S 12 (32) AL 121/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 12 (32) AL 121/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Erfüllung aus einem Vermittlungsgutschein.

Der Kläger betreibt ein Gewerbe zur privaten Arbeitsvermittlung. Am 06.04.2004 beantragte er die Auszahlung aus einem Vermittlungsgutschein für die Vermittlung der Arbeitnehmerin H (Zeugin H) in ein Arbeitsverhältnis bei der V GmbH (V GmbH), L. Die Beklagte hatte der Zeugin H am 17.02.2004 einen Vermittlungsgutschein über 1.500,00 EUR gültig bis 02.04.2004 ausgestellt. Die Zeugin H war ausweislich ihrer erneuten Arbeitslosmeldung vom 16.03.2004 und der beigefügten Arbeitsbescheinigung vom 18.02. bis 28.02.2004 bei der V GmbH versicherungspflichtig beschäftigt. Der Kläger legte eine Vermittlungsbestätigung der V GmbH vom 20.02.2004 und einen von der Zeugin H unterschriebenen nicht datierten Personalvermittlungsvertrag vor.

Mit Bescheid vom 20.04.2004 lehnte die Beklagte die Auszahlung aus dem Vermittlungsgutschein mit der Begründung ab, der Kläger habe gegenüber der Arbeitnehmerin H keinen Vergütungsanspruch. Der Kontakt mit dem Arbeitgeber sei nicht durch den Kläger zustande gekommen. Eine Vermittlung durch ihn habe daher nicht stattgefunden. Zur Begründung seines Widerspruchs vom 26.04.2004 machte der Kläger geltend, das Arbeitsverhältnis sei erst durch seine Vermittlung zustande gekommen.

Die Zeugin H erklärte anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 10.05.2004, dass sie die Stelle bei der V GmbH aus der Zeitung habe. Ihre Mutter habe sie darauf aufmerksam gemacht. Dann habe sie sich dort zunächst telefonisch beworben. Danach habe ein Vorstellungsgespräch stattgefunden. Sie sei eingestellt worden unter der Voraussetzung, dass sie sich einen Vermittlungsgutschein hole. Das habe sie getan und diesen dann bei der V GmbH abgegeben. Die Einstellung sei über Herrn V persönlich gelaufen. Sie habe nie einen privaten Arbeitsvermittler mit der Vermittlung beauftragt. Der Name P sei ihr unbekannt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2004 wies die Beklagte den Widerspruch gestützt auf § 421 g i.V.m. § 296 Abs. 3 SGB III im wesentlichen mit der Begründung zurück, eine Auszahlung aus dem Vermittlungsgutschein könne nicht erfolgen, wenn der Arbeitsvertrag nicht infolge der Vermittlung des Vermittlers zustande gekommen sei. Daran fehle es hier. Die Zeugin H habe erklärt, den Kläger nicht zu kennen. Sie habe ihn auch nicht wissentlich mit der Vermittlung beauftragt. Vielmehr habe sie angegeben, sich die Stelle selbst gesucht zu haben.

Zur Begründung seiner am 01.09.2004 erhobenen Klage behauptet der Kläger, die Erklärung der Zeugin H sei unrichtig. Er habe schon seit mehreren Jahren Kontakt zur V GmbH, auch schon lange vor der Zeit, um die es hier gehe. Dieser sei durch seinen Bruder zustande gekommen, der eine Gabelstaplerschule betreibe. Die V GmbH habe immer wieder Leute zur Aus- und Fortbildung als Staplerfahrer in die Schule seines Bruder geschickt. Als er das Gewerbe der privaten Arbeitsvermittlung eröffnet habe, habe er sich die Kontakte seines Bruders zunutze gemacht und sich bei der V GmbH und auch bei anderen Zeitarbeitsunternehmen als privater Arbeitsvermittler bekannt gemacht, denn dadurch, dass sein Bruder gut ausgebildete Leute hatte, habe die Möglichkeit bestanden, diese privat an Interessenten zu vermitteln. Sein Bruder inseriere für die Staplerschule schon seit längerem. Seit dem er die private Arbeitsvermittlung betreibe, sei in dieses Inserat auch der Hinweis auf die private Arbeitsvermittlung aufgenommen. Die Inserate erschienen wöchentlich und zögen massenhaft Anrufe nach sich. Einer dieser Anrufe habe von der Zeugin H gestammt. Er habe sie darauf hingewiesen, dass er eine Stelle in L bei der V GmbH für sie vermitteln könne. Weil sie in L wohnhaft sei, habe er ihr den Weg nach E ersparen wollen, der ja nur für die Unterschrift unter den Vermittlervertrag nötig gewesen wäre. Deshalb sei er nach L zur V GmbH gefahren und dabei gewesen, als sie sich dort vorgestellt habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2004 zu verurteilen, ihm 1.000,00 EURO zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für rechtmäßig.

Das Gericht hat eine vor dem Hauptzollamt Krefeld am 29.10.2004 gefertigte Vernehmungsniederschrift über eine Vernehmung der Zeugin H beigezogen und den Beteiligten übersandt. Sodann hat das Gericht Beweis erhoben über die Vermittlung der Stelle bei der V GmbH an die Zeugin im Februar 2004 durch den Kläger durch Vernehmung der Zeugin H. Wegen der Einzelheiten des Beweisergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 07.03.2006 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakten und der die Zeugin H betreffenden Leistungsakten der Beklagten. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Zurecht hat die Beklagte die Auszahlung von 1.000,00 EURO an den Kläger aus dem der Zeugin H ausgestellten Vermittlungsgutschein abgelehnt.

Nach § 421 g Abs. 1 SGB III in der hier maßgeblichen bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung haben Arbeitnehmer, die Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe haben und nach einer Arbeitslosigkeit von drei Monaten noch nicht vermittelt sind, Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein. Mit dem Vermittlungsgutschein verpflichtet sich die Agentur für Arbeit, den Vergütungsanspruch eines vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers, der den Arbeitnehmer in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt hat, zu erfüllen. Nach § 421 g Abs. 2 Satz 3 SGB III wird die Vergütung von 1.000,00 EURO bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt. Die Leistung wird nach § 421 g Abs. 3 Satz 4 SGB III unmittelbar an den Vermittler gezahlt.

In der Person der Zeugin H sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein erfüllt, den sie war zuletzt seit dem 25.10.2003 mit Anspruch auf Arbeitslosenhilfe arbeitslos. Gleichwohl hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von 1.000,00 EUR aus dem Vermittlungsgutschein. Die Beklagte ist nicht gemäß § 421 g Abs. 1 Satz 2 SGB III verpflichtet, denn die Zeugin H hat keinen Vermittler eingeschaltet, der sie in das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich bei der V GmbH vermitteln sollte. Darüber hinaus kann das Gericht auch nicht feststellen, dass der Kläger die Zeugin H tatsächlich in dieses Beschäftigungsverhältnis vermittelt hat.

Nach § 421g Abs. 1 S. 2 SGB III wird die Beklagte zur Erfüllung aus dem Vermittlungsgutschein nur verpflichtet, wenn ein vom Arbeitnehmer eingeschalteter Vermittler den Arbeitnehmer vermittelt hat. Dabei hat die Einschaltung des Vermittlers durch den Arbeitnehmer gemäß § 296 Abs. 1 SGB III durch Abschluss eines entsprechenden eines Vertrages zwischen beiden zu geschehen. Dabei entsteht zwischen dem Arbeitsuchenden und dem Vermittler ein Rechtsverhältnis privatrechtlicher Natur, denn es werden ausschließlich Privatpersonen am Rechtverhältnis beteiligt (Fuchs in Gagel, SGB III Kommentar, § 296 RdNr. 3). Das bedeutet, dass die allgemeinen Grundsätze über das Zustandekommen von Verträgen gelten. Dazu gehört elementar der Wille, ein entsprechendes Rechtsgeschäft abschließen zu wollen. Weiß ein Beteiligter nicht, dass er einen Vertrag schließt, fehlt es am entsprechenden Erklärungswillen und es kommt kein entsprechender Vertrag zustande, selbst wenn er durch Unterschrift scheinbar einen solchen Willen dokumentiert.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin H in Verbindung mit ihrer gegenüber der Beklagten am 10.05.2004 abgegebenen Erklärung und ihrer vor dem Hauptzollamt Krefeld am 29.10.2004 gemachten Aussage steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass sie den Kläger nicht mit der Vermittlung in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich beauftragt hat. Zugleich steht zur Überzeugung des Gerichts auch fest, dass es tatsächlich auch nicht zu einer Vermittlungstätigkeit des Klägers gekommen ist. Die Zeugin H hat bei allen drei Gelegenheiten ausdrücklich erklärt, dass sie durch Reaktion auf eine von ihrer Mutter in der Zeitung gefundene Annonce der V GmbH dort direkt Kontakt aufgenommen hat. Dort wurde sie zunächst nicht eingestellt, hat aber die Zusage erhalten, dass man sich wieder bei ihr melden werde. Zu diesem Zeitpunkt war die Zeugin H auch noch nicht im Besitz eines Vermittlungsgutscheins. Später habe sie dann einen Anruf der V GmbH erhalten, mit der Zusage, dass sie anfangen könne, wenn sie sich einen Vermittlungsgutschein besorge. Diesen hat sich die Zeugin H am 17.02.2004 ausstellen lassen. Nach ihrer Aussage im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie diesen sodann sofort bei der V GmbH vorgelegt. Sodann hat man ihr einen Arbeitsvertrag und den Vermittlungsgutschein noch einmal mitgegeben. Den Arbeitsvertrag habe sie nach Lektüre zu unterschrieben und am nächsten Morgen zusammen mit dem Vermittlungsgutschein bei der V GmbH abgegeben. Sodann sei sie zum Einsatzort gebracht worden. Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass die Zeugin wahrheitsgemäß ausgesagt hat. Der Zeitablauf korrespondiert mit der von der V GmbH bescheinigten Arbeitsaufnahme ab 18.02.2004. Deshalb ist es unerheblich, dass der schriftliche Arbeitsvertrag zwischen der V GmbH und der Zeugin nicht aktenkundig ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin die Unwahrheit gesagt haben könnte, findet das Gericht nicht. Der von der Zeugin mit ihrem Namen und ihrer Anschrift ausgefüllte und von ihr unterschriebene Vermittlervertrag ohne Datum steht dem nicht entgegen. Die Zeugin hat zwar bestätigt, dass sie ihre Daten in diesen Vertrag eingetragen und den Vertrag auch unterschrieben hat. Sie hat die Unterschrift als die ihre wiedererkannt. Zugleich hat die Zeugin aber bekundet, dass sie sich nicht erinnern könne, diesen Vertrag unterschrieben zu haben. Im Zusammenhang mit ihrer Bekundung, dass sie den Kläger und auch seinen Namen nicht kenne und noch nicht einmal gewusst habe, was ein Vermittlungsgutschein sein, als sie in der V GmbH aufgefordert worden war, sich einen solchen zu besorgen, besteht für das Gericht aber kein Zweifel daran, dass sie die Unterschrift unter den Vermittlervertrag ohne entsprechenden Erklärungswillen gesetzt hat. Dies gilt umso mehr,
als sie ausdrücklich der Darstellung des Klägers, sie habe auf ein Inserat bei ihm angerufen und er habe ihr die Stelle bei der V GmbH vorgeschlagen, entgegen getreten ist. In der freien Darstellung ihrer Aussage hat sie – wie schon zuvor bei der Vernehmung beim Hauptzollamt Krefeld am 29.10.2004 – bekundet, dass ihre Mutter ein Inserat der V GmbH in der Zeitung gefunden und sie darauf aufmerksam gemacht habe. In der direkten Konfrontation mit der Einlassung des Klägers hat sie fragend den Kopf geschüttelt und ausgesagt, sich an einen solchen Sachverhalt nicht erinnern zu können. In Verbindung mit ihrer Darstellung, dass sie zunächst Kontakt zur V GmbH gehabt habe und man ihr dort zunächst gesagt habe, man wisse noch nicht genau, wie viele Leute man brauche, man werde sich melden und sodann von dort ein Anruf gekommen sei, dass sie infrage käme und sich vorstellen solle und sie sich sodann aus Anlass des Vorstellungsgespräches erst den Vermittlungsgutschein besorgt hat, besteht aber kein Zweifel, dass ihr Kontakt zur V GmbH ohne Einschaltung des Klägers zustande gekommen ist.

Selbst wenn man die Darstellung des Klägers, die Zeugin H habe sich auf eines seiner Inserate telefonisch bei ihm gemeldet und er habe sie darauf hingewiesen, dass er eine Stelle in L bei der V GmbH für sie vermitteln könne; weil sie in L wohnhaft sei, habe er ihr den Weg nach E ersparen wollen, der ja nur für die Unterschrift unter den Vermittlervertrag nötig gewesen wäre; deshalb sei er nach L zur V GmbH gefahren und dabei gewesen, als sie sich dort vorgestellt habe, ändert dies an der rechtlichen Beurteilung nichts. Durch die Verknüpfung der sich aus § 421g Abs. 2 S. 2 SGB III ergebenden Verpflichtung mit dem Vertragerfordernis nach § 296 SGB III, insbesondere der Schrift- und Textform, ergibt sich unmittelbar, dass Tätigwerden des Vermittlers vor Abschluss eines schriftlichen Vertrages keinen Vergütungsanspruch auslöst. Denn Schriftform wurde vom Gesetzgeber zum Schutze des Arbeitssuchenden als notwendig angesehen (Fuchs, a.a.O. RdNr 2) und ist Wirksamkeitserfordernis. Nach § 297 Nr. 1 SGB III sind demgemäß Vereinbarungen zwischen einem Vermittler und einem Arbeitssuchenden unwirksam, wenn die erforderliche Schriftform nicht eingehalten wird. Vor Abschluss des schriftlichen Arbeitsvermittlervertrages ist der Vermittler nicht durch den Arbeitssuchenden eingeschaltet im Sinne von § 421g Abs. 1 S. 2 SGB III. Schlichte Anwesenheit des Vermittlers beim Vorstellungsgespräch und/oder bei Abschluss des Arbeitsvertrages, bei dem zugleich der Vermittlervertrag unterschrieben wird, löst somit keinen Vergütungsanspruch aus dem Vermittlungsgutschein aus, selbst wenn der Vermittler dem Arbeitssuchenden zuvor die Arbeitsstelle nachgewiesen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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