L 3 U 58/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 256/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 58/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juli 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 5000,-EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Neubescheidung eines Antrags auf Gewährung eines Beitragsnachlasses.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung und ist Mitglied der Beklagten. Mit Bescheid vom 27. Juni 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2001 veranlagte die Beklagte die Klägerin aufgrund des ab 01. Januar 2001 geltenden Gefahrtarifs mit Wirkung zum 01. Januar 2001 zu der Gefahrtarifstelle 52 mit der Gefahrklasse 0,56 für den kaufmännischen und verwaltenden Teil des Unternehmens und zu der Gefahrtarifstelle 53 mit der Gefahrklasse 10,66 für den gewerblichen Teil.

Am 13. Juni 2001 stellte die Klägerin im Hinblick auf die von ihr umgesetzten umfangreichen Maßnahmen zur Arbeitssicherheit einen Antrag auf Gewährung eines Nachlasses gemäß § 162 Abs. 1, 2 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII). Zur Begründung verwies sie auf die Umsetzung des von der Beklagten herausgegebenen Kriterienkatalogs sowie weiterer Maßnahmen. Aufgrund der umgesetzten Maßnahmen zum Arbeitsschutz und der niedrigen Unfallzahlen habe sie einen Anspruch auf Gewährung eines Nachlasses. Das von der Beklagten derzeit praktizierte Zuschlagsverfahren gemäß § 162 SGB VII sei nicht ausreichend, um den Vorgaben des Gesetzes nach einer individuellen Beitragsabstufung nach dem betrieblichen Unfallgeschehen zu genügen, vielmehr seien die einschlägigen Satzungsregelungen unwirksam. Außerdem bestehe Vertrauensschutz, da die Beklagte in mehreren öffentlichen Veranstaltungen zugesagt habe, dass die Umsetzung des Kriterienkatalogs sowie die Zertifizierung eine langfristige Beitragsreduzierung auch für zukünftige Gefahrtarifzeiträume ermögliche.

Mit Bescheid vom 17. September 2001 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Beitragsnachlasses für den Gefahrtarifzeitraum ab 2001 ab. § 162 Abs. 1 SGB VII räume den gewerblichen Berufsgenossenschaften einen Ermessensspielraum bei der Wahl und Ausgestaltung des Verfahrens ein. Dementsprechend sehe die Satzung in § 28 ein Beitragszuschlagsverfahren vor, nicht jedoch die Gewährung eines Nachlasses.

Mit Bescheid vom 02. Januar 2002 lehnte die Beklagte auch die Gewährung einer Prämie nach § 162 Abs. 2 SGB VII ab, da der Vorstand in seiner Sitzung vom 21. Oktober 1999 beschlossen habe, ein Prämiensystem nicht einzuführen. Ausschlaggebend dafür seien wirtschaftliche Gründe gewesen, denn der Aufwand für eine allen Unternehmen gerecht werdende Beurteilung der von den Unternehmern getroffenen Maßnahmen stehe in keinem akzeptablen Verhältnis zum Nutzen eines Prämiensystems.

Die gegen beide Bescheide eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2002 zurück.

Mit der dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihr Antrag auf Gewährung eines Beitragsnachlasses sei neu zu bescheiden. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Beklagte habe bisher in Teil II ihrer Gefahrtarife die Möglichkeit einer Beitragsreduzierung vorgesehen, wenn in einem Unternehmen besondere Arbeitsschutzmaßnahmen auf der Grundlage eines Kriterienkatalogs umgesetzt worden seien. Die Umsetzung sei mit einem Nachlass von 20 % honoriert worden. Ein weiterer Nachlass von 20 % sei für ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem gewährt worden. Eine solche Herabsetzungsregelung sehe der laufende Gefahrtarif nicht mehr vor. Jedes Zeitarbeitsunternehmen zahle jetzt also seinen Beitrag nach der durchschnittlichen Gefahrklasse, ganz egal, welche Unfalllasten es verursacht habe. Die Beklagte unterhalte jetzt nur noch ein Zuschlagssystem, das keinerlei Präventionswirkung entfalten könne. Auch wenn eine Mindesthöhe der Zuschläge und Nachlässe in § 162 SGB VII nicht vorgesehen sei, ergebe sich nach Sinn und Zweck der Vorschrift, dass ein Beitragsausgleich herbeigeführt werden müsse, der wirksam sei und einer individuellen Beitragsabstufung nach dem betrieblichen Unfallgeschehen gerecht werde.

Bei den Zeitarbeitsunternehmen seien die erheblichen Strukturunterschiede zwischen den einzelnen Betrieben zu berücksichtigen, von denen viele nicht einmal die zwingenden gesetzlichen Vorschriften zur Unfallverhütung umsetzten. Sie selbst habe jedoch eine Vielzahl von Maßnahmen umgesetzt, die einen Anspruch auf Gewährung eines Nachlasses begründen würden. Das seit vielen Jahren unverändert bestehende Beitragszuschlagssystem sei alleine nicht geeignet, ein im Hinblick auf den Präventionsgedanken ausreichendes Beitragsausgleichssystem zu gewährleisten. Die Beitragszuschläge in Höhe von 3.974.882,13 DM machten bei Leistungen in Höhe von 972.457.827,44 DM nicht einmal 0,004 % der erbrachten Leistungen aus.

Letztlich genössen die Zeitarbeitsunternehmen auch Vertrauensschutz auf den Fortbestand eines Beitragsnachlasssystems, denn die Beklagte habe die Unternehmen immer wieder ermuntert, etwas für die Unfallverhütung zu tun, und für die Einführung von Maßnahmen der besonderen Arbeitsschutzorganisation nach dem Kriterienkatalog und dem QM- System eine langfristige Beitragsreduzierung in Aussicht gestellt.

Durch Urteil vom 15. Juli 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, Streitgegenstand des Verfahrens sei nur die Bescheidung des Antrags auf Gewährung eines Nachlasses. Die Ablehnung der Gewährung einer Prämie sei nicht mit der Klage angefochten, auch in der Klagebegründung werde die Gewährung einer Prämie nicht begehrt. Der Bescheid vom 02. Januar 2002 sei deshalb in Bestandskraft erwachsen.

Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Gewährung eines Beitragsnachlasses noch auf Neubescheidung des Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Gemäß § 162 Abs. 1 S. 1 SGB VII sei ein Zuschlags-Nachlass-Verfahren zwingend vorgeschrieben. Bei seiner Ausgestaltung habe die jeweilige Berufsgenossenschaft jedoch einen weiten Gestaltungsspielraum. Grund für die Übertragung auf die Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften sei deren besondere Sachkunde und Sachnähe. Von den Gerichten sei nicht zu entscheiden, ob das beschlossene Verfahren das zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste sei. Die Beklagte sei der gesetzgeberischen Vorgabe nachgekommen und habe in § 28 ihrer Satzung ein Beitragszuschlagssystem geregelt. Ein Beitragsnachlasssystem habe die Beklagte weder in der Satzung noch in dem ab 01. Januar 2001 gültigen Gefahrtarif eingeführt. Ein Betragszuschlags- und gleichzeitig ein Beitragsnachlasssystem sei vom Gesetzgeber auch nicht gefordert. Die Entscheidung zur Einführung eines reinen Beitragszuschlagssystems sei Ausdruck der Satzungsautonomie der Beklagten. Im Rahmen dieser Autonomie halte die Beklagte ein Nachlassverfahren nicht für zweckmäßig, da bereits bei einem völligen Fehlen berücksichtigungsfähiger Versicherungsfälle im Beitragsjahr dem überwiegenden Teil der Mitgliedsunternehmen ein Nachlass zu gewähren wäre.

Ein Anspruch auf Gewährung eines Beitragsnachlasses ergebe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, denn der Anspruch auf Herabsetzung der Beiträge nach Teil II des Gefahrtarifs, wie er in dem Gefahrtarif 1995 geregelt worden sei, könne nur für die Laufzeit des Gefahrtarifs bestehen. Außerdem sei die Klägerin erst seit 1. April 1998 Mitglied der Beklagten. Die zum Gefahrtarif 1995 bestehende Verwaltungspraxis stelle auch keine Zusicherung für zukünftige Herabsetzungsanträge i.S. von § 34 Sozialgesetzbuch X (SGB X) dar.

Gegen das am 15. September 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05. Oktober 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren. Ergänzend macht sie geltend, das Beitragszuschlagsystem habe 1998 nur zu ganz geringen Beitragsmehreinnahmen geführt. Bei einem Umlagesoll von 1.310 Mio DM und Zuschlägen in Höhe von 3.974.882,13 DM machten die Zuschläge nur 0,003 % der Beitragseinnahmen aus. Dieses Verhältnis habe sich bis heute nicht geändert. Weiter sei zu beachten, dass die Beklagte selber ausgeführt habe, der Vorstand habe entschieden, dass ein Beitragsnachlass nicht zu gewähren sei. Damit habe ein unzuständiges Gremium über wesentliche Bestandteile des Gefahrtarifs ab 2001 entschieden.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juli 2004 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten zur Gewährung eines Beitragsnachlasses vom 17. September 2001 und 02. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihren Antrag vom 11. Juni 2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Der Vortrag der Klägerin hinsichtlich der umgesetzten Maßnahmen zur Arbeitssicherheit habe mit einer Beitragsnachlass- bzw. Beitragszuschlagsregelung nichts zu tun. Bei der "Normalveranlagung" nach Teil I des Gefahrtarifs würden neben den vorgeschrieben Arbeitsschutzvorkehrungen alle Maßnahme vorausgesetzt, die dem Stand der Technik entsprächen. Dies gehe weit darüber hinaus, lediglich die zwingend vorgeschriebenen Bestimmungen zu erfüllen. Der Unternehmer sei verpflichtet, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen und die für ihn geltenden Unfallverhütungsvorschriften und die allgemein anerkannten sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Regeln einzuhalten. Damit seien die je nach Betrieb erforderlichen und geeigneten Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen vorgeschriebener Standard. Die weiter dargestellten Arbeitsschutzmaßnahmen bezögen sich auf das Geschäftsfeld und die Vertragsgestaltung der Klägerin, zusammen mit den Unfallverhütungsmaßnahmen könnten sie bei einem Beitragszuschlags- bzw. Nachlassverfahren schon aus Gesetzesgründen keine Berücksichtigungen finden. Das eingeführte Zuschlagsverfahren sei sehr wohl geeignet, einen deutlichen Anreiz zur Vermeidung von Arbeitsunfällen darzustellen. Für das streitbefangene Umlagejahr 2001 würde ein Beitragszuschlag für die Klägerin bedeuten, dass zusätzlich zum Eigenumlagebeitrag von 85.789,98 EUR ein bis zu 10%iger Zuschlag in Höhe von 8579,- EUR und damit ein Gesamtbeitrag von 94.368,98 EUR zu zahlen gewesen wäre. Zwar solle das Beitragsausgleichsverfahren wirtschaftlich ins Gewicht fallen, aber andererseits dürfe das Beitragsausgleichsverfahren nicht dem Versicherungsprinzip zuwider laufen. Ausschlaggebend für die konkrete Größenordnung der Beitragszuschläge oder –nachlässe seien die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, insbesondere die Einschränkung auf die anzuzeigenden Versicherungsfälle, wobei Wegeunfälle gesetzlich von der Berücksichtigung im Beitragsausgleichsverfahren ausgeschlossen seien. Daraus ergebe sich bei der Risikostruktur der bei ihr versicherten Unternehmen automatisch, dass die Beitragszuschläge summenmäßig nie einen großen Anteil ausmachen könnten. Es sei auch zu berücksichtigen, dass Beitragzuschläge nach § 162 SGB VII nicht bereits erhoben werden sollten, sobald ein meldepflichtiger Versicherungsfall eingetreten sei, sondern es solle eine Abstufung vorgenommen werden. Diese Abstufung regele § 28 der Satzung dergestalt, dass ein Beitragzuschlag auferlegt werde, wenn für einen Versicherten des Beitragspflichtigen im Umlagejahr eine neue Unfallrente festgestellt werde.

Die am Umlagesoll gemessene recht niedrige Summe der Beitragzuschläge resultiere also letztlich aus der verhältnismäßig geringen Zahl der Beitragspflichtigen, in deren Unternehmen überhaupt meldepflichtige Arbeitsunfälle einträten.

Mit gerichtlichen Schreiben vom 17. November 2005, 28. November 2005 und 11. Januar 2006 hat der Senat die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagte verwiesen.

II.

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

Die Klägerin hat, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags auf Gewährung eines Beitragsnachlasses gemäß § 162 SGB VII. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist hier aber nicht nur die Gewährung des Beitragsnachlasses gemäß § 162 Abs. 1 SGB VII streitig, sondern auch die Gewährung einer Prämie gemäß § 162 Abs. 2 SGB VII. Der insoweit ablehnende Bescheid vom 02. Januar 2002 ist nämlich nicht in Bestandskraft erwachsen. Zwar sind weder in der Klagebegründung noch in der Begründung der Berufung Ausführungen zur Gewährung einer Prämie enthalten. Sowohl in der Klageschrift als auch in der Berufungsschrift wird jedoch ausdrücklich auch die Aufhebung des Bescheides vom 02. Januar 2002, mit dem die Beklagte die Gewährung einer Prämie abgelehnt hat, beantragt. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in der Klage- und Berufungsbegründung immer nur die Vorschrift des § 162 SGB VII zitiert, ohne zwischen Abs. 1 und Abs. 2 zu differenzieren. In ihrem Schriftsatz vom 10. September 2001 hat die Klägerin auch klargestellt, dass sich die Nachlassanträge gemäß § 162 SGB VII sowohl auf Abs. 1 als auch auf Abs. 2 der Vorschrift stützen. Dass insoweit in den klägerischen Schriftsätzen nicht zwischen Nachlass- und Prämiensystem differenziert wird, kann der Klägerin deshalb nicht zum Nachteil gereichen. Zur Überzeugung des Senats hat die Klägerin aber weder einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags auf Gewährung eines Nachlasses gemäß § 162 Abs. 1 SGB VII noch ihres Antrags auf Gewährung einer Prämie gemäß § 162 Abs. 2 SGB VII.

Gemäß § 162 Abs. 1 S. 1, S. 3 1. Halbsatz SGB VI haben die gewerblichen Berufsgenossenschaften unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Versicherungsfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen. Das Nähere bestimmt die Satzung.

Die Unfallversicherungsträger können unter Berücksichtigung der Wirksamkeit der von den Unternehmern getroffenen Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten und für die Verhütung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren Prämien gewähren (Abs. 2).

Wie die Verwendung des Wortes "oder" in § 162 Abs. 1 S. 1 SGB VII zeigt, können die Berufsgenossenschaften zwischen einem reinen Zuschlags-, einem reinen Nachlass- oder einem kombinierten Zuschlags- und Nachlassverfahren wählen. Daneben lässt § 162 Abs. 2 SGB VII auch noch die Gewährung von Prämien zu. Der Verzicht auf ein Ausgleichsverfahren ist zwar kraft Gesetzes nicht möglich, die Durchführung der Einzelheiten wie z. B. die Berechnung der Durchschnitts- und Einzelbelastungen, die Festlegung von Zeiträumen oder die Abstufung der Zuschläge oder Nachlässe bleibt aber der Regelung durch die Satzung vorbehalten.

Die Beklagte hat sich in § 28 der Satzung für ein reines Zuschlagssystem entschieden. Es ist nicht ersichtlich, dass sie dadurch, kein Nachlass- bzw. Herabsetzungsverfahren gewählt zu haben, ihren diesbezüglich eingeräumten Gestaltungsspielraum überschritten hat.

Der Gesetzgeber hat es den Unfallversicherungsträgern nämlich ausdrücklich freigestellt, zwischen den verschiedenen Ausgleichsverfahren zu wählen.

Die Klägerin kann sich auch nicht im Hinblick darauf, dass die Gefahrtarife 1995 und 1998 unterschiedliche Herabsetzungsregelungen vorsahen, auf Vertrauensschutz berufen. Dies hat das Sozialgericht ausführlich und zutreffend ausgeführt. Zur Vermeidung von Wiederholungen bezieht sich der Senat deshalb auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Klägerin, die sich im Berufungsverfahren darauf beschränkt hat, im Wesentlichen die gleichen Argumente wie im erstinstanzlichen Verfahren vorzutragen, hat keine Gründe geltend gemacht, die geeignet sind, von dieser Entscheidung abzuweichen. Ihrer Auffassung, der Vorstand der Beklagten habe als unzuständiges Organ über die Einführung eines Beitragsnachlasssystems entschieden, kann der Senat nicht folgen. Aus der aktuellen Satzung der Beklagten vom 15. Oktober 1998, zuletzt geändert am 06. Dezember 2001, ergibt sich, dass die Satzung in der Vertreterversammlung vom 25. Juni 1998 beschlossen worden ist. Der vom Bundesversicherungsamt genehmigte Nachtrag vom 04. Dezember 1998, der die Einführung von § 28 mit Wirkung zum 01. Januar 1998 betrifft, ist ebenfalls von der Vertreterversammlung beschlossen worden. Auch der Gefahrtarif 2001 ist von der Vertreterversammlung der Beklagten am 07. Dezember 2000 mit Wirkung zum 01. Januar 2001 beschlossen und vom Bundesversicherungsamt am 13. Dezember 2004 genehmigt worden. Es kann also keine Rede davon sein, die Entscheidung über die Einführung eines Beitragsnachlass- bzw. Zuschlagssystem sei nicht von der Vertreterversammlung beschlossen worden. Dem steht nicht entgegen, dass der Vorstand der Beklagten, der sich mit der Frage des Einführung eines Prämiensystems in seiner Sitzung vom 21. Oktober 1999 beschäftigt hat, den Beschluss gefasst hat, ein solches System nicht einzuführen. Maßgebend ist allein, dass die Vertreterversammlung als zuständiges Organ diesen Beschluss durch einschlägige Regelungen in der Satzung später umsetzt hat.

Der Senat kann dem Argument der Klägerin, dass die Einführung eines Zuschlagssystems keinen ausreichenden Anreiz für Maßnahmen der Prävention biete, ebenfalls nicht folgen, denn wie die Berechnungen der Beklagten zeigen, kann ein Beitragszuschlag von 10 % sehr wohl wirtschaftlich ins Gewicht fallen. Darüber hinaus hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die versicherten Unternehmen kraft Gesetzes bereits zur Durchführung von Maßnahmen der Prävention verpflichtet sind. An dieser Stelle erlaubt sich der Senat darauf hinzuweisen, dass die Berechnungen der Klägerin in den Schriftsätzen vom 29. Mai 2002 und 7. Dezember 2004 nicht zutreffend sind. Ausgehend von den von der Klägerin genannten Zahlen betragen die Anteile der Zuschläge an dem allgemeinen Umlagesoll vielmehr 0,4 % bzw. 0,3 % der Beitragseinnahmen, und sind damit in einer Größenordnung, die geeignet ist, für einen Beitragsausgleich zwischen den Mitgliedsunternehmen zu sorgen.

Es ist gleichfalls nicht zu beanstanden, dass die Beklagte nicht neben dem Zuschlagssystem auch eine Prämiengewährung eingeführt hat. Gesetzliche Vorgabe ist dabei die Berücksichtigung der Wirksamkeit der von den Unternehmern in ihrer Gesamtheit getroffenen Maßnahmen zur Verhütung von Versicherungsfällen und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Dabei sind nicht entscheidend die getroffenen Maßnahmen allein, sondern deren Wirksamkeit, die nur bedingt anhand der Schwere der Versicherungsfälle gemessen werden kann, da hierfür auch andere Ursachen in Betracht kommen, wie z.B. die Aufgabe eines Betriebsteils mit hoher Unfallgefährdung (vgl. Kater/Leube, SGB VII, § 162 RN 20). Ein objektiver Maßstab für die Wirksamkeit der Prämieneinführung ist also kaum und in der Regel nicht mit vertretbarem Aufwand zu finden, da die Zahl der Versicherungsfälle allein nicht aussagekräftig genug ist (vgl. Kasseler Kommentar-Ricke § 162 SGB VII RN 20). Die Beklagte handelte deshalb nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie neben einem Zuschlagssystem nicht auch ein Prämiensystem einführte.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Der Wert des Streitgegenstandes, der gemäß §§ 197 a SGG, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes von 5. Mai 2004 zu bestimmen ist, wird mit 5.000,00 EUR festgesetzt.
Rechtskraft
Aus
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