L 6 R 724/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 1154/03 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 724/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgericht Landshut vom 12. November 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Leistung einer Erwerbsminderungsrente.

Der Kläger ist 1947 geboren, kroatischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Kroatien. Er hat keinen Beruf erlernt; in Deutschland war er von Juni 1970 bis Mai 1975 als 14 Tage angelernter Fabrikarbeiter im Metallbereich beschäftigt. In seiner Heimat hat der Kläger Pflichtversicherungszeiten von März 1963 bis März 1966, von September 1967 bis Mai 1970 und von Juni 1975 bis April 2001. Seit Januar 1999 erhält er dort Berufsunfähigkeitsrente, seit April 2001 volle Invaliditätsrente.

Bei der Beklagten beantragte der Kläger erstmals am 10.05.2002 über den Versicherungsträger Z. Rente. Dieser veranlasste eine medizinische Untersuchung des Klägers am 12.12.2002 durch seine Invalidenkommission. In ihrem Gutachten vom 07.03.2003 stellte diese beim Kläger einen oszillierenden Bluthochdruck fest, der medikamentös behandelt werde und "nicht in einem schwereren Grad ausgeprägt" sei, weiterhin rezidivierende Schmerzen an Hals- und Lendenwirbelsäule, an beiden Hüften und in beiden Kniegelenken als Folge von degenerativen Veränderungen. Es handle sich um ein chronisches Wirbelsäulensyndrom sowie um beginnende Coxarthrose und Gonarthrose. Insgesamt sei der funktionale Status des Bewegungsapparates "mittelgradig eingeschränkt". Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch halb- bis untervollschichtig tätig sein. Dieses Gutachten sowie weitere ärztliche Befundberichte für die Zeit ab dem Jahr 1995 gingen der Beklagten am 01.04.2003, zusammen mit dem Rentenantrag, zu.

Für die Beklagte kam aufgrund dieser Unterlagen der Prüfarzt Dr.D. zum Ergebnis, dass das gesundheitliche Leistungsvermögen des Klägers noch ausreiche, sechs Stunden und mehr täglich leichte Arbeiten in Tagesschicht, ohne besonderen Zeitdruck, zu ebener Erde und ohne häufiges Bücken zu verrichten.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 22.04.2003 ab, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht ausreichend gemindert sei.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei insbesondere auch nicht berufsunfähig. Als Industriearbeiter sei in die Gruppe der ungelernten Arbeiter einzuordnen. Er könne daher auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, ohne dass eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen sei.

Hiergegen erhob der Kläger am 12.09.2003 Klage zum Sozialgericht Landshut.

Nachdem der Kläger auf Anfrage erklärt hatte, "weder materiell noch gesundheitlich in der Lage" zu sein, zur Untersuchung nach Deutschland zu kommen, beauftragte das Sozialgericht den Internisten Dr.R. mit einer Begutachtung nach Aktenlage. Dieser kommt in seinem Gutachten vom 25.01.2004 nach Auswertung des Gutachtens der Invalidenkommission sowie der weiteren medizinischen Unterlagen aus Kroatien zur Feststellung folgender Gesundheitsstörungen: 1. Mittelgradiger Bluthochdruck mit Herzlinksbelastung. 2. Degeneratives Wirbelsäulensyndrom und Hüftgelenksarthrose links. 3. Beginnende Arthrose der Kniegelenke. 4. Staroperation beider Augen. 5. Vermehrung der weißen Blutkörperchen (Leukozytose). Das Leistungsvermögen reiche noch aus, vollschichtig leichte Arbeiten vorwiegend in sitzender Körperhaltung zu verrichten. Die Umstellungsfähigkeit für leichte Anlernarbeiten sei erhalten, arbeitsmarktübliche Bedingungen könnten eingehalten werden: Wegen der Hüftarthrose seien jedoch nur noch Anmarschwege bis 600 m zu Fuß möglich.

Mit Urteil vom 12.11.2004 wies das Sozialgericht die Klage ab.

Am 30.12.2004 wandte sich der Kläger an das Bayer. Landessozialgericht und übersandte seinen kroatischen Rentenbescheid. Der Kläger erklärte auf Rückfrage, was er mit diesem Schreiben bezwecke: "Ihre Ablehnung meiner Berufung bin ich nicht einverstanden, weil ich ein kranker Mensch bin ( ...)". Es sei eine Operation beider Hüften bei ihm vorgesehen und er habe kein Geld für die notwendigen Operationen.

Der Senat wies den Kläger daraufhin, dass eine Untersuchung in Deutschland notwendig sei und empfahl dem Kläger, sich hierzu bereit zu erklären. Die nötigen Fahrtkosten würden ihm erstattet. Dennoch erklärte sich der Kläger aus Krankheits- und Finanzgründen nicht bereit, zu einer Untersuchung nach Deutschland anzureisen. Er stelle "die Papiere der kroatischen Krankenhäuser zur Verfügung, damit sie aufgrund dessen entscheiden können"; Anlagen enthielt dieses Schreiben jedoch nicht, worauf der Kläger mit Schreiben des Senats vom 16.01.2006 hingewiesen wurde.

Der Senat holte eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr.R. ein zur Frage des dem Kläger noch zumutbaren Anmarschweges. In seiner Stellungnahme vom 27.01.2006 wies der Sachverständige darauf hin, dass die beginnende beidseitige Hüftarthrose Ursache der Anmarschwegbeschränkung auf 600 m sei. Diese zumutbare Gehstrecke könne mehrmals täglich zurückgelegt werden. Entscheidend sei, dass zwischen den einzelnen Belastungsphasen eine Erholungszeit für das Hüftgelenk bestehe. Folglich könne die Strecke vor Arbeitsbeginn zweimal, von der Wohnung zum öffentlichen Verkehrsmittel und von diesem zum Arbeitsplatz, sowie zweimal nach Arbeitsende in umgekehrter Reihenfolge zurückgelegt werden.

Der Kläger legte eine ärztliche Bestätigung von Dr.B. vor, wonach er nicht reisefähig und daher nicht in der Lage sei, der gerichtlichen Vorladung Folge zu leisten.

Er beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.11.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2003 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von Rente wegen Erwerbsminderung zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts sowie die Prozessakte hingewiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Zu Recht hat die Beklagte, bestätigt durch das Sozialgericht, den Rentenanspruch abgelehnt.

Der Kläger ist nicht - ganz oder teilweise - erwerbsgemindert im Sinne von § 43 des Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI), weil er nach den durchgeführten Ermittlungen noch mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann.

Die Ermittlungen des Senats waren dabei durch die Weigerung des Klägers, zur Untersuchung nach Deutschland zu kommen, limitiert. Der Kläger behauptet zwar, aufgrund gravierender Erkrankungen, zum Beispiel an der Hüfte, erwerbsunfähig zu sein. Ein objektiver Nachweis hierfür hat sich jedoch nicht erbringen lassen.

Vielmehr steht nach dem Gutachten von Dr.R. , welches naturgemäß nur nach Aktenlage erstellt werden konnte, für den Senat, wie für das Sozialgericht fest, dass in dem medizinisch dokumentiertem Zeitraum von 1995 bis 2003 der Kläger noch vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen einsetzbar war. Im Vordergrund steht eine Herzbelastung aufgrund des mittelgradig erhöhten Bluthochdrucks. Daraus resultiert eine Herzbelastung und eine durch Anpassung bedingte Hypertrophie der linken Herzkammer. Die Pumpfunktion ist jedoch normal. Laut EKG ist auch der Herzmuskel nicht geschädigt. Eine Mangeldurchblutung liegt ebenso wenig vor wie eine Rhythmusstörung. Die leichte Störung der Erregungsrückbildung erklärt sich durch die Linksherzhypertrophie. Die Kreislaufsituation ist ausgeglichen. Hierdurch ist die Kreislaufleistungsbreite mittelgradig eingeschränkt, so dass keine mittelschweren Arbeiten für den Kläger mehr geeignet sind, ebenso wenig Stressbelastung. Des Weiteren ist die Wirbelsäule sowie das linke Hüftgelenk mittelgradig degenerativ verändert, entsprechend der Einschätzung der Invalidenkommission. Die Kniegelenke sind nur geringgradig degeneriert. Bezüglich der Augen besteht volle Sehschärfe. Abklärungsbedürftig ist die Vermehrung der weißen Blutkörperchen, die ebenso eine Entzündungsreaktion bei Raucherbronchitis anzeigen kann wie eventuell auch ein beginnendes myelo-proliferatives Syndrom. Anhand der verfügbaren Befunde ist jedoch das Leistungsvermögen nicht eingeschränkt. Für den Senat ist naturgemäß nicht erkennbar, wie sich das - laut Dr.R. zu kontrollierende - Blutbild seither verändert hat.

Für eine Veränderung des Gesundheitszustandes seit 2003 gibt es keinen objektiven Nachweis, insbesondere nicht für die vom Kläger angeführte Notwendigkeit einer Hüftoperation. Die Nichterweislichkeit muss sich auch insoweit der Kläger zurechnen lassen. Er hat die Vorlage medizinischer Unterlagen zwar angekündigt, aber nicht vollzogen. Dies trotz ausdrücklichen Hinweises des Senats auf die möglichen Konsequenzen.

Dr.R. hat im Ergebnis auch die Ermittlungen der Beklagten bestätigt, insbesondere seitens des Prüfarztes Dr.D ... Dieser hat sich nur in der Leistungsbeurteilung nicht ganz dem Gutachten der Invalidenkommission Z. angeschlossen. In der Tat ergibt sich aber aus dem Gutachten der Invalidenkommission, dass weder das Bluthochdruckleiden noch die degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule, den Hüften und den Knien ein mittelgradiges Ausmaß übersteigen. Nach den in Deutschland geltenden sozialmedizinischen Maßstäben reichen diese Beeinträchtigungen aber dann auch nicht aus, um eine Beschränkung in Bezug auf die zumutbare Arbeitszeit auszulösen. Nach Aktenlage spricht somit alles für das nach wie vor bestehende mehr als sechsstündige Leistungsvermögen des Klägers.

Im Ergebnis waren dem Senat keine weiteren Ermittlungen möglich. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung im Sinne von § 43 SGB VI n.F.

Er hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 241 SGB VI n.F.). Als ungelernter Fabrikarbeiter kann der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, ohne dass eine Verweisungstätigkeit konkret benannt werden muss.

Die Berufung des Klägers war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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