L 5 KR 96/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 (27) KR 183/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 96/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 22/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.04.2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob der klagende Arbeitgeber wegen eines aufgrund des Mutterschutzgesetzes für die Beigeladene zu 1) ausgesprochenen Beschäftigungsverbots Anspruch auf Erstattung geleisteter Beitragsanteile zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung (Beigeladene zu 2) hat.

Die bei dem Kläger als Zahnärztin beschäftigte Beigeladene zu 1) war von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der berufsständischen Versorgungseinrichtung der Beigeladenen zu 2) befreit. Vom 01.06. bis 14.11.1999 sowie ab dem 22.02.2000 unterlag die Beigeladene zu 1) einem Beschäftigungsverbot aufgrund des Mutterschutzgesetzes.

Am 09.08.1999 beantragte der Kläger die Erstattung seiner Aufwendungen aufgrund der Mutterschaft der Beigeladenen zu 1). Durch Bescheid vom 10.08.1999 - der eine Rechtsmittelbelehrung nicht enthielt - erstattete die Beklagte neben dem Bruttoentgelt die Arbeitgeberanteile zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung; eine Erstattung gesetzlicher Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung verweigert sie, weil diese nicht gezahlt worden seien. Eine entsprechende Erstattung erfolgte für den Zeitraum vom 22.02. bis 29.02.2000 durch den ebenfalls keine Rechtsmittelbelehrung enthaltenden Bescheid vom 29.02.2000. Am 20.09.2000 legte der Kläger Widerspruch ein: Er zahle einen monatlichen Arbeitgeberanteil zur Beigeladenen zu 2) in Höhe von 772,-DM. Auch dieser Betrag müsse ihm erstattet werden. Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid vom 24.10.2000 zurück, mit dem sie an ihrer Auffassung festhielt, dass geleistete Beiträge zur berufsständischen Versorgungseinrichtung nicht erstattet werden könnten.

Der Kläger hat am 09.11.2000 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben.

Er hat die Ansicht vertreten, dass auch die von ihm zur Beigeladenen zu 2) geleisteten Beiträge in gleicher Weise der Erstattungspflicht unterliegen müssten wie die in § 10 des Lohnfortzahlungsgesetzes (LFZG) ausdrücklich genannten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Es sei nicht gerechtfertigt, insoweit zwischen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu differenzieren. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit sowie das europarechtliche Diskriminierungsverbot weiblicher Arbeitnehmer.

Der Kläger hat beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 10.08.1999 bzw. 29.09.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für die Dauer des Beschäftigungsverbots seiner Angestellten Frau Z ... auch die Arbeitgeberanteile zur bestehenden berufsständischen Versorgungseinrichtung zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat entgegnet, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10 LFZG ausschließlich Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erstatten seien; einen Verstoß gegen den Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit sowie das europarechtliche Diskriminierungsverbot weiblicher Arbeitnehmer könne sie micht erkennen.

Durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 22.04.2002 hat das Sozialgericht Duisburg die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihm am 25.04.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.05.2002 Berufung eingelegt.

Zur Begründung macht er geltend: Der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 4 LFZG schließe es nicht aus, hierunter auch berufsständische Versorgungswerke zu fassen. Der Begriff der gesetzlichen Rentenversicherung müsse nur gegenüber privaten Altersabsicherungen abgegrenzt werden. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit liege deshalb vor, weil die von ihm gezahlten Umlagen für die bei ihm beschäftigte Beigeladene zu 1) nicht den gleichen Erfolgswert hätten wie etwa die für angestellte Zahnarzthelferinnen. Er werde als Arbeitgeber infolge der Ungleichbehandlung zukünftig keine Zahnärztin mehr einstellen, so dass eine mittelbare Diskriminierung weiblicher Arbeitnehmer vorliege.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.06.2003 haben sich der Kläger und die Beklagte darauf geeinigt, dass die Beklagte hinsichtlich der übrigen Zeiträume des Beschäftigungsverbots mit Ausnahme der Zeit, in der Mutterschaftsgeld gezahlt worden ist, Bescheide erteilen wird, die die Rechtsauffassung entsprechend dem rechtskräftigen Ausgang des vorliegenden Verfahrens zugrunde legen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.04.2002 zu ändern und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 29.02.2000 zu verurteilen, die in dem Zeitraum vom 22.02. bis 29.02.2000 für die

Beigeladene zu 1) an die Beigeladene zu 2) entrichteten Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen zu 1) und 2), die im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.06.2003 nicht erschienen sind, haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte die Streitsache auch in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) sowie eines Vertreters der Beigeladenen zu 2) verhandeln und entscheiden, denn (auch) diese Beteiligten sind in der Terminsmitteilung, die am 05.05.2003 an sie abgesandt worden ist, ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2000 ist rechtmäßig, denn dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung der von ihm während des Zeitraums vom 22.02.2000 bis 29.02.2000 für die Beigeladene zu 1) an die Beigeladene zu 2) entrichteten Beiträge nicht zu.

Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) erstatten die Ortskrankenkassen, die Innungskrankenkassen, die Bundesknappschaft und die See- Krankenkasse den Arbeitgebern, die in der Regel ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen, 80 v.H.

1. des für den in § 3 und den in § 9 Abs. 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes bezeichneten Zeitraum an Arbeiter und Auszubildende fortgezahlten Arbeitsentgelts, 2. des vom Arbeitgeber nach § 14 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes gezahlten Zuschusses zum Mutterschaftsgeld, 3. des vom Arbeitgeber nach § 11 des Mutterschutzgesetzes bei Beschäftigungsverboten gezahlten Arbeitsentgelts, 4. der auf die Arbeitsentgelte und Vergütungen nach den Nrn. 1 und 3 entfallenden von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit und Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung; in den Fällen der Nrn. 2 und 3 und der Nr. 4 in Verbindung mit Nr. 3 werden die Aufwendungen der Arbeitgeber abweichend vom 1. Halbsatz voll erstattet.

Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung von an die Beigeladene zu 2) gezahlten Beiträgen ergibt sich aus dieser Vorschrift nicht. Ein von ihm als Arbeitgeber zu tragender Anteil an Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung ist nicht entrichtet worden; die an die Beigeladene zu 2) gezahlten Beiträge sind Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht gleichzustellen.

Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift ist nur der auf das Arbeitsentgelt entfallende Arbeitgeberanteil an Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung erstattungsfähig. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Begriff der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in dem Sinne zu verstehen, dass lediglich in Abgrenzung zu privaten Vorsorgeeinrichtungen alle anderen öffentlich-rechtlich organisierten Einrichtungen, insbesondere berufsständische Versorgungseinrichtungen, hierunter zu fassen wären. Der Begriff der gesetzlichen Rentenversicherung ist eindeutig. Er wird vom Gesetzgeber durchgängig in dem Sinne gebraucht, dass hierunter nur das den Regelungen des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) unterfallende Alterssicherungssystem zu verstehen ist. So bestimmt etwa § 23 Abs. 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I), dass nach dem Recht der gestzlichen Rentenversicherung die dort im einzelnen aufgeführten Leistungen in Anspruch genommen werden können. In Absatz 2 dieser Vorschrift werden die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung aufgeführt - zu denen die Beigeladene zu 2) nicht zählt. Gerade auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber hier etwa zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und der Alterssicherung der Landwirte differenziert, spricht dafür, dass der Gesetzgeber mit der Wahl des Begriffs Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in § 10 Abs. 1 LFZG bewusst Beiträge an andere Träger als die der gesetzlichen Rentenversicherung ausgrenzen wollte. Schließlich regelt das SGB VI das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung - dem die Beigeladene zu 1) gerade aufgrund der Befreiung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht mehr unterfällt. Vor diesem Hintergrund ist eine über den Wortlaut des Gesetzes hinausgehende Auslegung des Begriffs der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht zu ziehen.

Nach Auffassung des Senats verstößt es weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Grundsätze des europäischen Rechts, dass der Gesetzgeber in § 10 Abs. 1 LFZG die Erstattungspflicht auf Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung beschränkt und Beiträge zur berufsständischen Versorgungseinrichtung wie der Beigeladenen zu 2) nicht aufgeführt hat. Ein Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes ist nicht ersichtlich ... Diese Norm gebietet es, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Das Grundrecht ist aber dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. Bundesverfassungsgericht, Amtliche Entscheidungssammlung, Bd. 104, Seite 126, ständige Rechtsprechung). Die Beigeladene zu 1) ist wegen der gemäß § 6 SGB VI erfolgten Befreiung von der Versicherungspflicht nicht mehr dem System der gesetzlichen Rentenversicherung zuzurechnen. Bereits hierin ist der sachliche Grund zu sehen, der den Gesetzgeber zur Differenzierung berechtigt. Zwar normiert § 172 Absatz 2 SGB VI für den Arbeitgeber die Pflicht, die Hälfte des Beitrags zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu tragen. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass der Gesetzgeber zwingend auch eine Erstattung der Beiträge hätte vorsehen müssen. Die Unterschiedlichkeit der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und der berufständischen Versorgungseinrichtungen andererseits stellen den sachlichen Grund dar, der den Gesetzgeber berechtigt, den Beitrag zur berufsständischen Versorgungseinrichtung von der Erstattungspflicht auszunehmen.So trifft die Beigeladene zu 1) - entgegen der Regelung der §§ 173, 174 Absatz 1 SGB VI - nach der Satzung der Beigeladenen zu 2) die Pflicht zur Beitragszahlung (vergl. insoweit Scholz in: Kasseler Kommentar, SGB VI § 172 Rdnr.16).

Auch ein Verstoß gegen europarechtliche Normen, insbesondere das Diskriminierungsverbot für Frauen liegt nicht vor. Zunächst kann sich der Kläger als Arbeitgeber auf dieses Verbot überhaupt nicht berufen, da er nicht zu dem geschützten Personenkreis zählt. Ferner ist ein solcher Verstoß auch bereits deshalb nicht anzunehmen, weil die Beigeladene zu 1) durch die hier in Frage stehende Regelung jedenfalls nicht benachteiligt wird. Darüber hinaus ist es fernliegend, in den möglicherweise eintretenden mittelbaren Auswirkungen aufgrund des Verhaltens der Arbeitgeber einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot zu erblicken, da es sich insoweit nur um einen bloßen Rechtsreflex handelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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