L 11 Ka 75/95

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 25 Ka 99/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 Ka 75/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialge richts Düsseldorf vom 29.03.1995 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Be klagten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die von der Klägerin begehrte Genehmigung zur Beschäftigung einer angestellten Ärztin.

Die Klägerin ist als Ärztin für Kinderheilkunde in L niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie will die Beigeladene zu 9), die als Ärztin keine Gebietsbezeichnung führt, in ihrer Praxis anstellen (§ 95 Abs. 9 SGB V).

Ihren Antrag lehnte der Zulassungsausschuß mit Beschluss vom 06.10.1993 unter Hinweis darauf ab, daß die Beigeladene zu 9) nicht über die gleiche Qualifikation wie die Praxisinhaberin verfüge. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Beschluss vom 22.06.1994 als unbegründet zurück. Er führte aus, die Anstellung eines Arztes mit einer anderen Gebietsbezeichnung berge die Gefahr in sich, daß die Praxis nunmehr auf verschiedenen Gebieten tätig werde. Überdies werde das Vertrauen des Patienten von einem Arzt gerade der von ihm gewählten Fachgruppe ärztlich versorgt zu werden, mißbraucht, wenn er die Versorgung durch einen Arzt eines anderen Fachgebietes oder sogar eines nicht weitergebildeten Arztes hinzunehmen hätte. Hinzu komme, daß nach derzeitigem Zulassungsrecht die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit für weitergebildete Ärzte zu einem bestimmten Fachgebiet der Vorrang gegenüber einer Bedarfsdeckung durch lediglich angestellte Ärzte eingeräumt werde. Insofern müsse vermieden werden, daß durch die Anstellung eines Arztes ohne Gebietsbezeichnung oder aber einer ganz anderen Gebietsbezeichnung eine Zulassungsbeschränkung für solche Bewerber herbeigeführt werde, die die Gebietsbezeichnung der Antragstellerin führen.

Mit der hiergegen gerichteten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich abgesicherten Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit hätte der Beklagte zu einem anderen Ergebnis kommen müssen. Wenn der Gesetzgeber es zudem unterlassen habe, die Fachgebietsidentität für einen Dauerassistenten vorzuschreiben, folge hieraus, daß auch Ärzte ohne Gebietsbezeichnung in der klägerischen Praxis tätig werden dürfen. Der Befürchtung, daß fachfremde Leistungen abgerechnet werden können, stehe schon entgegen, daß die Kassenärztlichen Vereinigung entsprechende Ansätze berichtigen werde. Die Patienten könnten überdies darüber aufgeklärt werden, daß die Beigeladene zu 9) keine Fachgebietsbezeichnung führe. Im übrigen sei jeder praktische Arzt in der Lage und dazu befugt, Kinder zu untersuchen und zu behandeln.

Das Sozialgericht Düsseldorf hat die Klage durch Urteil vom 29.03.1995 abgewiesen, da der anzustellende Arzt über die gleiche Qualifikation wie der Praxisinhaber verfügen müsse.

Mit ihrer Berufung trägt die Klägerin ergänzend vor, die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte verlange ausweislich ihres Wortlautes die vom Beklagten verlangte Fachgruppenidentität nicht. Statt dessen folge aus der Begründung zu § 95 Abs. 9 SGB V, daß durch diese Regelung weitere Beschäftigungsmöglichkeiten für medizinische Hochschulabsolventen geschaffen werden sollten, die keine eigene Kassenzulassung erhalten. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber bei der Regelung der Vertretung eines ermächtigten Krankenhausarztes ausdrücklich festgeschrieben, daß der Vertreter dieselbe Gebietsbezeichnung führen müsse. Wenn der Gesetzgeber von diesem Erfordernis an anderer Stelle abgesehen habe, lasse dies nur den Schluß zu, daß er hier keine Fachgebietsidentität verlange. Im übrigen verstoße es gegen Art. 12 Grundgesetz, wenn verlangt werde, daß Praxisinhaber und angestellter Arzt demselben Fachgebiet angehören müssen. Zumindest bei inhaltsnahen Fachgebieten müsse in Anlehnung an die Grundsätze bei der gebietsübergreifenden Gemeinschaftspraxis auf die Identität der Gebietsbezeichnungen verzichtet werden. Die Erwartungen des überweisenden Arztes oder eines Patienten würden nicht enttäuscht, denn die anzustellende Ärztin sei ausreichend qualifiziert, um Kinder behandeln zu können. Eine etwaige Bedarfsplanung stehe einer Genehmigung nicht entgegen, da die anzustellende Ärztin Leistungen der Kinderheilkunde erbringen könne und tatsächlich auch erbringe. Zulassungsbeschränkungen seien zwar arztgruppenbezogen anzuordnen, dies widerspreche indes der Zulassung eines "Dauerassistenten" mit einem inhaltsnahen Fachgebiet nicht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.03.1995 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 06.07.1994 zu verpflichten, die Genehmigung zur Anstellung der Beigeladenen zu 9) als angestellte Ärztin zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist darauf, daß der Senat die streitigen Rechtsfragen bereits durch Urteil vom 11.01.1995 - L 11 Ka 84/94 - entschieden hat. Die Beigeladenen zu 1), 2), 3), 7) und 8) schließen sich dem Antrag des Beklagten an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 22.06.1994 ist rechtmäßig. Die Klägerin darf die Beigeladene zu 9) nicht als Ärztin anstellen, denn deren Anstellung unterliegt der Genehmigungspflicht gemäß § 32b ZV-Ärzte und ist nicht genehmigungsfähig, da die Beigeladene zu 9) nicht der Arztgruppe der Klägerin angehört.

Auf der Grundlage von § 32b ZV-Ärzte muß der anzustellende Arzt derselben Arztgruppe wie der Praxisinhaber angehören. Dies folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 32b Abs. 1 ZV-Ärzte, ergibt sich indessen aus § 32b Abs. 2 Satz 3 ZV-Ärzte, wonach die Genehmigung zu versagen ist, wenn für den Planungsbereich bereits vor der Antragstellung eine Überversorgung durch den zuständigen Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 103 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgestellt war. Die im Falle einer Überversorgung zwingende Anordnung von Zulassungsbeschränkungen (§ 103 Abs. 1 Satz 2 SGB V) ist nach § 103 Abs. 2 Satz 3 SGB V "arztgruppenbezogen" unter angemessener Berücksichtigung der Besonderheiten bei den Kassenarten anzuordnen.

Unzweifelhaft wäre es eindeutiger gewesen, wenn § 32b ZV-Ärzte neben den dort ausdrücklich genannten Voraussetzungen für den zeitlichen Umfang der Anstellung (Abs. 1) bzw. das Antragsverfahren (Abs. 2) eine ausdrückliche Bestimmung dahin getroffen hätte, daß der anzustellende Arzt derselben Arztgruppe wie der Praxisinhaber angehören muß. Indessen zwingt schon die Normenkette der §§ 32b Abs. 2 Satz 3 ZV-Ärzte, 103 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 und Abs. 2 Satz 3 SGB V dazu, dieses Erfordernis als weitere gesetzliche Voraussetzung für die Genehmigung anzusehen.

Soweit die Klägerin den Wortlaut des § 32b Abs. 1 ZV-Ärzte in den Vordergrund stellt und darauf hinweist, daß hiernach eine Fachgebietsidentität nicht vorgesehen ist, rechtfertigt sich keine andere Beurteilung. Zwar hat sich die Auslegung einer Vorschrift prinzipiell innerhalb des möglichen Wortsinns zu halten (vgl. Zippelius, jur. Methodenlehre, Seite 60). Ein eindeutiger, ggfs. auch durch Auslegung zu ermittelnder Wortlaut ist insoweit bindend (vgl. BVerfGE 87, 48, 60). Deswegen ist in erster Linie auf die grammatikalische Methode abzustellen, die dann ausreicht, wenn der Wortlaut der Norm klar ist (vgl. Urteil des Senats vom 09.08.1989 - L 11 Ka 66/88 -). Letzteres ist hier nur vordergründig der Fall, denn bei § 32b Abs. 1 ZV-Ärzte liegt insofern eine Besonderheit vor, als es nicht darum geht, einzelne Begriffe der Norm auszulegen. Diese sind im hier interessierenden Zusammenhang eindeutig. Statt dessen ist die Vorschrift insgesamt in eine logische Beziehung zu anderen Normen zu bringen (hierzu vgl. auch BSGE 50, 47, 50; 54, 188, 189). Ergibt sich dabei, daß nur ein bestimmtes Verständnis der Norm Sinn macht, ist es jedenfalls zulässig, die Vorschrift restriktiv zu interpretieren und dabei ggfs. hinter dem möglichen Wortsinn zurückzubleiben (berichtigende Auslegung, vgl. auch BVerfGE 87, 48, 60). So liegt es hier. Die Auffassung der Klägerin, der Wortlaut des § 32b Abs. 1 ZV-Ärzte lasse die Anstellung eines gebietsfremden Arztes zu, ist - wie dargelegt - mit § 32 Abs. 2 Satz 3 ZV-Ärzte nicht in Einklang zu bringen. Überdies fordern § 101 Satz 4 und Satz 5 SGB V, daß bei der Ermittlung des Versorgungsgrades "arztgruppenspezifisch" vorzugehen ist und "beim Vertragsarzt angestellte ganztagsbeschäftigte Ärzte, wie der Vertragsarzt selbst, mit dem Faktor 1 und halbtagsbeschäftigte mit dem Faktor 0,5 anzusetzen sind". Diese Vorschrift geht ersichtlich davon aus, daß der angestellte Arzt wie der Praxisinhaber mit dem jeweiligen Faktor in der Arztgruppe zu berücksichtigen ist. Auch die Begründung zu §§ 101, 103 SGB V stellt ausdrücklich klar, daß die durch § 95 Abs. 9 SGB V ermöglichte Anstellung von Ärzten eine Berücksichtigung der angestellten Ärzte bei der Bedarfsplanung erfordert (BT-Drucksache 12/3608, 96, 99 f. zu Nr. 52 und 54). Gehört indes der angestellte Arzt keiner oder aber einer der Anstellungspraxis fremden Arztgruppe an, würde eine im Interesse der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung durchzuführende Bedarfsplanung erschwert und im Extremfall vereitelt. Die von der Klägerin vertretene Rechtsauffassung hätte im übrigen die sinnwidrige Konsequenz, daß für die Bedarfsplanung die Zahl der Ärzte einer bestimmten Gruppe letztlich doppelt so hoch anzunehmen wäre wie es der tatsächlichen Zahl der Ärzte dieser Fachgruppe im Planungsbereich entspricht.

Der Hinweis der Klägerin auf § 98 Abs. 2 Nr. 11 SGB V führt nicht weiter. Im Gegensatz zu § 95 Abs. 9 SGG V bzw. § 32b ZV-Ärzte hat der Gesetzgeber hier ausdrücklich geregelt, daß ein ermächtigter Krankenhausarzt nur von einem Arzt mit derselben Gebietsbezeichnung vertreten werden kann. Das klägerische Vorbringen wird hierdurch jedoch nicht gestützt. Da die Ermächtigung (§ 116 SGB V) grundsätzlich nur bei einem qualitativen oder quantitativen Versorgungsdefizit erteilt werden darf (vgl. BSG vom 15.03.1995 - RKa 42/93 -), liegt es nahe, daß der Vertreter die Gebietsbezeichnung des Vertretenen haben muß. Die durch § 95 Abs. 9 SGB V geregelte Sachlage unterscheidet sich hiervon nicht grundlegend. Auch der angestellte Arzt kann bei Abwesenheit des Praxisinhabers als dessen Vertreter tätig werden (vgl. Steinhilper in MedR 1993, 293). Zwar setzt die Anstellung kein qualitatives und quantitatives Versorgungsdefizit voraus, andererseits darf die zusätzliche Qualifikation des angestellten Arztes auch nicht das vertragsarztrechtliche Leistungsspektrum des Praxisinhabers erweitern. Diesem werden für seine Praxis nur solche Leistungen honoriert, die er selbst erbringen und abrechnen darf. Infolgedessen fordert schon der Sachzusammenhang, daß der angestellte Arzt dieselbe Gebietsbezeichnung haben muß wie der Praxisinhaber. Deswegen und aus den noch nachfolgend darzulegenden Gründen ist der Senat der Auffassung, daß die in § 95 Abs. 9 SGB V und § 32b Abs. 1 ZV-Ärzte nicht ausdrücklich vorgesehene Fachgebietsidentität auf einem redaktionellen Versäumnis des Gesetzgebers beruht.

Gegen die Auffassung der Klägerin spricht überdies, daß es sich bei § 32b ZV-Ärzte um einen eng auszulegenden Ausnahmetatbestand handelt. Die vertragsärztliche Versorgung ist von den Vertragsärzten über deren kassenärztliche Vereinigung sicherzustellen (§§ 77 Abs. 1, 75 Abs. 1 SGB V). Der nach § 95 Abs. 9 SGB V anzustellende Arzt ist kein Vertragsarzt. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung treffen ihn nicht unmittelbar, allenfalls mittelbar durch individuelle Gestaltung des Arbeitsverhältnisses mit dem Praxisinhaber bzw. über § 32b Abs. 3 ZV-Ärzte. Dies macht deutlich, daß es bei dem durch § 95 Abs. 9 SGB V vorgesehenen Anstellungsverhältnis um ein nachrangiges Rechtsverhältnis geht, das am Vorrang der vertragsärztlichen Versorgung durch Vertragsärzte nichts ändert. Nach der Gesetzesbegründung wird hiermit primär der Zweck verfolgt, weitere Beschäftigungsmöglichkeiten für medizinische Hochschulabsolventen zu schaffen, die keine Kassenzulassung erhalten (vgl. BT-Drucksache 12/3608, Seite 93 zu Nr. 48, Buchstabe d). Aus alledem folgt der Ausnahmecharakter des § 95 Abs. 9 SGB V zu § 95 Abs. 1 SGB V. Ausnahmetatbestände sind indessen eng auszulegen und einer erweiternden Interpretation grundsätzlich nicht zugänglich (vgl. BSG vom 07.10.1976 - 6 RKa 15/75 - in SozR 2200 § 368n RVO Nr. 9; BGH vom 15.10.1991 - 4 StR 420/91 -). Bereits Sinn und Zweck des § 95 Abs. 9 SGB V gebieten - wie dargestellt - eine restriktive Auslegung. Der Ausnahmecharakter dieser Vorschrift zu § 95 Abs. 1 SGB V bestätigt ein solches Verständnis.

Die Annahme der Klägerin, der Gesetzgeber habe es bewußt unterlassen, die Fachgebietsidentität für angestellte Ärzte vorzuschreiben, teilt der Senat nicht. Dem stehen zum einen schon die zuvor aufgezeigten systematisch-inhaltlichen Zusammenhänge entgegen, die eine andere Interpretation erfordern. Zum anderen dürfte ein derartiger Wille des Gesetzgebers nur schwer feststellbar sein. Er kann jedenfalls nicht allein als Gegenschluß daraus hergeleitet

werden, daß § 98 Abs. 2 Nr. 11 SGB V dieselbe Gebietsbezeichnung verlangt. Die Gesetzesbegründung zu § 95 Abs. 9 SGB V ist unklar (vgl. schon Urteil des Senats vom 11.01.1995 - L 11 Ka 84/94 -). Wenn nämlich einerseits durch die Neuregelung weitere Beschäftigungsmöglichkeiten für medizinische Hochschulabsolventen geschaffen werden sollen, die keine Kassenzulassung erhalten (BT-Drucksache 12/3608 Seite 93), andererseits die Versagung der Genehmigung der Anstellung bei einer festgestellten Überversorgung vorgeschrieben ist, trägt die Gesetzesbegründung nicht die Gesetz gewordenen Regelungen des § 95 Abs. 9 SGB V und § 32b ZV-Ärzte. Angesichts dieser Sachlage ist der Annahme, der Gesetzgeber habe in § 95 Abs. 9 SGB V bewußt keine Fachgebietsidentität vorgesehen, die Grundlage entzogen.

Der Senat ist ferner nicht der Auffassung der Klägerin, daß die Voraussetzung, der anzustellende Arzt müsse derselben Arztgruppe wie der Praxisinhaber angehören, gegen höherrangiges Recht (Art. 12 GG) verstößt. Die inhaltlichen Anforderungen des Art. 12 GG sind unterschiedlich in Abhängigkeit davon, ob ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl vorliegt oder nur die Berufsausbildung geregelt werden soll. Ein Eingriff in die Berufswahl ist nur zulässig, wenn er zur Abwehr nachweisbar oder höchstwahrscheinlich schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dient (objektive Berufszugangsvoraussetzung) oder der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert (subjektive Berufszugangsvoraussetzung). Demgegenüber reichen für eine Regelung der Berufsausübung vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls aus (vgl. schon BVerfGE 7, 377 ff. sowie BVerGE 80, 369 ff.). Ausgehend hiervon ist die Regelung des § 95 Abs. 9 SGB V i.V.m. § 32 BZV-Ärzte allenfalls dem Bereich der Berufsausübung zuzurechnen. Diese Normen werden von "vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls" getragen. Die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin wird durch ein Gesetz beeinträchtigt, das mit dem Ziel der Bedarfsplanung in sachgerechter Weise (Geeignetheit und Erforderlichkeit) der Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung und damit letztlich der Sicherung des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung dient (hierzu vgl. BT-Drucksache 12/3608, Vorblatt Seite 1 sowie Seite 66 ff., 97 ff.). Letztes hat das Bundesverfassungsgericht als Gemeinschaftsgut von hohem Rang qualifiziert (BVerfGE 68, 193, 218, 220) und betont, daß die finanzielle Stabilität der Träger der Sozialversicherung ein Gemeinwohlbelang von derart hoher Bedeutung ist, daß Maßnahmen auch dann gerechtfertigt sein können, wenn sie für den Betroffenen zu fühlbaren Einschränkungen führen (BVerfGE 70, 130; 77, 84, 107; 82, 209, 230; vgl. auch BSG SozR 2200 § 368g RVO Nr. 13). Ob die vom Gesetzgeber in § 95 Abs. 9 SGB V i.V.m. § 32b ZV-Ärzte getroffene Regelung der Bedarfsplanung der vernünftigste, zweckmäßigste und rechteste Regelung ist, unterliegt nicht der gerichtlichen Kontrolle (BVerfGE 55, 72, 90; LSG NRW vom 08.11.1989 - L 11 Ka 60/89 -). Die Zweckbestimmung des Gesetzes ist aufgrund des dem Gesetzgeber eingeräumten Prognose- und Beurteilungsspielraums hinzunehmen (BVerfGE 68, 220). Hinter dem gesetzgeberischen Ziel, die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Sozialversicherung sicherzustellen, haben die Interessen des einzelnen Vertragsarztes, einen nicht fachgruppenangehörigen Arzt anzustellen, ohne weiteres zurückzustellen.

Soweit der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen in seinen Richtlinien über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung vom 09.03.1993 (mit Änderung vom 17.12.1993) wegen der ansonsten unverständlichen Nummern 40 bis 44 von der gegenteiligen Rechtsauffassung ausgegangen sein sollte, ist dies hier unbeachtlich, da es sich bei den Richtlinien um untergesetzliche Regelungen handelt.

Das so gefundene rechtliche Ergebnis dient auch den Patienteninteressen an einer qualifizierten vertragsärztlichen Versorgung. Ein etwaiges Weisungsrecht des Praxisinhabers gegenüber dem angestellten Arzt vermag die gebietsärztliche Qualifikation nicht zu ersetzen, die ein krankenversicherter Patient erwartet, wenn er sich in die Behandlung eines "Facharztes" begibt. Im übrigen waren auch die Erwartungen eines überwiesenen Patienten enttäuscht, wenn er in der klägerischen Praxis durch eine Ärztin ohne Gebietsbezeichnung behandelt werden sollte. Zwar ist es theoretisch denkbar, den jeweiligen Patienten darüber aufzuklären, daß die Beigeladene zu 9) nicht Ärztin für Kinderheilkunde ist. Indes hat das Sozialgericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, daß es nicht Sinn der einer qualifizierten vertragsärztlichen Versorgung dienenden arztgruppenspezifischem Bedarfsplanung sein kann, einerseits für eine möglichst hochwertige fachärztliche Behandlung zu sorgen, andererseits aber den Versicherten, der diese Behandlungen in Anspruch nehmen will oder muß, wieder vor die Entscheidung zu stellen, auf die Behandlung des Facharztes nun doch zu verzichten. Auch die Interessen der überweisenden Vertragsärzte verlangen, daß der angestellte Arzt der Gebietsgruppe des Praxisinhabers zugeordnet ist, weil sie sich darauf verlassen müssen, daß die durch Überweisung angeforderte fachärztliche Leistung auch von einem qualifizierten Gebietsarzt erbracht wird.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es auch nicht in Betracht, bei zumindest inhaltsnahen Fachgebieten auf eine Fachgruppenidentität zu verzichten. Zwar mag es zutreffen, daß die Beigeladene zu 9) als praktische Ärztin mit eigener Vertragsarztzulassung berechtigt wäre, Kinder zu untersuchen und zu behandeln (vgl. auch § 73 Abs. 1a SGB V). Dies ändert indes nichts daran, daß eine arztgruppenspezifische Zulassungsplanung nach § 103 SGB V aus den o.g. Gründen erschwert und ggfs. vereitelt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 und 193 SGG.

Der Senat läßt gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zu, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.
Rechtskraft
Aus
Saved