Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 226/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 381/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5a/5 R 166/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10.02.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.
Der 1953 geborene Kläger hat den Beruf eines Maschinenschlossers erlernt (Prüfung 1971) und bis 1974 als Reparaturschlosser, anschließend bis 1982 als Rettungssanitäter und daran anschließend bis 1988 wiederum als Reparaturschlosser versicherungspflichtig gearbeitet. Abhängig beschäftigt war der Kläger zuletzt vom 21.11.1988 bis 29.10.1989 als Maschinenarbeiter und von September bis Dezember 1990 bei dem Arzt P ... Vom 01.08.1992 bis 18.09.1996 war der Kläger selbstständig erwerbstätig als An- und Verkäufer von antiken Möbeln, die er auch selbst restaurierte. Während dieser Tätigkeit war er antragspflichtversichert ab 21.01.1993; der letzte Beitrag ist am 23.01.1995 entrichtet.
Am 09.03.1993 erlitt der Kläger bei einem privaten Unfall eine Schultereckgelenkssprengung links; im März 1994 wurde eine AC-Gelenksrevision links mit Sehnenplastik durchgeführt, das Metall wurde im Mai 1994 entfernt. Schließlich wurde in der Unfallklinik M. am 04.04.2000 eine Arthroskopie des linken Schultergelenks durchgeführt; es erfolgte eine Resektion des linken lateralen Claviculaendes. Wegen der Folgen dieser Operationen beantragte der Kläger erstmals am 02.11.1995 Rentenleistungen. Nachdem der ärztliche Sachverständige Dr.S. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten im Gutachten vom 12.12.1995 zu dem Ergebnis gelangt war, der Kläger könne noch vollschichtig leichte Tätigkeiten ausüben (mittelschwere bis unterhalbschichtig), lehnte die Beklagte mit bindendem Bescheid vom 27.12.1995 den Rentenantrag ab.
Wegen der Folgen des Unfalls von 1993 beantragte der Kläger am 29.05.2001 wiederum Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 07.06.2001 ab, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien; im maßgebenden Fünfjahreszeitraum sei nämlich kein Monat mit einem Pflichtbeitrag belegt.
Im Vorverfahren ließ die Beklagte den Kläger durch den Chirurgen Dr.G. und die Neurologin und Psychiaterin Dr.S. untersuchen, die übereinstimmend zu der Beurteilung gelangten, dem Kläger sei seine bisherige Tätigkeit als Antikenhändler nicht mehr zumutbar (unter 3 Stunden), auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien aber bei Beachtung bestimmter Funktionseinschränkungen leichte Tätigkeiten vollschichtig möglich. Im Hinblick auf das Ergebnis dieser Gutachten wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 06.03.2002).
Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Würzburg (SG) Befundberichte des Allgemeinmediziners Dr.A. , des Arztes P. und des Orthopäden Dr.S. sowie eine Arbeitgeberauskunft für die Zeit von Juli bis Dezember 1990 zum Verfahren beigezogen. Der Orthopäde Dr.W. ist im Gutachten vom 23.03.2004 ebenfalls zu der Beurteilung gelangt, der Kläger könne seine Händler- und Restauratorentätigkeit nicht mehr ausüben, sei aber in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten vollsichtig zu verrichten (mittelschwere unter 3 Stunden). Der weiter von Amts wegen gehörte Nervenarzt Dr.F. hat im Gutachten vom 29.07.2004 eine Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers festgestellt mit der Folge, dass dieser nur noch in der Lage sei, ab Februar 2004 unter 6 Stunden tätig zu sein. Dieser Leistungsbeurteilung hat sich die Beklagte angeschlossen, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass Rentenleistungen wegen des Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht gewährt werden könnten. Die Firma K. hat mitgeteilt, dass Unterlagen über den Kläger (Beschäftigung 1988/1989) nicht mehr vorliegen.
Mit Urteil vom 10.02.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Dabei ist auch das Gericht im Anschluss an die Ausführungen von Dr.F. von einem Leistungsfall des untervollschichtigen Leistungsvermögens im Februar 2004 ausgegangen. Ein früherer Leistungsfall lasse sich nicht begründen, insbesondere nicht mit der am 08.03.1993 erlittenen Schulterverletzung. Dem stehe der ärztliche Entlassungsbericht der Rheumaklinik Bad A. entgegen (Heilverfahren vom 09.03. - 06.04.1995: Sofort arbeitsfähig), ferner das im damaligen Rentenverfahren eingeholte Gutachten des Dr.S. vom 12.12.1995 sowie die jetzigen Rentengutachten von Dr.G. und Dr.S ... In Übereinstimmung damit habe auch Dr.W. festgestellt, dass aus orthopädischer Sicht dem Kläger leichte Arbeiten noch vollschichtig zumutbar seien. Ausgehend von einem Leistungsfall im Februar 2004 sei aber die Bewilligung einer Rente ausgeschlossen, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig. Der Leistungsfall der Berufsunfähigkeit (BU) müsste nämlich bis 30.04.1996 eingetreten sein, wovon sich das SG nicht habe überzeugen können. Nach den überzeugenden Ausführungen von Dr.W. und Dr.F. sei der Kläger nämlich bis Februar 2004 in der Lage gewesen, körperlich leichte Arbeiten im Wechselrhythmus vollschichtig zu verrichten. Er habe zwar die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit als Maschinenarbeiter spätestens ab 30.04.1996 nicht mehr verrichten können. Der Kläger sei aber auf die Tätigkeit eines angelernten Hausmeisters/Hauswarts verweisbar, eine Tätigkeit, die ihm subjektiv zumutbar sei und die er mit seinem verbliebenen Restleistungsvermögen - mindestens bis 30.04.1996 - objektiv vollschichtig zu verrichten in der Lage gewesen sei.
Mit seiner dagegen eingelegten Berufung macht der Kläger weiterhin geltend, dass er aufgrund des Unfalles vom 08.03.1993 zumindest berufsunfähig geworden sei. Die bei ihm gegebene Leistungsminderung sei nicht allmählich eingetreten, sondern plötzlich durch diesen Unfall. Wegen dessen Folgen könne er die Tätigkeiten eines Schlossers und auch eines Restaurators nicht mehr ausüben. Er sei auch seit 1993 nicht mehr auf andere Tätigkeiten verweisbar gewesen. Er leide außerdem seit 1993 an einer extremen Schmerzsymptomatik. Dies fühle sich dann so an, als wenn er erst gestern vom Gerüst gefallen wäre. Wegen der extremen Schmerzen und der fehlenden Selbstbestätigung durch Arbeit sei eine chronisch-depressive Erkrankung entstanden. Auch seien ihm die in den erstinstanzlichen Urteilsgründen benannten Verweisungstätigkeiten nicht zumutbar bzw bestehe für diese Tätigkeiten kein offen stehender Arbeitsmarkt. Schließlich habe die Beklagte den Kläger pflichtwidrig nicht darüber informiert, dass die Weiterzahlung von Beiträgen zur Aufrechterhaltung seines Rentenversicherungsschutzes erforderlich gewesen sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 10.02.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 07.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab 01.05.2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, neue wesentliche Gesichtspunkte, welche zu einer Änderung ihrer bislang vertretenen Auffassung führen könnten, ergäben sich aus der Berufungsbegründung des Klägers nicht. Um Wiederholungen zu vermeiden, werde auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren neben den Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanz die vom Senat beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten und die Schwerbehindertenakten des AVF W. (Gesamt-GdB 30, keine Merkzeichen).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässig.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil zu Recht entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rentenleistungen wegen EU und BU hat. Denn der Kläger ist nicht erwerbsunfähig und auch nicht berufsunfähig iS des Gesetzes. Bezüglich des Restleistungsvermögens des Klägers und des Eintritts des Leistungsfalles der unter dreistündigen Einsatzfähigkeit des Klägers im Februar 2004 hat das Berufungsverfahren keinerlei neue Gesichtspunkte gebracht. Der Kläger hat insoweit auch Erhebliches nicht vorgetragen. Der Senat weist darauf hin, dass der Eintritt des Leistungsfalles der EU bzw BU vor Februar 2004 nach wie vor nicht nachgewiesen ist. Insoweit verweist der Senat auf die zeitnahen ärztlichen Unterlagen und Begutachtungen während des Heilverfahrens 1995 in Bad A. und die Ermittlungen der Beklagten im ersten Rentenverfahren. Somit geht auch der Senat von einem Eintritt des Leistungsfalles der vollen Erwerbsminderung erst im Februar 2004 aus. Das SG hat im angefochtenen Urteil damit zutreffend entschieden, dass dem Kläger Rentenleistungen nicht zustehen, da die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente letztmals am 30.04.1996 erfüllt waren. Der Senat sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG.
Ergänzend weist der Senat auch darauf hin, dass im Fall des Klägers nicht davon auszugehen ist, dass der letzte abhängig ausgeübte Beruf der eines Facharbeiters gewesen ist. Versicherungspflichtig abhängig gearbeitet hat der Kläger einmal vom 21.11.1988 bis 29.10.1989 bei der Firma K. in E ... Es liegt keinerlei Anhaltspunkt dafür vor, dass es sich hierbei um eine Facharbeit oder um eine Anlerntätigkeit im oberen Bereich gehandelt hat. Der Kläger hat hierzu nichts vorgetragen und auch keine entsprechenden Hinweise gegeben. Die Firma K. hat über dieses Arbeitsverhältnis keine Unterlagen mehr. Bezeichnet ist die Tätigkeit als die eines Maschinenarbeiters, wobei die Tätigkeit in den Unterlagen des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Schweinfurt (Gutachten vom 01.12.1989) als Kontrolleur und Verpacker angegeben ist. Es ist daher bei dieser Tätigkeit nicht von einer Facharbeitertätigkeit, auch nicht von einer angelernten Tätigkeit im oberen Bereich auszugehen. Schließlich war der Kläger zuletzt abhängig beschäftigt bei dem Arzt P. vom 01.07. bis 31.12.1990 als Hausmeister/Schreiner/Maurer/Restaurator tätig. Eine Bezahlung nach Tarif erfolgte nicht. Rentenleistungen wegen BU scheiden daher im Fall des Klägers aus.
Bei dieser Sachlage ist auch der Senat zu der Entscheidung gelangt, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rentenleistungen wegen EU und BU noch wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung hat.
Der Kläger kann von der Beklagten auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Rentenleistungen beanspruchen.
Das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist anwendbar, wenn die Folgen einer im Rahmen des Sozialrechtsverhältnisses eintretenden Pflichtverletzung eines Leistungsträgers im Gesetz weder speziell geregelt noch in anderer Weise, etwa durch Härteklauseln, Wiedereinsetzung oder Fiktionen erfasst sind. Der auf Herstellung in Anspruch genommene Leistungsträger muss eine Pflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis, die ihm dem Anspruchssteller gegenüber obliegt, objektiv rechtswidrig, nicht oder schlecht erfüllt haben; diese Pflichtverletzung muss (als wesentliche Bedingung) einen sozialrechtlichen Nachteil verursacht, dh zu Lasten des Betroffenen ein Recht (zB ein Leistungsrecht) vereitelt haben, das ihm ohne die Pflichtverletzung zugestanden hätte. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob sich der behauptete Nachteil nach Art und Entstehungsweise aus einer Gefahr entwickelt hat, zu deren Abwendung die verletzte konkrete Pflicht diente. Die verletzte Pflicht muss demnach darauf gerichtet sein, den Betroffenen iS eines inneren Zusammenhangs vor den eintretenden Nachteilen zu bewahren. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann der Betroffene vom Leistungsträger verlangen, so gestellt zu werden, als stehe ihm das beeinträchtigte Recht noch in vollem Umfang zu (vgl aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts: SozR 2100 § 27 Nr 2; SozR 3-4100 § 103 Nr 8; SozR 5070 § 10 Nr 31). Zu den Obliegenheiten, deren Verletzung den Herstellungsanspruch begründen kann, gehört insbesondere die Pflicht zur Auskunft und Beratung nach §§ 14 und 15 Erstes Sozialgesetzbuch - SGB I -. Zu verlangen ist vom Leistungsträger eine dem konkreten Anlass entsprechende "verständnisvolle Förderung" der Interessen des Betroffenen.
Diese tatbestandlichen Voraussetzungen eines Herstellungsanspruchs liegen nach Auffassung des Senats im Fall des Klägers nicht vor. Denn der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Beklagte habe ihn pflichtwidrig nicht darüber informiert, dass die Weiterzahlung von Beiträgen zur Aufrechterhaltung seines Rentenversicherungsschutzes erforderlich gewesen sei. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall: Die Beklagte hat den Kläger zB im Bescheid vom 26.09.1996 über die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes informiert. In diesem Bescheid wurde die Antragspflichtversicherung des Klägers zum 17.09.1996 beendet. Die Beklagte hat dann im Rahmen ihrer Hinweispflicht ein Merkblatt beigelegt, das den Kläger über die Aufrechterhaltung des weiteren Versicherungsschutzes für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit unterrichtete. Der Vorwurf des Klägers, die Beklagte habe ihn pflichtwidrig nicht über die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes informiert, geht somit ins Leere. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch steht dem Kläger vielmehr nicht zu. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung des Klägers erfolglos blieb.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG sind nicht gegeben.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.
Der 1953 geborene Kläger hat den Beruf eines Maschinenschlossers erlernt (Prüfung 1971) und bis 1974 als Reparaturschlosser, anschließend bis 1982 als Rettungssanitäter und daran anschließend bis 1988 wiederum als Reparaturschlosser versicherungspflichtig gearbeitet. Abhängig beschäftigt war der Kläger zuletzt vom 21.11.1988 bis 29.10.1989 als Maschinenarbeiter und von September bis Dezember 1990 bei dem Arzt P ... Vom 01.08.1992 bis 18.09.1996 war der Kläger selbstständig erwerbstätig als An- und Verkäufer von antiken Möbeln, die er auch selbst restaurierte. Während dieser Tätigkeit war er antragspflichtversichert ab 21.01.1993; der letzte Beitrag ist am 23.01.1995 entrichtet.
Am 09.03.1993 erlitt der Kläger bei einem privaten Unfall eine Schultereckgelenkssprengung links; im März 1994 wurde eine AC-Gelenksrevision links mit Sehnenplastik durchgeführt, das Metall wurde im Mai 1994 entfernt. Schließlich wurde in der Unfallklinik M. am 04.04.2000 eine Arthroskopie des linken Schultergelenks durchgeführt; es erfolgte eine Resektion des linken lateralen Claviculaendes. Wegen der Folgen dieser Operationen beantragte der Kläger erstmals am 02.11.1995 Rentenleistungen. Nachdem der ärztliche Sachverständige Dr.S. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten im Gutachten vom 12.12.1995 zu dem Ergebnis gelangt war, der Kläger könne noch vollschichtig leichte Tätigkeiten ausüben (mittelschwere bis unterhalbschichtig), lehnte die Beklagte mit bindendem Bescheid vom 27.12.1995 den Rentenantrag ab.
Wegen der Folgen des Unfalls von 1993 beantragte der Kläger am 29.05.2001 wiederum Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 07.06.2001 ab, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien; im maßgebenden Fünfjahreszeitraum sei nämlich kein Monat mit einem Pflichtbeitrag belegt.
Im Vorverfahren ließ die Beklagte den Kläger durch den Chirurgen Dr.G. und die Neurologin und Psychiaterin Dr.S. untersuchen, die übereinstimmend zu der Beurteilung gelangten, dem Kläger sei seine bisherige Tätigkeit als Antikenhändler nicht mehr zumutbar (unter 3 Stunden), auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien aber bei Beachtung bestimmter Funktionseinschränkungen leichte Tätigkeiten vollschichtig möglich. Im Hinblick auf das Ergebnis dieser Gutachten wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 06.03.2002).
Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Würzburg (SG) Befundberichte des Allgemeinmediziners Dr.A. , des Arztes P. und des Orthopäden Dr.S. sowie eine Arbeitgeberauskunft für die Zeit von Juli bis Dezember 1990 zum Verfahren beigezogen. Der Orthopäde Dr.W. ist im Gutachten vom 23.03.2004 ebenfalls zu der Beurteilung gelangt, der Kläger könne seine Händler- und Restauratorentätigkeit nicht mehr ausüben, sei aber in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten vollsichtig zu verrichten (mittelschwere unter 3 Stunden). Der weiter von Amts wegen gehörte Nervenarzt Dr.F. hat im Gutachten vom 29.07.2004 eine Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers festgestellt mit der Folge, dass dieser nur noch in der Lage sei, ab Februar 2004 unter 6 Stunden tätig zu sein. Dieser Leistungsbeurteilung hat sich die Beklagte angeschlossen, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass Rentenleistungen wegen des Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht gewährt werden könnten. Die Firma K. hat mitgeteilt, dass Unterlagen über den Kläger (Beschäftigung 1988/1989) nicht mehr vorliegen.
Mit Urteil vom 10.02.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Dabei ist auch das Gericht im Anschluss an die Ausführungen von Dr.F. von einem Leistungsfall des untervollschichtigen Leistungsvermögens im Februar 2004 ausgegangen. Ein früherer Leistungsfall lasse sich nicht begründen, insbesondere nicht mit der am 08.03.1993 erlittenen Schulterverletzung. Dem stehe der ärztliche Entlassungsbericht der Rheumaklinik Bad A. entgegen (Heilverfahren vom 09.03. - 06.04.1995: Sofort arbeitsfähig), ferner das im damaligen Rentenverfahren eingeholte Gutachten des Dr.S. vom 12.12.1995 sowie die jetzigen Rentengutachten von Dr.G. und Dr.S ... In Übereinstimmung damit habe auch Dr.W. festgestellt, dass aus orthopädischer Sicht dem Kläger leichte Arbeiten noch vollschichtig zumutbar seien. Ausgehend von einem Leistungsfall im Februar 2004 sei aber die Bewilligung einer Rente ausgeschlossen, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig. Der Leistungsfall der Berufsunfähigkeit (BU) müsste nämlich bis 30.04.1996 eingetreten sein, wovon sich das SG nicht habe überzeugen können. Nach den überzeugenden Ausführungen von Dr.W. und Dr.F. sei der Kläger nämlich bis Februar 2004 in der Lage gewesen, körperlich leichte Arbeiten im Wechselrhythmus vollschichtig zu verrichten. Er habe zwar die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit als Maschinenarbeiter spätestens ab 30.04.1996 nicht mehr verrichten können. Der Kläger sei aber auf die Tätigkeit eines angelernten Hausmeisters/Hauswarts verweisbar, eine Tätigkeit, die ihm subjektiv zumutbar sei und die er mit seinem verbliebenen Restleistungsvermögen - mindestens bis 30.04.1996 - objektiv vollschichtig zu verrichten in der Lage gewesen sei.
Mit seiner dagegen eingelegten Berufung macht der Kläger weiterhin geltend, dass er aufgrund des Unfalles vom 08.03.1993 zumindest berufsunfähig geworden sei. Die bei ihm gegebene Leistungsminderung sei nicht allmählich eingetreten, sondern plötzlich durch diesen Unfall. Wegen dessen Folgen könne er die Tätigkeiten eines Schlossers und auch eines Restaurators nicht mehr ausüben. Er sei auch seit 1993 nicht mehr auf andere Tätigkeiten verweisbar gewesen. Er leide außerdem seit 1993 an einer extremen Schmerzsymptomatik. Dies fühle sich dann so an, als wenn er erst gestern vom Gerüst gefallen wäre. Wegen der extremen Schmerzen und der fehlenden Selbstbestätigung durch Arbeit sei eine chronisch-depressive Erkrankung entstanden. Auch seien ihm die in den erstinstanzlichen Urteilsgründen benannten Verweisungstätigkeiten nicht zumutbar bzw bestehe für diese Tätigkeiten kein offen stehender Arbeitsmarkt. Schließlich habe die Beklagte den Kläger pflichtwidrig nicht darüber informiert, dass die Weiterzahlung von Beiträgen zur Aufrechterhaltung seines Rentenversicherungsschutzes erforderlich gewesen sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 10.02.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 07.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab 01.05.2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, neue wesentliche Gesichtspunkte, welche zu einer Änderung ihrer bislang vertretenen Auffassung führen könnten, ergäben sich aus der Berufungsbegründung des Klägers nicht. Um Wiederholungen zu vermeiden, werde auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren neben den Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanz die vom Senat beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten und die Schwerbehindertenakten des AVF W. (Gesamt-GdB 30, keine Merkzeichen).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässig.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil zu Recht entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rentenleistungen wegen EU und BU hat. Denn der Kläger ist nicht erwerbsunfähig und auch nicht berufsunfähig iS des Gesetzes. Bezüglich des Restleistungsvermögens des Klägers und des Eintritts des Leistungsfalles der unter dreistündigen Einsatzfähigkeit des Klägers im Februar 2004 hat das Berufungsverfahren keinerlei neue Gesichtspunkte gebracht. Der Kläger hat insoweit auch Erhebliches nicht vorgetragen. Der Senat weist darauf hin, dass der Eintritt des Leistungsfalles der EU bzw BU vor Februar 2004 nach wie vor nicht nachgewiesen ist. Insoweit verweist der Senat auf die zeitnahen ärztlichen Unterlagen und Begutachtungen während des Heilverfahrens 1995 in Bad A. und die Ermittlungen der Beklagten im ersten Rentenverfahren. Somit geht auch der Senat von einem Eintritt des Leistungsfalles der vollen Erwerbsminderung erst im Februar 2004 aus. Das SG hat im angefochtenen Urteil damit zutreffend entschieden, dass dem Kläger Rentenleistungen nicht zustehen, da die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente letztmals am 30.04.1996 erfüllt waren. Der Senat sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG.
Ergänzend weist der Senat auch darauf hin, dass im Fall des Klägers nicht davon auszugehen ist, dass der letzte abhängig ausgeübte Beruf der eines Facharbeiters gewesen ist. Versicherungspflichtig abhängig gearbeitet hat der Kläger einmal vom 21.11.1988 bis 29.10.1989 bei der Firma K. in E ... Es liegt keinerlei Anhaltspunkt dafür vor, dass es sich hierbei um eine Facharbeit oder um eine Anlerntätigkeit im oberen Bereich gehandelt hat. Der Kläger hat hierzu nichts vorgetragen und auch keine entsprechenden Hinweise gegeben. Die Firma K. hat über dieses Arbeitsverhältnis keine Unterlagen mehr. Bezeichnet ist die Tätigkeit als die eines Maschinenarbeiters, wobei die Tätigkeit in den Unterlagen des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Schweinfurt (Gutachten vom 01.12.1989) als Kontrolleur und Verpacker angegeben ist. Es ist daher bei dieser Tätigkeit nicht von einer Facharbeitertätigkeit, auch nicht von einer angelernten Tätigkeit im oberen Bereich auszugehen. Schließlich war der Kläger zuletzt abhängig beschäftigt bei dem Arzt P. vom 01.07. bis 31.12.1990 als Hausmeister/Schreiner/Maurer/Restaurator tätig. Eine Bezahlung nach Tarif erfolgte nicht. Rentenleistungen wegen BU scheiden daher im Fall des Klägers aus.
Bei dieser Sachlage ist auch der Senat zu der Entscheidung gelangt, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rentenleistungen wegen EU und BU noch wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung hat.
Der Kläger kann von der Beklagten auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Rentenleistungen beanspruchen.
Das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist anwendbar, wenn die Folgen einer im Rahmen des Sozialrechtsverhältnisses eintretenden Pflichtverletzung eines Leistungsträgers im Gesetz weder speziell geregelt noch in anderer Weise, etwa durch Härteklauseln, Wiedereinsetzung oder Fiktionen erfasst sind. Der auf Herstellung in Anspruch genommene Leistungsträger muss eine Pflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis, die ihm dem Anspruchssteller gegenüber obliegt, objektiv rechtswidrig, nicht oder schlecht erfüllt haben; diese Pflichtverletzung muss (als wesentliche Bedingung) einen sozialrechtlichen Nachteil verursacht, dh zu Lasten des Betroffenen ein Recht (zB ein Leistungsrecht) vereitelt haben, das ihm ohne die Pflichtverletzung zugestanden hätte. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob sich der behauptete Nachteil nach Art und Entstehungsweise aus einer Gefahr entwickelt hat, zu deren Abwendung die verletzte konkrete Pflicht diente. Die verletzte Pflicht muss demnach darauf gerichtet sein, den Betroffenen iS eines inneren Zusammenhangs vor den eintretenden Nachteilen zu bewahren. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann der Betroffene vom Leistungsträger verlangen, so gestellt zu werden, als stehe ihm das beeinträchtigte Recht noch in vollem Umfang zu (vgl aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts: SozR 2100 § 27 Nr 2; SozR 3-4100 § 103 Nr 8; SozR 5070 § 10 Nr 31). Zu den Obliegenheiten, deren Verletzung den Herstellungsanspruch begründen kann, gehört insbesondere die Pflicht zur Auskunft und Beratung nach §§ 14 und 15 Erstes Sozialgesetzbuch - SGB I -. Zu verlangen ist vom Leistungsträger eine dem konkreten Anlass entsprechende "verständnisvolle Förderung" der Interessen des Betroffenen.
Diese tatbestandlichen Voraussetzungen eines Herstellungsanspruchs liegen nach Auffassung des Senats im Fall des Klägers nicht vor. Denn der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Beklagte habe ihn pflichtwidrig nicht darüber informiert, dass die Weiterzahlung von Beiträgen zur Aufrechterhaltung seines Rentenversicherungsschutzes erforderlich gewesen sei. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall: Die Beklagte hat den Kläger zB im Bescheid vom 26.09.1996 über die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes informiert. In diesem Bescheid wurde die Antragspflichtversicherung des Klägers zum 17.09.1996 beendet. Die Beklagte hat dann im Rahmen ihrer Hinweispflicht ein Merkblatt beigelegt, das den Kläger über die Aufrechterhaltung des weiteren Versicherungsschutzes für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit unterrichtete. Der Vorwurf des Klägers, die Beklagte habe ihn pflichtwidrig nicht über die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes informiert, geht somit ins Leere. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch steht dem Kläger vielmehr nicht zu. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung des Klägers erfolglos blieb.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
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