S 35 AS 147/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
35
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AS 147/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 6/7. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft.

Die Klägerin ist 1954 geboren. Sie war nach eigenen Angaben 14 Jahre lang verheiratet. Als Folge eines im Juli 1999 erlittenen Schlaganfalls ist sie halbseitig gelähmt. Außerdem leidet sie an Osteoporose. Nach den Feststellungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aus Dezember 2004 ist die Klägerin aber noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Die Klägerin bezog seit 1995 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und lebte alleine in einer 83 m² Wohnung, die vom Träger der Sozialhilfe als zu groß und zu teuer angesehen wurde. Im November 2003 forderte der Sozialhilfeträger die Klägerin auf, sich preiswerteren Wohnraum zu beschaffen. Daraufhin teilte die Klägerin dem Sozialhilfeträger mit, sie wolle zum 01.01.2004 mit ihrem Freund, Herrn H eine gemeinsame Wohnung beziehen. Herr H ist 1962 geboren und wohnte seinerzeit in einer betreuten Wohneinrichtung. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Nachteilsausgleichen "B", "G", und "RF". Er bezieht Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 870.75 Euro monatlich. Von dieser Rente werden 76,69 Euro Unterhalt für seine Töchter T und O abgezogen.

Am 16. Dezember 2003 schlossen die Klägerin und Herr H einen Mietvertrag über die aktuell immer noch bewohnte Wohnung (2 Zimmer, Küche, Diele, Bad 58,67 m²) und unterhielten in der Folge eine gemeinsame Hausrat- und Haftpflichtversicherung. Die Leistungen des Sozialhilfeträgers wurden vom ersten Tag des Zusammenwohnens - unter Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit Berücksichtigung des Renteneinkommens von Herrn H sowie der gemeinsamen Aufwendungen im Übrigen - berechnet und ausgezahlt. Die Korrespondenz mit dem Sozialhilfeträger führte die Klägerin und Herr H (überwiegend) gemeinsam. Sie stellten gemeinsame Anträge auf Einmalbewilligung für einen Herd, einen Kühlschrank, eine Schlafcouch als Ersatz für die zuvor von den Kindern des Herrn H bei Besuchen benutzte Schlafcouch, einen Staubsauger, Bettwäsche und Kochtöpfe.

Im August 2004 beantragte die Klägerin Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsvordruck wurde dabei von einem Mitarbeiter des Beklagten elektronisch ausgefüllt. Unter II. (persönliche Verhältnisse) enthält der Vordruck 3 Alternativen:

1. Nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten
2. Partner in eheähnlicher Gemeinschaft
3. Nicht dauernd getrennt lebenden Lebenspartners.

Hier ist angekreuzt, "Partner in eheähnlicher Lebensgemeinschaft". Darunter ist Herr H angegeben. Weiter wird angegeben, die eheähnliche Gemeinschaft bestehe seit Februar 2004.

Unter dem 26.11.2004 erteilte die Beklagte einen Bescheid über Leistungen nach dem SGB II an die "Bedarfsgemeinschaft" bestehend aus der Klägerin und Herrn H

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 01.03.2005 änderte die Beklagte die Höhe der Leistungen zugunsten der Bedarfsgemeinschaft ab. Sie gewährte nunmehr für Januar 2005 Leistungen in Höhe von 283,94 Euro und für Februar 2005 bis einschließlich Juni 2005 207,25 Euro monatlich.

Laut Rechtsmittelbelehrung des Bescheides soll gegen diesen der Widerspruch zulässig sein.

Unter dem 15. März 2005 legte die Klägerin erneut Widerspruch ein und trug vor, der Widerspruch richte sich nunmehr gegen die Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Herr H sei allenfalls bereit, die Hälfte der Unterkunftskosten zu tragen. Er sei aber nicht bereit und auch nicht in der Lage, Beiträge zum Lebensunterhalt der Klägerin zu leisten.

Mit Bescheid vom 07.04.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als sachlich unbegründet zurück. Sie führte aus, die Klägerin habe in der Vergangenheit immer angegeben, in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zu leben. Die Frage der eheähnlichen Lebensgemeinschaft richte sich nach den äußeren, objektiv erkennbaren Umständen. Während des Sozialhilfebezuges habe eine solche eheähnliche Lebensgemeinschaft unstreitig bestanden. Die bloße Behauptung, dass eine solche Gemeinschaft nun nicht mehr vorliege, sei nicht ausreichend.

Hiergegen richtet sich die am 00. Mai 0000 bei Gericht eingegangene Klage.

Zuvor hatte die Klägerin unter dem 11. April 2005 den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt. In diesem Verfahren hatte sie vorgetragen, Herr H sei nicht bereit, Unterhaltsleistungen an sie zu zahlen. Im Übrigen sei sie juristische Laiin und nicht in der Lage, den komplexen Begriff der eheähnlichen Lebensgemeinschaft zu verstehen. Herr H trage die Hälfte der Unterkunftskosten. Im Übrigen hätten die Partner nicht vor, zu heiraten. Die Einrichtungsgegenstände der gemeinsamen Wohnung gehörten teilweise der Klägerin. In dem gemeinsamen Haushalt lebten keine weiteren Personen. Nach der Dauer des Zusammenlebens sei nicht von einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auszugehen.

Mit Beschluss vom 19. Mai 2005 hat die erkennende Kammer die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Klägerin vom 11.04.2005 bis zum 31.05.2005 Leistungen nach dem SGB II - nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften - ohne Berücksichtigung eines Einkommens von Herrn H unter Berücksichtigung der Tragung der hälftigen Unterkunftskosten durch Herrn H, zu gewähren.

Hiergegen hat die Beklagte Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat die Klägerin - auf Nachfrage des Senats - mitgeteilt, Herr H habe nicht mehr in dem Heim für betreutes Wohnen bleiben wollen, weil sich die dortige Unterkunft erheblich verteuern sollte. Für den Fall, dass die Klägerin weiter auf das Einkommen von Herrn H verwiesen würde, würde die Klägerin aus der Wohngemeinschaft mit Herrn H" aus finanziellen Gründen" ausziehen.

Mit Beschluss vom 11.07.2005 hat der 19. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Senat hat ausgeführt, die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass eine Regelung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Abwendung wesentlicher irreparabler Nachteile notwendig sei.

Zuvor hatte die Beklagte mit Bescheid vom 17.05.2005 für die Zeit vom 01.07.2005 bis zum 31.12.2005 weiterhin Leistungen in Höhe von 207,25 Euro an die Bedarfsgemeinschaft bewilligt. Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch erhoben.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Abänderung der Bescheide vom 26.11.2004, 01.03.2005 und 07.04.2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich mindestens 558,00 Euro (345,00 Euro Regelleistung und anteilige Mietkosten in Höhe von 213,00 Euro zuzüglich eventueller Mehrbedarfe) für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 zu gewähren.

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit der Klage hat die Klägerin Kontoauszüge ihres eigenen Kontos und Kontoauszüge des Kontos von Herrn H vorgelegt. Ausweislich dieser Auszüge hat die Klägerin monatliche Eingänge in Höhe der Leistungen nach dem SGB II. Die Ausgänge entsprechen der Höhe nach ungefähr den Eingängen. Die Kontoauszüge der Klägerin und von Herrn H weisen keine gegenseitigen Überweisungen auf. Die gesamte Miete geht von dem Konto von Herrn H ab. Zu Beginn des Jahres wies dieses Konto noch ein Guthaben von fast 900,00 Euro aus, während das Konto im September nur noch ein geringfügiges Guthaben von 30,00 Euro aufwies.

Außerdem hat das Gericht Herrn H als Zeugen zur mündlichen Verhandlung geladen. Herr H hat ein ärztliches Attest vorgelegt, wonach er – aufgrund einer schizophrenen Psychose - auf unbestimmte Zeit nicht verhandlungsfähig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die beigezogene Akte des Eilverfahrens Sozialgericht Düsseldorf, Az.: S 00 AS 000/05 ER Bezug genommen. Ihre Inhalte waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene und daher zulässige Klage ist weitgehend begründet.

Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, denn die Bescheide erweisen sich im Wesentlichen als rechtswidrig.

Die Klägerin hat Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II mindestens in der tenorierten Höhe von monatlich 311,00 Euro Regelleistung und anteiligen Mietkosten in Höhe von 213,00 Euro, denn die Klägerin ist in Ermangelung eigenen Einkommens und Vermögens bedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II.

I. Die Klägerin zählt nicht zum Personenkreis des § 9 Abs. 2 Satz 1. SGB II, denn sie lebt nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Herrn H. Nach § 7 Abs. 3 Nr. b) SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in "eheähnlicher Lebensgemeinschaft" lebt. Der Begriff der "eheähnlichen Lebensgemeinschaft" ist im Gesetz nicht definiert. Zur Ausfüllung des Begriffs ist daher auf die von der Rechtsprechung entwickelte Definition zurückzugreifen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt:

"Die eheähnliche Gemeinschaft ist eine typische Erscheinung des sozialen Lebens (vgl. BVerfGE 82, 6 (13)). Von anderen Gemeinschaften hebt sie sich hinreichend deutlich ab. Mit dem Begriff "eheähnlich" hat der Gesetzgeber ersichtlich an den Rechtsbegriff der Ehe angeknüpft, unter dem die Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen ist (vgl. BVerfGE 10, 59 (66); 53, 224 (245); 62, 323 (330)). Gemeint ist also eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Wird der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft in § 137 Abs. 2 a AFG demgemäß im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft ausgelegt, so ist die Vorschrift auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Einkommensanrechnung nach der Methode der verschärften Bedürftigkeitsprüfung rechtfertigt sich bei Ehegatten zum einen aus der gegenseitigen Unterhaltspflicht und zum anderen aus der Vermutung, dass diese Unterhaltspflicht unter nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten auch tatsächlich erfüllt wird. Für die Partner einer rechtlich nicht geregelten Gemeinschaft bestehen gegenseitige Unterhaltspflichten nicht. Der mit dem Arbeitslosen nicht verheiratete Partner ist diesem zum Unterhalt nicht verpflichtet; er kann - auch beim Wirtschaften aus einem Topf - sein Einkommen ganz oder in einem hohen Maße zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden. Angesichts dieses Unterschiedes zwischen Ehegatten und Partnern eheähnlicher Lebensgemeinschaften war es von Verfassungswegen nicht geboten, eine generelle Gleichstellung von eheähnlichen Gemeinschaften und Ehen durch die Vorschrift des § 137 Abs. 2 a AFG vorzunehmen, um der in der Entscheidung vom 10. Juli 1984 (BVerfGE 67, 186) festgestellten Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Partnern eheähnlicher Gemeinschaften abzuhelfen. Verfuhr der Gesetzgeber jedoch in dieser Weise, durfte er nur solche Gemeinschaften erfassen, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar. Ob eine Gemeinschaft von Mann und Frau diese besonderen Merkmale der eheähnlichen Gemeinschaft aufweist, lässt sich in der Verwaltungspraxis nur anhand von Indizien feststellen. Als solche Hinweistatsachen, die sich nicht erschöpfend aufzählen lassen, kommen etwa in Betracht die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen" (Zit:. BVerfGE 87, 234 (264); vergl auch BverfG Beschluss vom 02.09. 2004 , Az: 1 BvR 1962/04; NVwZ 2005, 1178)"

Keines der vom Bundesverfassungsgericht für das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft sprechenden Kriterien ist vorliegend erfüllt.

1.Lange Dauer des Zusammenlebens. Das gewichtigste Indiz für die Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ist die Dauer des Zusammenlebens (BVerwG, Beschluss vom 24.06.1999, Az.: 5 B 114/98 – www.juris.de).

Vorliegend wohnt die Klägerin mit Herrn H seit Dezember 2003 zusammen. Bezogen auf den hier streitigen Bewilligungszeitraum Januar bis Juni 2005 liegt also ein Zusammenleben von 13 – 18 Monaten vor. Das BSG hat in seiner Rechtsprechung zur eheähnlichen Lebensgemeinschaft zunächst eine "Dreijahresgrenze" (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 15) gefordert. Dies hat das BSG später relativiert und dargelegt, sie sei nicht im Sinne einer absoluten zeitlichen Mindestvoraussetzung für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft zu verstehen (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2002 – B 7 AL 96/00 R). Jedoch hat es betont, dass die bisherige Dauer des Zusammenlebens ein wesentliches Indiz für die Ernsthaftigkeit der Beziehung sei (s. auch BSG, Urteil vom 17. Oktober 2002 – B 7 AL 72/00 R – a.a.O.). Das BSG hat diesbezüglich in seiner vorgenannten Entscheidung ausgeführt:

Nach den Feststellungen des LSG bestand die Beziehung der Klägerin zu ihrem Partner hier bereits seit 3 1/2 Jahren, sodass die vom Senat geforderte "Dreijahresgrenze" (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15 S 70) in jedem Falle erfüllt war, ohne dass deren Rechtscharakter noch im Einzelnen qualifiziert werden müsste. Allerdings geht der Senat nicht davon aus, dass die Dreijahresgrenze im Sinne einer absoluten zeitlichen Mindestvoraussetzung zu verstehen ist, unterhalb derer das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft immer und in jedem Einzelfall verneint werden müsste. Insofern kommt es vielmehr auf das Vorliegen aller Umstände des Einzelfalls an, die für eine dauerhafte Einstehensgemeinschaft der beiden Partner sprechen könnten. Dabei ist allerdings die bisherige Dauer des Zusammenlebens ein wesentliches Indiz für die Ernsthaftigkeit der Beziehung. Auch bei diesem Merkmal handelt es sich um ein richterrechtlich entwickeltes Hilfsmerkmal bzw -kriterium (hierzu BSG SozR 3-2600 § 48 Nr 5). Solche Merkmale dürfen nicht losgelöst von ihrem Zweck gewertet und mithin nicht "verabsolutiert" werden. Sie haben nicht die Bedeutung von gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen, sondern sind nur mit heranzuziehen, um das Vorliegen des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals, ( ...), feststellen zu können.

Dem gemäß spricht vorliegend die zu berücksichtigende Dauer des Zusammenlebens deutlich gegen eine eheähnliche Lebensgemeinschaft, da die in aller Regel zu fordernde Mindestdauer des Zusammenlebens von drei Jahren – bei Weitem – noch nicht erfüllt ist.

Gründe, ausnahmsweise schon vor Ablauf von drei Jahren eine eheähnliche Lebensgemeinschaft anzunehmen, sind nach den Feststellungen der Kammer nicht ersichtlich.

a) Insbesondere spricht für das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft vorliegend nicht, dass dies von der Klägerin und Herrn H angeblich im Sozialhilfebezug und bei Stellung des Antrages nach dem SGB II zugestanden worden sein soll. Der Begriff der eheähnlichen Lebensgemeinschaft ist ein komplexer Rechtsbegriff. Um diesen Rechtsbegriff zu verstehen und richtig zu deuten bedarf es ausgeprägter juristischer Kenntnisse. Über diese Kenntnisse verfügt die Klägerin erkennbar ebenso wenig wie Herr H. Auch eine Parallelwertung in der Laiensphäre dürfte weder der Klägerin noch Herrn H möglich gewesen sein, denn der Begriff "eheähnliche Lebensgemeinschaft" wird laienhaft regelmäßig als "Zusammenleben als Paar" verstanden, wobei die die eheähnliche Lebensgemeinschaft prägende, komplexe unterhaltsrechtliche Problematik in die Ausfüllung des Begriffs in der Laiensphäre keinen Eingang gefunden hat. In diesem Sinne war es der Klägerin nicht möglich, sachgerechte Angaben zu der Frage zu machen, ob sie in eheähnlicher Lebensgemeinschaft mit Herrn H lebt. Sachgerechte Angaben hierzu sind nach den Fragebogen zum BSHG und zum SGB II auch gar nicht möglich. Es gibt nämlich dort nur die Alternative, dass man mit einem Ehegatten oder aber in eheähnlicher Gemeinschaft lebt. Beide Fragebogen lassen sich nicht dahingehend ausfüllen, dass man mit einer Person anderen Geschlechts zusammenlebt aber weder mit dieser verheiratet ist noch mit dieser in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebt. Wie die Kammer aus zahlreichen weiteren Verfahren im Übrigen weiß, fragen die das SGB II ausführenden Behörden Antragsteller danach aus, ob sie mit einer Person anderen Geschlechts zusammenleben. Allein auf die Bejahung dieser Frage hin, füllt der Sachbearbeiter den Fragebogen dann in der Regel dahingehend aus, dass von einer eheähnlichen Gemeinschaft auszugehen ist. Die einzelnen Kriterien für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft werden jedenfalls weder in dem Fragebogen abgefragt noch sind dem Gericht hierzu Erläuterungen der das Gesetz ausführenden Behörden in schriftlicher Form bekannt. Die Kammer sieht daher in den früheren Angaben der Klägerin und in den Angaben zum SGB II-Antrag kein Indiz, dass hier ausnahmsweise – vor Ablauf von 3 Jahren – auf das Vorliegen einer eheähnliche Lebensgemeinschaft hindeuten würde.

Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft haben die Klägerin und Herr H auch nicht dadurch zugestanden, dass sie sich gegen die Anrechnung gegenseitigen Einkommens unter Sozialhilfebezug nicht gewehrt haben.

Das Gericht geht zunächst davon aus, dass diese Anrechnung – unter Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ab dem Tag des Zusammenziehens - rechtswidrig gewesen sein dürfte und nur daraus resultiert, dass der Sozialhilfeträger die Klägerin und Herrn H über die Rechtsnatur der eheähnlichen Lebensgemeinschaft entweder rechtswidrig nicht aufgeklärt hat oder aber getäuscht hat. Die der Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zu Grunde liegende Auffassung der Behörde (Zusammenwohnen gleich eheähnliche Lebensgemeinschaft) wird zwar inzwischen von allen dem Gericht bekannten Sozialbehörden vertreten und konsequent angewandt, sie ist jedoch mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht in Einklang zu bringen.

Abgesehen davon, dass sowohl die Klägerin als auch Herr H erheblich behindert sind und sich gegen die Veranlagung als eheähnliche Lebensgemeinschaft möglicherweise nur eingeschränkt wehren konnten, ist es der Beklagten aus allgemeinen rechtsstaatlichen Überlegungen heraus verwehrt aus der erkennbar rechtswidrigen Einstufung des Zusammenlebens ab dem ersten Tag als eheähnliche Lebensgemeinschaft für sie günstige Schlüsse zu ziehen. Selbst wenn in der Folge notgedrungen eine gewisse gegenseitige Unterstützung stattgefunden haben sollte, so kann dies der Klägerin nun nicht leistungsmindernd vorgehalten werden, denn eine solche Unterstützung durch Herrn H wäre durch die fehlerhafte Behandlung des Falles durch den Sozialhilfeträger erzwungen worden. Allerdings ergeben die von der Kammer ausgewerteten Kontoauszüge – für den hier maßgeblichen Zeitraum - keinen Hinweis auf gegenseitige Unterstützungen. Unabhängig davon entsteht aber eine eheähnliche Gemeinschaft auch nicht dadurch, dass es (notgedrungen) zu tatsächlichen Unterstützungshandlungen kommt, sondern dadurch, dass sich die Partner der Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass es aus dieser inneren Bindung heraus zu Unterstützungshandlungen kommen muss. Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor. Die Kammer konnte diesbezüglich auch keine erfolgversprechenden weiteren Ermittlungen anstellen, da der allein als Zeuge in Betracht kommende Herr H, wegen seiner schwerwiegenden psychischen Erkrankung, nicht vernommen werden kann.

b) Auch die übrigen Umstände des Falles deuten nicht auf einen Ausnahmetatbestand hin. Die Klägerin hat sich vielmehr mit Herrn H erst zu einer (Wohn-)Gemeinschaft zusammengefunden, nachdem der Sozialhilfeträger der Klägerin die Anmietung einer kleineren Wohnung nahe gelegt hatte und gleichzeitig das Wohnen für Herrn H in einem Wohnheim zu teuer zu werden drohte. Dieser Umstand deutet eher darauf hin, dass es sich bei der Beziehung von Frau N und Herrn H um eine Zweckgemeinschaft handelt. Es spricht Vieles dafür, dass beim Zusammenzug der Wohnungspartner die wirtschaftlichen Vorteile einer gemeinsamen Wohnung im Vordergrund standen.

Unschädlich im Hinblick auf eine eheähnliche Lebensgemeinschaft ist auch, dass die Klägerin und Herr H früher gemeinsame Anträge nach dem BSHG auf Einrichtungsgegenstände e.t.c. gestellt haben. Unter der Prämisse, dass der Sozialhilfeträger die beiden als eheähnliche Lebensgemeinschaft eingestuft hatte, waren der Klägerin und Herrn H gezwungen so vorzugehen.

2.Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt. Zweites – allerdings von der Bedeutung her der Dauer des Zusammenlebens untergeordnetes Kriterium (BVerwG, Beschluss vom 24.06. 1999, Az.: 5 B 114/98 – www.juris.de) für die Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ist - nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt. Dieses Kriterium ist vorliegend erkennbar nicht erfüllt. Die Klägerin und Herr H haben keine gemeinsamen Kinder. Beide sind – soweit ersichtlich – geschieden und haben jeweils eigene Angehörige nur außerhalb der Haushaltsgemeinschaft. Das Verhältnis zwischen der Klägerin und Herrn H fußt damit allenfalls auf gegenseitigen Gefühlen (Liebesbeziehung) nicht aber auf ethisch- moralischen Verpflichtungen (Großziehen gemeinsamer Kinder).

3. Befugnis, über Einkommens- und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen. Auch das Dritte vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Kriterium für die Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, das ebenfalls von der Bedeutung her dem ersten Kriterium untergeordnet (BVerwG a.a.O.) ist, ist vorliegend nicht erfüllt.

Nach den Feststellungen der Kammer besteht kein Anhalt dafür, dass die Partner der Gemeinschaft die Befugnis haben, über Einkommens- und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen. Insbesondere haben die Klägerin und Herr H getrennte Konten. Nach den Feststellungen der Kammer finden zwischen diesen Konten keine Bewegungen statt. Im Zeitraum von Januar 2005 bis September 2005 findet sich auf dem Konto der Klägerin ein monatlicher Geldeingang von der Beklagten in Höhe der zugestandenen Leistungen nach dem SGB II und Ausgaben in ungefähr entsprechender Höhe. Auch die Kontoauszüge des Herrn H bieten keinen Hinweis darauf, dass die Klägerin – ob in offener oder verdeckter Form – über das Konto von Herrn H verfügen könnte. Vielmehr finden sich – nach den Feststellungen der Kammer – in den Kontoauszügen von Herrn H nur solche Verfügungen, die darauf hinweisen, dass Herr H über seine Einnahmen ausschließlich selbst verfügt.

Die vorgelegten Kontoauszüge weisen auch nicht darauf hin, dass Herr H die Klägerin tatsächlich unterhält. Zwar wird im fraglichen Zeitraum die Miete für die gemeinsame Wohnung von dem Konto des Herrn H abgebucht, diese Tatsache lässt aber schon deswegen keine Rückschlüsse auf einen tatsächlichen Unterhalt zu, weil Herr H sich gegenüber dem gemeinsamen Vermieter nicht darauf berufen kann, im Innenverhältnis zur Klägerin nur zur Zahlung der hälftigen Miete verpflichtet zu sein. Allerdings deuten die Bewegungen des Kontos von Herrn H darauf hin, dass dieser in den letzten Monaten deutlich höhere Ausgaben als Einnahmen verbucht hat. Zu Beginn des Jahres wies das Konto noch ein Guthaben von fast 900,00 Euro aus, während das Konto im September nur noch ein geringfügiges Guthaben von 30,00 Euro aufwies. Da die Abnahme des Guthabens kontinuierlich über den gesamten Zeitraum verlief und der Höhe nach ungefähr dem hälftigen monatlichen Mietzins entspricht, erscheint es schlüssig anzunehmen, dass das anfängliche Guthaben durch die Nichtausgleichung der hälftigen Miete durch die Klägerin aufgezehrt worden ist.

Nach alledem bestehen vorliegend keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass auch nur eines der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft erfüllt sein könnte.

Allerdings ist die Kammer der Auffassung, dass der Klägerin nur 90 Prozent der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 und 3 SGB II zustehen. Die Klägerin ist nämlich hinsichtlich ihres monatlichen Bedarfs nicht wie eine "Alleinstehende" im Sinne des § 20 Abs. 2 SGB II zu behandeln sondern in analoger Anwendung des § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II wie eine Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft. Zwar bildet die Klägerin mit Herrn H – nach dem oben gesagten - keine Bedarfsgemeinschaft, die die Anrechnung von Partnereinkommen erlaubt, die Klägerin und Herr H leben allerdings in einem gemeinsamen Haushalt. Dies ermöglicht ein gemeinsames Wirtschaften, soweit die Haupt- und Nebenkosten der Unterkunft betroffen sind. Dadurch lassen sich auf verschiedenen Feldern Einsparungen erzielen (Strom-, Fernseh-, Kabel- und Telefongrundgebühren, Hausrat- und Haftpflichtversicherung e.t.c.). Der Gesetzgeber hat ob dieser Einsparungen für die Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften eine Absenkung der Regelleistung von 345 Euro auf 311 Euro vorgesehen. Nach Auffassung der Kammer ist diese Absenkung analog auch auf Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften anzuwenden, in denen die gleichen Einsparungen wie in Bedarfsgemeinschaften anfallen. Ohne diese analoge Anwendung würden reine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften gegenüber Bedarfsgemeinschaften, insbesondere gegenüber Bedarfsgemeinschaften in Form einer Ehe, ungerechtfertigt bevorzugt.

II. Aber selbst wenn man vorliegend davon ausgehen würde, dass die Klägerin und Herr H eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bilden würden, so wäre vorliegend die Gewährung von Leistungen an die Klägerin, nur unter Berücksichtigung des Einkommens von Herrn H, wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht gerechtfertigt.

Es verstößt nämlich gegen Art. 3 Grundgesetzes, dass in § 7 Abs. 3 SGB II zur Bedarfsgemeinschaft - außerhalb von Ehe und Lebenspartnerschaft - nur heterosexuelle, nicht aber homosexuelle Paare gezählt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat – insbesondere auch zeitlich nach seiner Entscheidung zum Partnerschaftsgesetz – in ständiger Rechtsprechung immer wieder und auch zur Vorschrift des § 7 Abs 3 Nr. 3 SGB II, klargestellt, dass "nichteheliche Lebensgemeinschaft" immer nur die Gemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau sein kann. Das BVerfG führt in seinem Beschluss vom 02.09.2004 ( Az.: 1 BvR 1962/04) hierzu im Leitsatz aus:

Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft ist - unter anderem - nach SGB 2 § 7 Abs 3 Nr 3 S 1 Nr 3 Buchst b, wer mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen "in eheähnlicher Gemeinschaft lebt". Dies ist allein die Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (vgl BVerfG, 17. November 1992, 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234 (264)).

Der Begriff "Ehe" ist nach dieser Rechtsprechung – ebenso wie der Begriff "eheähnlich" – einer Auslegung nicht zugänglich (BVerfG a.a.O.). Folgerichtig wird in den Arbeitsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 7 SGB II auch klargestellt, dass – abgesehen vom Lebenspartner – nur die Verbindung eines Mannes und einer Frau die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Nr. 3 b) SGB II erfüllen kann.

Da § 7 SGB II vorsieht, dass zur Bedarfsgemeinschaft neben Ehepartnern und Lebenspartnern nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz –LpartEDiskG- (in der Folge "Homoehe") nur noch die "nichteheliche Lebensgemeinschaft" zählt, werden zur verschärften Bedürftigkeitsprüfung nach § 7 SGB II – außerhalb von Ehe und "Homoehe" - nur Bedarfsgemeinschaften herangezogen, wenn sie aus einem Mann und einer Frau bestehen. Nicht herangezogen werden andere Gemeinschaften, auch wenn sie die sonstigen Kriterien einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft erfüllen würden. Hierzu zählen insbesondere homosexuelle Paare, die nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ("Homoehe") leben. Ob also außerhalb von Ehe und "Homoehe" eine Bedarfsgemeinschaft besteht, wird damit nicht nur an die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG a.a.O.) als maßgeblich angesehene Frage geknüpft, ob von den Partnern ein gegenseitiges Einstehen gefordert werden kann. Vielmehr fordert § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGG als zusätzliches Tatbestandsmerkmal eine "heterosexuelle Beziehung".

Ist ein Paar also "verheiratet", so ist für die gegenseitige Einstandpflicht unerheblich, ob die Partner homosexuell oder heterosexuell sind. Ist ein Paar dagegen nicht "verheiratet" so hängt die gegenseitige Einstandspflicht von der sexuellen Ausrichtung der Partner ab. Nur heterosexuelle Paare müssen füreinander Einstehen. Diese Heranziehung nur von Heterosexuellen benachteiligt diese Personengruppe gegenüber der Personengruppe der Homosexuellen, die in einem gleichartigen Verhältnis zueinander leben, nämlich in einer auf Dauer angelegten Einstandsgemeinschaft außerhalb der gesetzlich möglichen Lebenspartnerschaft.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in einer Randbemerkung seiner Entscheidung vom 17.11.1992 (Az.: 1 BvL 8/87 – www.juris.de) zu § 137 Abs. 2 a des Arbeitsförderungsgesetzes - in der seinerzeit geltenden Fassung - festgestellt, dass § 137 AFG nicht gegen Art. 3 GG verstoße, indem eheähnliche Lebensgemeinschaften nach dieser Vorschrift schlechter gestellt sind als die Gemeinschaften gleichgeschlechtlicher Partner. Das Bundesverfassungsgericht hat dies damals ausschließlich damit begründet, dass sich nur die nichteheliche Lebensgemeinschaft als "sozialer Typus deutlich herausgebildet" habe (BVerfG a.a.O.). Wörtlich heißt es in der Entscheidung:

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht darin, dass durch § 137 Abs. 2 a AFG nur eheähnliche Gemeinschaften, nicht aber auch andere Lebens-, Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaften - wie etwa Gemeinschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern oder Verwandten - der verschärften Bedürftigkeitsprüfung unterworfen werden. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass die eheähnliche Gemeinschaft in weitaus größerer Zahl vorkommt und sich als sozialer Typus deutlicher herausgebildet hat als die genannten anderen Gemeinschaften (BVerfG a.a.O.).

Der Begriff Typus (typos, Gepräge) wird im Allgemeinen als Bezeichnung für die deutschen Begriffe "Muster oder Vorbild" gebraucht (Rudolf Eisler, Wörterbuch der philosophischen Begriffe 1904 – Stichwort). Wenn also das Bundesverfassungsgericht die offenbare Ungleichbehandlung von eheähnlichen Lebensgemeinschaften und homosexuellen Lebensgemeinschaften im Jahr 1992 allein mit der Begründung duldet, die Gemeinschaft Homosexueller habe sich als "soziales Muster" noch nicht ausreichend herausgebildet beziehungsweise es bestehe diesbezüglich kein "soziales Vorbild", so ist zu überprüfen, ob diese Feststellung des BVerfG so auch noch auf die ab dem Jahre 2005 geltenden Vorschriften des SGB II übertragen lässt.

Für die Frage der Übertragbarkeit ist zunächst von Bedeutung, dass das Zusammenleben Homosexueller zum Zeitpunkt der vorgenannten Entscheidung des BVerfG noch überhaupt keinen Zugang zur Rechtsordnung hatte. Im Gegensatz zum Verhältnis von Heterosexuellen, dass über Normen z.B. zu Verlöbnis, Ehe oder eheähnlicher Lebensgemeinschaft durch alle Rechtsgebiete ausführlich geregelt war, bestanden keinerlei rechtliche Regelungen zum Zusammenleben von Homosexuellen. Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständlich und bedurfte auch keiner ausführlichen Erörterungen des Bundesverfassungsgerichts, dass im Verhältnis der gesetzlich geregelten Ehe und in ihrer Folge der "eheähnlichen Lebensgemeinschaft" zum gesetzlich ungeregelten Bereich des Zusammenlebens Homosexueller keine rechtswidrige Ungleichbehandlung liegen kann, schon weil das Eine in der Rechtsordnung existent war (Ehe) und das Andere (Zusammenleben Homosexueller) eben nicht. Die Ausführungen des BVerfG zum "sozialen Typus" knüpfen an diesen Rechtszustand an. Das Bundesverfassungsgericht hat daher die 1992 noch geäußerte Rechtsauffassung längst aufgegeben und den Gesetzgeber als Folge des Lebenspartnerschaftsgesetzes verpflichtet, Homosexuelle und heterosexuelle Paare gleich zu behandeln, insbesondere gesetzlich festzulegen, dass Homosexuelle auch zum gegenseitigen Unterhalt verpflichtet sind (BVerfG Urteil vom 17.07.2002 - a.a.O.),.

Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass der Hinweis auf die längst aufgegebene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von 1992 das Wesentliche Argument der Rechtsprechung ist, die vorliegend eine Verfassungswidrigkeit nicht sieht (vergl. z.B. LSG NRW, Beschluss vom 21.04.2005 – Az.: L 9 B 6/05 ER; Sächsisches LSG, Beschluss vom 14.04.2005, Az.: L 3 B 30/05 AS ER; LSG Hamburg, Beschluss vom 11.04.2005, Az.: L 5 B 58/05 ER AS).

Gerade mit dieser - damals eine Verfassungswidrigkeit ablehnenden - Begründung des Bundesverfassungsgerichts muss nämlich heute geschlossen werden, dass eine Ungleichbehandlung zumindest im Verhältnis von heterosexuellen und homosexuellen (nicht "verheirateten") Paaren im Lichte des Art 3 GG verfassungswidrig ist (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 04.05.2005, Az.: L 11 B 226/05 AS ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de; vgl auch Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII und Asylbewerberleistungsgesetz, 42.AL April 2005, § 7 RdNrn 58 ff). Das Zusammenleben von Homosexuellen ist nämlich - zeitlich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 137 AFG vom Gesetzgeber rechtlich geregelt worden. Bei dieser Regelung hatte der Gesetzgeber insbesondere zwei Ziele verfolgt.

Die Rechtsstellung homosexueller und heterosexueller Paare soll rechtlich gerade mit Blick auf Art. 3 GG möglichst weitgehend angepasst werden und Die Gemeinschaft Homosexueller soll rechtlich ausgeformt und damit gesellschaftlich anerkannt werden (vergl. z.B. BVerfG , Urteil vom 17.07.2002, Az.: 1 BvF 2/01 mit zahlreichen weiteren Nachweisen – www.juris.de).

Der Gesetzgeber hatte also bei Schaffung des Lebenspartnerschaftsgesetz die Absicht, das Zusammenleben von Homosexuellen "sozial zu typisieren" (gesellschaftliche Anerkennung und rechtliche Gleichstellung), was auch daraus ersichtlich wird, dass nach dem Gesetz ein eingetragener Lebenspartner "Familienangehöriger" ist.

Mit der amtlichen Begründung des Gesetzgebers für die Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes, wird man nicht mehr ernsthaft die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts von 1992 aufgreifen können.

Da es aber gerade Aufgabe des Lebenspartnerschaftsgesetzes ist, das Zusammenleben Homosexueller zu einem "sozialen Typus" zu machen, musste der Gesetzgeber in den neueren Sozialleistungsgesetzen Regelungen zur Einbeziehung der Lebenspartnerschaften in Bedarfsgemeinschaften vornehmen. Schon dies hat der Gesetzgeber nicht freiwillig getan. Trotz Lebenspartnerschaftsgesetz hat der Gesetzgeber nämlich in das alte Bundessozialhilfegesetz zunächst keine Regelung aufgenommen, nach der das Einkommen des Lebenspartners bei der Bedürftigkeitsprüfung anzurechnen war. Der Gesetzgeber hatte also ursprünglich nur die Absicht, homosexuellen - mit Hilfe des Lebenspartnerschaftsgesetzes - die Vorteile der Gleichstellung mit Heterosexuellen zu verschaffen. Von den Nachteilen (Einkommensanrechnung), die mit einer solchen Gleichstellung denkgesetzlich verbunden sind, wollte der Gesetzgeber aber die Homosexuellen zunächst ausnehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Ansinnen des Gesetzgebers in seinem Urteil zum Lebenspartnerschaftsgesetz aber ausdrücklich für verfassungswidrig, weil gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßend, erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert, "im Sozialhilferecht daraus ( ...) die entsprechenden rechtlichen Konsequenzen" zu ziehen (BVerfG Urteil vom 17.07.2002 - a.a.O.), also eine Regelung zu treffen, nach der auch Homosexuelle zum gegenseitigen Unterhalt verpflichtet sind. Es ist offenkundig, dass das Bundesverfassungsgericht mit der Anweisung an den Gesetzgeber im BSHG eine Unterhaltsregelung für Homosexuellenbeziehungen zu schaffen, seine Rechtsauffassung von 1992 (s.o), - aufgrund der geänderten Umstände – aufgegeben hat.

Der Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts an den Gesetzgeber aus dem Lebenspartnerschaftsgesetz "im Sozialhilferecht die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen" (BVerfG a.a.O.) ist der Gesetzgeber aber wieder nur teilweise, nämlich nur insoweit nachgekommen, als er den (eingetragenen) Lebenspartner in § 7 SGB II nunmehr der Bedarfsgemeinschaft zurechnet.

Das aber ist im Hinblick auf Art 3 GG nicht ausreichend. Der Gesetzgeber beseitigt die vom Bundesverfassungsgerichts bemängelte Schlechterstellung heterosexueller gegenüber Homosexuellen nicht ausreichend dadurch, dass er nun – wie geschehen – lediglich den kleinen Teil (siehe unten) der "verheirateten" Homosexuellen zur gegenseitigen Unterhaltsleistung verpflichtet, den weitaus größeren Teil der "Lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaften" aber weiterhin bevorzugt. Wenn das Bundesverfassungsgericht schon darauf hinweist, dass Ehe und "Homoehe" im Sozialhilferecht gleich zu behandeln sind, dann muss selbstverständlich auch die "eheähnliche Lebensgemeinschaft" zwischen Mann und Frau genauso behandelt werden, wie die gleichartige Gemeinschaft von Homosexuellen.

Tatsächlich ist es völlig unverständlich und nicht nachvollziehbar, dass sich die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Gleichbehandlung von Homosexuellen und Heterosexuellen – nach Auffassung des Gesetzgebers - nur auf den Bereich der "verheirateten" (Ehe, Homoehe) beziehen soll. Eine auch nur im Ansatz nachvollziehbare Begründung dafür, dass der Gesetzgeber Homosexualität bei "verheirateten" als gleichwertig gegenüber Heterosexualität ansieht, bei unverheirateten aber davon ausgeht dass hier Homosexualität und Heterosexualität offenbar verschiedene, nicht vergleichbare Dinge seien, ist nicht ersichtlich. Zwar haben die meisten Sozialgerichte (anders Bayerisches Landessozialgericht s. unten) in den bisher entschiedenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren – im Rahmen der dortigen eingeschränkten, nur summarischen Prüfung der Rechtslage – eine Verfassungswidrigkeit verneint, die hierfür vorgebrachten Argumente überzeugen indes nicht.

1) Insbesondere lässt sich nicht schlüssig argumentieren, die "lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaften" seien – im Gegensatz zur eingetragenen "Homoehe" – unbedeutend und bedürfen daher keiner rechtlichen Regelung. Dem steht nämlich entgegen, dass es ungleich mehr "lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften" gibt, als eingetragene "Homoehen".

Nach den von dem Statistischen Bundesamt herausgegebenen Zahlen (Mikrozensus 2004, Seite 22) gab es in Deutschland im Jahre 2004 (hochgerechnet - obere Anzahl) wahrscheinlich etwa 160.000 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften (320.000 Personen), wobei die Zahlen kontinuierlich (seit 1996 um 30%) ansteigen. Die Zahl der eingetragenen Lebenspartnerschaften ist dagegen verschwindend gering (Verband der Schwulen und Lesben - http://old.lsvd.de/bund/lpartg/eggen.html). Zahlen für ganz Deutschland existieren nicht. In Hamburg wurden im Jahr 2003 211 Lebenspartnerschaften begründet (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg Drucksache 18/184 vom 11.05.04). In Mecklenburg-Vorpommern gab es am 3.1.05 insgesamt 112 Lebenspartnerschaften (http://old.lsvd.de/bund/lpartg/eggen.html.) Im gesamten Bundesgebiet dürften daher maximal wenige Tausend solcher Lebenspartnerschaften bestehen.

Wenn der Gesetzgeber vor dem Hintergrund dieser Zahlen der sehr viel kleineren Zahl von Lebenspartnern den Status eines rechtlich geregelten und damit "sozial typischen" Verhaltens angedeihen lässt, so dürfte die Argumentation der sehr viel größere Kreis der "eheähnlichen Homoehen" brauche – weil unbedeutend und "sozial untypisch" - nicht geregelt zu werden, nicht vertretbar sein.

2.) Ebenso lässt sich nicht schlüssig argumentieren, es bestehe ein rechtlich und tatsächlich beachtenswerter Unterschied zwischen Homosexuellen und Heterosexuellen, der eine Ungleichbehandlung vorliegend rechtfertigt. Jede denkbare Argumentation auf dieser Schiene würde gegen den Geist des Lebenspartnerschaftsgesetzes verstoßen. Insbesondere die häufige Argumentation, homosexuelle Partnerschaften seien - anderes als heterosexuelle Partnerschaften – nicht auf Dauer angelegt und Homosexuelle Partnerschaften seien grundsätzlich nicht von einem gegenseitigen füreinander Einstehen geprägt, läuft den Überlegungen des Gesetzgebers zum Partnerschaftsgesetz und den Feststellungen des BVerfG im Urteil zum Lebenspartnerschaftsgesetz zuwider. Das BVerfG hat nämlich ausdrücklich festgestellt:

"Nach einer von Buba und Vaskovics im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz erstellten Studie aus dem Jahre 2000 unterscheiden sich gleichgeschlechtliche Paare in ihren Erwartungen an die Partnerschaft, deren Dauerhaftigkeit, ihre gegenseitige Unterstützungsbereitschaft und an das Einstehen füreinander nicht wesentlich von denen verschiedengeschlechtlicher Paare."( vergl. BVerfG, Urteil vom 17.07.2002, Az.: 1 BvF 2/01 – www.juris.de).

Diese Sichtweise homosexueller Beziehungen ist zwar möglicherweise falsch, wie die geringe Zahl eingetragener Partnerschaften zu belegen scheint, sie ist aber durch das Lebenspartnerschaftsgesetz rechtlich vorgegeben und daher maßgeblich. Ebenso wie Männer und Frauen, trotz offensichtlicher Unterschiede in Aussehen und Verhalten, gleich sind (vergl. Art 3 Abs. 2 GG) lässt sich - nach Erlass des Lebenspartnerschaftsgesetzes - die vom Gesetzgeber verordnete Gleichheit mit Heterosexuellen nicht wieder mit dem Hinweis auf eine angeblichen Unterschiedlichkeit beseitigen.

3. Ebenso wenig lässt sich schlüssig argumentieren, die mit der Ungleichbehandlung hier verbundenen Härten müssten, ohne dass ein Verstoß gegen Art 3 GG vorläge, hingenommen werden. So argumentiert z.B. das Hessische LSG.

"Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88). Die rechtliche Unterscheidung muss also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen braucht der Gesetzgeber allerdings nicht um die differenzierende Berücksichtigung aller denkbaren Fälle besorgt zu sein. Er ist vielmehr berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den ihm vorliegenden Erfahrungen ergibt. Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Die Typisierung setzt allerdings voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfGE 87, 234, 255 ff; Hessisches LSG, Beschluss vom 21.07.2005 – Az.: L 7 AS 29/05 ER)". (Zit.: Hessische LSG, Beschluss vom 21.07.2005 – Az.: L 7 AS 29/05 ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Das LSG verkennt grundlegend, dass sich diesbezüglich dem Gesetzgeber lediglich die Frage stellt, ob er Homosexuelle ebenso wie Heterosexuelle behandelt oder ob eine differenzierende Betrachtung - aus den vom LSG genannten Gründen - hier nicht erforderlich ist. Diese Frage hat der Gesetzgeber allerdings unmissverständlich beantwortet, indem er die homosexuellen Lebenspartnerschaften in § 7 Abs III Nr. 3 SGB II – aus Gründen der Gleichbehandlung – den Ehen gleichgestellt hat. Die Argumentation des Hessischen LSG (a.a.O.) ist daher wenig überzeugend. Sie läuft darauf hinaus, der Gesetzgeber habe zwar den zahlenmäßig geringfügigen Anteil der Lebenspartnerschaften aus Gründen der Gleichbehandlung zur Ehe geregelt, könne aber aus Gründen der "Vereinfachung", weil dies nur einen vernachlässigenswert kleinen Kreis von Personen betreffe, die Gleichbehandlung "eheähnlicher Lebensgemeinschaften" mit nicht in Lebensgemeinschaft lebender Homosexueller unterlassen. Das ist angesichts der o.g. Zahlen abwegig, denn der aus "Vereinfachungsgründen" ungleich behandelte Teil der Homosexuellen wäre dann mindestens 10 Mal so groß wie der Anteil der Homosexuellen bei denen der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung für erforderlich hielt.

Nach den offiziellen Zahlen des statistischen Bundesamtes im Microzensus 2004 zeigt die Zahl der homosexuellen Partnerschaften stetig an. Rechnet man die 320.000 homosexuellen Personen (geschätzte 160.000 Paare), die 2004 in gemeinsamen Haushalten mit anderen Homosexuellen gewohnt haben (Microzensus a.a.O.) auf die Zahl der davon potentiellen Hartz-VI Empfänger um und unterstellt, dass ein durchschnittlicher Hartz IV Empfänger monatlich ca. 500 Euro erhält, so dürften die Kosten wegen der Nichtheranziehung nicht in Lebenspartnerschaft lebender Homosexueller in den Hartz IV Gesetzen in der Größenordnung von ca 50 - 100 Millionen Euro jährlich liegen. Eine solche Ausgabe der öffentlichen Haushalte dürfte kaum mit dem Argument rechtlicher Vereinfachung oder tatsächlicher Unbedeutendheit zu rechtfertigen sein.

Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 17.07.2002 (a.a.O.) diese Argumentation schon selbst für unzulässig erklärt. Das BVerfG hat in der vorgenannten Entscheidung nämlich – wie bereits oben erörtert – es ausdrücklich als verfassungswidrig und Verstoß gegen Art. 3 GG gerügt, dass das seinerzeit noch geltende Bundessozialhilfegesetz bei der Bedürftigkeitsprüfung die Anrechnung von Einkommen des (homosexuellen) Lebenspartners nicht vorsah. Mit der Rüge hat es den Gesetzgeber aufgefordert, "im Sozialhilferecht daraus ( ...) die entsprechenden rechtlichen Konsequenzen" zu ziehen (BVerfG a.a.O.)

4. Nicht überzeugend ist auch die Argumentation, die Ungleichbehandlung von Homosexuellen und Heterosexuellen sei zwar erkennbar vorhanden, müsse aber deswegen von "eheähnlichen Lebensgemeinschaften" die vor Gericht hiergegen klagen und mit ihrer Klage erreichen wollen, dass sie ebenso wie Homosexuelle nicht zum gegenseitigen Unterhalt herangezogen werden, hingenommen werden, weil andernfalls eheähnliche Lebensgemeinschaften gegenüber Ehen wieder bevorzugt würden (so z.B. LSG NRW, Beschluss vom 21.04.2005, Az.: L 9 B 6/05 SO ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de). Dies würde aber gerade der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur eheähnlichen Lebensgemeinschaft widersprechen. An dieser Argumentation ist richtig, dass eine eheähnliche Lebensgemeinschaft auf diese Art und Weise verfassungswidrig gegenüber der Ehe bevorzugt würde. Die Argumentation übersieht aber vollständig, dass ein Sozialgericht ein derartiges Urteil gar nicht sprechen darf und es deshalb zu der verfassungswidrigen Begünstigung von eheähnlicher Lebensgemeinschaft zur Ehe – abgesehen von Einzelfällen die bereits im Klageverfahren sind - gar nicht kommen kann. Vielmehr muss das Sozialgericht nach Art 100 GG, wenn es die Verfassungsmäßigkeit erkennt und es für die Entscheidung auf die Frage der Verfassungswidrigkeit ankommt, das Verfahren aussetzen und an das Bundesverfassungsgericht abgeben (vorliegend war dieses Verfahren allerdings nicht anzuwenden, weil es auf die Verfassungswidrigkeit nicht ankommt. Das Gericht hat (s.o.) schon das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft verneint. Die Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit erfolgen nur hilfsweise). Das Bundesverfassungsgericht hat dann dafür Sorge zu tragen, dass der Gesetzgeber insgesamt einen verfassungsgemäßen Zustand wieder herstellt. Vorliegend könnte dies z.B. geschehen, indem das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber anweist auch nicht in Lebenspartnerschaft zusammenlebende Homosexuelle als Bedarfsgemeinschaft anzusehen. Für die Zukunft wird die Verfassungswidrigkeit damit beseitigt. Einzelne Kläger, hier eheähnlichen Lebensgemeinschaften, werden dann zwar für das Beschreiten des Klageweges "belohnt", indem nur sie - weil ihre Klage zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit geführt hat - der verschärften Bedürftigkeitsprüfung nicht unterzogen werden. Diese Konsequenz nimmt das Bundesverfassungsgericht allerdings seit jeher hin. Soweit ersichtlich gibt es dagegen in der juristischen Literatur keine Einwände.

5) Letztlich ist die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 7 Abs 3 SGB II auch mit der Begründung bejaht worden, es sei unschädlich, dass die Vorschrift die "Lebenspartnerschaftsähnliche" Gemeinschaft nicht explizit aufführe. Im Wege der Analogie könnten "Lebenspartnerschaftsähnliche" Beziehungen unter das Tatbestandsmerkmal "eheähnliche Lebensgemeinschaft" subsumiert werden (so z.B. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 04.05.2005, Az.: L 11 B 226/05 AS ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de; vgl auch Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII und Asyl-bewerberleistungsgesetz, 42.AL April 2005, § 7 RdNrn 58 ff). S 10 AS). Diese Rechtsauffassung hat zweifellos den Vorteil, dass sie alle verfassungsrechtlichen Probleme löst und gleich den Zustand herstellt, der von Verfassungs wegen hergestellt werden müsste. Bedauerlicherweise steht dieser Auffassung jedoch die Definition der eheähnlichen Lebensgemeinschaft durch das Bundesverfassungsgericht (nur die Gemeinschaft eines Mannes und einer Frau) entgegen (BVerfG a.a.O.).

Alle bislang vorgebrachten Argumente gegen eine Verfassungswidrigkeit vermögen danach nicht zu überzeugen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 183,193 SGG.

Das Gericht hat die Sprungrevision zugelassen, weil der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat. Die das SGB II und XII ausführenden Behörden berufen sich in zahlreichen Fällen – wie auch hier - auf die Angaben der Antragsteller zur eheähnlichen Lebensgemeinschaft in den einheitlichen Vordrucken der Behörden. Außerdem wird flächendeckend von allen hier bekannten Behörden der bisher in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung eines längeren zeitlichen Zusammenlebens vor Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft keine oder nur untergeordnete Bedeutung beigemessen. Schließlich ist die Frage, welche Ermittlungen und Feststellungen geeignet sind auf eine eheähnliche Lebensgemeinschaft zu schließen offen. Wegen der Vielzahl der diesbezüglich in erster Instanz anhängigen Verfahren wäre eine klärende Rechtsprechung des Bundessozialgericht wünschenswert. Schließlich ist höchstrichterlich nicht geklärt, ob eine Absenkung der Leistungen von 345 auf 311 Euro monatlich auch bei Wohngemeinschaften zulässig ist.
Rechtskraft
Aus
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