Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AL 74/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 25.01.2005 in der Fassung des Bescheides vom 12.05.2005 und des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2005 wird hinsichtlich des Zeitraums vor dem 25.01.2005 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Klägerin zu 2/3 zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) in der Zeit vom 01.12.2004 bis 02.03.2005 wegen Entlassungsentschädigung geruht hat und die Beklagte deswegen das für Dezember 2004 bereits gezahlte Alg zurückfordern durfte.
Die am 00.00.1977 geborene Klägerin arbeitete von 2000 bis zum 15.07.2004 im Tankstellenbetrieb ihres Vaters und anschließend bis zum 30.11.2004 im selben Betrieb beim Betriebsübernehmer H. Die maßgebliche Frist für eine arbeitgeberseitige Kündigung betrug 6 Monate zum Monatsende. Mit Schreiben vom 28.08.2004 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 28.02.2005 mit der Begründung, der Arbeitsplatz entfalle dauerhaft aufgrund interner organisatorischer Maßnahmen. Im anschließenden Kündigungsschutzverfahren schlossen die Klägerin und der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht B (0 Ca 0000/00 d) einen Vergleich, in dem es u.a. heißt:
1.
Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Grund ordentlicher, arbeitgeberseitiger und betriebsbedingter Kündigung vom 28.08.2004 mit dem 28.02.2005 sein Ende findet.
2.
Der Beklagte verpflichtet sich, an die Klägerin als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG, § 3 Ziffer 9 EStG in Höhe von 6.500,00 EUR ( ...) netto zu zahlen.
3.
Der Klägerin bleibt vorbehalten, vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, wobei sie dies dem Beklagten in schriftlicher Form ( ...) mitteilt. Für den Fall, dass die Klägerin bis einschließlich 30.11.2004 vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, verpflichtet sich der Beklagte über den gemäß Ziffer 2.) zu zahlenden Abfindungsbetrag hinaus eine weitere Abfindung in Höhe vom 2.000,00 Euro zu zahlen.
Am 25.11.2004 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte Alg ab dem 01.12.2004, wobei die Bewilligung der Höhe nach vorläufig erfolgte. Mit Bescheid vom 25.01.2005 hob sie sodann die Alg-Bewilligung für die Zeit vom 01.12.2004 bis zum 02.03.2005 unter Hinweis auf die vom Arbeitgeber erbrachte Entlassungsentschädigung auf und forderte das für den Monat Dezember 2004 gezahlte Alg i.H.v. 905,84 Euro zurück. Ihren am 04.02.2005 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie aus gesundheitlichen Gründen (insbesondere wegen ihrer Schwangerschaft) nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Arbeit an der Tankstelle zu verrichten. Auch habe der Arbeitgeber Mobbing gegen sie betrieben. Schließlich dürfe die Abfindung höchstens i.H.v. 2000.- Euro angerechnet werden, denn nur dieser Betrag sei wegen einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden.
Die Beklagte beschränkte den Ruhenszeitraum mit Bescheid vom 12.05.2005 auf die Zeit bis zum 22.02.2005 und wies den Widerspruch im Übrigen mit Bescheid vom 06.06.2005 zurück. Sie führte aus, die Klägerin habe erkennen können, dass ihr bis zum 23.02.2005 kein Alg zustand.
Hiergegen richtet sich die am 06.07.2005 erhobene Klage.
Die Klägerin führt aus, es dürfe nur diejenige Abfindung angerechnet werden, die zur Verkürzung der Kündigungsfrist geführt habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 25.01.2005 in der Fassung des Bescheides vom 12.05.2005 und des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld ab dem 01.12.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Auffassung.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte, sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nur insoweit begründet, als die Beklagte die Alg-Bewilligung nicht auch für die Vergangenheit aufheben und erbrachtes Alg zurückfordern durfte. Im Übrigen ist die Klage unbegründet, denn der Alg-Anspruch der Klägerin hat in der Zeit vom 25.01.2005 bis zum 22.02.2005 geruht.
Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der vorhergehenden Alg-Bewilligung ist § 45 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Hiernach durfte die Beklagte die Alg-Bewilligung nicht auch für die Vergangenheit (mit der Folge eines Erstattungsanspruchs nach § 50 SGB X) aufheben.
Der Umstand, dass die durch den angefochtenen Bescheid aufgehobene Alg-Bewilligung ihrerseits nach § 328 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) der Höhe nach vorläufig erfolgt ist, berechtigt nicht zur späteren Aufhebung der Bewilligung ingesamt ohne Beachtung der Schutzvorschriften in den §§ 44 ff. SGB X. Insbesondere stellt eine der Höhe nach vorläufige Bewilligung nicht die gesamte Bewilligungsentscheidung unter eine Art unbegrenzten Aufhebungsvorbehalt. Diejeinigen Leistungsvoraussetzungen, die bei Entscheidung über eine vorläufige Bewilligung bereits als sicher gelten können, gelten inzident als endgültig festgestellte Bestandteile der Entscheidung und eine Aufhebung ist insoweit nur nach den §§ 44 ff. SGB X möglich (Niesel, in: Niesel, SGB III, 3. Aufl., 2005, Rn. 7 m.w.N.). Es ist aber gerade Grundlage einer der Höhe nach vorläufigen Bewilligung, dass während des Bewilligungszeitraums kein Ruhenstatbestand vorliegt, denn sonst dürfte die Bewilligung weder vorläufig noch endgültig erfolgen.
Die Beklagte durfte die Alg-Bewilligung jedoch für die Zukunft nach § 45 Abs. 1 SGB X aufheben, denn die Bewilligung ist rechtswidrig erfolgt. Der Alg-Anspruch der Klägerin hat in der Zeit vom 01.12.2004 bis zum 22.02.2005 nach § 143 a SGB III geruht.
Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Alg gemäß § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Vorschriften über die Verkürzung des Ruhenszeitraums enthält § 143 a Abs. 2 SGB III.
Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin aufgrund des arbeitsgerichtlichen Vergleiches von ihrem früheren Arbeitgeber insgesamt 8.500.- Euro erhalten hat und dass das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist.
Die Abfindung ist auch wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden. Hieran ändert der Umstand nichts, dass der vor dem Arbeitsgericht abgeschlossene Vergleich ausdrücklich den Betrag von 2000.- Euro für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsieht, denn § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III lässt es genügen, wenn der Arbeitnehmer die entsprechende Zahlung des Arbeitgebers ohne die Kündigung nicht erhalten hätte (Düe, in: Niesel, a.a.O., § 143 a, Rn. 12). Insbesondere setzt § 143 a SGB nicht voraus, dass die Entlassungsentschädigung gerade auf die Vorzeitigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (d.h. die Beendigung unter Nichtbeachtung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist) zurückzuführen ist (BSG, Urteil vom 21.09.1995, 11 RAr 41/95, SozR 3, 4100 § 117 Nr. 12; Düe,a.a.O., Rn. 15).
An der Anwendung von § 143 a SGB III ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2004 nicht Gegenstand der ursprünglichen arbeitgeberseitigen Kündigung gewesen ist. Die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses braucht nicht einmal auf genau demselben Umstand zu beruhen wie die Entlassungsentschädigung. Es genügt im Rahmen von § 143 a SGB III, wenn der Umstand, der auch zur Zahlung der Entlassungsentschädigung geführt hat, auslösendes Element für eine Entwicklung ist, die letztlich zur tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt (BSG, SozR 3, 4100 § 117 Nr. 5; Düe, a.a.O., Rn 21; Gagel, in: Gagel, SGB III, § 143 a, Rn. 30 b).
Auch der Verweis der Klägerin auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen während der Schwangerschaft sowie auf das Verhalten des Arbeitgebers führt zu keinem anderen Ergebnis. § 143 a SGB III ist - anders als insbesondere § 144 SGB III - keine Sanktion für ein Fehlverhalten des Arbeitslosen, sondern soll allein den Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Alg ausschließen. Während gesundheitliche Gründe oder eine unzumutbare Situation am Arbeitsplatz u.U. den Vorwurf eines Fehlverhaltens beseitigen können, sind sie jedoch kein Grund, den Arbeitslosen in den Genuss dieses gesetzlich grundsätzlich ausgeschlossenen Doppelbezugs kommen zu lassen. Dementsprechend hindern auch Schwangerschaft und Mutterschutz die Anwendung von § 143 a SGB III grundsätzlich nicht (Hessisches LSG, Urteil vom 02.06.2004, L 6 AL 898/01, juris). Dass der Arbeitgeber berechtigt gewesen wäre, die Klägerin außerordentlich zu kündigen (mit der Folge des § 143 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III) ist nicht dargetan.
Die zuletzt seitens der Beklagten vorgenommene Berechnung des Ruhenszeitraums beruht auf § 143 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 SGB III. Berechnungsfehler sind nicht gerügt worden und dem Gericht auch nicht ersichtlich.
Die Beklagte durfte die Alg-Bewilligung indes nicht auch für die Vergangenheit aufheben. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist. Auf schutzwürdiges Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X u.a. dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Die (zutreffende) Rechtsauffassung der Beklagten kannte die Klägerin vor Erlass des Aufhebungsbescheides nicht. Sie musste sich der nicht rechtskundigen Klägerin auch nicht förmlich aufdrängen. Eine Nachforschungs- und Nachfragepflicht besteht nur bei Offenkundigkeit des Fehlers. Hieran fehlt es jedoch, denn die Rechtswidrigkeit der Alg-Bewilligung erschließt sich erst nach genauerer rechtlicher Prüfung. Auch das "Merkblatt 1 für Arbeitslose", das die Klägerin bei Arbeitslosmeldung von der Beklagten erhalten hatte, enthält keinen entsprechenden Hinweis. Hier ist auf Seite 45 lediglich die Rede davon, auch eine Entlassungsentschädigung könne zum Ruhen des Anspruchs führen, wenn der Arbeitslose unkündbar war oder eine Kündigungsfrist nicht eingehalten worden ist. Zu weiteren Einzelheiten verweist das Merkblatt sodann auf das "Merkblatt 17", dessen Erhalt der Klägerin nicht nachgewiesen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Klägerin zu 2/3 zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) in der Zeit vom 01.12.2004 bis 02.03.2005 wegen Entlassungsentschädigung geruht hat und die Beklagte deswegen das für Dezember 2004 bereits gezahlte Alg zurückfordern durfte.
Die am 00.00.1977 geborene Klägerin arbeitete von 2000 bis zum 15.07.2004 im Tankstellenbetrieb ihres Vaters und anschließend bis zum 30.11.2004 im selben Betrieb beim Betriebsübernehmer H. Die maßgebliche Frist für eine arbeitgeberseitige Kündigung betrug 6 Monate zum Monatsende. Mit Schreiben vom 28.08.2004 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 28.02.2005 mit der Begründung, der Arbeitsplatz entfalle dauerhaft aufgrund interner organisatorischer Maßnahmen. Im anschließenden Kündigungsschutzverfahren schlossen die Klägerin und der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht B (0 Ca 0000/00 d) einen Vergleich, in dem es u.a. heißt:
1.
Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Grund ordentlicher, arbeitgeberseitiger und betriebsbedingter Kündigung vom 28.08.2004 mit dem 28.02.2005 sein Ende findet.
2.
Der Beklagte verpflichtet sich, an die Klägerin als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG, § 3 Ziffer 9 EStG in Höhe von 6.500,00 EUR ( ...) netto zu zahlen.
3.
Der Klägerin bleibt vorbehalten, vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, wobei sie dies dem Beklagten in schriftlicher Form ( ...) mitteilt. Für den Fall, dass die Klägerin bis einschließlich 30.11.2004 vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, verpflichtet sich der Beklagte über den gemäß Ziffer 2.) zu zahlenden Abfindungsbetrag hinaus eine weitere Abfindung in Höhe vom 2.000,00 Euro zu zahlen.
Am 25.11.2004 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte Alg ab dem 01.12.2004, wobei die Bewilligung der Höhe nach vorläufig erfolgte. Mit Bescheid vom 25.01.2005 hob sie sodann die Alg-Bewilligung für die Zeit vom 01.12.2004 bis zum 02.03.2005 unter Hinweis auf die vom Arbeitgeber erbrachte Entlassungsentschädigung auf und forderte das für den Monat Dezember 2004 gezahlte Alg i.H.v. 905,84 Euro zurück. Ihren am 04.02.2005 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie aus gesundheitlichen Gründen (insbesondere wegen ihrer Schwangerschaft) nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Arbeit an der Tankstelle zu verrichten. Auch habe der Arbeitgeber Mobbing gegen sie betrieben. Schließlich dürfe die Abfindung höchstens i.H.v. 2000.- Euro angerechnet werden, denn nur dieser Betrag sei wegen einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden.
Die Beklagte beschränkte den Ruhenszeitraum mit Bescheid vom 12.05.2005 auf die Zeit bis zum 22.02.2005 und wies den Widerspruch im Übrigen mit Bescheid vom 06.06.2005 zurück. Sie führte aus, die Klägerin habe erkennen können, dass ihr bis zum 23.02.2005 kein Alg zustand.
Hiergegen richtet sich die am 06.07.2005 erhobene Klage.
Die Klägerin führt aus, es dürfe nur diejenige Abfindung angerechnet werden, die zur Verkürzung der Kündigungsfrist geführt habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 25.01.2005 in der Fassung des Bescheides vom 12.05.2005 und des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld ab dem 01.12.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Auffassung.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte, sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nur insoweit begründet, als die Beklagte die Alg-Bewilligung nicht auch für die Vergangenheit aufheben und erbrachtes Alg zurückfordern durfte. Im Übrigen ist die Klage unbegründet, denn der Alg-Anspruch der Klägerin hat in der Zeit vom 25.01.2005 bis zum 22.02.2005 geruht.
Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der vorhergehenden Alg-Bewilligung ist § 45 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Hiernach durfte die Beklagte die Alg-Bewilligung nicht auch für die Vergangenheit (mit der Folge eines Erstattungsanspruchs nach § 50 SGB X) aufheben.
Der Umstand, dass die durch den angefochtenen Bescheid aufgehobene Alg-Bewilligung ihrerseits nach § 328 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) der Höhe nach vorläufig erfolgt ist, berechtigt nicht zur späteren Aufhebung der Bewilligung ingesamt ohne Beachtung der Schutzvorschriften in den §§ 44 ff. SGB X. Insbesondere stellt eine der Höhe nach vorläufige Bewilligung nicht die gesamte Bewilligungsentscheidung unter eine Art unbegrenzten Aufhebungsvorbehalt. Diejeinigen Leistungsvoraussetzungen, die bei Entscheidung über eine vorläufige Bewilligung bereits als sicher gelten können, gelten inzident als endgültig festgestellte Bestandteile der Entscheidung und eine Aufhebung ist insoweit nur nach den §§ 44 ff. SGB X möglich (Niesel, in: Niesel, SGB III, 3. Aufl., 2005, Rn. 7 m.w.N.). Es ist aber gerade Grundlage einer der Höhe nach vorläufigen Bewilligung, dass während des Bewilligungszeitraums kein Ruhenstatbestand vorliegt, denn sonst dürfte die Bewilligung weder vorläufig noch endgültig erfolgen.
Die Beklagte durfte die Alg-Bewilligung jedoch für die Zukunft nach § 45 Abs. 1 SGB X aufheben, denn die Bewilligung ist rechtswidrig erfolgt. Der Alg-Anspruch der Klägerin hat in der Zeit vom 01.12.2004 bis zum 22.02.2005 nach § 143 a SGB III geruht.
Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Alg gemäß § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Vorschriften über die Verkürzung des Ruhenszeitraums enthält § 143 a Abs. 2 SGB III.
Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin aufgrund des arbeitsgerichtlichen Vergleiches von ihrem früheren Arbeitgeber insgesamt 8.500.- Euro erhalten hat und dass das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist.
Die Abfindung ist auch wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden. Hieran ändert der Umstand nichts, dass der vor dem Arbeitsgericht abgeschlossene Vergleich ausdrücklich den Betrag von 2000.- Euro für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsieht, denn § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III lässt es genügen, wenn der Arbeitnehmer die entsprechende Zahlung des Arbeitgebers ohne die Kündigung nicht erhalten hätte (Düe, in: Niesel, a.a.O., § 143 a, Rn. 12). Insbesondere setzt § 143 a SGB nicht voraus, dass die Entlassungsentschädigung gerade auf die Vorzeitigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (d.h. die Beendigung unter Nichtbeachtung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist) zurückzuführen ist (BSG, Urteil vom 21.09.1995, 11 RAr 41/95, SozR 3, 4100 § 117 Nr. 12; Düe,a.a.O., Rn. 15).
An der Anwendung von § 143 a SGB III ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2004 nicht Gegenstand der ursprünglichen arbeitgeberseitigen Kündigung gewesen ist. Die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses braucht nicht einmal auf genau demselben Umstand zu beruhen wie die Entlassungsentschädigung. Es genügt im Rahmen von § 143 a SGB III, wenn der Umstand, der auch zur Zahlung der Entlassungsentschädigung geführt hat, auslösendes Element für eine Entwicklung ist, die letztlich zur tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt (BSG, SozR 3, 4100 § 117 Nr. 5; Düe, a.a.O., Rn 21; Gagel, in: Gagel, SGB III, § 143 a, Rn. 30 b).
Auch der Verweis der Klägerin auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen während der Schwangerschaft sowie auf das Verhalten des Arbeitgebers führt zu keinem anderen Ergebnis. § 143 a SGB III ist - anders als insbesondere § 144 SGB III - keine Sanktion für ein Fehlverhalten des Arbeitslosen, sondern soll allein den Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Alg ausschließen. Während gesundheitliche Gründe oder eine unzumutbare Situation am Arbeitsplatz u.U. den Vorwurf eines Fehlverhaltens beseitigen können, sind sie jedoch kein Grund, den Arbeitslosen in den Genuss dieses gesetzlich grundsätzlich ausgeschlossenen Doppelbezugs kommen zu lassen. Dementsprechend hindern auch Schwangerschaft und Mutterschutz die Anwendung von § 143 a SGB III grundsätzlich nicht (Hessisches LSG, Urteil vom 02.06.2004, L 6 AL 898/01, juris). Dass der Arbeitgeber berechtigt gewesen wäre, die Klägerin außerordentlich zu kündigen (mit der Folge des § 143 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III) ist nicht dargetan.
Die zuletzt seitens der Beklagten vorgenommene Berechnung des Ruhenszeitraums beruht auf § 143 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 SGB III. Berechnungsfehler sind nicht gerügt worden und dem Gericht auch nicht ersichtlich.
Die Beklagte durfte die Alg-Bewilligung indes nicht auch für die Vergangenheit aufheben. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist. Auf schutzwürdiges Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X u.a. dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Die (zutreffende) Rechtsauffassung der Beklagten kannte die Klägerin vor Erlass des Aufhebungsbescheides nicht. Sie musste sich der nicht rechtskundigen Klägerin auch nicht förmlich aufdrängen. Eine Nachforschungs- und Nachfragepflicht besteht nur bei Offenkundigkeit des Fehlers. Hieran fehlt es jedoch, denn die Rechtswidrigkeit der Alg-Bewilligung erschließt sich erst nach genauerer rechtlicher Prüfung. Auch das "Merkblatt 1 für Arbeitslose", das die Klägerin bei Arbeitslosmeldung von der Beklagten erhalten hatte, enthält keinen entsprechenden Hinweis. Hier ist auf Seite 45 lediglich die Rede davon, auch eine Entlassungsentschädigung könne zum Ruhen des Anspruchs führen, wenn der Arbeitslose unkündbar war oder eine Kündigungsfrist nicht eingehalten worden ist. Zu weiteren Einzelheiten verweist das Merkblatt sodann auf das "Merkblatt 17", dessen Erhalt der Klägerin nicht nachgewiesen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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