Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 277/05
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Erforderlichkeit teil-stationärer Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus
Die Beklagte wird verurteilt, aus der Endabrechnung des Klägers vom 30.01.2003 betreffend die Patientin K ..., ... Rechnungs-Nr.: ...an den Kläger 4.844,58 EUR nebst 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 15.02.2003 zu zahlen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten und trägt die Gerichtskosten.
Der Streitwert wird auf 4.844,58 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für eine teil-stationäre Behandlung der bei der Beklagten versicherten K ...
Die Versicherte erlitt am 09.09.2000 einen kardial-embolisch bedingten Hirninfarkt. Sie ist multimorbid und leidet an absoluter Arrhythmie des Herzschlags, Zustand nach schwerem Schlaganfall, Autoaggressionskrankheit der Schilddrüse, Pilzbefall von Finger- und Ze-hennägeln, einem schnellendem Finger, Bluthochdruck, Fettsucht, Zuckerkrankheit, Zu-stand nach Glaskörpereinblutung am Auge und einer peripheren arteriellen Verschluss-krankheit. Sie absolvierte nach ihrem Hirninfarkt mehrere ambulante, teil-stationäre und stationäre Behandlungen.
Am 16.09.2002 verordnete die Allgemeinmedizinerin Dr. G ... wegen Zustands nach Me-diainfarkt links und Verschlechterung der Greiffunktionen, insbesondere der rechten Hand, eine Krankenhausbehandlung in der Tagesklinik für kognitive Neurologie am Universi-tätsklinikum ... Es handelt sich hierbei um eine zugelassene Einrichtung nach § 108 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Dort war die Versicherte vom 16.09. bis 28.10.2002 im Haus des Klägers teil-stationär aufgenommen worden.
Am 17.09.2002 beantragte der Kläger die Kostenübernahme.
Daraufhin holte die Beklagte zur Überprüfung der Notwendigkeit einer teil-stationären Behandlung eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) von Frau Dr ... ein. Diese teilte unter dem 25.10.2002 mit, dass zwar viele Di-agnosen aufgezählt seien, alle Erkrankungen aber ambulanter Behandlung zugänglich sei-en. Unter Bezugnahme hierauf lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 30.10.2002 die Kos-tenübernahme ab. Die Notwendigkeit einer neuerlichen teil-stationären Behandlung sei nicht erkennbar. Zum Erreichen des Behandlungszieles reiche eine ambulante Behandlung aus, zumal der Einsatz der spezifischen Mittel des Krankenhauses nach bereits vorange-gangener fast viermonatiger teil-stationärer Behandlung in der Abteilung fraglich erschei-ne.
Mit Schreiben vom 16.12.2002 wiederholte der Kläger seinen Antrag auf Kostenübernah-me unter Darstellung der medizinischen Gründe. Frau Dr ... wiederholte demgegenüber am 03.01.2003 für den MDK, dass trotz Multi-morbidität die Notwendigkeit einer teil-stationären Betreuung nicht nachvollziehbar sei. Am 30.10.2003 übersandte der Kläger seine Endabrechnung in Höhe von insgesamt 4.844,58 EUR.
Am 24.07.2003 hat er unter Darlegung der medizinischen Erforderlichkeit einer teil-stationären Behandlung der Versicherten Klage zum Sozialgericht Dresden erhoben. Zu-sammengefasst verwies er auf schwere hochkomplexe Erkrankungen der Versicherten, bei denen jederzeit mit erheblichen Komplikationen zu rechnen gewesen sei. Der Zustand nach Hirninfarkt habe sich verschlechtert. Die kardiale, medikamentöse und nichtmedikamentö-se Behandlung habe internistisch optimiert und der entglittene diabetische Stoffwechsel überwacht werden müssen. Die latente Hypothyreose sei durch ein EKG zu kontrollieren gewesen. Für die Nagelerkrankungen habe er einen Dermatologen hinzugezogen. Die psy-chisch auffällige Antriebsstörung habe medikamentös eingestellt und der schnellende Fin-ger behandelt werden müssen.
Auf Beweisanordnung vom 12.11.2003 hat Prof. Dr ... am 27.02.2004 ein fachneurolo-gisches Gutachten erstellt. Hierauf legte die Beklagte ein weiteres Gutachten des MDK von Frau Dr ... vom 26.05.2004 vor, woraufhin das Sozialgericht Dresden eine gutach-terliche Stellungnahme des Sachverständigen vom 17.08.2004 einholte. Hierauf replizierte der MDK durch ein weiteres Gutachten von Frau Dr ... vom 18.11.2004.
Mit Beschluss vom 22.04.2005 hat das Sozialgericht Dresden den Rechtsstreit an das Sozi-algericht Leipzig verwiesen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.844,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 % über dem jeweilig geltenden Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 15.02.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die Versicherte statt teil-stationärer Behandlung einer medizini-schen Rehabilitation hätte unterzogen werden können.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Aktenin-halt, eine Gerichtsakte, drei Fertigungen der Verwaltungsakte sowie drei Patientenakten der Versicherten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug ge-nommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als echte Leistungsklage statthaft und zulässig (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsge-setz (SGG)), denn es handelt sich um eine Zahlungsklage im Gleichordnungsverhältnis. Es bedarf mithin weder eines Vorverfahrens noch der Einhaltung einer Klagefrist (wie hier: BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az: B 3 KR 33/99 R).
Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die vom Kläger geltend ge-machten Kosten für eine teil-stationäre Unterbringung der bei der Beklagten versicherten K ... für den Zeitraum 16.09. bis 28.10.2002 in Höhe von 4.844,58 EUR zuzüglich Zinsen zu übernehmen.
Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung voll-stationär, teil-stationär, vor- und nachstationär (§ 115 a) sowie ambulant (§ 115 b) erbracht. Nach Satz 2 der Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf voll-stationäre Behandlung in einem zuge-lassenen Krankenhaus (§ 108), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teil-stationäre, vor- und nachstatio-näre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Kläger ist als Universitätsklinikum ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 Nr. 1 SGB V. Im Unterschied zur ambulanten Behandlung ist der Patient bei teil-stationärer Versorgung physisch und organisatorisch in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses eingegliedert (wie hier: Wagner, Soziale Krankenversiche-rung/Pflegeversicherung, § 39 Rdnr. 4 EL 33).
Hierbei resultiert die Zahlungsverpflichtung der Beklagten – unabhängig von einer etwai-gen Kostenzusage – bereits allein aus dem Sachleistungsprinzip. Nach § 2 Abs. 2 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Nach Satz 3 der Bestimmung schließen die Krankenkassen über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern. Der Behand-lungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht damit ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16 f Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) nach Maßgabe der Bun-despflegesatzverordnung (BPflV) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenhaus-trägern und Krankenkasse festgelegt wird (BSG, Urteil vom 23.07.2002, Az: B 3 KR 64/01 R). Mit dem Erbringen der Krankenhausbehandlung durch den Kläger als zugelassenem Leistungserbringer wird somit der Sachleistungsanspruch des Versicherten realisiert (vgl. § 2 Abs. 2 SGB V). Zugleich wird konkludent über dessen konkreten Leistungsanspruch entschieden. Solange die Krankenkasse gegenüber dem Versicherten schweigt, muss diese die Entscheidung gegen sich gelten lassen. Nachträgliche Einwendungen gegen ihre Leis-tungspflicht kann sie, ausgenommen im Falle des Missbrauchs durch den Versicherten, nur im Verhältnis zum Leistungserbringer geltend machen (BSG, in: Breithaupt 1997, 16).
Die Verordnung durch den Vertragsarzt allein reicht indes zur Begründung einer Zah-lungspflicht der Krankenkasse noch nicht aus. Frau Dr. G ... hatte vorliegend am 16.09.2002 eine Behandlung der Versicherten in der Tagesklinik für kognitive Neurologie des Klägers verordnet. Wenngleich die Verordnung durch einen Vertragsarzt, ausgenom-men Notfälle, Voraussetzung für die von der Krankenkasse geschuldete Krankenhausbe-handlung ist, ist die Therapiefreiheit des Krankenhausarztes dadurch grundsätzlich nicht eingeschränkt. Vielmehr bleibt es dem Krankenhausarzt überlassen, über Art und Erforder-lichkeit der Krankenhausbehandlung selbst zu entscheiden (BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az: B 3 KR 33/99 R). Hierbei hat das Krankenhaus eigenverantwortlich zu prüfen, ob eine Krankenhausbehandlung notwendig ist. Dies geht insbesondere aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V hervor. Es darf sich insoweit nicht auf die Beurteilung des Vertragsarztes verlas-sen, weil die Therapiefreiheit des Krankenhausarztes grundsätzlich, auch nicht durch Ver-ordnung des Vertragsarztes, eingeschränkt ist (wie hier: BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az: B 3 KR 33/99 R). Dies bedeutet, dass sich die erforderliche Behandlung nach der Art der Erkrankung mit Aussicht auf Erfolg nur in einem Krankenhaus mit dessen besonderen Mit-teln durchführen lässt. Ähnlich wie bei der Prüfung der Erforderlichkeit von Rehabilitati-onsleistungen gilt damit auch insoweit ein "gestuftes System". Für die teil-stationäre Be-handlung ist entscheidend, dass sich eine Behandlung mit den spezifischen Mitteln des Krankenhauses als erforderlich erweist. Ob die Krankenhausbehandlung tatsächlich erfor-derlich ist, entscheidet deshalb zunächst der verantwortliche Krankenhausarzt. Der teil-stationäre Aufenthalt der Versicherten war hier nach Auffassung des Klägers medizinisch geboten.
Nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung ist die Krankenkasse jedoch nur verpflichtet, die vereinbarten Entgelte zu zahlen, wenn die Ver-sorgung im Krankenhaus erforderlich ist (vgl. § 39 SGB V). Als Teil der Krankenbehand-lung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V muss sie notwendig sein, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Für den Fall, dass kostengünstigere Behandlungsformen, wie hier: eine ambulante Behandlung, ausgereicht hätten, hätte ein Anspruch auf teil-stationäre Krankenhausbe-handlung nicht bestanden. Nur dann, wenn sich die Entscheidung des Krankenhausarztes nach seinen jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten als nicht vertretbar herausstellt, entfällt die Zahlungspflicht der Krankenkasse für die (teil-) stationäre Versorgung eines Versicher-ten (BSG, Urteil vom 13.12.2001, a.a.O.).
Der Krankenkasse ist dafür ein eigenständiges Überprüfungsrecht eingeräumt. Zwar ergibt sich aus § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, dass die Krankenkassen lediglich in gesetzlich be-stimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, die Verpflichtung trifft, zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen und Zusam-menarbeit der Rehabilitationsträger nach den §§ 10 bis 12 des Neunten Buches, im Be-nehmen mit dem behandelnden Arzt, eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einzuholen. Gleichwohl ist die Krankenkasse trotz des engen Wortlautes der Bestimmung berechtigt, alle Leistungsarten des § 11 SGB V zu überprüfen. Die Überprüfung der Leistungen erfasst hierbei alle im Zusammenhang mit der Leistungsgewährung relevanten medizinischen Fragen. Insbesondere ist neben den beispielhaft angesprochenen (medizinischen) Leistungsvoraussetzungen auch zu prüfen, unter welchen Gesichtspunkten welche Leistung dem Grunde und der Höhe nach angezeigt ist. Hierbei soll die gutachterliche Stellungnahme des MDK dazu beitragen, aus der breiten Palette der Ansprüche aus der gesetzlichen Krankenversicherung dem Versicherten die aus medizinischer Sicht optimale und zugleich wirtschaftlichste Leistung bereitzustellen (eben-so: Baier, in: Krauskopf, a.a.O., § 275 Rdnr. 6 EL 47).
In erweiternder Auslegung des Gesetzeswortlautes des § 275 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ist damit den Krankenkassen das Recht zuzubilligen, eine Krankenhausabrechnung auch rechnerisch bzw. sachlich zu überprüfen, selbst wenn ihrem Wortlaut nach die Vorschrift lediglich die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen beinhaltet. Denn die Ab-rechnungsüberprüfung wird vom Regelungsgehalt der Vorschrift mit umfasst, weil sie der dort geregelten Wirtschaftlichkeitsprüfung notwendigerweise vorgeschaltet ist (wie hier: BSG, Urteil vom 23.07.2002, a.a.O.).
Bei Überprüfung der Notwendigkeit teil-stationärer Behandlung muss man indes zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die bisherige ambulante Behandlung, entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten, die Krankheitsbeschwerden der Versicherten nicht erfolg-reich lindern oder bekämpfen konnte. Vielmehr hatte sich ihr gesundheitliches Befinden vor teil-stationärer Aufnahme sogar verschlechtert. Unter Würdigung sämtlicher Befunde sprachen insbesondere drei entscheidende Aspekte für die Notwendigkeit einer teil-stationären Behandlung der Versicherten: zum einen deren Multimorbidität; zum anderen der Abstimmungsbedarf, der sich auf Grund der vielfältigen Erkrankungen der Versicher-ten zwischen den einzelnen medizinischen Fachgebieten ergeben hat und die die bisherige Behandlung erschwerte; und zuletzt die eingetretene Verschlechterung in deren Befinden, die eine weitere ambulante Behandlung nicht mehr angezeigt sein ließ.
Dies bestätigt auch das eingeholte fachneurologische Gutachten von Prof. Dr. H ... vom 27.02.2004. In der Verordnung der Krankenhausbehandlung vom 16.09.2002 fand sich die Diagnose "Zustand nach Media-Infarkt links, Verschlechterung der Greiffunktion, insbe-sondere rechte Hand". Die Einweisungsdiagnose lautete: "Zustand nach Media-Infarkt, absolute Arrhythmie". Hinzu kam eine diabetische Polyneuropathie, ein Zustand nach Glaskörperblutung und eine diabetische Retinopathie bei Diabetes mellitus Typ II B. Es bestand eine organische Antriebsstörung sowie das Syndrom des schnellenden Fingers beidseits, dazu eine Autoimmunthyreoiditis und eine chronische Onychomykose. Bereits damals war bemerkt worden, dass eine ambulante logopädische und physiotherapeutische Vorbehandlung ohne sichtbaren Erfolg blieb. Das Gutachten des MDK vom 07.01.2003 war hingegen fachfremd von Frau Dr. S ... erstellt worden. Über den Aufenthalt vom 09.04. bis 06.08.2002 wurde im neuropsychologischen Bericht zusammengefasst ausge-führt, dass erhebliche Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit und des Ver-haltens vorlagen, die dem Ausmaß einer leichtgradigen Demenz entsprachen. Es konnte indes damals das Antriebsvermögen der Versicherten deutlich verbessert werden. Sie zeig-te deutliche Verbesserungen hinsichtlich des kognitiven Verarbeitungstempos, wenngleich dies nicht der Altersnorm entsprach. In einem weiteren neuropsychologischen Bericht über den Aufenthalt vom 16.09. bis 18.10.2002 wurde bemerkt, dass sie regelmäßig zwei- bis dreimal pro Woche an einem spezifischen computergestützten Trainingsprogramm zu den kognitiven Funktionen teilgenommen hatte. Dieses wird indes nicht ambulant angeboten. Über den gesamten Therapiezeitraum konnte die Kondition der Versicherten kontinuierlich gesteigert werden. Am 16.09.2002 fand eine erneute stationäre Aufnahme statt, weil sich die Greiffunktion verschlechtert hatte. Weiterhin bestand eine organische Antriebsstörung. Durch vorherige ambulante logopädische und physiotherapeutische Behandlungsmaßnah-men konnte keine wesentliche Besserung erzielt werden.
Der Sachverständige stellte folgende Diagnosen:
Hämorrhagisch transformierter Media-Infarkt links mit schlaffer Hemiparese und Aphasie, absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern/-flattern, echokardiographisch gesicherter Vorhofthrombus, arterielle Hypertonie, insulinpflichtiger Diabetes mellitus, diabetische Polyneuropathie, diabetische Retinopathie, Zustand nach Glaskörpereinblutung und subretinaler Einblutung mit Ablatio retinae, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Autoimmunthyreoiditis mit initial hypothyreoter Stoffwechsellage, chronische Onychomykose, depressive Episode.
Wenngleich auch der Sachverständige zugeben musste, dass die erneute stationäre Auf-nahme vom 16.09. bis 28.10.2002 auffällig ist und nicht der allgemeinen regulären Verfah-rensweise entspricht, muss er dennoch konstatieren, dass gelegentlich besonders schwer betroffene Patienten auch erneut in Institutionen mit rehabilitativer Zielsetzung stationär aufgenommen werden müssen, wenn dies notwendig ist. Dies liegt darin begründet, dass im Allgemeinen bei Patienten mit Schlaganfällen mit einem Rehabilitationszeitfenster von zwei Jahren zu rechnen ist, bei jüngeren ggf. bis zu drei Jahren. Hier war der individuelle Verlauf jedoch dadurch gekennzeichnet, dass trotz intensiver Behandlungsbemühungen eine erneute Verschlechterung eingetreten war, die dem allgemeinen Verlauf nach Schlag-anfällen widersprach und vermutlich auf die individuelle komplexe Krankheitssituation mit einer Fülle internistischer Begleiterkrankungen, die auch cerebrovaskuläre Auswirkungen zeigten, begründet war. Die erneute Aufnahme beruhte auf der weiteren Verschlechterung. Insgesamt stellte der Sachverständige fest, dass die erneute Aufnahme in teil-stationäre Behandlung bei der individuellen Krankheitssituation der Versicherten unabwendbar und aus neurologischer Sicht medizinisch indiziert war. Nur so konnte eine optimale Therapie innerhalb des Rehabilitationszeitfensters durchgeführt werden, denn trotz ambulanter The-rapieversuche war eine weitere Verschlechterung eingetreten.
Dem steht auch nicht das Gutachten des MDK von Frau Dr. P ... vom 26.05.2004 entge-gen. Aus sozialmedizinischer Sicht führte Frau Dr. P ... aus, dass der Sachverständige keine durch konkrete Befunde unterlegte Angaben gemacht habe, aus denen eine Indikati-on für eine erneute Krankenhausbehandlung abgeleitet werden könne. Es hätte sich bspw. um eine rein subjektive Verschlechterung oder um einen Stillstand im Rückbildungspro-zess der Defizite handeln können. Die Schwere des Krankheitsbildes allein könne für die Notwendigkeit von rehabilitativ ausgerichteten Behandlungsmaßnahmen nicht richtungs-weisend sein, sondern nur die Behandlungsfähigkeit. Auch eine medizinische Notwendig-keit zur teil-stationären Behandlung bezüglich der internistischen Erkrankungen habe sich nicht erkennen lassen, zumal alle durchgeführten fachspezifischen Untersuchungen auch ambulant hätten erfolgen können (vgl. Blatt 67 ff. der Gerichtsakte).
Diese Ausführungen vermögen das Gericht jedoch nicht von der fehlenden Notwendigkeit teil-stationärer Behandlung zu überzeugen: Der Sachverständige weist zu Recht darauf hin, dass der Diabetes mellitus unter Insulintherapie gerade nicht unkompliziert verlaufen war. Es bestanden vielmehr komplexe Zusammenhänge zwischen internistischen Erkrankungen und Schlaganfällen. Das MDK-Gutachten berücksichtigt auch nicht in erforderlichem Um-fang die – trotz vielfältiger ambulanter Behandlungen eingetretene – Verschlechterung der Greiffunktion beider Hände und im Hirnleistungsvermögen. Insbesondere ließ sich ein besonders schwerer und atypischer Verlauf feststellen, der die Notwendigkeit teil-stationärer Behandlung erklärt. Dies liegt auch darin begründet, dass im Zeitraum 16.09. bis 18.10.2002 eine wesentliche Besserung erzielt werden konnte. Während des zweiten Aufenthaltes war ein gezieltes Hirnleistungstraining absolviert worden, das Übungen zur schnellen Reaktions-, Lern- und Gedächtnisleistung und die Ideenproduktion computerge-stützt durchführte. Diese Behandlungsmethoden stehen jedoch ambulant nicht zur Verfü-gung. Auf Grund der behandlungsbedürftigen Erkrankungen konnte die Beklagte die Ver-sicherte demgegenüber nicht auf (reine) Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation verweisen, da die gesetzgeberische Zielrichtung unterschiedlich ist (vgl. nur §§ 40, 11 Abs. 2 SGB V i.V.m. den Vorschriften des Neunten Buches). Vielmehr ergab sich - auch unter Würdigung der Einwände des MDK - aus dem individuellen Krankheitsverlauf und der besonderen Konstellation, insbesondere der Multimorbidität und der Verschlechterung im Gesamt-Befinden der Versicherten, die Notwendigkeit teil-stationärer Unterbringung.
Der Kläger hat hierzu überzeugend in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass aus-schließlich im Rahmen teil-stationärer Unterbringung eine entsprechende Behandlung ü-berhaupt erfolgen konnte. Gegen eine ambulante Behandlung sprach, dass eine neuropsy-chologische Therapie ambulant nicht zur Verfügung steht und nur durch die Tagesklinik des Klägers gewährleistet werden konnte. Die teil-stationäre Unterbringung war insbeson-dere deswegen notwendig, weil das therapeutische Regime gerade darin bestand, die Ver-sicherte nach den Maßnahmen, die in der Klinik durchgeführt worden waren, wieder in das häusliche Alltagsleben zu integrieren. Dies hat sie auch erfolgreich dadurch bewältigt, dass sie nach der Entlassung selbstständige Tätigkeiten, wie bspw. das Einkaufen, wieder wahr-nahm. Die hirnorganische Antriebsschwäche, die auf den erlittenen Schlaganfall zurückzu-führen war, musste in der Klinik speziell medikamentös neu eingestellt werden. Wegen der Multimorbidität der Versicherten gab es einen, nur teil-stationär zu bewältigenden, Ab-stimmungsbedarf zwischen den verschiedenen medizinischen Fachrichtungen. Bei der in der Einrichtung des Klägers behandelten Antriebsschwäche der Versicherten wäre es fer-ner schwer gewesen, sie zur Inanspruchnahme ambulanter Behandlungsmöglichkeiten zu bewegen.
Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 i.V.m. § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung. Danach war die Beklagte zur Zahlung von 4.844,58 EUR nebst 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 15.02.2003 zu verurteilen. Laut Pflegesatzvereinbarung von 2001 VII sind 2 % über dem Basiszinssatz 14 Tage nach Rechnungslegung zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da der Kläger vollumfänglich obsiegt hat, war die Beklagte zur Übernahme auch der Ge-richtskosten zu verurteilen (§ 197 a SGG).
Die Festsetzung des Streitwertes ist aus dem im Klageantrag bezeichneten Geldleistungsbetrag abzuleiten. Der Gegenstandsbetrag richtet sich nach dem Klagebegehren, mithin nach der Höhe der Klageforderung von 4.844,58 EUR.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten und trägt die Gerichtskosten.
Der Streitwert wird auf 4.844,58 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für eine teil-stationäre Behandlung der bei der Beklagten versicherten K ...
Die Versicherte erlitt am 09.09.2000 einen kardial-embolisch bedingten Hirninfarkt. Sie ist multimorbid und leidet an absoluter Arrhythmie des Herzschlags, Zustand nach schwerem Schlaganfall, Autoaggressionskrankheit der Schilddrüse, Pilzbefall von Finger- und Ze-hennägeln, einem schnellendem Finger, Bluthochdruck, Fettsucht, Zuckerkrankheit, Zu-stand nach Glaskörpereinblutung am Auge und einer peripheren arteriellen Verschluss-krankheit. Sie absolvierte nach ihrem Hirninfarkt mehrere ambulante, teil-stationäre und stationäre Behandlungen.
Am 16.09.2002 verordnete die Allgemeinmedizinerin Dr. G ... wegen Zustands nach Me-diainfarkt links und Verschlechterung der Greiffunktionen, insbesondere der rechten Hand, eine Krankenhausbehandlung in der Tagesklinik für kognitive Neurologie am Universi-tätsklinikum ... Es handelt sich hierbei um eine zugelassene Einrichtung nach § 108 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Dort war die Versicherte vom 16.09. bis 28.10.2002 im Haus des Klägers teil-stationär aufgenommen worden.
Am 17.09.2002 beantragte der Kläger die Kostenübernahme.
Daraufhin holte die Beklagte zur Überprüfung der Notwendigkeit einer teil-stationären Behandlung eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) von Frau Dr ... ein. Diese teilte unter dem 25.10.2002 mit, dass zwar viele Di-agnosen aufgezählt seien, alle Erkrankungen aber ambulanter Behandlung zugänglich sei-en. Unter Bezugnahme hierauf lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 30.10.2002 die Kos-tenübernahme ab. Die Notwendigkeit einer neuerlichen teil-stationären Behandlung sei nicht erkennbar. Zum Erreichen des Behandlungszieles reiche eine ambulante Behandlung aus, zumal der Einsatz der spezifischen Mittel des Krankenhauses nach bereits vorange-gangener fast viermonatiger teil-stationärer Behandlung in der Abteilung fraglich erschei-ne.
Mit Schreiben vom 16.12.2002 wiederholte der Kläger seinen Antrag auf Kostenübernah-me unter Darstellung der medizinischen Gründe. Frau Dr ... wiederholte demgegenüber am 03.01.2003 für den MDK, dass trotz Multi-morbidität die Notwendigkeit einer teil-stationären Betreuung nicht nachvollziehbar sei. Am 30.10.2003 übersandte der Kläger seine Endabrechnung in Höhe von insgesamt 4.844,58 EUR.
Am 24.07.2003 hat er unter Darlegung der medizinischen Erforderlichkeit einer teil-stationären Behandlung der Versicherten Klage zum Sozialgericht Dresden erhoben. Zu-sammengefasst verwies er auf schwere hochkomplexe Erkrankungen der Versicherten, bei denen jederzeit mit erheblichen Komplikationen zu rechnen gewesen sei. Der Zustand nach Hirninfarkt habe sich verschlechtert. Die kardiale, medikamentöse und nichtmedikamentö-se Behandlung habe internistisch optimiert und der entglittene diabetische Stoffwechsel überwacht werden müssen. Die latente Hypothyreose sei durch ein EKG zu kontrollieren gewesen. Für die Nagelerkrankungen habe er einen Dermatologen hinzugezogen. Die psy-chisch auffällige Antriebsstörung habe medikamentös eingestellt und der schnellende Fin-ger behandelt werden müssen.
Auf Beweisanordnung vom 12.11.2003 hat Prof. Dr ... am 27.02.2004 ein fachneurolo-gisches Gutachten erstellt. Hierauf legte die Beklagte ein weiteres Gutachten des MDK von Frau Dr ... vom 26.05.2004 vor, woraufhin das Sozialgericht Dresden eine gutach-terliche Stellungnahme des Sachverständigen vom 17.08.2004 einholte. Hierauf replizierte der MDK durch ein weiteres Gutachten von Frau Dr ... vom 18.11.2004.
Mit Beschluss vom 22.04.2005 hat das Sozialgericht Dresden den Rechtsstreit an das Sozi-algericht Leipzig verwiesen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.844,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 % über dem jeweilig geltenden Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 15.02.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die Versicherte statt teil-stationärer Behandlung einer medizini-schen Rehabilitation hätte unterzogen werden können.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Aktenin-halt, eine Gerichtsakte, drei Fertigungen der Verwaltungsakte sowie drei Patientenakten der Versicherten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug ge-nommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als echte Leistungsklage statthaft und zulässig (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsge-setz (SGG)), denn es handelt sich um eine Zahlungsklage im Gleichordnungsverhältnis. Es bedarf mithin weder eines Vorverfahrens noch der Einhaltung einer Klagefrist (wie hier: BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az: B 3 KR 33/99 R).
Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die vom Kläger geltend ge-machten Kosten für eine teil-stationäre Unterbringung der bei der Beklagten versicherten K ... für den Zeitraum 16.09. bis 28.10.2002 in Höhe von 4.844,58 EUR zuzüglich Zinsen zu übernehmen.
Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung voll-stationär, teil-stationär, vor- und nachstationär (§ 115 a) sowie ambulant (§ 115 b) erbracht. Nach Satz 2 der Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf voll-stationäre Behandlung in einem zuge-lassenen Krankenhaus (§ 108), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teil-stationäre, vor- und nachstatio-näre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Kläger ist als Universitätsklinikum ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 Nr. 1 SGB V. Im Unterschied zur ambulanten Behandlung ist der Patient bei teil-stationärer Versorgung physisch und organisatorisch in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses eingegliedert (wie hier: Wagner, Soziale Krankenversiche-rung/Pflegeversicherung, § 39 Rdnr. 4 EL 33).
Hierbei resultiert die Zahlungsverpflichtung der Beklagten – unabhängig von einer etwai-gen Kostenzusage – bereits allein aus dem Sachleistungsprinzip. Nach § 2 Abs. 2 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Nach Satz 3 der Bestimmung schließen die Krankenkassen über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern. Der Behand-lungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht damit ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16 f Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) nach Maßgabe der Bun-despflegesatzverordnung (BPflV) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenhaus-trägern und Krankenkasse festgelegt wird (BSG, Urteil vom 23.07.2002, Az: B 3 KR 64/01 R). Mit dem Erbringen der Krankenhausbehandlung durch den Kläger als zugelassenem Leistungserbringer wird somit der Sachleistungsanspruch des Versicherten realisiert (vgl. § 2 Abs. 2 SGB V). Zugleich wird konkludent über dessen konkreten Leistungsanspruch entschieden. Solange die Krankenkasse gegenüber dem Versicherten schweigt, muss diese die Entscheidung gegen sich gelten lassen. Nachträgliche Einwendungen gegen ihre Leis-tungspflicht kann sie, ausgenommen im Falle des Missbrauchs durch den Versicherten, nur im Verhältnis zum Leistungserbringer geltend machen (BSG, in: Breithaupt 1997, 16).
Die Verordnung durch den Vertragsarzt allein reicht indes zur Begründung einer Zah-lungspflicht der Krankenkasse noch nicht aus. Frau Dr. G ... hatte vorliegend am 16.09.2002 eine Behandlung der Versicherten in der Tagesklinik für kognitive Neurologie des Klägers verordnet. Wenngleich die Verordnung durch einen Vertragsarzt, ausgenom-men Notfälle, Voraussetzung für die von der Krankenkasse geschuldete Krankenhausbe-handlung ist, ist die Therapiefreiheit des Krankenhausarztes dadurch grundsätzlich nicht eingeschränkt. Vielmehr bleibt es dem Krankenhausarzt überlassen, über Art und Erforder-lichkeit der Krankenhausbehandlung selbst zu entscheiden (BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az: B 3 KR 33/99 R). Hierbei hat das Krankenhaus eigenverantwortlich zu prüfen, ob eine Krankenhausbehandlung notwendig ist. Dies geht insbesondere aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V hervor. Es darf sich insoweit nicht auf die Beurteilung des Vertragsarztes verlas-sen, weil die Therapiefreiheit des Krankenhausarztes grundsätzlich, auch nicht durch Ver-ordnung des Vertragsarztes, eingeschränkt ist (wie hier: BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az: B 3 KR 33/99 R). Dies bedeutet, dass sich die erforderliche Behandlung nach der Art der Erkrankung mit Aussicht auf Erfolg nur in einem Krankenhaus mit dessen besonderen Mit-teln durchführen lässt. Ähnlich wie bei der Prüfung der Erforderlichkeit von Rehabilitati-onsleistungen gilt damit auch insoweit ein "gestuftes System". Für die teil-stationäre Be-handlung ist entscheidend, dass sich eine Behandlung mit den spezifischen Mitteln des Krankenhauses als erforderlich erweist. Ob die Krankenhausbehandlung tatsächlich erfor-derlich ist, entscheidet deshalb zunächst der verantwortliche Krankenhausarzt. Der teil-stationäre Aufenthalt der Versicherten war hier nach Auffassung des Klägers medizinisch geboten.
Nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung ist die Krankenkasse jedoch nur verpflichtet, die vereinbarten Entgelte zu zahlen, wenn die Ver-sorgung im Krankenhaus erforderlich ist (vgl. § 39 SGB V). Als Teil der Krankenbehand-lung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V muss sie notwendig sein, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Für den Fall, dass kostengünstigere Behandlungsformen, wie hier: eine ambulante Behandlung, ausgereicht hätten, hätte ein Anspruch auf teil-stationäre Krankenhausbe-handlung nicht bestanden. Nur dann, wenn sich die Entscheidung des Krankenhausarztes nach seinen jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten als nicht vertretbar herausstellt, entfällt die Zahlungspflicht der Krankenkasse für die (teil-) stationäre Versorgung eines Versicher-ten (BSG, Urteil vom 13.12.2001, a.a.O.).
Der Krankenkasse ist dafür ein eigenständiges Überprüfungsrecht eingeräumt. Zwar ergibt sich aus § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, dass die Krankenkassen lediglich in gesetzlich be-stimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, die Verpflichtung trifft, zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen und Zusam-menarbeit der Rehabilitationsträger nach den §§ 10 bis 12 des Neunten Buches, im Be-nehmen mit dem behandelnden Arzt, eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einzuholen. Gleichwohl ist die Krankenkasse trotz des engen Wortlautes der Bestimmung berechtigt, alle Leistungsarten des § 11 SGB V zu überprüfen. Die Überprüfung der Leistungen erfasst hierbei alle im Zusammenhang mit der Leistungsgewährung relevanten medizinischen Fragen. Insbesondere ist neben den beispielhaft angesprochenen (medizinischen) Leistungsvoraussetzungen auch zu prüfen, unter welchen Gesichtspunkten welche Leistung dem Grunde und der Höhe nach angezeigt ist. Hierbei soll die gutachterliche Stellungnahme des MDK dazu beitragen, aus der breiten Palette der Ansprüche aus der gesetzlichen Krankenversicherung dem Versicherten die aus medizinischer Sicht optimale und zugleich wirtschaftlichste Leistung bereitzustellen (eben-so: Baier, in: Krauskopf, a.a.O., § 275 Rdnr. 6 EL 47).
In erweiternder Auslegung des Gesetzeswortlautes des § 275 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ist damit den Krankenkassen das Recht zuzubilligen, eine Krankenhausabrechnung auch rechnerisch bzw. sachlich zu überprüfen, selbst wenn ihrem Wortlaut nach die Vorschrift lediglich die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen beinhaltet. Denn die Ab-rechnungsüberprüfung wird vom Regelungsgehalt der Vorschrift mit umfasst, weil sie der dort geregelten Wirtschaftlichkeitsprüfung notwendigerweise vorgeschaltet ist (wie hier: BSG, Urteil vom 23.07.2002, a.a.O.).
Bei Überprüfung der Notwendigkeit teil-stationärer Behandlung muss man indes zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die bisherige ambulante Behandlung, entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten, die Krankheitsbeschwerden der Versicherten nicht erfolg-reich lindern oder bekämpfen konnte. Vielmehr hatte sich ihr gesundheitliches Befinden vor teil-stationärer Aufnahme sogar verschlechtert. Unter Würdigung sämtlicher Befunde sprachen insbesondere drei entscheidende Aspekte für die Notwendigkeit einer teil-stationären Behandlung der Versicherten: zum einen deren Multimorbidität; zum anderen der Abstimmungsbedarf, der sich auf Grund der vielfältigen Erkrankungen der Versicher-ten zwischen den einzelnen medizinischen Fachgebieten ergeben hat und die die bisherige Behandlung erschwerte; und zuletzt die eingetretene Verschlechterung in deren Befinden, die eine weitere ambulante Behandlung nicht mehr angezeigt sein ließ.
Dies bestätigt auch das eingeholte fachneurologische Gutachten von Prof. Dr. H ... vom 27.02.2004. In der Verordnung der Krankenhausbehandlung vom 16.09.2002 fand sich die Diagnose "Zustand nach Media-Infarkt links, Verschlechterung der Greiffunktion, insbe-sondere rechte Hand". Die Einweisungsdiagnose lautete: "Zustand nach Media-Infarkt, absolute Arrhythmie". Hinzu kam eine diabetische Polyneuropathie, ein Zustand nach Glaskörperblutung und eine diabetische Retinopathie bei Diabetes mellitus Typ II B. Es bestand eine organische Antriebsstörung sowie das Syndrom des schnellenden Fingers beidseits, dazu eine Autoimmunthyreoiditis und eine chronische Onychomykose. Bereits damals war bemerkt worden, dass eine ambulante logopädische und physiotherapeutische Vorbehandlung ohne sichtbaren Erfolg blieb. Das Gutachten des MDK vom 07.01.2003 war hingegen fachfremd von Frau Dr. S ... erstellt worden. Über den Aufenthalt vom 09.04. bis 06.08.2002 wurde im neuropsychologischen Bericht zusammengefasst ausge-führt, dass erhebliche Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit und des Ver-haltens vorlagen, die dem Ausmaß einer leichtgradigen Demenz entsprachen. Es konnte indes damals das Antriebsvermögen der Versicherten deutlich verbessert werden. Sie zeig-te deutliche Verbesserungen hinsichtlich des kognitiven Verarbeitungstempos, wenngleich dies nicht der Altersnorm entsprach. In einem weiteren neuropsychologischen Bericht über den Aufenthalt vom 16.09. bis 18.10.2002 wurde bemerkt, dass sie regelmäßig zwei- bis dreimal pro Woche an einem spezifischen computergestützten Trainingsprogramm zu den kognitiven Funktionen teilgenommen hatte. Dieses wird indes nicht ambulant angeboten. Über den gesamten Therapiezeitraum konnte die Kondition der Versicherten kontinuierlich gesteigert werden. Am 16.09.2002 fand eine erneute stationäre Aufnahme statt, weil sich die Greiffunktion verschlechtert hatte. Weiterhin bestand eine organische Antriebsstörung. Durch vorherige ambulante logopädische und physiotherapeutische Behandlungsmaßnah-men konnte keine wesentliche Besserung erzielt werden.
Der Sachverständige stellte folgende Diagnosen:
Hämorrhagisch transformierter Media-Infarkt links mit schlaffer Hemiparese und Aphasie, absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern/-flattern, echokardiographisch gesicherter Vorhofthrombus, arterielle Hypertonie, insulinpflichtiger Diabetes mellitus, diabetische Polyneuropathie, diabetische Retinopathie, Zustand nach Glaskörpereinblutung und subretinaler Einblutung mit Ablatio retinae, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Autoimmunthyreoiditis mit initial hypothyreoter Stoffwechsellage, chronische Onychomykose, depressive Episode.
Wenngleich auch der Sachverständige zugeben musste, dass die erneute stationäre Auf-nahme vom 16.09. bis 28.10.2002 auffällig ist und nicht der allgemeinen regulären Verfah-rensweise entspricht, muss er dennoch konstatieren, dass gelegentlich besonders schwer betroffene Patienten auch erneut in Institutionen mit rehabilitativer Zielsetzung stationär aufgenommen werden müssen, wenn dies notwendig ist. Dies liegt darin begründet, dass im Allgemeinen bei Patienten mit Schlaganfällen mit einem Rehabilitationszeitfenster von zwei Jahren zu rechnen ist, bei jüngeren ggf. bis zu drei Jahren. Hier war der individuelle Verlauf jedoch dadurch gekennzeichnet, dass trotz intensiver Behandlungsbemühungen eine erneute Verschlechterung eingetreten war, die dem allgemeinen Verlauf nach Schlag-anfällen widersprach und vermutlich auf die individuelle komplexe Krankheitssituation mit einer Fülle internistischer Begleiterkrankungen, die auch cerebrovaskuläre Auswirkungen zeigten, begründet war. Die erneute Aufnahme beruhte auf der weiteren Verschlechterung. Insgesamt stellte der Sachverständige fest, dass die erneute Aufnahme in teil-stationäre Behandlung bei der individuellen Krankheitssituation der Versicherten unabwendbar und aus neurologischer Sicht medizinisch indiziert war. Nur so konnte eine optimale Therapie innerhalb des Rehabilitationszeitfensters durchgeführt werden, denn trotz ambulanter The-rapieversuche war eine weitere Verschlechterung eingetreten.
Dem steht auch nicht das Gutachten des MDK von Frau Dr. P ... vom 26.05.2004 entge-gen. Aus sozialmedizinischer Sicht führte Frau Dr. P ... aus, dass der Sachverständige keine durch konkrete Befunde unterlegte Angaben gemacht habe, aus denen eine Indikati-on für eine erneute Krankenhausbehandlung abgeleitet werden könne. Es hätte sich bspw. um eine rein subjektive Verschlechterung oder um einen Stillstand im Rückbildungspro-zess der Defizite handeln können. Die Schwere des Krankheitsbildes allein könne für die Notwendigkeit von rehabilitativ ausgerichteten Behandlungsmaßnahmen nicht richtungs-weisend sein, sondern nur die Behandlungsfähigkeit. Auch eine medizinische Notwendig-keit zur teil-stationären Behandlung bezüglich der internistischen Erkrankungen habe sich nicht erkennen lassen, zumal alle durchgeführten fachspezifischen Untersuchungen auch ambulant hätten erfolgen können (vgl. Blatt 67 ff. der Gerichtsakte).
Diese Ausführungen vermögen das Gericht jedoch nicht von der fehlenden Notwendigkeit teil-stationärer Behandlung zu überzeugen: Der Sachverständige weist zu Recht darauf hin, dass der Diabetes mellitus unter Insulintherapie gerade nicht unkompliziert verlaufen war. Es bestanden vielmehr komplexe Zusammenhänge zwischen internistischen Erkrankungen und Schlaganfällen. Das MDK-Gutachten berücksichtigt auch nicht in erforderlichem Um-fang die – trotz vielfältiger ambulanter Behandlungen eingetretene – Verschlechterung der Greiffunktion beider Hände und im Hirnleistungsvermögen. Insbesondere ließ sich ein besonders schwerer und atypischer Verlauf feststellen, der die Notwendigkeit teil-stationärer Behandlung erklärt. Dies liegt auch darin begründet, dass im Zeitraum 16.09. bis 18.10.2002 eine wesentliche Besserung erzielt werden konnte. Während des zweiten Aufenthaltes war ein gezieltes Hirnleistungstraining absolviert worden, das Übungen zur schnellen Reaktions-, Lern- und Gedächtnisleistung und die Ideenproduktion computerge-stützt durchführte. Diese Behandlungsmethoden stehen jedoch ambulant nicht zur Verfü-gung. Auf Grund der behandlungsbedürftigen Erkrankungen konnte die Beklagte die Ver-sicherte demgegenüber nicht auf (reine) Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation verweisen, da die gesetzgeberische Zielrichtung unterschiedlich ist (vgl. nur §§ 40, 11 Abs. 2 SGB V i.V.m. den Vorschriften des Neunten Buches). Vielmehr ergab sich - auch unter Würdigung der Einwände des MDK - aus dem individuellen Krankheitsverlauf und der besonderen Konstellation, insbesondere der Multimorbidität und der Verschlechterung im Gesamt-Befinden der Versicherten, die Notwendigkeit teil-stationärer Unterbringung.
Der Kläger hat hierzu überzeugend in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass aus-schließlich im Rahmen teil-stationärer Unterbringung eine entsprechende Behandlung ü-berhaupt erfolgen konnte. Gegen eine ambulante Behandlung sprach, dass eine neuropsy-chologische Therapie ambulant nicht zur Verfügung steht und nur durch die Tagesklinik des Klägers gewährleistet werden konnte. Die teil-stationäre Unterbringung war insbeson-dere deswegen notwendig, weil das therapeutische Regime gerade darin bestand, die Ver-sicherte nach den Maßnahmen, die in der Klinik durchgeführt worden waren, wieder in das häusliche Alltagsleben zu integrieren. Dies hat sie auch erfolgreich dadurch bewältigt, dass sie nach der Entlassung selbstständige Tätigkeiten, wie bspw. das Einkaufen, wieder wahr-nahm. Die hirnorganische Antriebsschwäche, die auf den erlittenen Schlaganfall zurückzu-führen war, musste in der Klinik speziell medikamentös neu eingestellt werden. Wegen der Multimorbidität der Versicherten gab es einen, nur teil-stationär zu bewältigenden, Ab-stimmungsbedarf zwischen den verschiedenen medizinischen Fachrichtungen. Bei der in der Einrichtung des Klägers behandelten Antriebsschwäche der Versicherten wäre es fer-ner schwer gewesen, sie zur Inanspruchnahme ambulanter Behandlungsmöglichkeiten zu bewegen.
Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 i.V.m. § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung. Danach war die Beklagte zur Zahlung von 4.844,58 EUR nebst 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 15.02.2003 zu verurteilen. Laut Pflegesatzvereinbarung von 2001 VII sind 2 % über dem Basiszinssatz 14 Tage nach Rechnungslegung zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da der Kläger vollumfänglich obsiegt hat, war die Beklagte zur Übernahme auch der Ge-richtskosten zu verurteilen (§ 197 a SGG).
Die Festsetzung des Streitwertes ist aus dem im Klageantrag bezeichneten Geldleistungsbetrag abzuleiten. Der Gegenstandsbetrag richtet sich nach dem Klagebegehren, mithin nach der Höhe der Klageforderung von 4.844,58 EUR.
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