L 4 RA 26/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 39 RA 2093/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 RA 26/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Mai 2001 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen die Anpassungsbescheide zum 1. Juli 2001 bis 1. Juli 2005 und gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. September 2005 wird abgewiesen. Die Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das gesamte Verfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Neufeststellung der Versichertenrente der Klägerin.

Die 1928 geborene Klägerin arbeitete bis einschließlich Mai 1977 in der DDR als Ärztin. Vom 1. Juni 1977 an war sie über ihren Ehemann sozialversichert. Ihr Ehemann starb 1993; die Klägerin erhält eine Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes (Bescheid vom 16. Juli 1996, Zahlbetrag 2.386,57 DM).

Ausweislich eines Versicherungsscheins der Vereinigten Großberliner Versicherungsanstalt (Nr. R.6.177 / 646 177) vom 12. März 1956 wurde die Klägerin mit Wirkung vom 1. März 1956 in die zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der Stadt Berlin (AVI) aufgenommen. Der bei der Rentenakte der Beklagten befindliche Versicherungsschein trägt den Stempelaufdruck "ungültig". Mit Überführungsbescheid vom 24. Juli 1995 stellte die Beklagte als Versorgungsträgerin auf der Grundlage des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) die Zeiten der Zugehörigkeit der Klägerin zur AVI und die entsprechenden Entgelte für den Zeitraum 1. September 1955 bis 31. Mai 1977 fest.

Seit dem 1. Januar 1988 bezog die Klägerin in der DDR Altersrente. In ihrem Rentenantrag hatte sie angegeben, keinen Anspruch auf Zusatzversorgung aus der AVI zu haben. Die Rente betrug zum 1. Juli 1991 715,00 DM. Seit dem 1. Januar 1992 wurde die Versichertenrente der Klägerin umgewertet und angepasst als Regelaltersrente von der Landesversicherungsanstalt Berlin geleistet (Bescheid vom 28. November 1991, Zahlbetrag 779,97 DM).

Im Juni 1995 wandte die Klägerin sich mit dem Begehren an die Beklagte, ihre Bestandsrente nach § 307 b SGB VI neu zu berechnen. Sie gab an, von März 1956 bis Mai 1977 dem Zusatzversorgungssystem der medizinischen Intelligenz angehört zu haben.

Die Beklagte lehnte die Neufeststellung der Altersrente der Klägerin nach § 307 b SGB VI mit Bescheid vom 11. Oktober 1996 ab, weil die Klägerin zwar Zeiten in einem Zusatzversorgungssystem zurückgelegt habe, ohne jedoch einen Anspruch auf Zusatzversorgung zu besitzen. In ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, ausweislich des Versicherungsscheins ab dem 1. März 1956 Ansprüche auf die zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz erworben zu haben. Mit Bescheid vom 7. Mai 1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Am 31. Dezember 1991 habe kein Anspruch auf eine Zusatzversorgung bestanden. Die Klägerin selbst habe bei Beantragung ihrer Rente im Jahre 1987 erklärt, keinen entsprechenden Anspruch zu haben. Die Mitgliedschaft in der AVI habe 1977 geendet. Damit verbleibe es bei der nach § 307 a SGB VI umgewerteten Rente.

Hiergegen hat die Klägerin am 16. Mai 1997 Klage erhoben.

Mit Bescheid vom 20. Mai 1998, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 1999, hat die Beklagte die Feststellung zusätzlicher Arbeitsverdienste für die Zeit vom 1. März 1971 bis zum 31. Mai 1977 abgelehnt, weil ein Beitritt zur FZR trotz bestehender Möglichkeit nicht erfolgt sei.

Mit Urteil vom 9. Mai 2001 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung, wegen deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird, im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Neufeststellung der Rente nach § 307 b SGB VI seien nicht gegeben, denn am 31. Dezember 1991 habe kein Anspruch auf eine nach dem AAÜG überführte Rente des Beitrittsgebiets bestanden. Bei Beantragung ihrer Altersrente im Jahre 1987 sei die Klägerin selbst nicht davon ausgegangen, einen Anspruch auf Zusatzversorgung zu haben. Der Versicherungsschein der Vereinigten Großberliner Versicherungsanstalt vom

12. März 1956 sei später für ungültig erklärt worden. Soweit die Klägerin sich zu ihren Gunsten auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts berufe (Urteil vom 24. März 1998, B 4 RA 17/97 R), führe dies nicht weiter, denn der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt – Streit um Zeiten vor dem Wirksamwerden einer Versorgungsurkunde – unterscheide sich grundlegend von ihrem Fall. In Zusammenhang mit der Ungültigkeit der Versorgungsurkunde sei auch keinerlei staatliche Willkür erkennbar. Dem liege nämlich zugrunde, dass die Klägerin von Januar 1978 bis zu ihrer Berentung nicht gearbeitet habe, weil sie ihren kranken Ehemann gepflegt habe. Sie habe erklärtermaßen seinerzeit keinen Wert auf den Anspruch aus der Zusatzversorgung gelegt, weil sie sich aufgrund des Einkommens ihres Ehemannes in guten finanziellen Verhältnissen befunden habe. Soweit die Klägerin hilfsweise begehre, die Beklagte zur Erteilung neuer Rentenbescheide zu verpflichten und hierbei insbesondere die Zahlbetragsgarantie des Einigungsvertrages zu beachten, Ansprüche auf Zusatzversorgung umzusetzen, ihre Ansprüche aus der Sozialpflichtversicherung der ehemaligen DDR bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze zu überführen und eine zusätzliche Versorgungsleistung zu erbringen sowie den Auffüllbetrag an die Einkommensverhältnisse im Beitrittsgebiet seit dem

1. Januar 1992 anzupassen bzw. vorerst keine Abschmelzung des Auffüllbetrages vorzunehmen, sei die Klage als unzulässig abzuweisen. Insoweit fehle es an einer belastenden Entscheidung der Beklagten, da die Versichertenrente der Klägerin von der Landesversicherungsanstalt Berlin umgewertet und angepasst worden sei und seither von dieser als Regelaltersrente geleistet werde. Die Rentenbescheide der Landesversicherungsanstalt Berlin seien aber nicht Gegenstand des Verfahrens.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 3. Juli 2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. Juli 2001 Berufung eingelegt. Wegen der Begründung der Berufung wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 11. Oktober 2001 und vom 6. März 2006 Bezug genommen.

Nachdem der Senat die Sache am 17. Dezember 2004 mündlich verhandelt und nachdem die Klägerin auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 31. März 2004, B 4 RA 39/03 R, hingewiesen hatte, hat die Beklagte die Regelaltersrente der Klägerin mit Bescheid vom 16. September 2005 ab 1. September 1995 neu festgestellt. Dabei wurden die mit Bescheid des Zusatzversorgungsträgers vom 24. Juli 1995 festgestellten tatsächlichen Arbeitsentgelte rückwirkend zum 1. September 1995 berücksichtigt. Seit dem 1. November 2005 beträgt die laufende Rentenzahlung nun 1.006,60 Euro; die Nachzahlung für den Zeitraum 1. September 1995 bis 31. Oktober 2005 wurde mit 44.970,45 Euro berechnet.

Die Klägerin begehrt nunmehr, ihre Rente auch für den Zeitraum vor dem 1. September 1995 rückwirkend zum Rentenbeginn, hilfsweise ab 1. Januar 1992, neu zu berechnen. Es sei willkürlich, auf den Beginn des Monats abzustellen, zu dessen Beginn eine bestandskräftige Datenfeststellung durch Überführungsbescheid vorgelegen habe (hier Bescheid vom 24. Juli 1995, bestandkräftig geworden im Laufe des August 1995, Neufeststellungsbescheid mir Wirkung vom 1. September 1995).

Davon abgesehen beantragt die Klägerin wörtlich (Schriftsatz vom 11. Oktober 2001),

1. der Beklagten zunächst Gelegenheit zu geben, eine Entscheidung auf den von der Rechtsvorgängerin der Beklagten noch nicht entschiedenen Widerspruch vom 4.7.1990 gegen den Rentenbescheid vom 1.7.1990 sowie einen Bescheid über die Überprüfung der weiteren Rentenbescheide zu treffen, die seit dem 1.7.1990 wirksam bzw. erlassen wurden (vgl. Schriftsatz vom 2.1.1997). Der Widerspruchsbescheid und der Überprüfungsbescheid gelten danach als mit Klage im vorliegenden Verfahren angefochten.

2. das Urteil des SG Berlin vom 9.5.2001 aufzuheben und den Bescheid vom 11.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.5.1997, die weiteren Bescheide, die seit dem 1.7.1990 erteilt wurden, und die Entscheidungen über die Rentenanpassung zu ändern sowie die Beklagte zu verpflichten, ihr ein höheres Alterseinkommen zu gewähren. Insbesondere sind dazu die ab dem 1.7.1990 erteilten Rentenbescheide aufzuheben bzw. abzuändern:

2.1. Die Beklagte ist zu verurteilen, die Rente der Klägerin unverzüglich unter Berücksichtigung ihrer rückwirkend anerkannten Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der DDR neu zu berechnen und darüber neue Bescheide zu erteilen. Sie hat dabei die Ansprüche der Klägerin auf Rente aus der SV und auf Zusatzrente aus dem Versorgungssystem der Intelligenz (AVI) in Übereinstimmung mit der Zahlbetragsgarantie des Einigungsvertrages, gemäß Gesetz zum 31.12.1991 erhöht um 6,84 % und ab 1.7.1990 angepasst wie die Löhne und Einkommen im Beitrittsgebiet, zu berücksichtigen.

2.2. Die Versichertenrente ist nach dem SGB VI im Rahmen der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze und nicht abgesenkt auf die verfassungswidrige besondere Beitragsbemessungsgrenze Ost (§§ 228a und 256a SGB VI) zu berechnen. Gleichzeitig ist eine Vergleichsberechnung nach dem mit dem 2. AAÜG-Änderungsge-setz veränderten § 307 b Abs. 1 ff. unter Berücksichtigung des 20-Jahre-Zeitraums vorzunehmen, da die Klägerin als Bestandsrentnerin mit Ansprüchen aus einem Versorgungssystem zu behandeln ist.

2.3. Zuzüglich zu der Versichertenrente, die im Rahmen der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze zu berechnen ist, sind die Ansprüche auf eine zusätzliche Rente aus dem zusätzlichen Versorgungssystem zu berücksichtigen, die, auch wenn die formale Zuerkennung erst nachträglich erfolgte, in das neue Rentenrecht zu überführen und nicht zu liquidieren waren.

2.4. Die Rentenanpassung zum 1.7.2000 und zum 1.7.2001 hat nach den verbindlichen Vorgaben des EV und des GG (Art. 72) an die Lohn- und Einkommensentwicklung im Beitrittsgebiet zu erfolgen.

2.5. Der Klägerin sind der Zahlbetrag einschließlich der Nachzahlungen zu gewähren, der im Vergleich der auf verschiedenen Rechtsgrundlagen erfolgten Rentenberechnungen am höchsten ist.

3. Die Klägerin beantragt hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die Rentenberechnung für Bestandsrentner mit Ansprüchen aus der SV unter Berücksichtigung der Zahlbetragsgarantie des Einigungsvertrages als Realwertgarantie nach den Vorgaben des BVerfG (Leiturteil vom 28.4.1999, BVerfGE 100,1ff.) – Art. 30 Abs. 5 – auch über den 31.12.1991 hinaus vorzunehmen und den gesamten Rentenbetrag von diesem Zeitpunkt an weiter an die Lohn- und Einkommensentwicklung im Beitrittsgebiet anzupassen, die Leistung der höheren Rente und die Nachzahlungen unverzüglich zu veranlassen. Weiter hilfsweise ist die Beklagte zu verpflichten, den Auffüllbetrag ab 1.1.1992 ordnungsgemäß an die Lohn- und Einkommensentwicklung im Beitrittsgebiet anzupassen.

4. Die Klägerin beantragt weiter hilfsweise, die (Sprung-) Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie die Klage gegen die Anpassungs-bescheide zum 1. Juli 2001 bis 1. Juli 2005 und gegen den Bescheid der

Beklagten vom 16. September 2005 abzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers entscheiden, obwohl dieser in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, da mit der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (vgl. §§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -).

1. Der Senat hat teilweise schon Bedenken gegenüber der Zulässigkeit der klägerischen Anträge, denen es angesichts der aus dem Tatbestand ersichtlichen überbordenden Formulierungen an Bestimmtheit und Eindeutigkeit mangelt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 8 zu § 112, Rdnr. 5 zu § 92) und die zudem nach Erlass des Neufeststellungsbescheides vom 16. September 2005 nicht sachdienlich angepasst worden sind. Soweit sich dem klägerischen Vorbringen ein konkretes Begehren entnehmen lässt (§ 123 SGG), gilt Folgendes:

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1997. Gegenstand des Verfahrens ist auch der während des Klageverfahrens ergangene Bescheid vom 20. Mai 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 1999 (§ 96 SGG). Über den während des Berufungsverfahrens ergangenen Neufeststellungsbescheid der Beklagten vom 16. September 2005 und über die nach Einlegung der Berufung erlassenen Anpassungsbescheide zum 1. Juli eines jeden Jahres hat der Senat erstinstanzlich kraft Klage zu entscheiden (§§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG).

Die "Anpassungsbescheide" sind jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Die in den Bescheiden enthaltenen Rentenanpassungen zum 1. Juli des jeweiligen Jahres, die allein die wertmäßige Fortschreibung eines bereits zuerkannten Wertes des Rechts auf Rente betreffen (vgl. BSG, Urteil vom 30. August 2001, B 4 RA 62/00 R, SozR 3-2600 § 248 Nr. 8), bilden jeweils selbstständige Streitgegen-stände, denn insoweit wird nicht über den Geldwert des Rechts auf Rente, sondern ausschließlich über den Grad der Anpassung entschieden. Die Anpassungsbescheide sind auch nicht im Wege der Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG in das Verfahren einzubeziehen, denn die Klägerin hat zwar sinngemäß den Inhalt der Anpassungsbescheide, d.h. den Grad der Anpassung, beanstandet, die Beklagte hat sich hierauf jedoch nicht eingelassen und damit einer Klageänderung auch nicht zugestimmt (§ 99 Abs. 2 SGG). Es besteht auch keinen Hinweis darauf, dass das Sozialgericht im Ermessenswege eine entsprechende Klageänderung für sachdienlich gehalten hätte, woran das Berufungsgericht gebunden wäre (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, § 99 Rdnr. 15).

Hinsichtlich der nicht Verfahrensgegenstand gewordenen, bis zur Entscheidung des Sozialgerichts am 9. Mai 2001 ergangenen Anpassungsbescheide ist die Berufung damit schon aus formalen Gründen unbegründet. Darüber hinaus ist die Klage gegen die im Laufe des Berufungsverfahrens ergangenen Anpassungsbescheide unzulässig.

2. Soweit die Klägerin begehrt, ihre Rente in Änderung des Neufeststellungsbescheides vom 16. September 2005 auch für den Zeitraum vor dem 1. September 1995 rückwirkend zum Rentenbeginn, hilfsweise ab 1. Januar 1992, neu zu berechnen, hat die Klage keinen Erfolg.

In Würdigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 31. März 2004, B 4 RA 39/03 R, SozR 4-8570 § 8 Nr. 2) hat die Beklagte die Rente der Klägerin im Verlaufe des Berufungsverfahrens durch Bescheid vom 16. September 2005 nach §§ 48 Abs. 1 SGB X, 100 Abs. 1 SGB VI neu festgestellt, weil der Versorgungsträger Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem festgestellt hatte. Diese Datenfeststellung war bindend, § 8 Abs. 5 Satz 2 AAÜG, obwohl die Klägerin kein Recht auf Versorgung durch einen Versorgungsträger hatte (dazu unten 3.). Die Feststellungen des Versorgungsträgers im Überführungsbescheid vom 24. Juli 1995 waren (unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit) im August 1995 bestandskräftig geworden und daher der Berechnung der Rente zugrunde zu legen. Die Beklagte hat sich an dem vom Bundessozialgericht in der genannten Entscheidung formulierten, ständiger Rechtsprechung entsprechenden Grundsatz orientiert, dass die Rente vom Beginn desjenigen Monats an neu festzustellen ist, der dem Monat des Eintritts der Bestandskraft des Feststellungsbescheides des Versorgungsträgers folgt, hier also vom 1. September 1995 an. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X lässt für eine weitere Erstreckung der Rückwirkung keinen Raum. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit Bezug auf die der Klägerin bekannten Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem o.g. Urteil vom 31. März 2004 (vgl. insoweit auch BSG, Urteil vom 29. Oktober 2002, B 4 RA 27/02 R, SozR 3-2600 § 307b Nr. 10). Ihnen ist nichts hinzuzufügen.

3. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Mai 2001 ist im Übrigen zulässig, hat aber keinen Erfolg.

Bei sachgerechter Würdigung des klägerischen Vorbringens wird mit der Berufung insoweit das Ziel verfolgt, die Beklagte (unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und des entgegenstehenden Bescheides vom 11. Oktober 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1997 sowie des Bescheides vom 20. Mai 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 1999) zu verurteilen, die Altersrente der Klägerin nach § 307 b SGB VI neu festzustellen.

Auch zur Überzeugung des Senats besteht der geltend gemachte Anspruch nicht.

Die von der Klägerin begehrte Überprüfung nach § 307 b Abs. 1 SGB VI setzt voraus, dass am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) überführte Rente des Beitrittsgebiets bestand. Nur dann ist eine neue Rentenberechnung nach den Vorschriften des SGB VI vorzunehmen. Die Klägerin hatte aber am 31. Dezember 1991 keinen Anspruch auf eine nach dem AAÜG überführte Rente. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn sie zu diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf eine Versorgung nach Anlage 1 oder Anlage 2 zum AAÜG gehabt hätte. Sie hatte einen solchen Anspruch jedoch nicht, weil sie ab dem 1. Juni 1977 keinem Versorgungssystem mehr angehörte.

Zwar erstreckt sich der Geltungsbereich des AAÜG u.a. auf die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen (AAÜG - Anlage 1, Nr. 4); die Klägerin gehörte von März 1956 bis Mai 1977 diesem Versorgungssystem an. Während dieser Zugehörigkeit hatte die Klägerin aber noch keine Rentenansprüche erworben, denn der Leistungsfall war noch nicht eingetreten; die Klägerin hatte lediglich Anwartschaften aus der Altersversorgung erworben, während die Versorgungszusage noch nicht zum Vollrecht erstarkt war. Zeiten einer Tätigkeit, für die eine Versorgungszusage erteilt worden war, sind grundsätzlich Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung unabhängig davon, ob nach DDR-Recht materiell die Rechte aus dem Versorgungssystem bei einem Ausscheiden vor Eintritt des Versorgungsfalles verloren gingen (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 1997, 4 RA 60/96, SozR 3-8570 § 1 Nr. 1). Dieser Grundsatz gilt auch im Fall der Klägerin, doch sie hat ihre Anwartschaften aus der AVI mit der Aufgabe ihrer Berufstätigkeit zum 31. Mai 1977 wieder verloren. Die Beklagte hat dementsprechend die Datenfeststellungen des Versorgungsträgers in dem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 24. Juli 1995, an den sie gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 AAÜG gebunden ist, bei der Rentenberechnung zugrunde gelegt. Die Versorgungszusage für die Klägerin ist damals offensichtlich durch einen bestandskräftigen Einzelakt mit der Folge des Erlöschens sämtlicher daraus resultierenden Rechte aufgehoben worden. Anders ist der Stempel "ungültig" auf dem bei den Akten der Beklagten befindlichen Versicherungsschein nicht zu erklären. Die Klägerin kann daher aus ihrer vorübergehenden Zugehörigkeit zur AVI keine Rechte herleiten, was sie im Übrigen auch bei Beantragung ihrer Altersrente im Jahre 1987 nicht getan hat. Die Klägerin versucht sich heute besser zu stellen als sie als DDR-Rentnerin stand.

Die Aufhebung der Versorgungszusage nach Ausscheiden der Klägerin aus dem Berufsleben bleibt nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages wirksam. Der Entzug der Versorgung hätte auch nach Bundesrecht Bestand gehabt. Unter sinngemäßer Anwendung des § 48 SGB X war im Falle der Klägerin mit der Aufgabe der Berufstätigkeit eine rechtlich wesentliche Änderung eingetreten, so dass die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft auch nach Bundesrecht möglich gewesen wäre.

Schließlich sind auch aus § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG keine weiteren Rechte für die Klägerin herzuleiten. Danach gilt der Verlust als nicht eingetreten, soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen. Während

§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG regelt, dass dieses Gesetz für "Ansprüche" und "Anwartschaften" gilt, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen erworben worden sind, bezieht sich Satz 2 nur auf den Verlust der Anwartschaften, der unter bestimmten Umständen als nicht eingetreten gilt. Von Ansprüchen ist in Satz 2 nicht die Rede. Im Hinblick auf § 307 b SGB VI müsste die Klägerin jedoch einen Anspruch auf Zusatzversorgung geltend machen können (vgl. Polster in Kasseler Kommentar, Rdnr. 5 zu § 307 b SGB VI), während sie tatsächlich ab Juni 1977 aus den dargelegten Gründen weder einen Anspruch noch eine Anwartschaft aus der AVI besaß.

4. Auch mit den Hilfsanträgen kann die Klägerin nicht durchdringen. Sie sind vom Sozialgericht zutreffend als unzulässig angesehen worden. Mit ihnen zielt die Klägerin auf die von der Landesversicherungsanstalt Berlin erlassenen Rentenbescheide und erhebt Begehren, die jedenfalls nicht im Verfahren nach § 307 b SGB VI geltend gemacht werden müssten. Darüber hinaus bleibt zu den im Berufungsverfahren formulierten Anträgen anzumerken: Der Antrag zu 1. ist unstatthaft, weil er kein einer Berufungsentscheidung zugängliches Ziel verfolgt. Der Antrag zu 2. ist mit seinen Unterpunkten (bis auf 2.2, letzter Satz, bezogen auf § 307 b SGB VI) unstatthaft, weil er sich gegen die von der Landesversicherungsanstalt Berlin erlassenen Rentenbescheide richtet, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. Dasselbe gilt für den Hillfsantrag zu 3. Soweit die Klägerin sich gegen die gesetzliche Regelung zum Auffüllbetrag richtet, § 315 a SGB VI, nimmt der Senat Bezug auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Mai 2005, 1 BvR 368/97 u.a., der diese Vorschrift für verfassungsgemäß erklärt hat und dem nichts hinzuzufügen ist; eine Dynamisierung des Auffüllbetrages ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt die teilweise Klaglosstellung der Klägerin im Verlaufe des Verfahrens. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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