L 11 B 120/97 AL-ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 VR 4/97 Al
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 120/97 AL-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Würzburg vom 24.03.1997 wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag vom 26.05.1997 auf Gewährung von Rechtsschutz gegen die Zwangsvollstreckung wird als unzulässig abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Berechtigung der Beschwerdegegnerin (Bg) zu einer Aufrechnung.

Die Bg hatte dem Beschwerdeführer (Bf) für das Kalenderjahr 1995 zunächst vorläufig Arbeitslosenhilfe (Alhi) gewährt. Nach Erhalt des Steuerbescheides für den Veranlagungszeitraum 1995 stellte die Bg die Alhi für diesen Zeitraum endgültig fest und errechnete einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 2.221,44 DM. Mit Bescheid vom 06.02.1997 erklärte die Bg die Aufrechnung dieses Nachzahlungsbetrages gegen Forderungen wegen überzahlter Alhi aus dem Jahr 1994 in Höhe von 6.856,94 DM. Im Bescheid war ausgeführt, daß bzgl der Aufrechnung der Widerspruch zulässig sei.

Am 11.02.1997 hat der Bf beim Sozialgericht Würzburg (SG) beantragt, die Bg im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zur Auszahlung des Nachzahlungsbetrages an ihn zu verpflichten. Wegen seiner Mindereinkünfte sei er 1995 hilfsbedürftig iS der Vorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB) geworden und habe beim Sozialamt finanzielle Hilfe beantragen müssen, so daß eine Aufrechnung nicht statthaft sei. Da Widerspruchsverfahren bei der Bg erfahrungsgemäß mehrere Monate dauerten, beinhalte sein Antrag beim SG auch, daß er mit der Entscheidung der Bg nicht einverstanden gewesen sei. Eines gesonderten Widerspruches hätte es deshalb nicht bedurft. Als juristischer Laie könne er nicht über jedes formale Erfordernis informiert sein.

Die Bg hat beantragt, den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen, da schon die formalen Voraussetzungen nicht vorlägen.

Mit Beschluss vom 24.03.1997 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz als unzulässig zurückgewiesen, da es am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Neben einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hätte der Bf auch das Verwaltungsverfahren bzw Klageverfahren weiter betreiben müssen. Bei rechtzeitiger Einlegung des Widerspruches wäre Ziel seines Antrages die Auszahlung des Nachzahlungsbetrages an ihn gewesen. Mit einem Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes könne jedoch nicht die Hauptsache vorweggenommen werden. Daß dem Antragsteller unwiederbringliche Nachteile bei Durchführung des Widerspruchs- und Klageverfahrens entstünden, sei nicht erkennbar, eine Hilfsbedürftigkeit nicht dargetan.

Dagegen hat der Bf am 14.04.1997 Beschwerde eingelegt und im Schreiben vom 26.05.1997 unter Beifügung einer Abschrift einer Vollstreckungsankündigung des Hauptzollamtes Schweinfurt, Vollstreckungsstelle vom 22.05.1997, sinngemäß beantragt,

1. die ihm zustehende Nachzahlung aus dem Jahre 1995
2. auszuzahlen und hinsichtlich der Restschuld von 4.659,20 DM einschließlich Mahngebühren) die angekündigte Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären.

Die Bg beantragt,

die Beschwerde abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Verfahren vor dem SG und teilt mit, daß ein Vollstreckungsversuch gemäß der Ankündigung vom 22.05.1997 beim Bf erfolglos gewesen ist und aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage keine weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus dem Bescheid vom 26.02.1993 gegen ihn eingeleitet würden.

Zum weiteren Sachverhalt wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Bg sowie der Akten des SG und des BayLSG Bezug genommen.

II.

Die gemäß den §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist nicht begründet.

Das SG hat die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.

Für diesen besonderen Rechtsschutz hat der Gesetzgeber zwar bislang keine gesetzliche Regelung geschaffen. Einstweilige Anordnungen sind zulässig, wenn dem Rechtsuchenden ohne seine Gewährung schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, die auch nachträglich nicht mehr beseitigt werden können (vgl Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 19.10.1977 = BVerfGE 46, 166, 177).

Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung setzt in jedem Fall voraus, daß der geltend gemachte Anspruch glaubhaft gemacht ist (Anordnungsanspruch) und die für die Gewährung eines einstweiligen Rechtsschutz besonders genannten Gründe vorliegen (Anordnungsgrund; vgl Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 6.Aufl, § 97 RdNr 23 mwN; Kopp, Komm zur VwGO, 11.Aufl, § 123 RdNr 29 - 31).

Ob im vorliegenden Fall der Anordnungsanspruch, nämlich die Unterlassung der Aufrechnungserklärung und die Auszahlung der 2.221,44 DM an den Bf, glaubhaft gemacht ist, kann letztlich dahinstehen, denn ein Anordnungsgrund liegt nicht vor. Der am 11.02.1997 beim SG gestellte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellt gleichzeitig einen Widerspruch iS des § 83 SGG dar (vgl Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 6. Aufl, § 78 RdNr 3 b mwN aus der Rechtsprechung des BSG). Ob die Voraussetzungen des § 51 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) für die im Bescheid der Bg vom 06.02.1997 vorgenommene Aufrechnung vorliegen, wird deshalb im Widerspruchsverfahren zu überprüfen sein. Ein für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes notwendige Anordnungsgrund ist jedoch nicht ersichtlich. Daß der Bf durch die Ablehnung der begehrten Nachzahlung von Alhi gegenwärtig in eine finanzielle Hilfsbedürftigkeit gerät, hat er weder glaubhaft gemacht noch ist dies aus den Akten ersichtlich. Darüber hinaus stellen grundsätzlich finanzielle Nachteile keine anders nicht abwendbaren Nachteile dar, die nachträglich nicht mehr beseitigt werden könnten und den Erlaß einer einstweiligen Anordnung notwendig machten (vgl LSG Niedersachsen in Breithaupt 1992, S 961; BayLSG in NZS 1996, 93; Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 6. Aufl, § 97 RdNr 23 a).

Das SG hat deshalb im Beschluss vom 24.03.1997 im Ergebnis zu Recht den Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Für den vom Bf beantragten vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich der "Vollstreckungsankündigung" des Hauptzollamtes Schweinfurt vom 22.05.1997 ist der Senat nicht zuständig. Nach § 5 Abs 1 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) haben über die rechtliche Qualität der "Ankündigung" als Anordnung iSv § 3 Abs 1 VwVG oder als Mahnung iSv § 3 Abs 3 VwVG und den hiergegen evtl zulässigen Rechtsschutz die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit zu entscheiden (vgl Engelhardt-App, VwVG, VwZG, 4. Aufl 1996, § 5 Anm 7 Buchst a, § 4 Anm 1 Buchst b). Von einer Verweisung nach dort etwa im Benehmen mit dem Bf sieht der Senat schon mit Rücksicht auf die nachfolgende, mutmaßlich den Bf treffende Kostenpflicht ab. Denn auch hinsichtlich dieses Antrages ist das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses Voraussetzung. Da die Bg zwischenzeitlich einen erfolglosen Vollstreckungsversuch unternommen und erklärt hat, daß aufgrund der finanziellen Situation des Bf weitere Vollstreckungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden, ist ein Rechtsschutzinteresse für den gestellten Antrag zwischenzeitlich entfallen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG entsprechend.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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