Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 75 KR 1708/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 20/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die von dem Kläger begehrte Feststellung in der Zeit vom 1. Dezember 1998 bis
31. Juli 2001 bei der Beklagten nicht freiwillig versichert gewesen zu sein sowie die Erstattung der freiwilligen Beiträge für diesen Zeitraum.
Der 1945 geborene Kläger war im Anschluss an eine versicherungspflichtige Beschäftigung ab 1. Dezember 1998 arbeitslos. Er meldete sich allerdings erst zum 13.12.2000 bei der damaligen Bundesanstalt für Arbeit arbeitslos. Leistungen der Arbeitslosenversicherung wurden nicht erbracht, da er in der Rahmenfrist von 3 Jahren vor dem 13.12.2000 nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungsverhältnis gestanden hatte. Die Ehefrau des Klägers ist pflicht-versichertes Mitglied der beigeladenen Barmer Ersatzkasse (BEK).
Am 6. Januar 1999 gab der Kläger nach einem bei der Beklagten erfolgten Beratungsgespräch auf einem entsprechenden Formblatt die Erklärung ab: "Ich möchte weiterhin Mitglied der DAK sein und übe hiermit mein Wahlrecht aus". Weiter ist in diesem Formular angekreuzt, dass der Kläger verheiratet und dass seine Ehegattin Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sei, nämlich der BEK. Das Formular enthält darüber hinaus einen handschriftlichen Zusatz, der nicht vom Kläger stammt und in dem es heißt: "Ich wünsche ausdrücklich die frw. Weiterversicherung trotz Fam.". Das Formular ist vom Kläger am 6. Januar 1999 unter-schrieben worden.
Der Kläger zahlte in der Folgezeit Beiträge zur freiwilligen Versicherung an die Beklagte in Höhe von monatlich 192,00 DM bzw. ab 1. Januar 1999 in Höhe von 195,00 DM.
Im Juli 2001 wurde der Kläger nach seinem Vorbringen von einem Mitarbeiter der Beklagten darauf angesprochen, warum er nicht familienversichert sei. Er wandte sich danach an die Beigeladene und bat um Feststellung des Bestehens einer Familienversicherung für die Zeit ab 1. Dezember 1998. Dies erfolgte durch die Beigeladene unter dem 23.11.2001.
Die Beklagte wurde von der Beigeladenen davon in Kenntnis gesetzt. Sie machte gegenüber der Beigeladenen mit Schreiben vom 21. 01.2002 der Ersatz von Leistungen geltend, die sie seit 1.12.1998 an den Kläger erbracht hatte.
Der Kläger wandte sich zunächst mündlich und dann schriftlich am 22. 01.2001 an die Beklagte mit der Bitte seine freiwillige Versicherung rückwirkend aufzuheben.
Durch Bescheid vom 18. April 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seine freiwillige Mitgliedschaft zum 31. Juli 2001 beendet sei. Die ab dem 1. August 2001 gezahlten Beiträge
würden erstattet. Eine rückwirkende Stornierung ab dem 1. Dezember 1998 könne nicht erfolgen, da der Kläger bei seiner Antragstellung am 6. Januar 1999 auf die Möglichkeit einer Familienversicherung ausdrücklich hingewiesen worden sei. Gemäß § 191 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ende die Mitgliedschaft freiwillig Versicherter erst mit Ablauf des übernächsten Kalendermonats, gerechnet von dem Monat, in dem das Mitglied den Austritt erklärt habe. Dabei berücksichtigte die Beklagte, ohne dies allerdings ausdrücklich zu erwähnen, die Tatsache, dass der Kläger bei der Beigeladenen die Feststellung der Familienversicherung am 11. 07.2001 beantragt hatte.
Der Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. September 2002). Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, er sei nie über die Möglichkeit einer kostenfreien Familienversicherung durch die Beklagte informiert worden. Es habe keinerlei Gründe gegeben, weshalb er sich hätte freiwillig bei der Beklagten versichern sollen. Er sei vielmehr ohne Einkommen gewesen und seine Frau habe nur eine Halbtagsstelle gehabt. Sie seien deshalb auf jede Mark angewiesen gewesen.
Die Beklagte behauptet, der Kläger sei bei der Antragstellung auf den Anspruch aus der Familienversicherung hingewiesen worden. Ob es aus Sicht des Versicherten sinnvoll sei oder nicht, nach erfolgter Beratung eine beitragspflichtige Mitgliedschaft anstelle der kostenfreien Familienversicherung zu wählen, sei nicht entscheidungserheblich. Eine derartige Entscheidung sei durchaus nachvollziehbar, wenn der Betreffende entweder davon ausgehe, im Falle einer späteren Bewilligung von Arbeitslosengeld die freiwillige Versicherung nachträglich durch eine Pflichtversicherung zu ersetzen oder wenn er zeitnah die Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses beabsichtige.
Das Sozialgericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts den bei der Beklagten tätigen Sozialversicherungsfachangestellten F B als Zeugen vernommen und sodann durch Urteil vom 16. Januar 2004 den Bescheid vom 18. April 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2002 aufgehoben. Das Sozialgericht hat festgestellt, dass für den Kläger in der Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 31. Juli 2001 eine freiwillige Versicherung nicht bestanden habe, und die Beklagte verurteilt, ihm die von ihm für den genannten Zeitraum für die freiwillige Versicherung entrichteten Beiträge zu erstatten.
Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Beklagte sei nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches verpflichtet, dem Kläger die Rechtsposition einzu-räumen, die er gehabt hätte, wenn von Anfang an ordnungsgemäß verfahren worden sei.
Von einem Beratungsfehler durch die Beklagte sei auszugehen, da kein Gesichtspunkt erkennbar sei, nach dem es für den Kläger in irgendeiner Weise sinnvoll gewesen sein könnte, die freiwillige Versicherung mit Beiträgen statt der beitragsfreien Familienversicherung zu wählen. Unabhängig von der Frage, ob der Zeuge B zutreffend geschildert habe, dass auf die Möglichkeit einer Familienversicherung regelmäßig und mit Sicherheit hingewiesen werde, müsse davon ausgegangen werden, dass die Alternative zwischen der beitragsfreien Familienversicherung und der freiwilligen Weiterversicherung mit Beiträgen bei dem Kläger so nicht angekommen sei. Auch dies stelle einen Beratungsfehler im Sinne des § 14 SGB I dar. Ein Verschulden der Beklagten im Sinne eines subjektiv vorwerfbaren Fehlverhaltens sei nach der Rechtsprechung für die Bejahung der Voraussetzung eines Herstellungsanspruches nicht erforderlich.
Hiergegen richtet sich die Berufung, mit der die Beklagte erneut geltend macht, eine Fortführung der Mitgliedschaft bei ihr anstatt der Familienversicherung sei durchaus nachvollziehbar, wenn der Kläger davon ausgegangen sei, dass die freiwillige Weiterversicherung nur als Überbrückung bis zur zeitnahen Aufnahme eines neuen Beschäftigungsverhältnisses gedacht gewesen sei.
Der Kläger erklärt hierzu, er habe zwar ursprünglich damit gerechnet, unmittelbar ein Anschlußarbeitsverhältnis zu finden, dies habe sich aber zerschlagen. Im Jahre 1999 sei dann ein Hüftleiden eingetreten, das ihn gezwungen habe mit einem Gehstock zu gehen. Als er sich damit im Frühjahr 2000 bei dem Arbeitsamt gemeldet habe und auf eine vorgesehene Hüftgelenksoperation im Oktober hingewiesen habe, sei ihm erklärt worden, er brauche einen Leistungsantrag nicht zu stellen, da er ohnehin der Arbeitsvermittlung wegen der Erkrankung nicht zur Verfügung stehe. Nach der Operation im Oktober 2000 und einer Anschlußheilbehandlung habe er sich dann am 13. 12. 2000 arbeitslos gemeldet. Der Antrag sei dann wegen der fehlenden Anwartschaftszeit abgelehnt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung war aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Zutreffend hat das Sozialgericht entschieden, dass die Beklagte im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches verpflichtet ist, den Kläger so zu behandeln, als sei er von Anfang an bei der Beigeladenen familienversichert gewesen, wie dies die Beigeladene durch Bescheid vom 23. November 2001 festgestellt hat und nicht bei der Beklagten als freiwilliges Mitglied.
Auch im Berufungsverfahren hat sich in keiner Weise ein Anhaltspunkt dafür ergeben, welchen Sinn es gemacht haben sollte, für den Kläger die freiwillige Versicherung bei der Beklagten zu wählen. Seine Wahl lässt sich nur damit erklären, dass ihn die Beklagte unzulänglich beraten hat. Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe möglicherweise im Hinblick auf eine in Aussicht genommene zeitnahe Weiterbeschäftigung als Pflichtversicherter die freiwillige Versicherung gewählt, wäre allenfalls nachvollziehbar, wenn es sich um einen kürzeren Zeitraum der freiwilligen Versicherung gehandelt hätte und nicht wie hier um einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren. Der Senat folgt dabei dem Vortrag des Klägers, er sei nicht richtig über die Unterschiede zwischen der beitragsfreien Familienversicherung und der freiwilligen Versicherung aufgeklärt worden. Angesichts der geschilderten Umstände ist dieser Vortrag glaubhaft. Der Vermerk des Zeugen Bsteht dem nicht entgegen, weil er keinen Hinweis darauf enthält, dass der Kläger über den für ihn wichtigen Unterschied zwischen der Beitragsfreiheit der Familienversicherung auf der einen Seite und der Betragspflicht in der freiwilligen Versicherung auf der anderen Seite aufgeklärt worden ist.
Dem steht hier auch nicht entgegen, dass an sich die freiwillige Versicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) der Familienversicherung vorgeht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Beklagte gerade nicht unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruches verpflichtet gewesen wäre, den Kläger so zu behandeln, als hätte er die freiwillige Versicherung nicht beantragt. Dieser Rechtslage entsprechend hat die Beigeladene hier auch rückwirkend die Zugehörigkeit des Klägers zur Familienversicherung festgestellt.
Da die Beklagte den Kläger so zu stellen hat, als ob eine freiwillige Versicherung nicht bestanden hätte, ist die Beklagte auch verpflichtet nach § 26 Abs. 2 1. Halbsatz SGB IV die zu Unrecht entrichteten Beiträge zu erstatten. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte hier für den der Erstattung zugrunde liegenden Zeitraum bereits Leistungen erbracht hat; denn es handelt sich dabei um Beiträge, die unter Berücksichtigung des Herstellungsanspruches aufgrund einer Fehlversicherung erhoben wurden. Dies gilt selbst dann, wenn die Beklagte den Erstattungsanspruch, den sie bereits gegenüber der Beigeladenen geltend gemacht hat, nicht mehr realisieren kann, weil der Versicherte nicht mit dem Risiko der Fehlversicherung belastet werden soll, was mit dem gesetzgeberischen Konzept der §§ 26 SGB IV, 105 Abs. 1,2 sowie 107 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 10. Buch (SGB X) nicht zu vereinbaren wäre (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar Randnr. 13 zu § 26 SGB V unter Verweis auf BSG SozR 3-2400 § 26
Nr. 5).
Die Kostenentscheidung folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.
Die Annahme eines Herstellungsanspruches und die Folgerung die das Gericht daraus herleitet, lassen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu kommen.
Tatbestand:
Streitig ist die von dem Kläger begehrte Feststellung in der Zeit vom 1. Dezember 1998 bis
31. Juli 2001 bei der Beklagten nicht freiwillig versichert gewesen zu sein sowie die Erstattung der freiwilligen Beiträge für diesen Zeitraum.
Der 1945 geborene Kläger war im Anschluss an eine versicherungspflichtige Beschäftigung ab 1. Dezember 1998 arbeitslos. Er meldete sich allerdings erst zum 13.12.2000 bei der damaligen Bundesanstalt für Arbeit arbeitslos. Leistungen der Arbeitslosenversicherung wurden nicht erbracht, da er in der Rahmenfrist von 3 Jahren vor dem 13.12.2000 nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungsverhältnis gestanden hatte. Die Ehefrau des Klägers ist pflicht-versichertes Mitglied der beigeladenen Barmer Ersatzkasse (BEK).
Am 6. Januar 1999 gab der Kläger nach einem bei der Beklagten erfolgten Beratungsgespräch auf einem entsprechenden Formblatt die Erklärung ab: "Ich möchte weiterhin Mitglied der DAK sein und übe hiermit mein Wahlrecht aus". Weiter ist in diesem Formular angekreuzt, dass der Kläger verheiratet und dass seine Ehegattin Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sei, nämlich der BEK. Das Formular enthält darüber hinaus einen handschriftlichen Zusatz, der nicht vom Kläger stammt und in dem es heißt: "Ich wünsche ausdrücklich die frw. Weiterversicherung trotz Fam.". Das Formular ist vom Kläger am 6. Januar 1999 unter-schrieben worden.
Der Kläger zahlte in der Folgezeit Beiträge zur freiwilligen Versicherung an die Beklagte in Höhe von monatlich 192,00 DM bzw. ab 1. Januar 1999 in Höhe von 195,00 DM.
Im Juli 2001 wurde der Kläger nach seinem Vorbringen von einem Mitarbeiter der Beklagten darauf angesprochen, warum er nicht familienversichert sei. Er wandte sich danach an die Beigeladene und bat um Feststellung des Bestehens einer Familienversicherung für die Zeit ab 1. Dezember 1998. Dies erfolgte durch die Beigeladene unter dem 23.11.2001.
Die Beklagte wurde von der Beigeladenen davon in Kenntnis gesetzt. Sie machte gegenüber der Beigeladenen mit Schreiben vom 21. 01.2002 der Ersatz von Leistungen geltend, die sie seit 1.12.1998 an den Kläger erbracht hatte.
Der Kläger wandte sich zunächst mündlich und dann schriftlich am 22. 01.2001 an die Beklagte mit der Bitte seine freiwillige Versicherung rückwirkend aufzuheben.
Durch Bescheid vom 18. April 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seine freiwillige Mitgliedschaft zum 31. Juli 2001 beendet sei. Die ab dem 1. August 2001 gezahlten Beiträge
würden erstattet. Eine rückwirkende Stornierung ab dem 1. Dezember 1998 könne nicht erfolgen, da der Kläger bei seiner Antragstellung am 6. Januar 1999 auf die Möglichkeit einer Familienversicherung ausdrücklich hingewiesen worden sei. Gemäß § 191 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ende die Mitgliedschaft freiwillig Versicherter erst mit Ablauf des übernächsten Kalendermonats, gerechnet von dem Monat, in dem das Mitglied den Austritt erklärt habe. Dabei berücksichtigte die Beklagte, ohne dies allerdings ausdrücklich zu erwähnen, die Tatsache, dass der Kläger bei der Beigeladenen die Feststellung der Familienversicherung am 11. 07.2001 beantragt hatte.
Der Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. September 2002). Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, er sei nie über die Möglichkeit einer kostenfreien Familienversicherung durch die Beklagte informiert worden. Es habe keinerlei Gründe gegeben, weshalb er sich hätte freiwillig bei der Beklagten versichern sollen. Er sei vielmehr ohne Einkommen gewesen und seine Frau habe nur eine Halbtagsstelle gehabt. Sie seien deshalb auf jede Mark angewiesen gewesen.
Die Beklagte behauptet, der Kläger sei bei der Antragstellung auf den Anspruch aus der Familienversicherung hingewiesen worden. Ob es aus Sicht des Versicherten sinnvoll sei oder nicht, nach erfolgter Beratung eine beitragspflichtige Mitgliedschaft anstelle der kostenfreien Familienversicherung zu wählen, sei nicht entscheidungserheblich. Eine derartige Entscheidung sei durchaus nachvollziehbar, wenn der Betreffende entweder davon ausgehe, im Falle einer späteren Bewilligung von Arbeitslosengeld die freiwillige Versicherung nachträglich durch eine Pflichtversicherung zu ersetzen oder wenn er zeitnah die Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses beabsichtige.
Das Sozialgericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts den bei der Beklagten tätigen Sozialversicherungsfachangestellten F B als Zeugen vernommen und sodann durch Urteil vom 16. Januar 2004 den Bescheid vom 18. April 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2002 aufgehoben. Das Sozialgericht hat festgestellt, dass für den Kläger in der Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 31. Juli 2001 eine freiwillige Versicherung nicht bestanden habe, und die Beklagte verurteilt, ihm die von ihm für den genannten Zeitraum für die freiwillige Versicherung entrichteten Beiträge zu erstatten.
Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Beklagte sei nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches verpflichtet, dem Kläger die Rechtsposition einzu-räumen, die er gehabt hätte, wenn von Anfang an ordnungsgemäß verfahren worden sei.
Von einem Beratungsfehler durch die Beklagte sei auszugehen, da kein Gesichtspunkt erkennbar sei, nach dem es für den Kläger in irgendeiner Weise sinnvoll gewesen sein könnte, die freiwillige Versicherung mit Beiträgen statt der beitragsfreien Familienversicherung zu wählen. Unabhängig von der Frage, ob der Zeuge B zutreffend geschildert habe, dass auf die Möglichkeit einer Familienversicherung regelmäßig und mit Sicherheit hingewiesen werde, müsse davon ausgegangen werden, dass die Alternative zwischen der beitragsfreien Familienversicherung und der freiwilligen Weiterversicherung mit Beiträgen bei dem Kläger so nicht angekommen sei. Auch dies stelle einen Beratungsfehler im Sinne des § 14 SGB I dar. Ein Verschulden der Beklagten im Sinne eines subjektiv vorwerfbaren Fehlverhaltens sei nach der Rechtsprechung für die Bejahung der Voraussetzung eines Herstellungsanspruches nicht erforderlich.
Hiergegen richtet sich die Berufung, mit der die Beklagte erneut geltend macht, eine Fortführung der Mitgliedschaft bei ihr anstatt der Familienversicherung sei durchaus nachvollziehbar, wenn der Kläger davon ausgegangen sei, dass die freiwillige Weiterversicherung nur als Überbrückung bis zur zeitnahen Aufnahme eines neuen Beschäftigungsverhältnisses gedacht gewesen sei.
Der Kläger erklärt hierzu, er habe zwar ursprünglich damit gerechnet, unmittelbar ein Anschlußarbeitsverhältnis zu finden, dies habe sich aber zerschlagen. Im Jahre 1999 sei dann ein Hüftleiden eingetreten, das ihn gezwungen habe mit einem Gehstock zu gehen. Als er sich damit im Frühjahr 2000 bei dem Arbeitsamt gemeldet habe und auf eine vorgesehene Hüftgelenksoperation im Oktober hingewiesen habe, sei ihm erklärt worden, er brauche einen Leistungsantrag nicht zu stellen, da er ohnehin der Arbeitsvermittlung wegen der Erkrankung nicht zur Verfügung stehe. Nach der Operation im Oktober 2000 und einer Anschlußheilbehandlung habe er sich dann am 13. 12. 2000 arbeitslos gemeldet. Der Antrag sei dann wegen der fehlenden Anwartschaftszeit abgelehnt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung war aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Zutreffend hat das Sozialgericht entschieden, dass die Beklagte im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches verpflichtet ist, den Kläger so zu behandeln, als sei er von Anfang an bei der Beigeladenen familienversichert gewesen, wie dies die Beigeladene durch Bescheid vom 23. November 2001 festgestellt hat und nicht bei der Beklagten als freiwilliges Mitglied.
Auch im Berufungsverfahren hat sich in keiner Weise ein Anhaltspunkt dafür ergeben, welchen Sinn es gemacht haben sollte, für den Kläger die freiwillige Versicherung bei der Beklagten zu wählen. Seine Wahl lässt sich nur damit erklären, dass ihn die Beklagte unzulänglich beraten hat. Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe möglicherweise im Hinblick auf eine in Aussicht genommene zeitnahe Weiterbeschäftigung als Pflichtversicherter die freiwillige Versicherung gewählt, wäre allenfalls nachvollziehbar, wenn es sich um einen kürzeren Zeitraum der freiwilligen Versicherung gehandelt hätte und nicht wie hier um einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren. Der Senat folgt dabei dem Vortrag des Klägers, er sei nicht richtig über die Unterschiede zwischen der beitragsfreien Familienversicherung und der freiwilligen Versicherung aufgeklärt worden. Angesichts der geschilderten Umstände ist dieser Vortrag glaubhaft. Der Vermerk des Zeugen Bsteht dem nicht entgegen, weil er keinen Hinweis darauf enthält, dass der Kläger über den für ihn wichtigen Unterschied zwischen der Beitragsfreiheit der Familienversicherung auf der einen Seite und der Betragspflicht in der freiwilligen Versicherung auf der anderen Seite aufgeklärt worden ist.
Dem steht hier auch nicht entgegen, dass an sich die freiwillige Versicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) der Familienversicherung vorgeht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Beklagte gerade nicht unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruches verpflichtet gewesen wäre, den Kläger so zu behandeln, als hätte er die freiwillige Versicherung nicht beantragt. Dieser Rechtslage entsprechend hat die Beigeladene hier auch rückwirkend die Zugehörigkeit des Klägers zur Familienversicherung festgestellt.
Da die Beklagte den Kläger so zu stellen hat, als ob eine freiwillige Versicherung nicht bestanden hätte, ist die Beklagte auch verpflichtet nach § 26 Abs. 2 1. Halbsatz SGB IV die zu Unrecht entrichteten Beiträge zu erstatten. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte hier für den der Erstattung zugrunde liegenden Zeitraum bereits Leistungen erbracht hat; denn es handelt sich dabei um Beiträge, die unter Berücksichtigung des Herstellungsanspruches aufgrund einer Fehlversicherung erhoben wurden. Dies gilt selbst dann, wenn die Beklagte den Erstattungsanspruch, den sie bereits gegenüber der Beigeladenen geltend gemacht hat, nicht mehr realisieren kann, weil der Versicherte nicht mit dem Risiko der Fehlversicherung belastet werden soll, was mit dem gesetzgeberischen Konzept der §§ 26 SGB IV, 105 Abs. 1,2 sowie 107 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 10. Buch (SGB X) nicht zu vereinbaren wäre (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar Randnr. 13 zu § 26 SGB V unter Verweis auf BSG SozR 3-2400 § 26
Nr. 5).
Die Kostenentscheidung folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.
Die Annahme eines Herstellungsanspruches und die Folgerung die das Gericht daraus herleitet, lassen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu kommen.
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