L 19 B 51/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
17
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 15 AS 740/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 51/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 18. November 2005 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren und Beiordnung von Rechtsanwalt H. wird abgelehnt. Verfahrenskosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Antragsteller begehrt die Zahlung von Arbeitslosengeld II. Strittig ist, ob er mit seinen Eltern in einer Haushaltsgemeinschaft lebt.

Der 1981 geborene Antragsteller beantragte am 12. Juli 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II -. In dem Antragsformular - überwiegend von einem Mitarbeiter des Antragsgegners nachgetragen - hat er als Adresse "E.steig, R." angegeben. Die Namen seiner Eltern finden sich sowohl in der Rubrik "III. Persönliche Verhältnisse der mit dem Antragsteller/der Antragstellerin in einem Haushalt lebenden weiteren Personen" als auch in der Rubrik "Unterhaltspflichtige Angehörige außerhalb der Haushaltsgemeinschaft". Der Antragsteller hat außerdem angegeben, dass er in einer Mietwohnung wohne und dafür ca. 150 Euro zu zahlen habe. Er erhalte volle Verpflegung. Auch für diese schulde er ca. 150 Euro.

Mit Bescheid vom 4. August 2005 lehnte der Antragsgegner den Antrag mit der Begründung ab, der Antragsteller sei nicht hilfebedürftig. Das Einkommen der Eltern sei zu berücksichtigen.

Der Antragsteller erhob dagegen Widerspruch und machte geltend, er sei obdachlos, lebe in keiner Bedarfsgemeinschaft und habe keine Wertsachen. Er habe Mietschulden und könne auch nicht mehr für die Energiekosten aufkommen. Dazu legte er die Kopie eines Teils einer Anmeldebestätigung der Stadt R. vom 4. August 2005 vor, die einen Einzug am 12. Juli 2005 bestätigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Antragsgegner legte unter anderem dar, nach § 9 Abs. 5 SGB II werde vermutet, dass der Hilfebedürftige Leistungen erhalte, wenn er mit Angehörigen in einer Haushaltsgemeinschaft lebe. Das Einkommen seiner Eltern sei in Höhe von 727,62 Euro anzurechnen.

Am 25. Oktober 2005 hat der Antragsteller beantragt, ihm bis zur Entscheidung in der Hauptsache, monatliche Leistungen in Höhe von 331 Euro zu bewilligen. Er sei ohne festen Wohnsitz. Seine Eltern gestatteten ihm nicht, in ihrer Wohnung zu wohnen, sie hätten ihm nur erlaubt, in der Gartenlaube in S., R., zu übernachten. Die Anmeldung in der Wohnung seiner Eltern sei auf Verlangen des Antragsgegners erfolgt, ohne dass er dort wirklich gewohnt habe.

Der Antragsgegner hat ausgeführt, ein Familienmitglied, das sich in der Gartenlaube aufhalte, zähle zur Haushaltsgemeinschaft, denn eine Gartenlaube gehöre zum erweiterten Wohn- und Herrschaftsbereich der Familie. Im Übrigen erhalte der Antragsteller Unterkunft und Nahrung von seinen Eltern. Er sei auch verpflichtet, vorrangig seine Ansprüche auf Unterhalt durchzusetzen.

Mit Beschluss vom 18. November 2005 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Es hat ausgeführt, nach summarischer Prüfung mangele es bereits an einem Anordnungsgrund. Der Antragsteller gehöre zur Haushaltsgemeinschaft seiner Eltern. Bei der Gartenlaube in S. handele es sich um den erweiterten Wohn- und Herrschaftsbereich der Familie. Zudem habe der Antragsteller einen Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern, der von diesen auch erfüllt werde.

Gegen den dem Antragsteller am 1. Dezember 2005 zugestellten Beschluss richtet sich seine am 14. Dezember 2005 eingegangene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Der Antragsteller trägt vor, er lebe nicht in einer Haushaltsgemeinschaft. Eine Haushaltsgemeinschaft liege nur vor, wenn die Verwandten zusammen lebten und aus einem Topf wirtschafteten. Beides sei bei ihm nicht der Fall. Er habe auch keinen Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern, weil er die Voraussetzungen nicht erfülle, die das brandenburgische Oberlandesgericht hierfür aufstelle.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 18. November 2005 aufzuheben und dem Antragsgegner aufzugeben, dem Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache monatliche Leistungen in Höhe von 331 Euro zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05).

Nach diesen Grundsätzen ist hier eine einstweilige Anordnung nicht zu erlassen. Es fehlt schon an der erforderlichen Eilbedürftigkeit. Der Antragsteller erhält von seinen Eltern Unterkunft und Verpflegung. Hierbei kann dahinstehen, ob sie dem Antragsteller unterhaltspflichtig sind. Sie sehen offensichtlich eine entsprechende sittliche Verpflichtung und kommen dieser auch nach.

Im Übrigen ist aber auch kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach § 9 Abs. 5 SGB II besteht eine gesetzliche Vermutung, dass der Hilfsbedürftige von seinen Verwandten oder Verschwägerten Leistungen erhält, wenn er in einer Haushaltsgemeinschaft mit ihnen lebt. Eine solche Haushaltsgemeinschaft besteht hier. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller nach seinen Angaben nicht in der Wohnung der Eltern, sondern in deren Gartenlaube wohnt. Es ist richtig, dass eine Haushaltsgemeinschaft regelmäßig voraussetzt, dass die Angehörigen zusammen leben und aus einem Topf wirtschaften (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1516 Seite 53). Dies ist aber hier der Fall. Es mag sein, dass der Antragsteller die regelmäßig gemeinsam genutzten Räume (Bad, Küche) in der elterlichen Wohnung nicht betritt. Er nutzt aber die ebenfalls typischerweise gemeinsame Einrichtung Garten und Gartenlaube. Der im selben Postzustellbezirk wie die Wohnung gelegene Garten und die dazugehörige Gartenlaube sind offensichtlich für die Nutzung durch die Familie bestimmt. Insofern trifft die Bezeichnung als erweiterter Wohnbereich durchaus zu. Es ist nicht vorgetragen und es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Gartenlaube und der Garten nicht mehr durch die Familie genutzt und also auch bewohnt werden, solange der Antragsteller dort übernachtet. Es ist auch davon auszugehen, dass die laufenden Kosten für den Erhalt und die Ausstattung der Gartenlaube aus der Haushaltskasse getragen werden.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes war abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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