Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 169/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 U 88/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 182/98 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.10.1997 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Übergangsleistungen gem. § 3 Abs. 2 der Berufskrankheitenverordnung (BKVO) zu gewähren hat.
Der im Jahre 1946 geborene Kläger betreibt seit 1979 als Konditormeister eine Bäckerei. Am 03.02.1989 erfolgte die ärztliche Anzeige eines "Bäckerasthmas" als Berufskrankheit. Zum 01.11.1990 stellte der Kläger einen weiteren Meister ein, arbeitete jedoch zunächst unter Verwendung einer Feinstaubmaske weiterhin in der Produktion der Bäckerei mit. Ab dem 15.11.1991 verrichtete der Kläger nur noch Konditorarbeiten, nachdem eine von der Beklagten bezuschußte Geschäftserweiterung im Konditoreibereich mit räumlicher Trennung zur Bäckereiproduktion zwecks Vermeidung des Kontaktes mit schädigenden Stoffen erfolgt war.
Ausweislich der Einkommenssteuerbescheide entwickelten sich die Einkünfte des Klägers aus dem Gewerbebetrieb wie folgt:
1985: 27350,- DM
1986: 49195,- DM
1987: 54759,- DM
1988: 22628,- DM
1989: 28148,- DM
1990: 18824,- DM
1991: 18370,- DM
1992: 26483,- DM
1993: 63056,- DM
1994: 64159,- DM
1995: 11137,- DM
1996: 31680,- DM.
Der Kläger bezieht von der Beklagten aus Anlaß der BK nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKVO seit dem 15.10.1991 eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. (erstritten im Klageverfahren des Sozialgerichts Duisburg S 26 U 141/94, Ausführungsbescheid vom 22.08.1996).
Mit Bescheid vom 17.10.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung von Übergangsleistungen ab, weil keine Einkommensminderung vorliege. Den am 15.11.1996 einlegten Widerspruch des Klägers wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.1997 zurück. Die Einkünfte des Klägers hätten sich nach Aufgabe der schädigenden Tätigkeit im Jahre 1991 erhöht, so daß bei einem Vergleich der Einkünfte vor und nach der Berufsaufgabe ein Minderverdienst nicht erkennbar sei. Das Einkommen beinhalte Mehraufwendungen für zusätzliches Personal sowie Mehreinkünfte infolge der Ausweitung des Geschäftsbetriebes.
Hiergegen richtet sich die am 11.02.1997 erhobene Klage. Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat die Klage mit Urteil vom 22.10.1997 unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides abgewiesen.
Gegen das am 19.11.1997 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 11.12.1997 Berufung eingelegt. Es sei die mutmaßliche Einkommensentwicklung ohne Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit mit derjenigen Einkommensentwicklung zu vergleichen, die sich nach der Tätigkeitsaufgabe ergebe. Dabei könne es durchaus sein, daß der Versicherte zwar mehr verdiene als vorher, andererseits aber bei Fortsetzung der gefährdenden Tätigkeit noch mehr verdient hätte. Dabei sei zu berücksichtigen, daß er wegen seiner Berufskrankheit einen Bäckermeister eingestellt habe, dessen Lohnkosten er ansonsten eingespart hätte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.10.1997 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.01.1997 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 15.10.1991 bis 14.10.1996 Übergangsleistungen gem. § 3 Abs. 2 BKVO zu gewähren,
hilfsweise,
ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, daß dem Kläger ein Schaden entstanden ist und dieser Schaden sich der Höhe nach als die Vergütung für den angestellten Bäckermeister darstellt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozeßakte und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf Übergangsleistungen hat, weil ein Minderverdienst oder sonstige wirtschaftliche Nachteile i.S. des § 3 Abs. 2 BKVO nicht vorliegen.
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKVO haben Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen.
Bei dem Kläger fehlt es an dem für die Übergangsleistung erforderlichen konkreten wirtschaftlichen Schaden.
Die Ermittlung der ausgleichspflichtigen wirtschaftlichen Nachteile unterliegt, anders als die im Ermessen der Beklagten stehende Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Leistung, der vollen gerichtlichen Nachprüfung (BSG, Urteil vom 31.05.1996, BSGE 78, 261, 262). Zur Ermittlung der wirtschaftlichen Nachteile ist bei abhängig beschäftigten Arbeitnehmern vom Unterschied zwischen dem mutmaßlich erzielbaren Verdienst aus der bisherigen und jenem der neuen Beschäftigung auszugehen (BSG, Beschluss vom 27.05.1997, Az.: 2 BU 17/97). Bezugspunkt für die Ermittlung der Verdienstminderung und sonstiger wirtschaftlicher Nachteile ist dabei jenes Beschäftigungsverhältnis, in dem der Versicherte vor Aufgabe der Tätigkeit gestanden hat mit den in diesem Beschäftigungsverhältnis erzielten bzw. erzielbaren Einkünften und wirtschaftlichen Vorteilen (BSG, Urteil vom 04.07.1995, Az.: 2 RU 1/94, Umdr. S. 7). Dies folgt aus dem Zweck der Übergangsleistung, den bei einem Arbeitsplatzwechsel auftretenden etwaigen Unterschied zwischen den Nettoverdiensten aus der bisherigen und der neuen Beschäftigung sowie die zusätzlich erforderlichen Aufwendungen für den neuen Arbeitsplatz auszugleichen und damit ein übergangsloses Absinken des Versicherten im wirtschaftlichen Status zu vermeiden. Sie ist darauf angelegt, innerhalb eines Zeitraumes von bis zu fünf Jahren durch den vollständigen oder teilweisen Ausgleich der infolge der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit entstehenden wirtschaftlichen Nachteile von der wirtschaftlichen Situation vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu der danach eintretenden wirtschaftlichen Situation überzuleiten
(BSG, Urteil vom 28.02.1980, BSGE 50, 40, 42). Das BSG hat es deshalb abgelehnt, einen möglichen Mehrverdienst aufgrund eines künftigen beruflichen Aufstieges zu berücksichtigen und ergänzend darauf hingewiesen, daß die Übergangsleistung nicht der Entschädigung einer BK und damit verbundener wirtschaftlicher Nachteile diene, sondern es sich vielmehr um eine Regelung der Prävention und Krankheitsvorsorge handele, um den Versicherten zur Aufgabe der ihn gefährdenden Tätigkeit zu veranlassen (BSG, Urteil vom 04.07.1995, Az. 2 RU 1/94, Umdr. S.7; s.a. BSG, Urteil vom 31.05.1996, BSGE 78, 261, 264; BSG,Urteil vom 22.08.1975, BSGE 40, 146, 150).
Bei selbständiger Tätigkeit gelten dieselben Grundsätze. Hier ist der auszugleichende Minderverdienst aus einem Vergleich des tatsächlichen Einkommens aus selbständiger Tätigkeit mit einem fiktiven Einkommen zu ermitteln. Als Einkommen ist dabei gem. § 15 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelte Gewinn aus selbständiger Tätigkeit anzusehen. Hinsichtlich des fiktiven Einkommens ist auf die Gewinnsituation des Selbständigen vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit abzustellen (LSG NRW, Urteil vom 28.09.1993, Az.: L 15 U 7/93, Breithaupt 1994,738, 739; Benz in: Schulin (Hg.), HS- UV, 1997, § 47 RdNr. 129; a.A. Mehrtens/ Perlebach, BKVO, Stand: 12/97, § 3 Anm. 5.3: Abstellen auf Versicherungssummen).
Für den Kläger ergibt sich, daß er aus seinem Gewerbebetrieb ausweislich der vorgelegten Einkommenssteuerbescheide in den maßgeblichen Jahren 1991 bis 1996 durchschnittliche Jahreseinkünfte i.H.v. 35814,- DM erzielte. Im entsprechenden Sechsjahreszeitraum vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit (1985-1990) lagen die durchschnittlichen Jahreseinkünfte bei 33817,- DM, wobei zuletzt mit 22628,- DM (1988), 28148,- DM (1989) und 18824,- DM (1990) deutlich unterdurchschnittliche Einkünfte erzielt wurden. Sowohl der Vergleich der durchschnittlichen Jahreseinkünfte als auch die Gewinnentwicklung des Betriebes in den letzten Jahren vor der Tätigkeitsaufgabe lassen den Schluß zu, daß die mit Unterstützung der Beklagten durchgeführte Erweiterung des Konditoreibereiches bei Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit in der Bäckereiproduktion trotz gestiegener Personalkosten zu einer Einkommensverbesserung geführt hat. Die Annahme eines durch die Tätigkeitsaufgabe bedingten Minderverdienstes kommt deshalb nicht in Betracht. Soweit der Kläger darauf hinweist, daß der Konditoreibereich aufgrund eines Nachfragemangels inzwischen rückläufig sei und er die Mehrkosten für den zusätzlichen Bäckermeister nicht mehr erwirtschaften könne, ist dies unerheblich. Insbesondere in den 3 Jahren nach der Tätigkeitsaufgabe hat sich die Ertragssituation des Betriebes deutlich verbessert. Unternehmerische Risiken wie die Nachfrageentwicklung werden mit der unfallversicherungsrechtlichen Übergangsleistung nicht abgedeckt. Auch die Argumentation des Klägers, er hätte im Falle der Weiterarbeit in der Bäckerei ohne den zusätzlichen Meister ab 1991 noch mehr verdienen können, ist angesichts der ungünstigen Gewinnentwicklung in den Vorjahren und der dann fehlenden Geschäftserweiterung nicht plausibel. Er hätte zwar die Personalkosten eingespart, zugleich aber nicht über die Arbeitsleistung des Meisters verfügen können.
Das Begehren des Klägers könnte somit nur dann Erfolg haben, wenn die Gehaltszahlung für den weiteren Mitarbeiter unabhängig von der Gewinnentwicklung des Betriebes als isolierter Schaden im Sinne eines Minderverdienstes gem. § 3 Abs. 2 BKVO zu bewerten wäre. Dies ist aber bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht möglich, da mit dem Begriff des Minderverdienstes auf die Einkommenssituation, nicht aber auf die zur Einkommenserzielung notwendigen Aufwendungen abgestellt wird. Es wäre auch mit dem Überleitungszweck des § 3 Abs. 2 BKVO nicht zu vereinbaren, einzelne Mehraufwendungen aufgrund der Tätigkeitsaufgabe unabhängig davon zu kompensieren, ob eine Verringerung des zuvor erzielten Versicherteneinkommens und damit ein übergangsloses Absinken im wirtschaftlichen Status eintritt.
Sonstige wirtschaftliche Nachteile i.S.des § 3 Abs. 2 Satz 1 BKVO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Dem Hilfsantrag des Klägers ist der Senat nicht nachgekommen, weil das von ihm bezeichnete Beweisthema keines Sachverständigengutachtens bedarf. Der durch die Vergütung des angestellten Bäckermeisters entstandene Aufwand ist aktenkundig. Der Kläger hat eine Zusammenstellung seiner Lohnkosten vom 27.02.1998 sowie Lohnabrechnungen des fraglichen Mitarbeiters vorgelegt. Inwieweit die Vergütung des Bäckermeisters entsprechend der Auffassung des Klägers unabhängig von der Gewinnentwicklung als Schaden i.S. eines Minderverdienstes gem. § 3 Abs. 2 BKVO angesehen werden kann, ist eine allein durch das Gericht zu beantwortende Rechtsfrage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Übergangsleistungen gem. § 3 Abs. 2 der Berufskrankheitenverordnung (BKVO) zu gewähren hat.
Der im Jahre 1946 geborene Kläger betreibt seit 1979 als Konditormeister eine Bäckerei. Am 03.02.1989 erfolgte die ärztliche Anzeige eines "Bäckerasthmas" als Berufskrankheit. Zum 01.11.1990 stellte der Kläger einen weiteren Meister ein, arbeitete jedoch zunächst unter Verwendung einer Feinstaubmaske weiterhin in der Produktion der Bäckerei mit. Ab dem 15.11.1991 verrichtete der Kläger nur noch Konditorarbeiten, nachdem eine von der Beklagten bezuschußte Geschäftserweiterung im Konditoreibereich mit räumlicher Trennung zur Bäckereiproduktion zwecks Vermeidung des Kontaktes mit schädigenden Stoffen erfolgt war.
Ausweislich der Einkommenssteuerbescheide entwickelten sich die Einkünfte des Klägers aus dem Gewerbebetrieb wie folgt:
1985: 27350,- DM
1986: 49195,- DM
1987: 54759,- DM
1988: 22628,- DM
1989: 28148,- DM
1990: 18824,- DM
1991: 18370,- DM
1992: 26483,- DM
1993: 63056,- DM
1994: 64159,- DM
1995: 11137,- DM
1996: 31680,- DM.
Der Kläger bezieht von der Beklagten aus Anlaß der BK nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKVO seit dem 15.10.1991 eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. (erstritten im Klageverfahren des Sozialgerichts Duisburg S 26 U 141/94, Ausführungsbescheid vom 22.08.1996).
Mit Bescheid vom 17.10.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung von Übergangsleistungen ab, weil keine Einkommensminderung vorliege. Den am 15.11.1996 einlegten Widerspruch des Klägers wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.1997 zurück. Die Einkünfte des Klägers hätten sich nach Aufgabe der schädigenden Tätigkeit im Jahre 1991 erhöht, so daß bei einem Vergleich der Einkünfte vor und nach der Berufsaufgabe ein Minderverdienst nicht erkennbar sei. Das Einkommen beinhalte Mehraufwendungen für zusätzliches Personal sowie Mehreinkünfte infolge der Ausweitung des Geschäftsbetriebes.
Hiergegen richtet sich die am 11.02.1997 erhobene Klage. Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat die Klage mit Urteil vom 22.10.1997 unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides abgewiesen.
Gegen das am 19.11.1997 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 11.12.1997 Berufung eingelegt. Es sei die mutmaßliche Einkommensentwicklung ohne Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit mit derjenigen Einkommensentwicklung zu vergleichen, die sich nach der Tätigkeitsaufgabe ergebe. Dabei könne es durchaus sein, daß der Versicherte zwar mehr verdiene als vorher, andererseits aber bei Fortsetzung der gefährdenden Tätigkeit noch mehr verdient hätte. Dabei sei zu berücksichtigen, daß er wegen seiner Berufskrankheit einen Bäckermeister eingestellt habe, dessen Lohnkosten er ansonsten eingespart hätte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.10.1997 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.01.1997 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 15.10.1991 bis 14.10.1996 Übergangsleistungen gem. § 3 Abs. 2 BKVO zu gewähren,
hilfsweise,
ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, daß dem Kläger ein Schaden entstanden ist und dieser Schaden sich der Höhe nach als die Vergütung für den angestellten Bäckermeister darstellt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozeßakte und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf Übergangsleistungen hat, weil ein Minderverdienst oder sonstige wirtschaftliche Nachteile i.S. des § 3 Abs. 2 BKVO nicht vorliegen.
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKVO haben Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen.
Bei dem Kläger fehlt es an dem für die Übergangsleistung erforderlichen konkreten wirtschaftlichen Schaden.
Die Ermittlung der ausgleichspflichtigen wirtschaftlichen Nachteile unterliegt, anders als die im Ermessen der Beklagten stehende Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Leistung, der vollen gerichtlichen Nachprüfung (BSG, Urteil vom 31.05.1996, BSGE 78, 261, 262). Zur Ermittlung der wirtschaftlichen Nachteile ist bei abhängig beschäftigten Arbeitnehmern vom Unterschied zwischen dem mutmaßlich erzielbaren Verdienst aus der bisherigen und jenem der neuen Beschäftigung auszugehen (BSG, Beschluss vom 27.05.1997, Az.: 2 BU 17/97). Bezugspunkt für die Ermittlung der Verdienstminderung und sonstiger wirtschaftlicher Nachteile ist dabei jenes Beschäftigungsverhältnis, in dem der Versicherte vor Aufgabe der Tätigkeit gestanden hat mit den in diesem Beschäftigungsverhältnis erzielten bzw. erzielbaren Einkünften und wirtschaftlichen Vorteilen (BSG, Urteil vom 04.07.1995, Az.: 2 RU 1/94, Umdr. S. 7). Dies folgt aus dem Zweck der Übergangsleistung, den bei einem Arbeitsplatzwechsel auftretenden etwaigen Unterschied zwischen den Nettoverdiensten aus der bisherigen und der neuen Beschäftigung sowie die zusätzlich erforderlichen Aufwendungen für den neuen Arbeitsplatz auszugleichen und damit ein übergangsloses Absinken des Versicherten im wirtschaftlichen Status zu vermeiden. Sie ist darauf angelegt, innerhalb eines Zeitraumes von bis zu fünf Jahren durch den vollständigen oder teilweisen Ausgleich der infolge der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit entstehenden wirtschaftlichen Nachteile von der wirtschaftlichen Situation vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu der danach eintretenden wirtschaftlichen Situation überzuleiten
(BSG, Urteil vom 28.02.1980, BSGE 50, 40, 42). Das BSG hat es deshalb abgelehnt, einen möglichen Mehrverdienst aufgrund eines künftigen beruflichen Aufstieges zu berücksichtigen und ergänzend darauf hingewiesen, daß die Übergangsleistung nicht der Entschädigung einer BK und damit verbundener wirtschaftlicher Nachteile diene, sondern es sich vielmehr um eine Regelung der Prävention und Krankheitsvorsorge handele, um den Versicherten zur Aufgabe der ihn gefährdenden Tätigkeit zu veranlassen (BSG, Urteil vom 04.07.1995, Az. 2 RU 1/94, Umdr. S.7; s.a. BSG, Urteil vom 31.05.1996, BSGE 78, 261, 264; BSG,Urteil vom 22.08.1975, BSGE 40, 146, 150).
Bei selbständiger Tätigkeit gelten dieselben Grundsätze. Hier ist der auszugleichende Minderverdienst aus einem Vergleich des tatsächlichen Einkommens aus selbständiger Tätigkeit mit einem fiktiven Einkommen zu ermitteln. Als Einkommen ist dabei gem. § 15 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelte Gewinn aus selbständiger Tätigkeit anzusehen. Hinsichtlich des fiktiven Einkommens ist auf die Gewinnsituation des Selbständigen vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit abzustellen (LSG NRW, Urteil vom 28.09.1993, Az.: L 15 U 7/93, Breithaupt 1994,738, 739; Benz in: Schulin (Hg.), HS- UV, 1997, § 47 RdNr. 129; a.A. Mehrtens/ Perlebach, BKVO, Stand: 12/97, § 3 Anm. 5.3: Abstellen auf Versicherungssummen).
Für den Kläger ergibt sich, daß er aus seinem Gewerbebetrieb ausweislich der vorgelegten Einkommenssteuerbescheide in den maßgeblichen Jahren 1991 bis 1996 durchschnittliche Jahreseinkünfte i.H.v. 35814,- DM erzielte. Im entsprechenden Sechsjahreszeitraum vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit (1985-1990) lagen die durchschnittlichen Jahreseinkünfte bei 33817,- DM, wobei zuletzt mit 22628,- DM (1988), 28148,- DM (1989) und 18824,- DM (1990) deutlich unterdurchschnittliche Einkünfte erzielt wurden. Sowohl der Vergleich der durchschnittlichen Jahreseinkünfte als auch die Gewinnentwicklung des Betriebes in den letzten Jahren vor der Tätigkeitsaufgabe lassen den Schluß zu, daß die mit Unterstützung der Beklagten durchgeführte Erweiterung des Konditoreibereiches bei Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit in der Bäckereiproduktion trotz gestiegener Personalkosten zu einer Einkommensverbesserung geführt hat. Die Annahme eines durch die Tätigkeitsaufgabe bedingten Minderverdienstes kommt deshalb nicht in Betracht. Soweit der Kläger darauf hinweist, daß der Konditoreibereich aufgrund eines Nachfragemangels inzwischen rückläufig sei und er die Mehrkosten für den zusätzlichen Bäckermeister nicht mehr erwirtschaften könne, ist dies unerheblich. Insbesondere in den 3 Jahren nach der Tätigkeitsaufgabe hat sich die Ertragssituation des Betriebes deutlich verbessert. Unternehmerische Risiken wie die Nachfrageentwicklung werden mit der unfallversicherungsrechtlichen Übergangsleistung nicht abgedeckt. Auch die Argumentation des Klägers, er hätte im Falle der Weiterarbeit in der Bäckerei ohne den zusätzlichen Meister ab 1991 noch mehr verdienen können, ist angesichts der ungünstigen Gewinnentwicklung in den Vorjahren und der dann fehlenden Geschäftserweiterung nicht plausibel. Er hätte zwar die Personalkosten eingespart, zugleich aber nicht über die Arbeitsleistung des Meisters verfügen können.
Das Begehren des Klägers könnte somit nur dann Erfolg haben, wenn die Gehaltszahlung für den weiteren Mitarbeiter unabhängig von der Gewinnentwicklung des Betriebes als isolierter Schaden im Sinne eines Minderverdienstes gem. § 3 Abs. 2 BKVO zu bewerten wäre. Dies ist aber bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht möglich, da mit dem Begriff des Minderverdienstes auf die Einkommenssituation, nicht aber auf die zur Einkommenserzielung notwendigen Aufwendungen abgestellt wird. Es wäre auch mit dem Überleitungszweck des § 3 Abs. 2 BKVO nicht zu vereinbaren, einzelne Mehraufwendungen aufgrund der Tätigkeitsaufgabe unabhängig davon zu kompensieren, ob eine Verringerung des zuvor erzielten Versicherteneinkommens und damit ein übergangsloses Absinken im wirtschaftlichen Status eintritt.
Sonstige wirtschaftliche Nachteile i.S.des § 3 Abs. 2 Satz 1 BKVO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Dem Hilfsantrag des Klägers ist der Senat nicht nachgekommen, weil das von ihm bezeichnete Beweisthema keines Sachverständigengutachtens bedarf. Der durch die Vergütung des angestellten Bäckermeisters entstandene Aufwand ist aktenkundig. Der Kläger hat eine Zusammenstellung seiner Lohnkosten vom 27.02.1998 sowie Lohnabrechnungen des fraglichen Mitarbeiters vorgelegt. Inwieweit die Vergütung des Bäckermeisters entsprechend der Auffassung des Klägers unabhängig von der Gewinnentwicklung als Schaden i.S. eines Minderverdienstes gem. § 3 Abs. 2 BKVO angesehen werden kann, ist eine allein durch das Gericht zu beantwortende Rechtsfrage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor.
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