Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 9 AL 21/04
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 18/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. November 2004 und der Bescheid der Beklagten vom 12. November 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 aufgeho- ben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den 17. Oktober 2003 hinaus Arbeitslosenhilfe zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger über den 17. Oktober 2003 hinaus Arbeitslosenhilfe (Alhi) zusteht. Dabei geht es im Wesentlichen um Fragen der Bedürftigkeit.
Der 1944 geborene verheiratete Kläger, der aus Nigeria stammt und 1971 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, stand seit 1995 im Leistungsbezug der Beklagten. Seine Ehefrau ist 1950 geboren; sie bezog ab 1. März 2002 bis 20. Dezember 2003 Arbeitslosengeld (Alg). Der Kläger bezog zuletzt Alhi für den Bewilligungsabschnitt bis 17. Oktober 2003. Der wöchentliche Leistungssatz betrug ab 1. Januar 2003 117,18 EUR (Berechnungsgrundlagen: gerundetes Bemessungsentgelt 340,00 EUR, Leistungsgruppe A, Kindermerkmal 0). Eine Anrechnung von Vermögen erfolgte nicht.
Am 1. Oktober 2003 stellte der Kläger einen Fortzahlungsantrag. Dabei gab er - wie in früheren Leistungsanträgen - an, dass seine Ehefrau und er über folgende Kapitallebensversicherungen verfügten, die der Altersversorgung dienen sollten:
1. Lebensversicherung der Ehefrau des Klägers bei der H ( ), Beginn 1. Mai 1982, Ablauf 1. Mai 2012, Überschussguthaben zum 1. Mai 2002 9.702,00 EUR, Rückkaufswert zum 1. November 2002 11.822,90 EUR, Auszahlungsbetrag zum 1. November 2003 insgesamt 21.524,90 EUR.
2. Lebensversicherung des Klägers bei der A ( ), Beginn 1. September 1978, Ablauf 31. August 2004, Rückkaufwert zum 1. November 2003 einschließlich Überschussbeteiligung 36.823,80 EUR.
Mit Bescheid vom 12. November 2003 lehnte die Beklagte den Fortzahlungsantrag ab. Sie führte aus, dass der Kläger nicht bedürftig sei und deshalb keinen Leistungsanspruch habe (§§ 190, 193 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]). Er verfüge nämlich gemeinsam mit seiner Ehefrau über Vermögen in Höhe von 58.348,70 EUR, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages für ihn in Höhe von 31.200,00 EUR und für seine Ehefrau in Höhe von 10.800,00 EUR verblieben 16.348,70 EUR. Dieser Betrag sei bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen.
Hiergegen legte der Kläger am 26. November 2003 Widerspruch ein. Er machte nochmals geltend, dass es sich bei dem berücksichtigten Vermögen um Rückkaufwerte aus zwei Lebensversicherungen handele, die der Altersversorgung dienen sollten. Er habe nur sehr geringe Rentenanwartschaften erworben; die zu erwartende Rente liege unter dem Sozialhilfesatz. Im Übrigen sei er mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 Schwerbehinderter. Er beanspruche Alhi lediglich bis zum voraussichtlichen Rentenbeginn am 1. April 2004. Nach Eintritt in das Rentenalter wolle er die Beträge aus den Lebensversicherungen dazu verwenden, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Seine Lebensversicherung werde im September 2004 fällig. Eine vorzeitige Kündigung sei wegen der damit verbundenen Verluste unwirtschaftlich. Hinzuweisen sei auch darauf, dass die Lebensversicherungen bislang von der Beklagten nicht leistungsmindernd berücksichtigt worden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2003, zugestellt am 16. Dezember 2003, wies die Beklagte den Widerspruch unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück. Ergänzend begründete sie ihre Entscheidung mit den Bestimmungen der Arbeitslosenhilfe-Verordnung 2002 (AlhiV) und führte aus, dass danach nur das nach dem Einkommenssteuergesetz (EStG) geförderte Altersvorsorgevermögen und nachweislich für die Alterssicherung bestimmte Sachen und Rechte des Arbeitslosen und seines Partners, wenn diese nach § 231 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit seien, von der Berücksichtigung ausgenommen seien (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 AlhiV). In diesem Sinne privilegiertes Vermögen liege hier nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Verwertung des Vermögens zumutbar. Die Verwertung der Lebensversicherung sei nur dann unwirtschaftlich und somit nicht zumutbar, wenn der Rückzahlungsbetrag nach Abzug eventueller Gebühren den Einzahlungsbetrag um mehr als 10 v. H. unterschreite. Das sei hier nicht der Fall. Da das verwertbare Vermögen des Klägers die nach § 1 Abs. 2 AlhiV maßgeblichen Freibeträge (Kläger: 60 x 520,00 EUR = 31.200,00 EUR; Ehefrau: 54 x 200,00 EUR = 10.800,00 EUR) übersteige, sei er nicht bedürftig. Es sei ihm zuzumuten, durch die Verwertung des Vermögens seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi zu bestreiten.
Der Kläger hat am 13. Januar 2004 bei dem Sozialgericht Kiel Klage erhoben. Seit dem 1. April 2004 bezieht er von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute: Deutsche Rentenversicherung Bund) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von 325,00 EUR monatlich.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und unter Vorlage eines Schreibens der A geltend gemacht, dass seine Lebensversicherung zum 1. September 2004 regulär ausgelaufen sei. Die Gesamtleistung zu diesem Stichtag habe 39.526,90 EUR betragen; der Rückkaufswert (Gesamtleistung) zum 1. Dezember 2003 habe sich auf 37.093,40 EUR belaufen. Bei vorzeitiger Kündigung dieser Versicherung hätte er somit einen Verlust von ca. 2.500,00 EUR erlitten.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 12. November 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger über den 17. Oktober 2003 hinaus Arbeitslosenhilfe aufgrund sei- nes Fortzahlungsantrages zu gewähren.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach mündlicher Verhandlung am 30. November 2004 hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom selben Tage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Rechtsauffassung zu Eigen gemacht. Ergänzend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Entscheidungen der Beklagten auch mit den Bestimmungen der zum 1. Januar 2003 geänderten AlhiV in Einklang stünden. Die mit der geänderten Verordnung verbundenen Einschränkungen seien - insbesondere verfassungsrechtlich - nicht zu beanstanden.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigen am 21. Januar 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 14. Februar 2005 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegte Berufung des Klägers.
Zur Begründung wiederholt er sein erstinstanzliches Vorbringen und rügt, dass das Sozialgericht nicht geprüft habe, ob in seiner Person eine soziale Härte vorliege, die trotz vorhandenen Vermögens zu einem Alhi-Anspruch führe. Insoweit nehme er Bezug auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Dezember 2004 (B 7 AL 30/04 R, SozR 4 4300 § 193 Nr. 2), wonach neben den starren Altersfreibeträgen auch eine solche Härtefallprüfung vorzunehmen sei. In seinem Fall sei folgendes zu berücksichtigen: Er sei in Nigeria am Agrarministerium tätig gewesen. In Deutschland habe er zunächst Agrarwissenschaften studiert; das Studium habe er schließlich zwecks Versorgung seiner Familie aufgegeben. Von 1982 bis 1984 habe er eine Ausbildung zum Zahntechniker absolviert. Er habe diesen Beruf allerdings nicht ausüben können, weil er durch den mit dieser Tätigkeit verbundenen Kontakt mit Chemikalien (z. B. Asbest) erkrankt sei. Seither leide er unter Bronchialasthma und Allergien und sei mit einem GdB von 70 schwerbehindert. Für seine Tätigkeiten in Nigeria habe er keine Rentenanwartschaften erworben. Im Hinblick auf die in Deutschland zu erwartende niedrige Rente habe er bereits nach seiner Erkrankung in den 80er Jahren durch Abschluss von Kapitallebensversicherungen eine private Altersvorsorge aufgebaut. Bei vorzeitiger Inanspruchnahme würde die Alterssicherung unzureichend sein. Angesichts der Umstände könne von ihm nicht erwartet werden, dass er seine Lebensversicherung vorab in Anspruch nehme. Aufgrund seines Lebensalters sei er nicht mehr in der Lage, sich zusätzliches Vermögen selbst aufzubauen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. November 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 17. Oktober 2003 hinaus Arbeitslosenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt das angefochtene Urteil und macht geltend, dass auch die von dem Kläger zitierte BSG-Rechtsprechung und weitere Entscheidungen des BSG zu keiner anderen Beurteilung führen könnten. Zwar habe das BSG entschieden, dass die AlhiV 2002 mit der Ermächtigungsnorm insoweit nicht in Einklang stehe, als sie keine Regelung enthalte, nach der die besonderen Umstände des Einzelfalles Berücksichtigung finden könnten. Der Freibetrag nach § 1 Abs. 2 AlhiV sei indessen - auch nach seiner 2003 und 2004 erfolgten Absenkung - ermächtigungs- und verfassungskonform. Vorliegend könne die Beklagte keinen (objektiven) Härtefall erkennen, der einer besonderen Würdigung bedürfe. Das BSG habe mit Urteil vom 27. Januar 2005 (B 7a/7 AL 34/04 R, veröffentlicht in juris) klargestellt, dass ein Härtefall nicht bereits darin zu sehen sei, dass sich der Arbeitslose angesichts seines fortgeschrittenen Alters keine weitergehende Altersversorgung mehr aufbauen könne. Diesem Aspekt werde nämlich bereits durch § 1 Abs. 2 AlhiV 2002 (vorliegend zudem auch durch die Übergangsvorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 AlhiV 2002) Rechnung getragen, indem älteren Arbeitslosen ein höheres Schonvermögen zugebilligt werde als jüngeren. Da die Vermögenswerte des Klägers und seiner Ehefrau deutlich über den erhöhten Freibeträgen gelegen hätten, gehe die Beklagte weiterhin von fehlender Bedürftigkeit des Klägers aus.
Dem Senat haben die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakten vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird hierauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Denn unter Berücksichtigung der in der jüngsten Rechtsprechung des BSG entwickelten Maßstäbe hat der Kläger entgegen der von der Beklagten und - ihr folgend - von dem Sozialgericht vertretenen Auffassung Anspruch auf Alhi für die Zeit vom 17. Oktober 2003 bis 31. März 2004 (§ 190 Abs. 1 Nr. 5, § 193 Abs. 2 SGB III in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung). Dieser Anspruch ist insbesondere nicht wegen fehlender Bedürftigkeit ausgeschlossen.
Dass der Kläger die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 190 Abs. 1 SGB III für Alhi (Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung, fehlende Anwartschaftszeit auf Alg, Vorfrist) erfüllt, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig und bedarf insoweit keiner weitern Begründung. Entgegen der vom Sozialgericht bestätigten Auffassung der Beklagten liegt auch Bedürftigkeit vor.
Nach § 193 Abs. 1 SGB III ist bedürftig ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. § 193 Abs. 2 SGB III bestimmt darüber hinaus, dass nicht bedürftig ein Arbeitsloser ist, solange mit Rücksicht auf u. a. sein Vermögen und das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. § 193 SGB III wird konkretisiert durch die AlhiV 2002, die für den hier streitigen Leistungszeitraum in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung zu Grunde zu legen ist.
Ausgehend von den seitens der Lebensversicherungsgesellschaften bescheinigten Rückkaufwerten zum 1. November 2003 (einschließlich Überschussbeteiligungen) von 21.524,90 EUR und 36.823,80 EUR (Summe: 58.348,70 EUR) sind danach zunächst die nach der AlhiV 2002 geltenden Freibeträge in Abzug zu bringen. Nach § 1 Abs. 2 AlhiV in der hier maßgeblichen Fassung ist Freibetrag ein Betrag von 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners (maximal jeweils 13.000,00 EUR); nach § 4 Abs. 2 Satz 2 AlhiV ist abweichend davon der zuvor geltende Freibetrag von 520,00 EUR (Höchstbetrag: 33.800,00 EUR) weiterhin anzuwenden für Personen, die - wie der Kläger - bis zum 1. Januar 1948 geboren sind. Vor diesem Hintergrund ist hier zunächst von Freibeträgen für den Kläger in Höhe von 59 x 520,00 EUR = 30.680,00 EUR und für seine Ehefrau in Höhe von 54 x 200,00 EUR = 10.800,00 EUR, in der Summe also von einem Freibetrag in Höhe von 41.480,00 EUR auszugehen, wodurch sich das zu berücksichtigende Vermögen auf 16.868,70 EUR reduzierte. Soweit die Beklagte für den Kläger ursprünglich von einem Freibetrag von 60 x 520,00 EUR = 42.000,00 EUR ausgegangen war, lag - worauf in der Berufungserwiderung zu Recht hingewiesen wurde - ein Rechenfehler vor, weil der Kläger das 60. Lebensjahr erst am 24. März 2004 vollendet hat, nicht jedoch zu Beginn des hier streitigen Leistungszeitraums am 18. Oktober 2003.
Allerdings hat das BSG in jüngster Rechtsprechung wiederholt entschieden, dass die Vorschriften der AlhiV 2002 mit der Ermächtigungsgrundlage des § 206 Nr. 1 SGB III i.V.m. § 193 SGB III nicht in Einklang stehen, weil in der AlhiV keine allgemeine Härteklausel (mehr) enthalten war (vgl. BSG, Urteile vom 14. September 2005, B 11a/11 AL 71/04 und B 11a/11 AL 75/04 R; Urteile vom 25. Mai 2005, B 11a/11 AL 73/04 R und B 11a/11 AL 51/04 R, SozR 4-4220 § 6 Nr. 2; Urteil vom 17. März 2005, B 7a/7 AL 68/04 R, SozR 4-4300 § 193 Nr. 5; Urteil vom 9. Dezember 2004, B 7 AL 44/04 R, BSGE 94, 121 = SozR 4 4300 § 193 Nr. 3 [sämtlich auch veröffentlicht in juris]). Dies gilt auch für die - hier maßgebliche - zum 1. Januar 2003 geänderte Fassung der AlhiV (BSG, Urteil vom 14. September 2005, B 11a/11 AL 71/04 R, a.a.O., m.w.N.).
Mit Urteil vom 17. März 2005 (a.a.O.) hat das BSG entschieden, dass in der Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 im Rahmen einer gesetzlichen Härtefallregelung (§ 193 Abs. 2 SGB III) zusätzlich zum generellen Vermögensfreibetrag bei einer Lebensversicherung, die gemäß § 165 Abs. 1 und 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) gekündigt werden konnte, 200,00 EUR pro Lebensjahr des Leistungsempfängers und seines Partners (Höchstbetrag je 13.000,00 EUR) als Härtefall privilegiert sind, wenn diese der Altersvorsorge dient. Zur Begründung hat das BSG ausgeführt, dass bei der Berücksichtigung von Vermögen nach der AlhiV 2002 im Rahmen der Härtefallklausel zumindest die ab 1. Januar 2005 geltenden Grundfreibeträge des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) in entsprechender Anwendung zu beachten seien. Dieser Rechtsprechung folgt der Senat (vgl. bereits Urteil des Senats vom 2. Dezember 2005, L 3 AL 100/04). Danach sind hier über die bereits beschriebenen Freibeträge hinaus auch die vom BSG in dem Urteil vom 17. März 2005 beschriebenen weiteren Freibeträge zu berücksichtigen, die in ihrer Summe das nach vorstehender Berechnung verbliebene Vermögen von 16.868,70 EUR übersteigen (59 x 200,00 EUR = 11.800,00 EUR zuzüglich 54 x 200,00 EUR = 10.800,00 EUR, Summe: 22.600,00 EUR).
Dass die Lebensversicherungen der Altersvorsorge dienen, ist nach Auffassung des Senats glaubhaft. Zum einen hat der Kläger stets eine entsprechende Zweckbestimmung geltend gemacht, zum anderen handelt es sich um Geldanlagen, die erst nach Eintritt des Rentenbezuges des Klägers fällig werden bzw. geworden sind. Die auf den Namen des Klägers lautende Lebensversicherung wurde zum 1. September 2004 ausgezahlt; die auf den Namen seiner Ehefrau lautende Lebensversicherung wird erst im Jahre 2012 fällig. Vor dem Hintergrund der Versorgungslücken, die sich aus dem besonderen beruflichen Werdegang des Klägers ergeben, ist die Zweckbestimmung der Lebensversicherungen zur Altersvorsorge ohne Weiteres nachvollziehbar.
Die in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II bezeichnete Unverwertbarkeit auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung kann in diesem Zusammenhang nicht uneingeschränkt gelten. Denn vor dem 1. Januar 2005 konnten bei Lebensversicherungen die Versicherungsnehmer die Voraussetzungen der erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Vorschrift bei der damaligen Vertragsgestaltung, die eine Einschränkung der Verwertbarkeit üblicherweise nicht vorsah, von vornherein nicht erfüllen. Dies zwingt bei der entsprechenden Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in der Zeit vor dem 1. Januar 2005 für die Härtefallprüfung des § 193 Abs. 2 SGB III dazu, auf die Voraussetzungen einer vertraglichen Vereinbarung über die Nichtverwertbarkeit jedenfalls für die von § 165 Abs. 1 und 2 VVG betroffenen Lebensversicherungen zu verzichten (BSG, Urteile vom 14. September 2005 und vom 17. März 2005, jeweils a.a.O.).
Der Senat bezieht die vorstehend zitierte BSG-Rechtsprechung auch auf Fälle wie den vorliegenden, in dem zugunsten des Arbeitslosen infolge der Übergangsregelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 AlhiV weiterhin der höhere (allgemeine) Freibetrag von 520,00 EUR zum Tragen kommt. Zwar liegt der BSG-Entscheidung vom 17. März 2005 (a.a.O.), in der erstmals die Gewährung eines weiteren Freibetrages von 200,00 EUR bei der Altersvorsorge dienenden Lebensversicherungen entwickelt wurde, ein Sachverhalt zu Grunde, in dem diese Übergangsregelung wegen jüngeren Alters des Arbeitslosen nicht eingriff. Bereits mit Urteil vom 9. Dezember 2004 (a.a.O.) hatte das BSG das Erfordernis einer allgemeinen Härteklausel jedoch in einem Fall entwickelt, in dem der dortige Kläger - wie hier - 1944 geboren ist. Auch die BSG-Entscheidung vom 25. Mai 2005 (a.a.O.), die für die notwendige allgemeine Härteklausel nochmals als Mindeststandard die Maßstäbe des ab 1. Januar 2005 geltenden Rechts (§ 12 SGB II) betont, bezieht sich auf einen Sachverhalt, in dem der dortige Kläger wie hier - 1944 geboren ist. Vor diesem Hintergrund spricht nichts dafür, dass das BSG mit dieser Rechtsprechung nur in den Fällen, in denen die AlhiV 2002 in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung einen auf 200,00 EUR herabgesenkten allgemeinen Freibetrag vorsah, im Wege einer ermächtigungs- und verfassungskonformen Auslegung den vorstehend beschriebenen weiteren Freibetrag schaffen wollte.
Ob es nach dieser Rechtsprechung in Fällen wie dem vorliegenden noch der gesonderten Feststellung eines Härtefalles bedarf oder ob bereits der Umstand, dass die Verwertung einer der Altersvorsorge dienenden Kapitallebensversicherung in Rede steht, im Rahmen der aus § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II abgeleiteten Grenzen ohne Weiteres einen Härtefall begründet, kann letztlich dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls liegen hier nach den vom BSG in den Urteilen vom 14. September 2005 (a.a.O.) beschriebenen Maßstäben für eine Härtefallprüfung, die insbesondere auf Besonderheiten der jeweiligen Berufsbiographie und daraus resultierende Versorgungslücken abstellen (Urteil vom 14. September 2005, B 11a/11 AL 71/04 R, a.a.O.), weitere Umstände vor, aufgrund derer unabhängig von der Anlageform der Lebensversicherung ein Härtefall anzunehmen ist. Dies folgt insbesondere daraus, dass der Kläger nach seinem Wechsel von Nigeria in die Bundesrepublik Deutschland hier nur sehr eingeschränkt Rentenanwartschaften erwerben konnte, wobei erschwerend hinzukam, dass er aus den in der Berufungsbegründung glaubhaft geschilderten gesundheitlichen Gründen an der Ausübung des hier erlernten Berufs des Zahntechnikers gehindert war. Gerade die nicht mit Rentenanwartschaften belegte Zeit bis 1971 in Nigeria lässt den beruflichen Werdegang des Klägers grundlegend anders erscheinen als denjenigen eines Arbeitnehmers, der in der Bundesrepublik Deutschland altersentsprechende Rentenanwartschaften erwerben konnte, selbst wenn er später arbeitslos wurde. Dass ein Härtefall nicht schon vorliegt, wenn die Altersversorgung durch Zeiten der Arbeitslosigkeit eines Arbeitnehmers geschmälert wird (BSG, Urteil vom 14. September 2005, B 11a/11 AL 71/04 R, a.a.O.), ist hier deshalb nicht von entscheidender Bedeutung. Gleiches gilt für den allgemeinen Umstand, dass ein 60 Jahre alter Arbeitloser aus Altersgründen nicht mehr in der Lage ist, seine Altersversorgung entscheidend zu verbessern. Maßgebend sind vielmehr - wie ausgeführt - die aus der besonderen Berufsbiographie des Klägers folgenden Versorgungslücken.
Nach allem hat die Berufung des Klägers Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat vor dem Hintergrund der vorliegenden BSG-Rechtsprechung keinen Anlass gesehen, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, zumal die hier maßgeblichen Alhi-Vorschriften mit Ablauf des 31. Dezember 2004 außer Kraft getreten sind.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger über den 17. Oktober 2003 hinaus Arbeitslosenhilfe (Alhi) zusteht. Dabei geht es im Wesentlichen um Fragen der Bedürftigkeit.
Der 1944 geborene verheiratete Kläger, der aus Nigeria stammt und 1971 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, stand seit 1995 im Leistungsbezug der Beklagten. Seine Ehefrau ist 1950 geboren; sie bezog ab 1. März 2002 bis 20. Dezember 2003 Arbeitslosengeld (Alg). Der Kläger bezog zuletzt Alhi für den Bewilligungsabschnitt bis 17. Oktober 2003. Der wöchentliche Leistungssatz betrug ab 1. Januar 2003 117,18 EUR (Berechnungsgrundlagen: gerundetes Bemessungsentgelt 340,00 EUR, Leistungsgruppe A, Kindermerkmal 0). Eine Anrechnung von Vermögen erfolgte nicht.
Am 1. Oktober 2003 stellte der Kläger einen Fortzahlungsantrag. Dabei gab er - wie in früheren Leistungsanträgen - an, dass seine Ehefrau und er über folgende Kapitallebensversicherungen verfügten, die der Altersversorgung dienen sollten:
1. Lebensversicherung der Ehefrau des Klägers bei der H ( ), Beginn 1. Mai 1982, Ablauf 1. Mai 2012, Überschussguthaben zum 1. Mai 2002 9.702,00 EUR, Rückkaufswert zum 1. November 2002 11.822,90 EUR, Auszahlungsbetrag zum 1. November 2003 insgesamt 21.524,90 EUR.
2. Lebensversicherung des Klägers bei der A ( ), Beginn 1. September 1978, Ablauf 31. August 2004, Rückkaufwert zum 1. November 2003 einschließlich Überschussbeteiligung 36.823,80 EUR.
Mit Bescheid vom 12. November 2003 lehnte die Beklagte den Fortzahlungsantrag ab. Sie führte aus, dass der Kläger nicht bedürftig sei und deshalb keinen Leistungsanspruch habe (§§ 190, 193 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]). Er verfüge nämlich gemeinsam mit seiner Ehefrau über Vermögen in Höhe von 58.348,70 EUR, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages für ihn in Höhe von 31.200,00 EUR und für seine Ehefrau in Höhe von 10.800,00 EUR verblieben 16.348,70 EUR. Dieser Betrag sei bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen.
Hiergegen legte der Kläger am 26. November 2003 Widerspruch ein. Er machte nochmals geltend, dass es sich bei dem berücksichtigten Vermögen um Rückkaufwerte aus zwei Lebensversicherungen handele, die der Altersversorgung dienen sollten. Er habe nur sehr geringe Rentenanwartschaften erworben; die zu erwartende Rente liege unter dem Sozialhilfesatz. Im Übrigen sei er mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 Schwerbehinderter. Er beanspruche Alhi lediglich bis zum voraussichtlichen Rentenbeginn am 1. April 2004. Nach Eintritt in das Rentenalter wolle er die Beträge aus den Lebensversicherungen dazu verwenden, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Seine Lebensversicherung werde im September 2004 fällig. Eine vorzeitige Kündigung sei wegen der damit verbundenen Verluste unwirtschaftlich. Hinzuweisen sei auch darauf, dass die Lebensversicherungen bislang von der Beklagten nicht leistungsmindernd berücksichtigt worden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2003, zugestellt am 16. Dezember 2003, wies die Beklagte den Widerspruch unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück. Ergänzend begründete sie ihre Entscheidung mit den Bestimmungen der Arbeitslosenhilfe-Verordnung 2002 (AlhiV) und führte aus, dass danach nur das nach dem Einkommenssteuergesetz (EStG) geförderte Altersvorsorgevermögen und nachweislich für die Alterssicherung bestimmte Sachen und Rechte des Arbeitslosen und seines Partners, wenn diese nach § 231 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit seien, von der Berücksichtigung ausgenommen seien (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 AlhiV). In diesem Sinne privilegiertes Vermögen liege hier nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Verwertung des Vermögens zumutbar. Die Verwertung der Lebensversicherung sei nur dann unwirtschaftlich und somit nicht zumutbar, wenn der Rückzahlungsbetrag nach Abzug eventueller Gebühren den Einzahlungsbetrag um mehr als 10 v. H. unterschreite. Das sei hier nicht der Fall. Da das verwertbare Vermögen des Klägers die nach § 1 Abs. 2 AlhiV maßgeblichen Freibeträge (Kläger: 60 x 520,00 EUR = 31.200,00 EUR; Ehefrau: 54 x 200,00 EUR = 10.800,00 EUR) übersteige, sei er nicht bedürftig. Es sei ihm zuzumuten, durch die Verwertung des Vermögens seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi zu bestreiten.
Der Kläger hat am 13. Januar 2004 bei dem Sozialgericht Kiel Klage erhoben. Seit dem 1. April 2004 bezieht er von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute: Deutsche Rentenversicherung Bund) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von 325,00 EUR monatlich.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und unter Vorlage eines Schreibens der A geltend gemacht, dass seine Lebensversicherung zum 1. September 2004 regulär ausgelaufen sei. Die Gesamtleistung zu diesem Stichtag habe 39.526,90 EUR betragen; der Rückkaufswert (Gesamtleistung) zum 1. Dezember 2003 habe sich auf 37.093,40 EUR belaufen. Bei vorzeitiger Kündigung dieser Versicherung hätte er somit einen Verlust von ca. 2.500,00 EUR erlitten.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 12. November 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger über den 17. Oktober 2003 hinaus Arbeitslosenhilfe aufgrund sei- nes Fortzahlungsantrages zu gewähren.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach mündlicher Verhandlung am 30. November 2004 hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom selben Tage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Rechtsauffassung zu Eigen gemacht. Ergänzend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Entscheidungen der Beklagten auch mit den Bestimmungen der zum 1. Januar 2003 geänderten AlhiV in Einklang stünden. Die mit der geänderten Verordnung verbundenen Einschränkungen seien - insbesondere verfassungsrechtlich - nicht zu beanstanden.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigen am 21. Januar 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 14. Februar 2005 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegte Berufung des Klägers.
Zur Begründung wiederholt er sein erstinstanzliches Vorbringen und rügt, dass das Sozialgericht nicht geprüft habe, ob in seiner Person eine soziale Härte vorliege, die trotz vorhandenen Vermögens zu einem Alhi-Anspruch führe. Insoweit nehme er Bezug auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Dezember 2004 (B 7 AL 30/04 R, SozR 4 4300 § 193 Nr. 2), wonach neben den starren Altersfreibeträgen auch eine solche Härtefallprüfung vorzunehmen sei. In seinem Fall sei folgendes zu berücksichtigen: Er sei in Nigeria am Agrarministerium tätig gewesen. In Deutschland habe er zunächst Agrarwissenschaften studiert; das Studium habe er schließlich zwecks Versorgung seiner Familie aufgegeben. Von 1982 bis 1984 habe er eine Ausbildung zum Zahntechniker absolviert. Er habe diesen Beruf allerdings nicht ausüben können, weil er durch den mit dieser Tätigkeit verbundenen Kontakt mit Chemikalien (z. B. Asbest) erkrankt sei. Seither leide er unter Bronchialasthma und Allergien und sei mit einem GdB von 70 schwerbehindert. Für seine Tätigkeiten in Nigeria habe er keine Rentenanwartschaften erworben. Im Hinblick auf die in Deutschland zu erwartende niedrige Rente habe er bereits nach seiner Erkrankung in den 80er Jahren durch Abschluss von Kapitallebensversicherungen eine private Altersvorsorge aufgebaut. Bei vorzeitiger Inanspruchnahme würde die Alterssicherung unzureichend sein. Angesichts der Umstände könne von ihm nicht erwartet werden, dass er seine Lebensversicherung vorab in Anspruch nehme. Aufgrund seines Lebensalters sei er nicht mehr in der Lage, sich zusätzliches Vermögen selbst aufzubauen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. November 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 17. Oktober 2003 hinaus Arbeitslosenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt das angefochtene Urteil und macht geltend, dass auch die von dem Kläger zitierte BSG-Rechtsprechung und weitere Entscheidungen des BSG zu keiner anderen Beurteilung führen könnten. Zwar habe das BSG entschieden, dass die AlhiV 2002 mit der Ermächtigungsnorm insoweit nicht in Einklang stehe, als sie keine Regelung enthalte, nach der die besonderen Umstände des Einzelfalles Berücksichtigung finden könnten. Der Freibetrag nach § 1 Abs. 2 AlhiV sei indessen - auch nach seiner 2003 und 2004 erfolgten Absenkung - ermächtigungs- und verfassungskonform. Vorliegend könne die Beklagte keinen (objektiven) Härtefall erkennen, der einer besonderen Würdigung bedürfe. Das BSG habe mit Urteil vom 27. Januar 2005 (B 7a/7 AL 34/04 R, veröffentlicht in juris) klargestellt, dass ein Härtefall nicht bereits darin zu sehen sei, dass sich der Arbeitslose angesichts seines fortgeschrittenen Alters keine weitergehende Altersversorgung mehr aufbauen könne. Diesem Aspekt werde nämlich bereits durch § 1 Abs. 2 AlhiV 2002 (vorliegend zudem auch durch die Übergangsvorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 AlhiV 2002) Rechnung getragen, indem älteren Arbeitslosen ein höheres Schonvermögen zugebilligt werde als jüngeren. Da die Vermögenswerte des Klägers und seiner Ehefrau deutlich über den erhöhten Freibeträgen gelegen hätten, gehe die Beklagte weiterhin von fehlender Bedürftigkeit des Klägers aus.
Dem Senat haben die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakten vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird hierauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Denn unter Berücksichtigung der in der jüngsten Rechtsprechung des BSG entwickelten Maßstäbe hat der Kläger entgegen der von der Beklagten und - ihr folgend - von dem Sozialgericht vertretenen Auffassung Anspruch auf Alhi für die Zeit vom 17. Oktober 2003 bis 31. März 2004 (§ 190 Abs. 1 Nr. 5, § 193 Abs. 2 SGB III in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung). Dieser Anspruch ist insbesondere nicht wegen fehlender Bedürftigkeit ausgeschlossen.
Dass der Kläger die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 190 Abs. 1 SGB III für Alhi (Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung, fehlende Anwartschaftszeit auf Alg, Vorfrist) erfüllt, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig und bedarf insoweit keiner weitern Begründung. Entgegen der vom Sozialgericht bestätigten Auffassung der Beklagten liegt auch Bedürftigkeit vor.
Nach § 193 Abs. 1 SGB III ist bedürftig ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. § 193 Abs. 2 SGB III bestimmt darüber hinaus, dass nicht bedürftig ein Arbeitsloser ist, solange mit Rücksicht auf u. a. sein Vermögen und das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. § 193 SGB III wird konkretisiert durch die AlhiV 2002, die für den hier streitigen Leistungszeitraum in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung zu Grunde zu legen ist.
Ausgehend von den seitens der Lebensversicherungsgesellschaften bescheinigten Rückkaufwerten zum 1. November 2003 (einschließlich Überschussbeteiligungen) von 21.524,90 EUR und 36.823,80 EUR (Summe: 58.348,70 EUR) sind danach zunächst die nach der AlhiV 2002 geltenden Freibeträge in Abzug zu bringen. Nach § 1 Abs. 2 AlhiV in der hier maßgeblichen Fassung ist Freibetrag ein Betrag von 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners (maximal jeweils 13.000,00 EUR); nach § 4 Abs. 2 Satz 2 AlhiV ist abweichend davon der zuvor geltende Freibetrag von 520,00 EUR (Höchstbetrag: 33.800,00 EUR) weiterhin anzuwenden für Personen, die - wie der Kläger - bis zum 1. Januar 1948 geboren sind. Vor diesem Hintergrund ist hier zunächst von Freibeträgen für den Kläger in Höhe von 59 x 520,00 EUR = 30.680,00 EUR und für seine Ehefrau in Höhe von 54 x 200,00 EUR = 10.800,00 EUR, in der Summe also von einem Freibetrag in Höhe von 41.480,00 EUR auszugehen, wodurch sich das zu berücksichtigende Vermögen auf 16.868,70 EUR reduzierte. Soweit die Beklagte für den Kläger ursprünglich von einem Freibetrag von 60 x 520,00 EUR = 42.000,00 EUR ausgegangen war, lag - worauf in der Berufungserwiderung zu Recht hingewiesen wurde - ein Rechenfehler vor, weil der Kläger das 60. Lebensjahr erst am 24. März 2004 vollendet hat, nicht jedoch zu Beginn des hier streitigen Leistungszeitraums am 18. Oktober 2003.
Allerdings hat das BSG in jüngster Rechtsprechung wiederholt entschieden, dass die Vorschriften der AlhiV 2002 mit der Ermächtigungsgrundlage des § 206 Nr. 1 SGB III i.V.m. § 193 SGB III nicht in Einklang stehen, weil in der AlhiV keine allgemeine Härteklausel (mehr) enthalten war (vgl. BSG, Urteile vom 14. September 2005, B 11a/11 AL 71/04 und B 11a/11 AL 75/04 R; Urteile vom 25. Mai 2005, B 11a/11 AL 73/04 R und B 11a/11 AL 51/04 R, SozR 4-4220 § 6 Nr. 2; Urteil vom 17. März 2005, B 7a/7 AL 68/04 R, SozR 4-4300 § 193 Nr. 5; Urteil vom 9. Dezember 2004, B 7 AL 44/04 R, BSGE 94, 121 = SozR 4 4300 § 193 Nr. 3 [sämtlich auch veröffentlicht in juris]). Dies gilt auch für die - hier maßgebliche - zum 1. Januar 2003 geänderte Fassung der AlhiV (BSG, Urteil vom 14. September 2005, B 11a/11 AL 71/04 R, a.a.O., m.w.N.).
Mit Urteil vom 17. März 2005 (a.a.O.) hat das BSG entschieden, dass in der Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 im Rahmen einer gesetzlichen Härtefallregelung (§ 193 Abs. 2 SGB III) zusätzlich zum generellen Vermögensfreibetrag bei einer Lebensversicherung, die gemäß § 165 Abs. 1 und 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) gekündigt werden konnte, 200,00 EUR pro Lebensjahr des Leistungsempfängers und seines Partners (Höchstbetrag je 13.000,00 EUR) als Härtefall privilegiert sind, wenn diese der Altersvorsorge dient. Zur Begründung hat das BSG ausgeführt, dass bei der Berücksichtigung von Vermögen nach der AlhiV 2002 im Rahmen der Härtefallklausel zumindest die ab 1. Januar 2005 geltenden Grundfreibeträge des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) in entsprechender Anwendung zu beachten seien. Dieser Rechtsprechung folgt der Senat (vgl. bereits Urteil des Senats vom 2. Dezember 2005, L 3 AL 100/04). Danach sind hier über die bereits beschriebenen Freibeträge hinaus auch die vom BSG in dem Urteil vom 17. März 2005 beschriebenen weiteren Freibeträge zu berücksichtigen, die in ihrer Summe das nach vorstehender Berechnung verbliebene Vermögen von 16.868,70 EUR übersteigen (59 x 200,00 EUR = 11.800,00 EUR zuzüglich 54 x 200,00 EUR = 10.800,00 EUR, Summe: 22.600,00 EUR).
Dass die Lebensversicherungen der Altersvorsorge dienen, ist nach Auffassung des Senats glaubhaft. Zum einen hat der Kläger stets eine entsprechende Zweckbestimmung geltend gemacht, zum anderen handelt es sich um Geldanlagen, die erst nach Eintritt des Rentenbezuges des Klägers fällig werden bzw. geworden sind. Die auf den Namen des Klägers lautende Lebensversicherung wurde zum 1. September 2004 ausgezahlt; die auf den Namen seiner Ehefrau lautende Lebensversicherung wird erst im Jahre 2012 fällig. Vor dem Hintergrund der Versorgungslücken, die sich aus dem besonderen beruflichen Werdegang des Klägers ergeben, ist die Zweckbestimmung der Lebensversicherungen zur Altersvorsorge ohne Weiteres nachvollziehbar.
Die in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II bezeichnete Unverwertbarkeit auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung kann in diesem Zusammenhang nicht uneingeschränkt gelten. Denn vor dem 1. Januar 2005 konnten bei Lebensversicherungen die Versicherungsnehmer die Voraussetzungen der erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Vorschrift bei der damaligen Vertragsgestaltung, die eine Einschränkung der Verwertbarkeit üblicherweise nicht vorsah, von vornherein nicht erfüllen. Dies zwingt bei der entsprechenden Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in der Zeit vor dem 1. Januar 2005 für die Härtefallprüfung des § 193 Abs. 2 SGB III dazu, auf die Voraussetzungen einer vertraglichen Vereinbarung über die Nichtverwertbarkeit jedenfalls für die von § 165 Abs. 1 und 2 VVG betroffenen Lebensversicherungen zu verzichten (BSG, Urteile vom 14. September 2005 und vom 17. März 2005, jeweils a.a.O.).
Der Senat bezieht die vorstehend zitierte BSG-Rechtsprechung auch auf Fälle wie den vorliegenden, in dem zugunsten des Arbeitslosen infolge der Übergangsregelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 AlhiV weiterhin der höhere (allgemeine) Freibetrag von 520,00 EUR zum Tragen kommt. Zwar liegt der BSG-Entscheidung vom 17. März 2005 (a.a.O.), in der erstmals die Gewährung eines weiteren Freibetrages von 200,00 EUR bei der Altersvorsorge dienenden Lebensversicherungen entwickelt wurde, ein Sachverhalt zu Grunde, in dem diese Übergangsregelung wegen jüngeren Alters des Arbeitslosen nicht eingriff. Bereits mit Urteil vom 9. Dezember 2004 (a.a.O.) hatte das BSG das Erfordernis einer allgemeinen Härteklausel jedoch in einem Fall entwickelt, in dem der dortige Kläger - wie hier - 1944 geboren ist. Auch die BSG-Entscheidung vom 25. Mai 2005 (a.a.O.), die für die notwendige allgemeine Härteklausel nochmals als Mindeststandard die Maßstäbe des ab 1. Januar 2005 geltenden Rechts (§ 12 SGB II) betont, bezieht sich auf einen Sachverhalt, in dem der dortige Kläger wie hier - 1944 geboren ist. Vor diesem Hintergrund spricht nichts dafür, dass das BSG mit dieser Rechtsprechung nur in den Fällen, in denen die AlhiV 2002 in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung einen auf 200,00 EUR herabgesenkten allgemeinen Freibetrag vorsah, im Wege einer ermächtigungs- und verfassungskonformen Auslegung den vorstehend beschriebenen weiteren Freibetrag schaffen wollte.
Ob es nach dieser Rechtsprechung in Fällen wie dem vorliegenden noch der gesonderten Feststellung eines Härtefalles bedarf oder ob bereits der Umstand, dass die Verwertung einer der Altersvorsorge dienenden Kapitallebensversicherung in Rede steht, im Rahmen der aus § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II abgeleiteten Grenzen ohne Weiteres einen Härtefall begründet, kann letztlich dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls liegen hier nach den vom BSG in den Urteilen vom 14. September 2005 (a.a.O.) beschriebenen Maßstäben für eine Härtefallprüfung, die insbesondere auf Besonderheiten der jeweiligen Berufsbiographie und daraus resultierende Versorgungslücken abstellen (Urteil vom 14. September 2005, B 11a/11 AL 71/04 R, a.a.O.), weitere Umstände vor, aufgrund derer unabhängig von der Anlageform der Lebensversicherung ein Härtefall anzunehmen ist. Dies folgt insbesondere daraus, dass der Kläger nach seinem Wechsel von Nigeria in die Bundesrepublik Deutschland hier nur sehr eingeschränkt Rentenanwartschaften erwerben konnte, wobei erschwerend hinzukam, dass er aus den in der Berufungsbegründung glaubhaft geschilderten gesundheitlichen Gründen an der Ausübung des hier erlernten Berufs des Zahntechnikers gehindert war. Gerade die nicht mit Rentenanwartschaften belegte Zeit bis 1971 in Nigeria lässt den beruflichen Werdegang des Klägers grundlegend anders erscheinen als denjenigen eines Arbeitnehmers, der in der Bundesrepublik Deutschland altersentsprechende Rentenanwartschaften erwerben konnte, selbst wenn er später arbeitslos wurde. Dass ein Härtefall nicht schon vorliegt, wenn die Altersversorgung durch Zeiten der Arbeitslosigkeit eines Arbeitnehmers geschmälert wird (BSG, Urteil vom 14. September 2005, B 11a/11 AL 71/04 R, a.a.O.), ist hier deshalb nicht von entscheidender Bedeutung. Gleiches gilt für den allgemeinen Umstand, dass ein 60 Jahre alter Arbeitloser aus Altersgründen nicht mehr in der Lage ist, seine Altersversorgung entscheidend zu verbessern. Maßgebend sind vielmehr - wie ausgeführt - die aus der besonderen Berufsbiographie des Klägers folgenden Versorgungslücken.
Nach allem hat die Berufung des Klägers Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat vor dem Hintergrund der vorliegenden BSG-Rechtsprechung keinen Anlass gesehen, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, zumal die hier maßgeblichen Alhi-Vorschriften mit Ablauf des 31. Dezember 2004 außer Kraft getreten sind.
Rechtskraft
Aus
Login
SHS
Saved