L 16 R 497/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 363/05 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 497/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufungen der Kläger gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Landshut vom 19. Mai 2005 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Neufeststellung von Halbwaisenrenten.

Die Kläger sind die 1993 (S.), 1994 (S.) und 1996 (H.) geborenen Kinder des am 21.10.2001 verstorbenen Versicherten S. B ...

Der verstorbene Versicherte war in den Jahren 1956 bis 1988 mit N. B. (geboren 1935) verheiratet. Er wurde nach jugoslawischem Recht geschieden.

In zweiter Ehe war er mit der Mutter der Kläger S. B. , geschiedene B. , geboren 1962, verheiratet. Die Ehe wurde im Jahr 2000 geschieden. Ihr wurde das Sorgerecht durch Entscheidung eines bosnischen Gerichtes übertragen.

Auf Antrag der ersten Ehefrau N. B. erließ das Amtsgericht B. am 30.12.2002 einen Beschluss, mit dem es vom Versicherungskonto des verstorbenen Versicherten bei der Beklagten auf ein noch zu errichtendes Konto bei der Beklagten zu ihren Gunsten Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 145,15 Euro bezogen auf den 30.11.1988 übertrug. Es wurde ausgesprochen, dass die Beklagte die Anwartschaften in Entgeltpunkte umzurechnen habe.

Der Beschluss ist seit dem 29.07.2003 rechtskräftig.

Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich wurde im Januar 2003 zugesandt. Im August 2003 ging die Mitteilung des Amtsgerichtes über die Rechtskraft ein.

Mit den Bescheiden (alle) vom 20.08.2002, hatte die Beklagte den durch die Mutter gesetzlich vertretenen Kindern Halbwaisenrente gewährt. Wie bereits im Altersrentenbescheid des verstorbenen Versicherten vom 08.10.1997 wurde von Entgeltpunkten in Höhe von 15,1953 ausgegangen. Multipliziert mit dem Rentenartfaktor von 0,1 errechnete sich ein Rentenbetrag von jeweils Euro 39,30. Ein Waisenrentenzuschlag nach § 78 SGB VI wurde unter Hinweis auf Art.26 Abs.2 Satz 1 und 2 des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens vom 10.03.1956 nicht gewährt, weil für die Kinder Anspruch auf bosnisches Kindergeld bestehe. Die Halbwaisenrentenbescheide sind alle bestandskräftig geworden.

Der ersten Ehefrau N. B. gewährt die Beklagte seit dem 01.10.2003 Regelaltersrente.

Mit den hier streitgegenständlichen Neufeststellungsbescheiden (alle) vom 20.08.2003 wurde der Rentenanspruch ab dem 01.10.2003 neu berechnet und nunmehr auf jeweils 19,80 Euro festgesetzt. Bezogen auf die Entgeltpunktzahl von 15,1953 wurde die zu übertragende Rentenanwartschaft als Abschlag berechnet. Ausgehend von einer zu übertragenden Anwartschaft von 145,15 Euro (= 283,89 DM) und einem aktuellen Rentenwert bei Ende der Ehezeit zum 30.11.1988 von 37,27 DM errechnete sich ein Abschlag in Höhe von 7,6171 Punkten. Die verbleibenden 7,5782 Entgeltpunkte lagen der Neufeststellung zugrunde.

Die dagegen eingelegten Widersprüche wurden durch Bescheid vom 25.09.2003 zurückgewiesen.

Dagegen haben die Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut eingelegt. Durch gerichtliche Verfügung erfolgte Trennung der Verfahren (S 2 R 1328/03 A (S.); S 2 R 362/05 A (S.); S 2 R 363/05 A (H.)). Die Klagen wurden durch Gerichtsbescheide (alle) vom 19.05.2005 abgewiesen (§ 136 Abs.3 SGG).

Gegen die ablehnenden Entscheidungen des Sozialgerichts haben die Kläger jeweils Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt die gesetzliche Vertreterin vor, dass die Kläger alle minderjährig seien und die Schule besuchten. Sie seien bedürftig. Dagegen seien die Kinder aus erster Ehe bereits erwachsen und nicht mehr bedürftig.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Landshut vom 19.05.2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 20.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Der Senat hat die Verfahren L 16 R 497/05 - 499/05 durch Beschluss vom 25.01.2006 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (führendes Az.: L 16 R 497/05).

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der Streitakten des Sozialgerichts Landshut sowie der Verfahrensakten des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen erweisen sich als nicht begründet.

Die angefochtenen Neufeststellungsbescheide der Beklagten vom 20.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2003 sind rechtmäßig. Daher hat das Sozialgericht die Klagen zu Recht abgewiesen.

Die Beklagte musste die Halbwaisenrenten der Kläger gem. § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft zum 01.10.2003 neu feststellen, da sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben. Die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt darin begründet, dass ein zu Lasten des Kontos des verstorbenen Versicherten S. B. - aus dessen Anwartschaft die Kläger ihre Halbwaisenrentenansprüche der Höhe nach ableiten - durchgeführter Versorgungsausgleich durch einen Abschlag an Entgeltpunkten zu berücksichtigen ist (§ 76 Abs.1 SGB VI). Dabei kommt den Urteilen und Beschlüssen der Familiengerichte, denen die Durchführung des Versorgungsausgleichs zugeordnet ist, über die Übertragung einer Rentenanwartschaft rechtsgestaltende Wirkung zu, die unmittelbar in die Rechtsposition des Rentenversicherungsträgers eingreift. Im Übrigen wirken die Urteile und Beschlüsse unmittelbar für und gegen die am Verfahren Beteiligten. Soweit die Kläger die Unrechtmäßigkeit der Anwartschaftsübertragung vortragen wollten, stünde diesem Vorbringen die zwischenzeitlich eingetretene Rechtskraft des Beschlusses des Amtsgerichts B. vom 30.12.2002 entgegen. Eine Abänderung der rechtskräftigen familiengerichtlichen Entscheidung ist nur noch unter sehr engen Voraussetzungen möglich und bisher nicht erfolgt. In Ermangelung dessen charakterisiert die rechtsgestaltende Wirkung sowie die formelle und materielle Bindung des Rentenversicherungsträgers dessen rechtmäßiges Verwaltungshandeln. Die Bindung erstreckt sich auch auf die gem. § 1587b Abs.6 BGB erfolgte Anordnung des Familiengerichtes, den Monatsbetrag der zu übertragenden Rentenanwartschaft in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die Beklagte hat das amtsgerichtliche Urteil in Übereinstimmung mit § 48 SGB X umgesetzt. Die unterbliebene Anhörung wurde mit Vorverfahrensdurchführung geheilt (§ 41 Abs.1 Ziff.3 SGB X). Die Übertragung der Rentenanwartschaft zu Lasten der Kläger wurde gem. § 76 Abs.3 und Abs.4 SGB VI zutreffend in einen Abschlag an Entgeltpunkten umgerechnet und gem. § 76 Abs.7 SGB VI bei der Berechnung der Rente ausgehend von den bisher zugrundegelegten Entgeltpunkten berücksichtigt. Weder besteht ein Anspruch gem. § 4 Abs.2 VAHRG auf Rückgängigmachung noch ein Anspruch gem. § 5 VAHRG auf Suspendierung der Rentenminderung, da die ausgleichsberechtigte erste Ehefrau ab dem Zeitpunkt der Neufeststellung und damit über zwei Jahre Rente von der Beklagten erhält. Aufgrund der Rentengewährung zum genannten Zeitpunkt, deren Höhe durch den Zuschlag an Entgeltpunkten geprägt wird, war die abschlagsbedingte Neufeststellung der Halbwaisenrenten auch nicht nach § 101 Abs.3 SGB VI hinauszuschieben.

Bedürftigkeitsgesichtspunkte vermögen zu keiner anderen Entscheidung zu führen. Die Höhe der Ansprüche auf Halbwaisenrenten bestimmt sich nach den nach Bewertung von Beitragszeiten und beitragsfreien Zeiten in Entgeltpunkten ausgedrückten Rentenanwartschaften des verstorbenen Vaters der Kläger. Die Halbwaisenrente beträgt 1/10 dieser in Entgeltpunkte ausgedrückten Rentenanwartschaften. Als Folge der Versorgungsausgleichsentscheidung war die Hälfte der auf die Ehezeit entfallenden Rentenanwartschaft auf die ausgleichsberechtigte erste Ehefrau zu übertragen, so dass durch Neufeststellungsbescheide vom 20.08.2003 die Halbwaisenrenten nach § 76 SGB VI entsprechend niedriger festzustellen waren, was die Beklagte mit Wirkung zum 01.10.2003 getan hat. Bei der Anwendung des § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X steht der Behörde kein Ermessensspielraum zu.

Dessen ungeachtet ist auch darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch der Mutter der Kläger auf Erziehungsrente nach § 47 SGB VI nicht besteht. Zwar sieht das deutsche Rentenrecht grundsätzlich einen solchen Rentenanspruch vor, wenn ein nach dem 30.06.1977 geschiedener, nicht wieder verheirateter Ehegatte verstorben ist und die Geschiedene ein eigenes Kind erzieht. Allerdings werden die weiteren Voraussetzungen (eigene Erfüllung der allgemeinen Wartezeit bis zum Ableben des geschiedenen Ehegatten) nicht erfüllt. Bundesdeutsche, auf die Wartezeit anzurechnende Zeiten hat die Mutter der Kläger jedoch nach Aktenlage nicht zurückgelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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