfrist, stattzugeben. Sollten auf dem ortsnahen Wohnungsmarkt andere, gleichwertige Wohnungen noch günstiger zu erhalten sein, ist der Ag. durch diesen Beschluss nicht gehindert, der Ast. ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten.
Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass der Eilantrag den Widerspruch gegen einen evt. noch folgenden Ablehnungsbescheid nicht ersetzt. Der Widerspruch ist innerhalb der Monatsfrist nach Bekanntgabe des Bescheides beim JobCenter einzulegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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