Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 99/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 63/06 AS
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 19.09.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2005 verurteilt, dem Kläger Leistungen für Heizung in Höhe von 65,99 Euro im Monat ab dem 01.10.2005 zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Leistungen für Heizung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Der am 00.00.1965 geborene Kläger bewohnt eine 55 qm große Wohnung in einem gasbeheizten Haus mit insgesamt 126 qm Wohnfläche. Eines der Zimmer liegt im Altbau, ein anderes in einem Anbau. Nur letzteres Zimmer ist wärmeisoliert. Die mietvertraglich vereinbarte monatliche Heizkostenvorauszahlung liegt bei 65,99 Euro. Ausweislich der am 08.06.2005 vom Vermieter erstellten Abrechnung beliefen sich im Zeitraum 06.04.2004 bis 09.04.2005 die anteiligen Grundkosten auf 215,64 Euro, die anteiligen Verbrauchskosten auf 509,93 Euro.
Nachdem die Beklagte zunächst ab dem ab 01.01.2005 Leistungen für Heizung in Höhe von 60,87 Euro monatlich übernommen hatte, setzte sie mit Bescheid vom 19.09.2005 die entsprechenden Leistungen für die Zeit ab dem 01.10.2005 bis 31.03.2006 mit 44,30 Euro im Monat an. Der Kläger begründete seinen am 06.10.2005 erhobenen Widerspruch damit, er habe erst mit Schreiben vom selben Tage wieder Bescheid erfahren, dass die Wohnung unangemessen groß sei. Eine sofortige Kürzung der Leistungen für Heizung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 09.11.2005 mit der Begründung zurück, die für Unterkunftsaufwendungen einschlägige sechsmonatige Übergangsfrist gelte für die Leistungen für Heizung nicht.
Hiergegen richtet sich die am 28.11.2005 erhobene Klage.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19.09.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2005 zu verurteilen, ihm Leistungen für Heizung in Höhe von 65,99 Euro im Monat ab dem 01.10.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihre bisherigen Darlegungen und führt aus, maßgebliche normative Grundlage zur Beurteilung der Angemessenheit von Heizkosten sei die Dienstwohnungsverordnung (DWVO), unter deren Zugrundelegung auch der zuletzt angesetzte Betrag noch zu hoch sei. Zutreffenderweise seien nur 29,43 Euro im Monat anzuerkennen.
Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Entscheidungen sind rechtswidrig i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat Anspruch auf Leistungen für Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, die sich auf 65,99 Euro im Monat belaufen.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) werden Leistungen für Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Eine nähere Eingrenzung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit nimmt das Gesetz selbst nicht vor. Es ermächtigt lediglich in § 27 Nr. 1 SGB II zum Erlass einer Rechtsverordnung darüber, welche Aufwendungen für Heizung angemessen sind. Solange eine solche Rechtsverordnung noch aussteht, ist die Angemessenheit von Heizkosten nach den konkreten, insbesondere baulichen, Gegebenheiten zu beurteilen. Unangemessenheit liegt - schon angesichts eines völlig unterschiedlichen subjektiven Temperaturempfindens verschiedener Personen - nur bei unsachgemäßer Bedienung der Heizanlage oder einem verschwenderischen Heizverhalten (z.B. Heizen bei geöffnetem Fenster) vor (vgl. auch SG Aurich, Beschluss vom 11.2.2005, S 15 AS 3/05 ER).
Soweit sich die Beklagte demgegenüber auf die DWVO (in Verbindung mit dem auf § 13 Abs. 1 Satz 1 DWVO beruhenden jährliche Runderlass des Bundesministeriums für Finanzen) beruft, folgt das Gericht dem nicht (gegen die Anwendung der DVWO bereits SG Aachen, Beschluss vom 26.01.2006, S 21 AS 11/06 ER). Zwar verkennt das Gericht nicht, dass auch vor Erlass einer Rechtsverordnung nach § 27 Nr. 1 SGB II auf seiten der Leistungsträger Bedarf nach einer pauschalierenden Regelung besteht. Es hält die DVWO insoweit jedoch nicht für geeignet, denn es ist nicht ersichtlich, dass diese tatsächlich alle verschiedenen Bautypen und alle Stufen der Wärmeisolation abbildet. Sachnäher ist aus Sicht der Kammer die Prüfung, ob der tatsächliche Heizenergieverbrauch angesichts des örtlichen (oder ortsnächsten) Heizspiegels Anhaltspunkte für ein verschwenderisches Heizen bietet.
Dies ist hier nicht der Fall. Die Heizkosten pro qm im Jahr belaufen sich ausweislich der in der Akte der Beklagten befindlichen Abrechnung auf 12,58 Euro. Laut dem Aachener Heizspiegel (ein ortsnährerer Heizspiegel ist nicht erhältlich) sind in gasbeheizten Gebäuden mit einer beheizten Wohnfläche von 100 - 250 qm Heizkosten von 10,30 bis 14,00 Euro als erhöht anzusehen. Die tatsächlichen Heizkosten sind im vorliegenden somit erhöht, jedoch nicht extrem hoch. Angesichts der vom Kläger geschilderten baulichen Verhältnisse liegen Hinweise für unwirtschaftliches Heizen nicht vor.
Unter Zugrundelegung der in der Abrechnung ausgewiesenen Kosten summieren sich die Heizkosten (ohne Kosten der Warmwasserzubereitung) jährlich auf 719,57 Euro (215,64 Euro Grundkosten plus 503,93 Verbrauchskosten). Dies ergibt monatliche Aufwendungen i.H.v. 59,96 Euro. Die mietvertraglich vereinbarte monatliche Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 65,99 Euro erscheint angesichts dessen angemessen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sie gerade auch den Sinn hat, in einem gewissen Umfang auch extreme Witterungsverhältnisse sowie Teuerungen bei den Brennstoffen mitzuberücksichtigen und umfangreiche Nachforderungen zu vermeiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Leistungen für Heizung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Der am 00.00.1965 geborene Kläger bewohnt eine 55 qm große Wohnung in einem gasbeheizten Haus mit insgesamt 126 qm Wohnfläche. Eines der Zimmer liegt im Altbau, ein anderes in einem Anbau. Nur letzteres Zimmer ist wärmeisoliert. Die mietvertraglich vereinbarte monatliche Heizkostenvorauszahlung liegt bei 65,99 Euro. Ausweislich der am 08.06.2005 vom Vermieter erstellten Abrechnung beliefen sich im Zeitraum 06.04.2004 bis 09.04.2005 die anteiligen Grundkosten auf 215,64 Euro, die anteiligen Verbrauchskosten auf 509,93 Euro.
Nachdem die Beklagte zunächst ab dem ab 01.01.2005 Leistungen für Heizung in Höhe von 60,87 Euro monatlich übernommen hatte, setzte sie mit Bescheid vom 19.09.2005 die entsprechenden Leistungen für die Zeit ab dem 01.10.2005 bis 31.03.2006 mit 44,30 Euro im Monat an. Der Kläger begründete seinen am 06.10.2005 erhobenen Widerspruch damit, er habe erst mit Schreiben vom selben Tage wieder Bescheid erfahren, dass die Wohnung unangemessen groß sei. Eine sofortige Kürzung der Leistungen für Heizung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 09.11.2005 mit der Begründung zurück, die für Unterkunftsaufwendungen einschlägige sechsmonatige Übergangsfrist gelte für die Leistungen für Heizung nicht.
Hiergegen richtet sich die am 28.11.2005 erhobene Klage.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19.09.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2005 zu verurteilen, ihm Leistungen für Heizung in Höhe von 65,99 Euro im Monat ab dem 01.10.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihre bisherigen Darlegungen und führt aus, maßgebliche normative Grundlage zur Beurteilung der Angemessenheit von Heizkosten sei die Dienstwohnungsverordnung (DWVO), unter deren Zugrundelegung auch der zuletzt angesetzte Betrag noch zu hoch sei. Zutreffenderweise seien nur 29,43 Euro im Monat anzuerkennen.
Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Entscheidungen sind rechtswidrig i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat Anspruch auf Leistungen für Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, die sich auf 65,99 Euro im Monat belaufen.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) werden Leistungen für Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Eine nähere Eingrenzung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit nimmt das Gesetz selbst nicht vor. Es ermächtigt lediglich in § 27 Nr. 1 SGB II zum Erlass einer Rechtsverordnung darüber, welche Aufwendungen für Heizung angemessen sind. Solange eine solche Rechtsverordnung noch aussteht, ist die Angemessenheit von Heizkosten nach den konkreten, insbesondere baulichen, Gegebenheiten zu beurteilen. Unangemessenheit liegt - schon angesichts eines völlig unterschiedlichen subjektiven Temperaturempfindens verschiedener Personen - nur bei unsachgemäßer Bedienung der Heizanlage oder einem verschwenderischen Heizverhalten (z.B. Heizen bei geöffnetem Fenster) vor (vgl. auch SG Aurich, Beschluss vom 11.2.2005, S 15 AS 3/05 ER).
Soweit sich die Beklagte demgegenüber auf die DWVO (in Verbindung mit dem auf § 13 Abs. 1 Satz 1 DWVO beruhenden jährliche Runderlass des Bundesministeriums für Finanzen) beruft, folgt das Gericht dem nicht (gegen die Anwendung der DVWO bereits SG Aachen, Beschluss vom 26.01.2006, S 21 AS 11/06 ER). Zwar verkennt das Gericht nicht, dass auch vor Erlass einer Rechtsverordnung nach § 27 Nr. 1 SGB II auf seiten der Leistungsträger Bedarf nach einer pauschalierenden Regelung besteht. Es hält die DVWO insoweit jedoch nicht für geeignet, denn es ist nicht ersichtlich, dass diese tatsächlich alle verschiedenen Bautypen und alle Stufen der Wärmeisolation abbildet. Sachnäher ist aus Sicht der Kammer die Prüfung, ob der tatsächliche Heizenergieverbrauch angesichts des örtlichen (oder ortsnächsten) Heizspiegels Anhaltspunkte für ein verschwenderisches Heizen bietet.
Dies ist hier nicht der Fall. Die Heizkosten pro qm im Jahr belaufen sich ausweislich der in der Akte der Beklagten befindlichen Abrechnung auf 12,58 Euro. Laut dem Aachener Heizspiegel (ein ortsnährerer Heizspiegel ist nicht erhältlich) sind in gasbeheizten Gebäuden mit einer beheizten Wohnfläche von 100 - 250 qm Heizkosten von 10,30 bis 14,00 Euro als erhöht anzusehen. Die tatsächlichen Heizkosten sind im vorliegenden somit erhöht, jedoch nicht extrem hoch. Angesichts der vom Kläger geschilderten baulichen Verhältnisse liegen Hinweise für unwirtschaftliches Heizen nicht vor.
Unter Zugrundelegung der in der Abrechnung ausgewiesenen Kosten summieren sich die Heizkosten (ohne Kosten der Warmwasserzubereitung) jährlich auf 719,57 Euro (215,64 Euro Grundkosten plus 503,93 Verbrauchskosten). Dies ergibt monatliche Aufwendungen i.H.v. 59,96 Euro. Die mietvertraglich vereinbarte monatliche Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 65,99 Euro erscheint angesichts dessen angemessen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sie gerade auch den Sinn hat, in einem gewissen Umfang auch extreme Witterungsverhältnisse sowie Teuerungen bei den Brennstoffen mitzuberücksichtigen und umfangreiche Nachforderungen zu vermeiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
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