S 7 KA 9/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KA 9/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 12.07.2007 verurteilt, die zu erstattenden Kosten des Neubescheidungsverfahrens auf 5.384,72 Euro festzusetzen.
2. Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die Kosten des Klägers gesamtschuldnerisch.
3. Streitwert: 3.715,71

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der zu erstattenden Kosten im Neubescheidungsverfahren.

Der Kläger führte einen Rechtsstreit gegen den Beklagten, in dem letzterer rechtskräftig verurteilt wurde, über den Widerspruch der Beigeladenen gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses für Ärzte B vom 22.04.2002 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden (Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 24.07.2003, S 7 KA 6/02; des LSG NRW vom 03.03.2004, L 10 KA 41/03; Beschluss des Bundessozialgerichts vom 12.10.2005, B 6 KA 47/04 B). Bei einem festgesetzten Streitwert von 310.884,18 Euro tragen ausweislich der Kostenentscheidung der Beklagte und die Beigeladene die Kosten u. a. des Klägers je zur Hälfte.

Nach Abschluss des Klageverfahrens entschied der Beklagte erneut über den Widerspruch der Beigeladenen und wies ihn nunmehr zurück (Beschluss vom 03.11.2004). Nach erneuter Prüfung erweise sich der Widerspruch der Beigeladenen als unbegründet und dem Kläger sei die beantragte Zulassung zu erteilen.

Der Kläger-Bevollmächtigte beantragte unter dem 07.01.2005, beim Beklagten die Festsetzung einer 2,0 Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 ff RVG in Höhe von 4.576,00 Euro, insgesamt zuzüglich Auslagen, Fahrkosten, Abwesenheitgeld und Mehrwertsteuer (20,- Euro, 28,50 Euro, 17,50 Euro 742,72 Euro) 5.384,72 Euro. Die Beigeladene teilte hierauf unter dem 09.02.2005 mit, sie habe die Zahlung eines gekürzten Betrages in Höhe von 1.669,01 Euro veranlasst, da es sich vorliegend lediglich um ein Neubescheidungsverfahren handele und die mit 2,0 angesetzte Geschäftsgebühr auf 0,6 zu kürzen sei.

Den weitergehenden Kostenfestsetzungsantrag wies der Beklagte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.07.2005 zurück. Die Kläger-Bevollmächtigten seien von Anfang an als Bevollmächtigte des Klägers tätig gewesen. Sie seien deshalb mit dem Sach- und Verfahrensstand bestens vertraut gewesen. Es gelte deshalb der Gebührentatbestand der Nr. 2401 ff RVG, der eine Gebühr von 0,5 bis 1,3 vorsehe. Die anwaltliche Tätigkeit im Neubescheidungsverfahren sei nicht schwierig gewesen. Der Kläger-Bevollmächtigte habe im einzigen eingereichten Schriftsatz vom 29.10.2004 selbst ausgeführt, es sei nach den gerichtlichen Entscheidungen "offensichtlich", dass dem Kläger die beantragte Zulassung zu erteilen sei. Deshalb sei eine Geschäftsgebühr von 0,6 angemessen.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger vorträgt, die Neubescheidung sei ein eigenständiges neues Verfahen. In diesem neuen Verfahren sei der Kläger-Bevollmächtigte erstmals tätig gewesen. Das Zulassungsrecht sei eine Spezialmaterie, das wirtschaftliche Interesse des Klägers erheblich. Es habe eine mündliche Verhandlung mit der Notwendigkeit erneuter Einarbeitung stattgefunden.

Der Kläger beantragt,

den Kostenfestsetzungsbeschluss des Beklagten vom 12.07.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Kosten für das Neubescheidungsverfahren entsprechend dem Kostenfestsetzungsantrag des Klägers vom 07.01.2005 festzusetzen und 3,715,71 Euro nachzuzahlen.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

Beklagter und Beigeladene wiederholen ihren Vortrag aus dem Festsetzungsverfahren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtswidrig, denn die zu erstattenden Kosten des Neubescheidungsverfahrens sind auf insgesamt 5.384,72 Euro festzusetzen.

Nach § 63 des Zehnten Buch Sozialgesetzbuch hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Dies gilt im Vertragsarztzulassungsrecht entsprechend für den Fall, dass der betroffene Vertragsarzt im Widerspruchsverfahren erfolgreich den Widerspruch eines Dritten, hier der Beigeladenen, abwehrt (Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 11.12.1985, 6 RKa 35/84).

Es liegt eine Kostenentscheidung zugunsten des Klägers vor. Zwar fehlt diese im Beschluss vom 18.04.2002, sie ist jedoch inzident im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.07.2005 enthalten, der dem Kläger volle Erstattung seiner Vorverfahrenskosten zubilligt.

Diese sind antragsgemäß festzusetzen. In Bezug auf die Anwaltskosten ist das RVG anzuwenden, das seit dem 01.07.2004 Gültigkeit hat. Einschlägig ist die 0,5 bis 2,5-fache Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 VV.

Es ist nicht der geringere Gebührenrahmen der Nr. 2401 VV anzuwenden, der vorgesehen ist, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Nr. 2401 VV bezieht sich nur auf Verwaltungs- und Vorverfahren, die dem gerichtlichen Verfahren vorausgehen (Begründung zum Gesetzentwurf des Kostenrechtmodernisierungsgesetzes, BTDrs 15/1971, 207; vergleiche § 17 Nr. 1 RVG). Mit dem Erlass des Verwaltungsaktes ist das Verwaltungsverfahren kostenrechtlich abgeschllossen (Hartmann, Kostengesetze, 34. Auflage, Randnummer 3 zu § 17 RVG), mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides das Vorverfahren. Das dem Klageverfahren zeitlich nachfolgende Neubescheidungsverfahren ist ein neues Vorverfahren, das zwar wiederum einem (eventuellen) Gerichtsverfahren vorausgeht, ein erneutes Verwaltungsverfahren, das zur Anwendung eines niedrigeren Gebührenrahmens führen könnte, findet aber vor diesem weiteren Gerichtsverfahren nicht mehr statt. Dass der Rechtsgedanke aus Nr. 2401 VV auf das Neubescheidungsverfahren deshalb übertragen werden müsste, weil der Kläger-Bevollmächtigte auch in einem früheren Verwaltungs- und Vorverfahren schon tätig war, hält die Kammer nicht für geboten. Der Streitstoff wird durch die zwischenzeitlich vorliegenden gerichtlichen Entscheidungen aus drei Instanzen keinesfalls übersichtlicher. Im gerichtlichen Verfahren sind die Gebühren des Anwalts gegenüber dem Verwaltungsverfahren und gegenüber der jeweiligen Vorinstanz stets weiter zu erhöhen. Daraus darf geschlossen werden, dass auch der Gesetzgeber nicht davon ausgeht, dass die zunehmende rechtliche Durchdringung des Streitstoffs die Arbeit des Rechtsanwalts vereinfacht. Soweit die Gesetzesbegründung zu Nr. 2401 VV (s. o. aaO.) davon ausgeht, dass die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren die Tätigkeit in weiteren Verwaltungsverfahren durchaus erleichtert, kann dies demnach auf das Neubescheidungsverfahren nicht ohne weiteres übertragen werden. Für die Honorierung einer Tätigkeit nach zwei Verwaltungs- und drei Gerichtsinstanzen kann es auch keine Rolle spielen, ob der Kläger sich schon im ursprünglichen Verwaltungs- oder im ersten Widerspruchsverfahren einen Rechtsanwalt genommen hat. Nur im erstgenannten Falle könnte aber überhaupt von einer Anwendbarkeit der Nr. 2401 VV ausgegangen werden. Denn aus dem Gebührentatbestand der Nr. 2401 VV ("für das weitere, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende Verwaltungsverfahren") geht hervor, dass eine Tätigkeit in einem vorangegangenen Widerspruchsverfahren die Gebührenreduktion nicht auslösen kann. Auch bei Tätigkeitsbeginn des Bevollmächtigten wie hier (die Vollmacht ist vor Erlass des Bescheides des Zulassungsausschusses unterzeichnet) schon im Verwaltungsverfahren kann aber dann nichts anderes gelten, denn für den Umfang der Tätigkeit im Neubescheidungsverfahren ist es ohne Bedeutung, ob der Kläger-Bevollmächtigte (hier: nach drei Instanzen und vor mehreren Jahren) schon im Verwaltungs- oder erst im Widerspruchsverfahren beauftragt war.

Auch die Höhe der demnach erstattungsfähigen Gebühr nach Nr. 2400 VV ist mit 2,0 zutreffend angesetzt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt insoweit der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit, sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisses des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Dabei kann allerdings nach der amtlichen Anmerkung zu Nr. 2400 VV eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich und schwierig war. Soweit demnach diese Kappungsgrenze von 1,3 überschritten werden soll, kommt es entgegen der Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten und auf die Bedeutung der Streitsache an – letztere kommt ohnehin in der Höhe des Streitwerts ausreichend zum Ausdruck. Sehr wohl sind diese Gesichtspunkte aber zu berücksichtigen, bei der von der Kammer deshalb verneinten Frage, ob die Kappungsgrenze der Nr. 2400 VV im vorliegenden Falle unterschritten werden darf (dies gilt in gleicher Weise für die vom Beklagten angewandte wortgleiche Regelung in Nr. 2401 VV, bei der zusätzlich Abs. 1 der amtlichen Anmerkung zu berücksichtigen gewesen wäre, wonach bei der Bemessung der Gebühr nicht zu berücksichtigen ist, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren geringer war, sodass der vom Beklagten angesetzte Gebührensatz von 0,6 auch unter diesem Gesichtspunkt als rechtswidrig zu niedrig angesehen werden muss).

Auch die Überschreitung der Kappungsgrenze bis auf 2,0 ist nicht unbillig. Die bisher insoweit zum neuen Gebührenrecht verfügbare Rechtsprechung (insbesondere oberlandesgerichtlicher Vergabesenate, vergleiche OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.05.2005, VII Verg 98/04, VII-Verg 98/04, Verg 98/04; Bayrisches Oberstes Landesgericht Vergabesenat, Beschluss vom 16.02.2005, Verg 028/04; Thüringer Oberlandesgericht Vergabesenat, Beschluss vom 02.02.2005, 9 Verg 6/04), der die Kammer nach eigener Prüfung folgt, lässt für den Ansatz einer 2,0-fachen Gebühr genügen, dass die Vertretung des Mandaten in einem überdurchschnittlich schwierigen Rechtsgebiet erfolgte (zu dem die Kammer auch das Kassenärztliche Zulassungsrecht zählt), wenn im Widerspruchsverfahren eine mündliche Verhandlung notwendig war. Dies war hier der Fall (weshalb der Hinweis der Beigeladenen auf die Kürze des vorgelegten Schriftsatzes auch zur Begründung der vorgenommenen Kürzung keinesfalls ausreicht). Der im Übrigen nach den geltend gemachten Nebenkosten und rechnerisch zutreffende Kostenfestsetzungsantrag der Kläger-Bevollmächtigten ist deshalb nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG, 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
Saved