Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 5/27 KA 668/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 41/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist grundsätzlich auf die Rechtsbeziehungen zwischen Vertragsarzt und Kassenärztlicher Vereinigung (KV) nicht übertragbar.
Die KV kann gegenüber ihren Mitgliedern nicht in dem gleichen Umfang zur Beratung verpflichtet sein wie die Sozialleistungsträger gegenüber Sozialleistungsempfängern im Sinne der §§ 11 ff. SGB I, weil Vertragsärzte nicht in gleicher Weise schutzbedürftig sind.
Die KV ist daher außerhalb eines laufenden Verwaltungsverfahrens nicht verpflichtet, Mitglieder, die das 65. Lebensjahr vollenden, spontan auf die Möglichkeit der Beantragung von Leistungen aus der EHV hinzuweisen.
Die KV kann gegenüber ihren Mitgliedern nicht in dem gleichen Umfang zur Beratung verpflichtet sein wie die Sozialleistungsträger gegenüber Sozialleistungsempfängern im Sinne der §§ 11 ff. SGB I, weil Vertragsärzte nicht in gleicher Weise schutzbedürftig sind.
Die KV ist daher außerhalb eines laufenden Verwaltungsverfahrens nicht verpflichtet, Mitglieder, die das 65. Lebensjahr vollenden, spontan auf die Möglichkeit der Beantragung von Leistungen aus der EHV hinzuweisen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. September 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Beginn der Teilnahme des Klägers an der erweiterten Honorarverteilung nach den von der Beklagten hierzu verabschiedeten Grundsätzen für den Zeitraum vom 1. Mai 2000 bis zum 28. Februar 2003.
Nach den jeweils im hessischen Ärzteblatt (zuletzt vom Oktober 2001) bekannt gemachten Grundsätzen der erweiterten Honorarverteilung der Beklagten (EHV) sowohl in der seit dem 1. Januar 1993 als auch in der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung erlangen Vertragsärzte unter bestimmten Voraussetzungen einen Versorgungsanspruch, der aus einbehaltenen Honoraranteilen der Vertragsärzte in Hessen beglichen wird. Die Teilnahme an der EHV ist zu beantragen (§ 1 Abs. 2 Satz 1). Der Anspruch auf Teilnahme an der EHV beginnt für den Vertragsarzt an demjenigen Monatsersten, der auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit oder der Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres folgt (§ 1 Abs. 2 Satz 2). Wird ein Antrag auf Teilnahme an der EHV verspätet gestellt, so beginnen die Zahlungen bei einer Antragstellung innerhalb von drei Monaten nach Eintritt des Versorgungsfalles entsprechend den vorstehenden Vorschriften, bei einer späteren Antragstellung vom Ersten des auf den Eingang des Antrages folgenden Monats bzw. vom Ersten des Monats an, von dem ab die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KV Hessen) Kenntnis von dem Versorgungsfall hatte oder haben musste (§ 1 Abs. 2 Satz 3). In besonderen Härtefällen können Zahlungen bis zu drei Jahren rückwirkend geleistet werden (§ 1 Abs. 2 Satz 5 in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung).
Der 1935 geborene Kläger war bis August 1982 in der Bundesrepublik Deutschland als Krankenhausarzt beschäftigt. Danach war er vom 1. Oktober 1982 bis 19. November 1989 als niedergelassener Frauenarzt mit Kassenarztzulassung in Hessen tätig. Seine kassenärztliche Tätigkeit beendete er durch Verzicht und kehrte nach Griechenland zurück wo er von November 1989 bis 31. Dezember 2002 in verschiedenen Krankenhäusern als Frauenarzt seinem Beruf nachging. Eine weitere kassenärztliche bzw. vertragsärztliche Tätigkeit entfaltete er danach nicht mehr. Nach seinen Angaben war er ab 1. Januar 2003 in Griechenland (T.) arbeitslos.
Mit dem am 17. Februar 2003 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 10. Februar 2003 teilte er seine neue Anschrift in Griechenland mit und erkundigte sich nach den Voraussetzungen einer "Altersrente nach dem 65. Lebensjahr". Dieses Schreiben sah die Beklagte als Antrag auf Teilnahme an der EHV an und bat den Kläger mit Schreiben vom 24. Februar 2003 um Mitteilung, ob er nach seinem Verzicht auf die Zulassung in Hessen wieder eine vertragsärztliche Tätigkeit aufgenommen habe. Dies verneinte der Kläger mit Schreiben vom 28. Februar 2003 und begehrte ausdrücklich die Teilnahme an der EHV rückwirkend bereits ab Vollendung des 65. Lebensjahres im Mai 2000. Zur Begründung wies er darauf hin, die Beklagte habe es schuldhaft unterlassen ihn rechtzeitig vor Vollendung des 65. Lebensjahres über die Möglichkeit zur Teilnahme an der EHV zu beraten. Seine frühere Adresse in Griechenland sei der Beklagten bekannt gewesen.
Mit Schreiben vom 6. März 2003 erläuterte die Beklagte dem Kläger Beginn und Berechnung seiner EHV-Bezüge ab 1. März 2003 und bewilligte mit Bescheid vom 13. Mai 2003 EHV-Bezüge ab 1. März 2003 in Höhe von 600,00 EUR vierteljährlich mit monatlichen Abschlagszahlungen in Höhe von 30 v. H. (180,00 EUR).
Den dagegen mit dem Ziel eines früheren Beginns der EHV-Bezüge eingelegten Widerspruch wies der Vorstand der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2004 zurück.
Die hierauf am 23. Februar 2004 erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main (Az.: S 5/27 KA 668/04) mit Urteil vom 14. September 2005 mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe die Grundsätze der EHV, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) rechtmäßig seien, im Falle des Klägers zutreffend angewandt mit der Folge, dass ihm vor dem 1. März 2003 kein Anspruch auf Teilnahme an der EHV zustehe. Vor Eingang des Schreibens des Klägers vom 10. Februar 2003 am 17. Februar 2003 habe die Beklagte von dem Versorgungsfall weder Kenntnis gehabt noch haben müssen. Zwar habe der Kläger auch nach Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit in Hessen zur Beklagten aufgrund eines Anwartschaftsrechts auf Teilnahme an der EHV in einem sozialrechtlichen Schuldverhältnis gestanden, aus dem für die Beklagte gegenüber dem Kläger Nebenpflichten im Sinne von Ausklärungs-, Informations- und Beratungspflichten folgten. Diese ging jedoch nicht so weit, dass die Beklagte die Altersentwicklung ausgeschiedener Vertragsärzte überwachen und diese vor Vollendung des 65. Lebensjahres auf die Möglichkeit eines Anspruchs auf Teilnahme an der EHV hinweisen müsse. Eine solche Verpflichtung zur Spontanberatung ohne konkreten Anlass bestehe schon deshalb nicht, weil der Beklagten regelmäßig nicht bekannt sei, ob und wann die weiteren Voraussetzungen für eine Teilnahme an der EHV bei den in Hessen tätig gewesenen Ärzten vorlägen. Umgekehrt obliege es vielmehr den berechtigten Ärzten selbst, sich um eine Teilnahme an der EHV und damit auch um eine rechtzeitige Antragstellung zu kümmern. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn ein Arzt sich ohnehin im zeitlichen Zusammenhang mit der Vollendung des 65. Lebensjahres in einem laufenden Verwaltungsverfahren mit der Beklagten befinde, was beim Kläger aber nicht der Fall gewesen sei. Selbst wenn aber unterstellt werde, die Beklagte habe eine insoweit gegenüber dem Kläger bestehende Pflicht zur Spontanberatung verletzt, könne der Kläger hieraus keine weiteren Ansprüche herleiten, denn die unterstellte Pflichtverletzung der Beklagten wäre dann nicht wesentlich ursächlich gewesen für die verspätete Antragstellung. Der Kläger habe sich nämlich fahrlässig gegen sich selbst handelnd nicht rechtzeitig um seine EHV-Angelegenheiten gekümmert, was die wesentliche Ursache für den späteren Beginn seiner Teilnahme an der EHV sei, gegenüber der eine unterstellte Pflichtverletzung durch die Beklagte als nicht gleichwertige Bedingung zurücktrete.
Gegen das am 16. September 2005 mit Einschreiben abgesandte Urteil hat der Kläger am 7. Oktober 2005 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren auf Teilnahme an der EHV bereits ab Mai 2000 weiterverfolgt. Die Beklagte habe ihn unter der ihr bekannten Anschrift in Griechenland rechtzeitig auf die Möglichkeit der Teilnahme an der EHV ab vollendetem 65. Lebensjahr hinweisen müssen. In diesem Fall habe er auch rechtzeitig einen Antrag gestellt. Wegen der Pflichtverletzung der Beklagten sei ihm daher die Teilnahme an der EHV bereits ab Mai 2000 zu ermöglichen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. September 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13. Mai 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2004 zu verurteilen, ihn bereits ab 1. Mai 2000 an der erweiterten Honorarverteilung nach den Grundsätzen der Beklagten teilnehmen zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2004 und den Beschluss ihres Vorstandes vom 19./20. Juni 1981 Bezug, mit dem die Überlegung, vorzeitig aus der Kassenpraxis ausgeschiedene und ggf. verzogene Ärzte vor Erreichen der Altersgrenze über die Möglichkeit der EHV-Teilnahme infolge einer weiteren Herabsetzung der Altersgrenze zu informieren, verworfen wurde. Für die KV sei es unzumutbar, ständig die Altersentwicklung ausgeschiedener Ärzte zu verfolgen und diese automatisch darauf hinzuweisen, dass sie einen EHV-Anspruch durch Antragstellung begründen könnten.
Die Beteiligten haben sich schriftlich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Berufung ist sachlich unbegründet.
Das angegriffene Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. September 2005 ist nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung einen Anspruch des Klägers auf Teilhabe an der EHV der Beklagten bereits vor dem 1. März 2003 abgelehnt. Der Senat schließt sich ausdrücklich diesen Erwägungen an und sieht daher insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass zur Überzeugung des Senats die in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze zu den Hinweispflichten eines Rentenversicherungsträgers gegenüber einem Versicherten im Zusammenhang mit der Rentenantragstellung nicht auf das sozialrechtliche Schuldverhältnis zwischen Vertragsarzt und Kassenärztlicher Vereinigung (KV) übertragbar sind. Das in diesem Zusammenhang entwickelte Rechtsinstitut des sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist daher auf das Verhältnis zwischen Vertragsarzt und KV nicht anwendbar, weil die KV nicht zu den Leistungsträgern nach § 12 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) gehört und die Honoraransprüche der Kassen- bzw. Vertragsärzte nicht der Verwirklichung ihrer sozialen Rechte im Sinne des § 11 SGB I dienen. Vielmehr handelt es sich insoweit um Vergütungsansprüche für erbrachte Leistungen (so zutreffend: Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar 1986, Az.: L 1 Ka 2646/84 in MedR 1987, S. 61). Dies gilt auch für Ansprüche ausgeschiedener Vertragsärzte auf Teilnahme an der erweiterten Honorarverteilung, bei denen es sich ebenfalls um Honoraransprüche und nicht um Sozialleistungen im Sinne des § 11 SGB I handelt. Das auf mitgliedschaftlicher Beziehung beruhende Verhältnis des Vertragsarztes zu seiner KV unterscheidet sich wesentlich von dem Rechtsverhältnis eines möglichen Leistungsempfängers gegenüber einem Sozialleistungsträger i. S. des § 12 SGB I, aus dem insbesondere die in § 14 SGB I normierte Beratungspflicht des Leistungsträgers gegenüber dem Bürger resultiert. Das Verhältnis zwischen Bürger und Sozialleistungsträger i. S. des § 12 SGB I ist besonders durch das Sozialstaatsprinzip geprägt, weil es hier in besonderem Maße um Bürger geht, die auf diese Leistungen angewiesen und im Umgang mit Recht und Behörden aber überwiegend besonders unerfahren sind. Dem trägt das soziale Verwaltungsverfahren durch das Prinzip der sozialstaatlich geprägten Kooperation und durch das Erfüllungsprinzip Rechnung, das sicherstellen soll, dass soziale Rechte möglichst nicht an Reibungsverlusten im Verwaltungsverfahren scheitern und möglichst weitgehend verwirklicht werden (§ 2 Abs. 2 SGB I – so zutreffend: Gagel in SGb 2000, S. 519 m. w. N.). Auch die Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte seine von ihm erworbenen Rentenleistungen wirklich erhält und in diesem Zusammenhang mögliche Leistungsempfänger spontan zu beraten, beruht auf diesem besonderen Sozialrechtsverhältnis zwischen Sozialleistungsempfänger und Sozialleistungsträger (siehe etwa BSG, Urteil vom 6. März 2003, Az.: B 4 RA 38/02 R m. w. N.). Es ist offenkundig, das Vertragsärzte nicht in gleicher Weise schutzbedürftig wie ein Großteil der Sozialleistungsempfänger i. S. der §§ 11 ff. SGB I sind, weshalb die Beratungspflichten der KV gegenüber ihren Mitgliedern nicht den gleichen Umfang haben können. Vielmehr muss von einem Vertragsarzt erwartet werden, dass er sich selbst rechtzeitig um seine Teilhabe an der Altersversorgung durch Inanspruchnahme der erweiterten Honorarverteilung bemüht, ebenso wie er sich grundsätzlich eigenverantwortlich um die Verwirklichung seiner Honoraransprüche gegenüber der KV während der Ausübung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit zu kümmern hat. Im Übrigen sehen die Grundsätze der EHV die Möglichkeit vor, in besonderen Härtefällen Zahlungen bis zu drei Jahren rückwirkend zu leisten (§ 1 Abs. 2 Satz 5). Ein solcher Härtefall liegt jedoch nicht vor und wurde vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Denn nach seinen Angaben war er noch bis Ende 2002 als Frauenarzt in griechischen Krankenhäusern tätig und daher in dieser Zeit wohl auch nicht auf die Teilnahme an der EHV angewiesen. Damit verbleibt bis zum Beginn seiner Versorgungsbezüge aus der EHV lediglich ein Zeitraum von zwei Monaten, in dem er möglicherweise, ohne Einkünfte aus seiner ärztlichen Tätigkeit zu erzielen, nicht an der erweiterten Honorarverteilung durch die Beklagte teilnehmen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Bei der Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung vom 5. Mai 2004 (BGBl. I, S. 718) war der "Regelstreitwert" gem. § 52 Abs. 2 GKG zugrunde zu legen, weil die Höhe der EHV-Bezüge im streitigen Zeitraum nicht ohne weiteren unverhältnismäßigen Ermittlungsaufwand festzustellen ist (§ 42 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Beginn der Teilnahme des Klägers an der erweiterten Honorarverteilung nach den von der Beklagten hierzu verabschiedeten Grundsätzen für den Zeitraum vom 1. Mai 2000 bis zum 28. Februar 2003.
Nach den jeweils im hessischen Ärzteblatt (zuletzt vom Oktober 2001) bekannt gemachten Grundsätzen der erweiterten Honorarverteilung der Beklagten (EHV) sowohl in der seit dem 1. Januar 1993 als auch in der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung erlangen Vertragsärzte unter bestimmten Voraussetzungen einen Versorgungsanspruch, der aus einbehaltenen Honoraranteilen der Vertragsärzte in Hessen beglichen wird. Die Teilnahme an der EHV ist zu beantragen (§ 1 Abs. 2 Satz 1). Der Anspruch auf Teilnahme an der EHV beginnt für den Vertragsarzt an demjenigen Monatsersten, der auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit oder der Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres folgt (§ 1 Abs. 2 Satz 2). Wird ein Antrag auf Teilnahme an der EHV verspätet gestellt, so beginnen die Zahlungen bei einer Antragstellung innerhalb von drei Monaten nach Eintritt des Versorgungsfalles entsprechend den vorstehenden Vorschriften, bei einer späteren Antragstellung vom Ersten des auf den Eingang des Antrages folgenden Monats bzw. vom Ersten des Monats an, von dem ab die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KV Hessen) Kenntnis von dem Versorgungsfall hatte oder haben musste (§ 1 Abs. 2 Satz 3). In besonderen Härtefällen können Zahlungen bis zu drei Jahren rückwirkend geleistet werden (§ 1 Abs. 2 Satz 5 in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung).
Der 1935 geborene Kläger war bis August 1982 in der Bundesrepublik Deutschland als Krankenhausarzt beschäftigt. Danach war er vom 1. Oktober 1982 bis 19. November 1989 als niedergelassener Frauenarzt mit Kassenarztzulassung in Hessen tätig. Seine kassenärztliche Tätigkeit beendete er durch Verzicht und kehrte nach Griechenland zurück wo er von November 1989 bis 31. Dezember 2002 in verschiedenen Krankenhäusern als Frauenarzt seinem Beruf nachging. Eine weitere kassenärztliche bzw. vertragsärztliche Tätigkeit entfaltete er danach nicht mehr. Nach seinen Angaben war er ab 1. Januar 2003 in Griechenland (T.) arbeitslos.
Mit dem am 17. Februar 2003 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 10. Februar 2003 teilte er seine neue Anschrift in Griechenland mit und erkundigte sich nach den Voraussetzungen einer "Altersrente nach dem 65. Lebensjahr". Dieses Schreiben sah die Beklagte als Antrag auf Teilnahme an der EHV an und bat den Kläger mit Schreiben vom 24. Februar 2003 um Mitteilung, ob er nach seinem Verzicht auf die Zulassung in Hessen wieder eine vertragsärztliche Tätigkeit aufgenommen habe. Dies verneinte der Kläger mit Schreiben vom 28. Februar 2003 und begehrte ausdrücklich die Teilnahme an der EHV rückwirkend bereits ab Vollendung des 65. Lebensjahres im Mai 2000. Zur Begründung wies er darauf hin, die Beklagte habe es schuldhaft unterlassen ihn rechtzeitig vor Vollendung des 65. Lebensjahres über die Möglichkeit zur Teilnahme an der EHV zu beraten. Seine frühere Adresse in Griechenland sei der Beklagten bekannt gewesen.
Mit Schreiben vom 6. März 2003 erläuterte die Beklagte dem Kläger Beginn und Berechnung seiner EHV-Bezüge ab 1. März 2003 und bewilligte mit Bescheid vom 13. Mai 2003 EHV-Bezüge ab 1. März 2003 in Höhe von 600,00 EUR vierteljährlich mit monatlichen Abschlagszahlungen in Höhe von 30 v. H. (180,00 EUR).
Den dagegen mit dem Ziel eines früheren Beginns der EHV-Bezüge eingelegten Widerspruch wies der Vorstand der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2004 zurück.
Die hierauf am 23. Februar 2004 erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main (Az.: S 5/27 KA 668/04) mit Urteil vom 14. September 2005 mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe die Grundsätze der EHV, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) rechtmäßig seien, im Falle des Klägers zutreffend angewandt mit der Folge, dass ihm vor dem 1. März 2003 kein Anspruch auf Teilnahme an der EHV zustehe. Vor Eingang des Schreibens des Klägers vom 10. Februar 2003 am 17. Februar 2003 habe die Beklagte von dem Versorgungsfall weder Kenntnis gehabt noch haben müssen. Zwar habe der Kläger auch nach Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit in Hessen zur Beklagten aufgrund eines Anwartschaftsrechts auf Teilnahme an der EHV in einem sozialrechtlichen Schuldverhältnis gestanden, aus dem für die Beklagte gegenüber dem Kläger Nebenpflichten im Sinne von Ausklärungs-, Informations- und Beratungspflichten folgten. Diese ging jedoch nicht so weit, dass die Beklagte die Altersentwicklung ausgeschiedener Vertragsärzte überwachen und diese vor Vollendung des 65. Lebensjahres auf die Möglichkeit eines Anspruchs auf Teilnahme an der EHV hinweisen müsse. Eine solche Verpflichtung zur Spontanberatung ohne konkreten Anlass bestehe schon deshalb nicht, weil der Beklagten regelmäßig nicht bekannt sei, ob und wann die weiteren Voraussetzungen für eine Teilnahme an der EHV bei den in Hessen tätig gewesenen Ärzten vorlägen. Umgekehrt obliege es vielmehr den berechtigten Ärzten selbst, sich um eine Teilnahme an der EHV und damit auch um eine rechtzeitige Antragstellung zu kümmern. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn ein Arzt sich ohnehin im zeitlichen Zusammenhang mit der Vollendung des 65. Lebensjahres in einem laufenden Verwaltungsverfahren mit der Beklagten befinde, was beim Kläger aber nicht der Fall gewesen sei. Selbst wenn aber unterstellt werde, die Beklagte habe eine insoweit gegenüber dem Kläger bestehende Pflicht zur Spontanberatung verletzt, könne der Kläger hieraus keine weiteren Ansprüche herleiten, denn die unterstellte Pflichtverletzung der Beklagten wäre dann nicht wesentlich ursächlich gewesen für die verspätete Antragstellung. Der Kläger habe sich nämlich fahrlässig gegen sich selbst handelnd nicht rechtzeitig um seine EHV-Angelegenheiten gekümmert, was die wesentliche Ursache für den späteren Beginn seiner Teilnahme an der EHV sei, gegenüber der eine unterstellte Pflichtverletzung durch die Beklagte als nicht gleichwertige Bedingung zurücktrete.
Gegen das am 16. September 2005 mit Einschreiben abgesandte Urteil hat der Kläger am 7. Oktober 2005 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren auf Teilnahme an der EHV bereits ab Mai 2000 weiterverfolgt. Die Beklagte habe ihn unter der ihr bekannten Anschrift in Griechenland rechtzeitig auf die Möglichkeit der Teilnahme an der EHV ab vollendetem 65. Lebensjahr hinweisen müssen. In diesem Fall habe er auch rechtzeitig einen Antrag gestellt. Wegen der Pflichtverletzung der Beklagten sei ihm daher die Teilnahme an der EHV bereits ab Mai 2000 zu ermöglichen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. September 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13. Mai 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2004 zu verurteilen, ihn bereits ab 1. Mai 2000 an der erweiterten Honorarverteilung nach den Grundsätzen der Beklagten teilnehmen zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2004 und den Beschluss ihres Vorstandes vom 19./20. Juni 1981 Bezug, mit dem die Überlegung, vorzeitig aus der Kassenpraxis ausgeschiedene und ggf. verzogene Ärzte vor Erreichen der Altersgrenze über die Möglichkeit der EHV-Teilnahme infolge einer weiteren Herabsetzung der Altersgrenze zu informieren, verworfen wurde. Für die KV sei es unzumutbar, ständig die Altersentwicklung ausgeschiedener Ärzte zu verfolgen und diese automatisch darauf hinzuweisen, dass sie einen EHV-Anspruch durch Antragstellung begründen könnten.
Die Beteiligten haben sich schriftlich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Berufung ist sachlich unbegründet.
Das angegriffene Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. September 2005 ist nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung einen Anspruch des Klägers auf Teilhabe an der EHV der Beklagten bereits vor dem 1. März 2003 abgelehnt. Der Senat schließt sich ausdrücklich diesen Erwägungen an und sieht daher insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass zur Überzeugung des Senats die in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze zu den Hinweispflichten eines Rentenversicherungsträgers gegenüber einem Versicherten im Zusammenhang mit der Rentenantragstellung nicht auf das sozialrechtliche Schuldverhältnis zwischen Vertragsarzt und Kassenärztlicher Vereinigung (KV) übertragbar sind. Das in diesem Zusammenhang entwickelte Rechtsinstitut des sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist daher auf das Verhältnis zwischen Vertragsarzt und KV nicht anwendbar, weil die KV nicht zu den Leistungsträgern nach § 12 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) gehört und die Honoraransprüche der Kassen- bzw. Vertragsärzte nicht der Verwirklichung ihrer sozialen Rechte im Sinne des § 11 SGB I dienen. Vielmehr handelt es sich insoweit um Vergütungsansprüche für erbrachte Leistungen (so zutreffend: Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar 1986, Az.: L 1 Ka 2646/84 in MedR 1987, S. 61). Dies gilt auch für Ansprüche ausgeschiedener Vertragsärzte auf Teilnahme an der erweiterten Honorarverteilung, bei denen es sich ebenfalls um Honoraransprüche und nicht um Sozialleistungen im Sinne des § 11 SGB I handelt. Das auf mitgliedschaftlicher Beziehung beruhende Verhältnis des Vertragsarztes zu seiner KV unterscheidet sich wesentlich von dem Rechtsverhältnis eines möglichen Leistungsempfängers gegenüber einem Sozialleistungsträger i. S. des § 12 SGB I, aus dem insbesondere die in § 14 SGB I normierte Beratungspflicht des Leistungsträgers gegenüber dem Bürger resultiert. Das Verhältnis zwischen Bürger und Sozialleistungsträger i. S. des § 12 SGB I ist besonders durch das Sozialstaatsprinzip geprägt, weil es hier in besonderem Maße um Bürger geht, die auf diese Leistungen angewiesen und im Umgang mit Recht und Behörden aber überwiegend besonders unerfahren sind. Dem trägt das soziale Verwaltungsverfahren durch das Prinzip der sozialstaatlich geprägten Kooperation und durch das Erfüllungsprinzip Rechnung, das sicherstellen soll, dass soziale Rechte möglichst nicht an Reibungsverlusten im Verwaltungsverfahren scheitern und möglichst weitgehend verwirklicht werden (§ 2 Abs. 2 SGB I – so zutreffend: Gagel in SGb 2000, S. 519 m. w. N.). Auch die Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte seine von ihm erworbenen Rentenleistungen wirklich erhält und in diesem Zusammenhang mögliche Leistungsempfänger spontan zu beraten, beruht auf diesem besonderen Sozialrechtsverhältnis zwischen Sozialleistungsempfänger und Sozialleistungsträger (siehe etwa BSG, Urteil vom 6. März 2003, Az.: B 4 RA 38/02 R m. w. N.). Es ist offenkundig, das Vertragsärzte nicht in gleicher Weise schutzbedürftig wie ein Großteil der Sozialleistungsempfänger i. S. der §§ 11 ff. SGB I sind, weshalb die Beratungspflichten der KV gegenüber ihren Mitgliedern nicht den gleichen Umfang haben können. Vielmehr muss von einem Vertragsarzt erwartet werden, dass er sich selbst rechtzeitig um seine Teilhabe an der Altersversorgung durch Inanspruchnahme der erweiterten Honorarverteilung bemüht, ebenso wie er sich grundsätzlich eigenverantwortlich um die Verwirklichung seiner Honoraransprüche gegenüber der KV während der Ausübung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit zu kümmern hat. Im Übrigen sehen die Grundsätze der EHV die Möglichkeit vor, in besonderen Härtefällen Zahlungen bis zu drei Jahren rückwirkend zu leisten (§ 1 Abs. 2 Satz 5). Ein solcher Härtefall liegt jedoch nicht vor und wurde vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Denn nach seinen Angaben war er noch bis Ende 2002 als Frauenarzt in griechischen Krankenhäusern tätig und daher in dieser Zeit wohl auch nicht auf die Teilnahme an der EHV angewiesen. Damit verbleibt bis zum Beginn seiner Versorgungsbezüge aus der EHV lediglich ein Zeitraum von zwei Monaten, in dem er möglicherweise, ohne Einkünfte aus seiner ärztlichen Tätigkeit zu erzielen, nicht an der erweiterten Honorarverteilung durch die Beklagte teilnehmen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Bei der Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung vom 5. Mai 2004 (BGBl. I, S. 718) war der "Regelstreitwert" gem. § 52 Abs. 2 GKG zugrunde zu legen, weil die Höhe der EHV-Bezüge im streitigen Zeitraum nicht ohne weiteren unverhältnismäßigen Ermittlungsaufwand festzustellen ist (§ 42 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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