L 11 B 557/05 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 20 AS 245/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 557/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 25.08.2005 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, die die Antragsgegnerin (Ag) der Antragstellerin (ASt) seit dem 01.01.2005 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bewilligt.

Auf ihren Antrag hin bewilligte die Agentur für Arbeit Landkreis F. mit Bescheid vom 25.11.2004 der ASt für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.04.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von monatlich 798,00 EUR. Davon entfielen 476,54 EUR auf die Unterkunftskosten. Mit weiterem Bescheid vom 19.04.2005 bewilligte die Agentur für Arbeit Landkreis F. der ASt weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und zwar für den Zeitraum vom 01.05.2005 bis 30.06.2005 in Höhe von monatlich 789,80 EUR, für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis 31.07.2005 monatlich 607,44 EUR und für den Zeitraum vom 01.08.2005 bis 31.10.2005 monatlich 558,31 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 21.07.2005 bewilligte die Agentur für Arbeit Landkreis F. der ASt für die vorgenannten Bewilligungszeiträume Leistungen in Höhe von monatlich 802,16 EUR, 619,80 EUR und 570,67 EUR.

Am 15.07.2005 beantragte die ASt beim Sozialgericht Nürnberg (SG), die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu bewilligen.

Sie könne nicht verstehen, warum sie keine höheren Leistungen erhalte. Die mit Bescheid vom 19.04.2005 bewilligten Leistungen reichten nicht aus. Sie könne hiervon nicht einmal ihren Lebensunterhalt und die monatlichen Raten für ihre Wohnung bezahlen. Auch wegen einer Heizkostennachzahlung habe sie eine Neuberechnung des Arbeitslosengeldes (Alg) II beantragt. Hierüber sei aber noch keine Entscheidung getroffen worden.

Die Ag beantragte, den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.

Sie habe die von der ASt beanstandeten Bescheide überprüft. Nach Bewilligung der Fahrtkostenpauschale in Höhe von monatlich 15,05 EUR und der Werbekostenpauschale in Höhe von monatlich 15,33 EUR mit Änderungsbescheiden vom 21.07.2005 erhalte die ASt die Leistungen, die ihr gesetzlich zustünden. Die Bewilligung sei rückwirkend zum 01.01.2005 erfolgt, ebenso zwischenzeitlich die Nachzahlungen der entsprechenden Beträge. Die Übernahme der Nebenkostenabrechnung für 2004 sei abgelehnt worden, weil bereits die Gesamtkosten für die Unterkunft die angemessenen Kosten i.S. des § 22 SGB II überschreiten. Die Angemessenheit der Unterkunftskosten definiere sich aus einer angemessenen Wohnfläche und einem angemessenen Quadratmeterpreis. Für Alleinstehende betrage im Landkreis F. die angemessene Wohnfläche 45 m² und die Mietobergrenze monatlich 280,00 EUR. Die von der ASt bewohnte Eigentumswohnung umfasse eine Wohnfläche von 62,50 m². Die Schuldzinsen ohne Heizkosten, die die ASt geltend mache, beliefen sich auf 444,49 EUR monatlich und überstiegen damit die im Landkreis F. angemessenen Wohnkosten für Alleinstehende. Die ASt sei bereits mit Schreiben vom 08.12.2004 darauf hingewiesen worden. Ihr sei auch mitgeteilt worden, dass die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe für längstens sechs Monate berücksichtigt werden könnten. Nach pflichtgemäßer Ermessensausübung würden daher ab dem 01.07.2005 nur noch monatlich 280,00 EUR - ohne Heizkosten - als Unterkunftskosten angesetzt.

Das SG lehnte mit Beschluss vom 25.08.2005 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab. Die von der Ag dargelegte Mietobergrenze sei nachvollziehbar, weil es nach Kenntnis des Gerichts im Einzugsbereich der Ag möglich sei, für diese Beträge für eine Person angemessenen Wohnraum anzumieten. Die ASt habe weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass für diesen Betrag kein Wohnraum anzumieten sei. Ebenso fehle es an einer Darlegung von Verkaufsbemühungen oder der Bemühung, adäquaten Wohnraum zu beschaffen. Die 6-Monats-Frist des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II sei fruchtlos verstrichen.

Hiergegen wendet sich die ASt mit ihrer beim Bayer. Landessozialgericht am 07.10.2005 eingegangenen Beschwerde.

Sie beantragt, den Beschluss des SG vom 25.08.2005 aufzuheben und die Ag zu verpflichten, ihr höhere Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.

Zur Begründung verweist sie lediglich auf ihr Vorbringen im Antragsverfahren.

Die Ag beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Höhere Leistungen nach dem SGB II könnten nicht bewilligt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil es das SG zu Recht abgelehnt hat, die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der ASt höhere Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn der ASt ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl 2005, Rdnr 643).

Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass die ASt Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist i.d.R. die Eilbedürftigkeit - und zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den sie ihr Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl 2005, § 86b Rdnr 41).

Bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (dazu im Einzelnen: BVerfG vom 12.05.2005 NDV-RD 2005, 59) zeigt sich, dass der ASt teilweise kein Anordnungsgrund und im Übrigen kein Anordnungsanspruch zur Seite steht.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens eines Anordnungsgrundes, also der Eilbedürftigkeit der Sache, ist in jeder Lage des Verfahrens, insbesondere also auch im Beschwerdeverfahren, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Der Senat hält die Sache, soweit abgelaufene Bewilligungszeiträume betroffen sind, derzeit für nicht eilbedürftig. Es entspricht dabei der ständigen Rechtsprechung des Senates, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nicht mehr im Wege des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes für zurückliegende Monate eingefordert werden können. Der ASt ist es zumutbar, solche Ansprüche im Wege eines Hauptsacheverfahrens weiter zu verfolgen. Sie hat hier weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass ausnahmsweise zur Beseitigung einer aktuellen Notlage anders zu verfahren wäre.

Soweit die ASt für den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung eine solche Erhöhung der von der Ag bereits bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II geltend machen will, steht ihr offensichtlich kein Anordnungsanspruch zur Seite.

Der ASt geht es in der Sache um die Übernahme ihrer Schuldzinsen, Tilgungsraten und Nebenkosten für ihre Eigentumswohnung.

Welche Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen des Alg II vom Leistungsträger zu übernehmen sind, regelt § 22 SGB II. Demnach hat er Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Übersteigen die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken; i.d.R. jedoch längstens für sechs Monate.

Dabei ist es unstreitig, dass zu den Kosten der Unterkunft nicht ausschließlich die Miete oder mietvertragliche Nebenkosten zählen, sondern bei selbstgenutztem Eigenheim auch die Aufwendungen für Schuldzinsen und Instandhaltung. Nicht zu den Aufwendungen der Unterkunft zählen Tilgungsbeiträge jeglicher Art und Aufwendungen für wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen, weil die steuerfinanzierte staatliche Fürsorgeleistung nicht der Vermögensbildung dient.

Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Regelungen ist die Entscheidung der Ag im hier anhängigen Eilverfahren nicht zu beanstanden. Die Ag bewilligt der Klägerin Kosten für die Unterkunft in Höhe des Betrages, der für die Anmietung eines angemessenen Wohnraumes im Einzugsbereich der Ag ausreichend ist. Die ASt hat im hier anhängigen Eilverfahren weder vor dem SG noch im Beschwerdeverfahren auch nur ansatzweise dargelegt, dass die von der Ag festgestellte Mietobergrenze in Höhe vom monatlich 280,00 EUR - ohne Heizkosten - nicht angemessen i.S. des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sein könnte. Allein der Hinweis, ihr genüge dieser Betrag nicht, um ihre laufenden Kosten zu decken, geht an der Sache vorbei. Die ASt hatte zudem hinreichende Möglichkeiten, sich nach angemessenem Wohnraum umzusehen oder andere Möglichkeiten zu prüfen, ihre Aufwendungen zu senken (§ 22 Abs 1 Satz 2 SGB II). Damit ist, wie das SG bereits zutreffend festgestellt hat, auch die 6-Monats-Frist fruchtlos verstrichen, in der die Ag tatsächliche Unterkunftskosten auch dann zu übernehmen hat, wenn diese Kosten den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen.

Auch eine abschließende Güter- und Folgenabwägung führt zu keinem anderen Ergebnis. Der ASt bleibt es insbesondere unbenommen, sich i.S. des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II zu bemühen und, im Erfolgsfalle, dementsprechend einen neuen Leistungsantrag bei der Ag zu stellen.

Die Beschwerde hat nach alledem insgesamt keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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