S 35 SO 226/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
35
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 SO 226/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 14/05 SO ER
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin zu 1) wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin die Zusicherung zu den Aufwendungen für die Unterkunft Bstraße 0 in 00000 O (im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II) mit der Maßgabe zu erteilen, dass als Kaltmiete höchstens 524,77 Euro monatlich von der Antragsgegnerin übernommen werden. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

Gründe:

I. Die Antragstellerin wohnt mit ihren 2 Kindern unter der Anschrift I1straße 00 in 00000 S. Diese Wohnung ist nach Auffassung der Antragsgegnerin zu 1) unangemessen teuer. Gleichwohl hat die Antragsgegnerin zu 2) der Anmietung der Wohnung seinerzeit zugestimmt. Die berücksichtigungsfähigen Unterhaltskosten für die bisherige Wohnung betragen 528,75 Euro pro Monat.

In der Folgezeit gingen bei der Antragsgegnerin zu 2) verschiedene anonyme Hinweise ein, die Antragstellerin lebe mit dem Kindesvater des jüngsten Kindes in eheähnlicher Lebensgemeinschaft. Die Antragsgegnerin zu 2) führte daraufhin Ermittlungen durch und stellte zwischenzeitlich Leistungen an die Antragstellerin mit der Begründung ein, sie lebe mit Herrn L1 in eheähnlicher Lebensgemeinschaft. Nach Auskunft der Antragsgegnerin zu 1) ist wegen dieses Sachverhaltes ein Strafverfahren gegen die Antragstellerin anhängig. Die Antragstellerin behauptet außerdem, sie werde von Mitbewohnern und Nachbarn ihrer derzeitigen Wohnung beschimpft und gemobbt. Deshalb leide die Antragstellerin an Schlafstörungen.

Die Antragstellerin beantragte daraufhin die Zustimmung zur Anmietung der Wohnung im Haus Bstraße 0 in O.

Nachdem ihr die Zustimmung nicht erteilt wurde, beantragte sie unter dem 22. November 2005 einstweiligen Rechtsschutz. Sie trägt vor, sie habe einen Anspruch auf Anmietung der Wohnung, da einer andere Leistungsempfängerin - in gleicher Situation - ebenfalls die Zustimmung zur Anmietung einer gleichartigen Wohnung gewährt worden sei.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

Die Antragsgegnerin zu 1.) zu verpflichten, der Antragstellerin zu gestatten, die Wohnung im Hause Bstraße 0, 00000 O ca. 81 m² groß, gelegen im Erdgeschoss links, anzumieten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie ist der Auffassung, die Wohnung sei zu teuer. Die Antragstellerin habe Anspruch auf eine Wohnung von 90 m² mit einer Grundmiete von 524,77 Euro. Sie mache jedoch für die neue Wohnung Unterkunftskosten in Höhe von 542,50 Euro geltend. Da die Wohnung Bstraße 0 nicht über ein 2. Kinderzimmer verfüge, liege die Mietobergrenze bei Anmietung dieser Wohnung sogar nur bei 448,54 Euro.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, denn die von ihr ins Auge gefasste Wohnung müsste kurzfristig bezogen werden. Die Antragstellerin kann diesbezüglich nicht auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen werden, denn es ist nicht anzunehmen, dass der Vermieter die Wohnung bis zu einer endgültigen Klärung des Rechtsstreits freihalten würde.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach § 22 Abs. 2 SGB II soll vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft eingeholt werden. Der kommunale Träger ist nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II können Wohnungsbeschaffungskosten sowie Mietkautionen und Umzugskosten nur bei vorheriger Zustimmung durch den kommunalen Träger übernommen werden. Die Zustimmung des kommunalen Trägers hat daher Einfluss auf die Frage, ob bestimmte weitere Kosten in Zusammenhang mit der Anmietung der Wohnung übernommen werden.

Die Antragsgegnerin zu 1) ist vorliegend verpflichtet, die Zustimmung zum Umzug – in dem tenorierten Umfang - zu erteilen, denn der Umzug ist erforderlich und die Aufwendungen für die neue Unterkunft sind angemessen.

a) Der Umzug ist vorliegend erforderlich, weil es der Antragstellerin nicht zumutbar ist, in ihrem bisherigen Wohnumfeld zu verbleiben. Aus der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin zu 2) geht hervor, dass es mehrfach anonyme Hinweise gegeben hat, die Antragstellerin lebe in eheähnlicher Gemeinschaft mit Herrn L1. Wegen dieser anonymen Hinweise ist es zu einem Strafverfahren gegen die Antragstellerin gekommen. Außerdem hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass es zu erheblichen Auseinandersetzungen mit Nachbarn und Vermietern gekommen ist. Die Gesamtsituation erscheint dem Gericht so verfahren, dass ein Umzug als sinnvoller Ausweg in Betracht kommt. Die Frage der Erforderlichkeit eines Umzuges, ist im Übrigen nicht nur nach objektiven Maßstäben zu beurteilen, sondern auch unter Berücksichtigung der individuellen Interessenlage der Antragstellerin. Insoweit ist auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das nachbarschaftliche Verhältnis zerrüttet erscheint.

b) Die Aufwendungen für die neue Unterkunft sind auch angemessen. Entscheidend ist, dass die Antragsgegnerin grundsätzlich eine Wohnungsgröße von 90 m² mit einer Grundmiete von 524,77 Euro für angemessen hält. Nach hier vertretener Auffassung bezieht sich die Angemessenheit allein auf die Miete für eine Wohnung, die die Antragstellerin nach den Richtlinien der Antragsgegnerin zu 1) bewohnen dürfte. Der Zuschnitt der Wohnung und deren Größe ist unerheblich. Es steht der Antragstellerin also frei, eine kleinere Wohnung anzumieten als ihr eigentlich zusteht, deren m²-Preis dann höher ist, die insgesamt aber die Kosten für eine angemessene Wohnung nicht überschreitet. Das ist vorliegend der Fall. Zwar betragen die Unterkunftskosten hier 542,50 Euro kalt, während die Antragsgegnerin der Antragstellerin nur 524,77 Euro zugestehen will, es steht der Antragstellerin aber frei, die verbleibenden Mietkosten aus ihren Regelleistungen beizusteuern.

Im Übrigen sind die Aufwendungen für die neue Unterkunft auch deswegen angemessen, weil die Antragstellerin nachgewiesen hat, dass Frau L2-I2, die sich in vergleichbarer Situation befindet, ebenfalls die Genehmigung von der Antragsgegnerin zu 1) erhalten hat, eine gleichartige Wohnung anzumieten. Die Antragsgegnerin zu 1) ist grundsätzlich verpflichtet, gleiche Lebenssachverhalte gleich zu beurteilen (Art 3 Grundgesetz). Die Antragsgegnerin zu 1) hat keine nachvollziehbaren Gründe vorgetragen, warum die Antragstellerin hier anders zu behandeln ist als Frau L2-I2. Eine Gleichbehandlung kann nicht mit der Begründung versagt werden, die Zustimmung zur Anmietung der Wohnung sei Frau L2-I2 zu Unrecht gewährt worden. Insoweit ist nämlich darauf hinzuweisen, dass es grundsätzlich nur eine Gleichbehandlung im Recht, nicht aber im Unrecht gibt. Die Antragsgegnerin hat aber nicht einmal behauptet und schon gar nicht belegt, Frau L2-I2 sei die Zustimmung zu Unrecht erteilt worden. Statt dessen behauptet die Antragsgegnerin die Zustimmung sei erteilt worden, weil die vorherige Wohnung der Frau L2-I2 "weitaus größer und teurer" gewesen sei. Diese Argumentation vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen. Sie findet auch keine Stütze im Gesetz. Die Antragsgegnerin muss sich daher an ihrer Entscheidung, Frau L2-I2 die Zustimmung erteilt zu haben, festhalten lassen und die Antragstellerin ebenso behandeln. Die Im Übrigen von der Antragsgegnerin aufgestellte Behauptung, Frau L2-I2 erhalte nur Unterkunftskosten in Höhe von 448,54 Euro, dürfte widerlegt sein, nachdem die Antragstellerin den Bescheid zur Bedarfsberechnung von Frau L2-I2 vorgelegt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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