L 18 RJ 19/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 13 (38) RJ 250/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 RJ 19/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RJ 42/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.01.2001 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung von 634,- DM überzahlter Rentenleistungen gem. § 118 Absatz 4 Satz 1 SGB VI nach dem Tod des Versicherten X T.

Die Klägerin gewährte dem Versicherten bis zu seinem Tode Regelaltersrente in Höhe von zuletzt 1.705,28 DM netto monatlich. Er hatte eine Wohnung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder gemietet. Der Mietzins belief sich auf 634,- DM monatlich. Die Miete wurde im Wege des Lastschriftverfahrens monatlich von seinem Girokonto bei der Sparkasse E abgebucht und auf das Konto der Beklagten überwiesen. Zwischen der Beklagten und der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder besteht ein Hausverwaltungsvertrag.

Am 00.00.1998 verstarb der Versicherte. Die Rente für den Monat März ging am 25.02.1998 auf sein Konto bei der Sparkasse E ein. Die Miete für den Monat März 1998 wurde am 02.03.1998 von dem Konto des Versicherten auf das Konto der Beklagten überwiesen. Die Klägerin forderte von der Sparkasse E die Rentenzahlung für den Monat März 1998 in Höhe von 1.705,28 DM am 03.03.1998 zurück. Mangels ausreichender Kontodeckung wurde ihr nur ein Betrag i.H.v. 910,36 DM gutgeschrieben; später noch ein Betrag in Höhe von 160,92 DM.

Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten mit Bescheid vom 07.01.2001 die Erstattung der ausgezahlten Miete geltend. Die Beklagte vertrat die Ansicht, die Miete sei rechtmäßig gezahlt worden, da im Todesfall die Kündigungszeit nach § 569 BGB drei Monate betrage, so dass das Mietverhältnis bis zum 31.05.1998 Bestand gehabt habe.

Gegen den Bescheid erhob die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Widerspruch u.a. mit der Begründung, die Beklagte sei nur als Verwalterin tätig, nicht jedoch als Vertragspartnerin der Mieter, so dass sie nicht der richtige Adressat für den Bescheid sei. Die Klägerin erließ einen neuen Bescheid (10.02.1999) gegenüber der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, mit dem sie ebenfalls eine Überzahlung i.H.v. 634,- DM geltend machte. Der hiergegen erhobene Widerspruch ist noch nicht beschieden. Gegenüber der Beklagten machte die Klägerin die überzahlte Miete erneut mit Bescheid vom 10.05.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.07.1999 geltend. Innerhalb des hiergegen vor dem Sozialgericht Dortmund anhängig gewesenen Klageverfahrens (S 38 RJ 165/99) hob die dortige Beklagte und hiesige Klägerin den Bescheid und den Widerspruchsbescheid auf.

Am 23.12.1999 erhob sie Leistungsklage mit der sie sich auf § 118 Abs. 4 SGB Sechstes Buch VI berief. Ausschlaggebend für den Erstattungsanspruch sei allein die Empfangnahme der entsprechenden überzahlten Beträge. Die Rückforderung gegenüber der Beklagten sei auch nicht unbillig, da es dieser unbenommen bleibe, sich im Innenverhältnis mit der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder auseinanderzusetzen. Zur Begründung bezog sie sich auf einen Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein- Westfalen - LSG NRW - (vom 18.08.1998 - L 18 B 7/98 RJ-). § 118 Abs. 4 SGB VI normiere einen eigenständigen und originären Erstattungsanspruch gegen jeden Dritten, der die Geld- leistung in Empfang genommen habe, und lasse keinen Raum für die Anwendung zivilrechtlicher Regelungen. Erbrachte Geldleistungen für die Zeit nach dem Tode des Berechtigten, seien als unter Vorbehalt erbracht anzusehen. Dies betreffe auch die Rechtsbeziehungen zwischen dem Geldinstitut und einem Dritten, so dass der Versicherungsträger seinen Rückforderungsanspruch ungeachtet entgegenstehender zivilrechtlicher Regelungen durchsetzen könne (unter Berufung auf Bundessozialgericht -BSG- in SozR3-2600 § 118 Nr. 1, 3 und 4).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 634,- DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nicht sie, sondern die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder habe die Miete eingenommen. Bei dem Konto der Beklagten handele es sich um ein Treuhandkonto. Die Mietzahlung sei im übrigen zu Recht erfolgt. Ungerechtfertigt bereichert hätten sich die Erben. Die Entscheidungen des BSG, auf die sich die Klägerin beziehe, erlaubten keine andere Schlussfolgerung. Sie habe weder direkt noch indirekt Rentenzahlungen in Empfang genommen. Nach einem Zahlungseingang auf einem "Girokonto" gebe es keinen Anspruch mehr auf eine bestimmte Teilsumme, der Anspruch richte sich auf einen Saldo.

Das Sozialgericht Dortmund hat die Klage mit Urteil vom 10.01.2001 abgewiesen. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.

Mit der Berufung vertritt die Klägerin ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vortrag die Ansicht, die Übertragung des zivilrechtlichen Leistungsbegriffes auf § 118 Abs. 4 SGB VI überschreite die Grenzen der erlaubten richterlichen Rechtsfortbildung, da dadurch die Regelungsabsicht des Gesetzgebers vereitelt werde. Zudem verlören die Geldleistungen mit ihrer Einstellung in das Kontokorrent bereits ihre Natur als Leistungen. Soweit der Auffassung des Sozialgerichts gefolgt werde, hätte auch der Erbe keine Geldleistung empfangen, denn auch in Bezug auf ihn läge eine Zweckverfehlung der Leistung vor. Bewusst und zweckgerichtet leisteten Rentenversicherungsträger nur an den Versicherten. Das BSG habe ausgeführt, der Versicherungsträger könne den Rücküberweisungsanspruch ungeachtet entgegenstehender zivilrechtlicher Regelungen durchsetzen. Soweit sich der Vermieter des Lastschriftverfahrens ohne Zwischenschaltung einer Verfügung bediene, sei er als Empfänger erstattungspflichtig, auch wenn er das Geld weiterleite. Daneben bestehe der Erstattungsanspruch nach § 50 SGB X gegen den Erben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.Januar 2001 zu ändern und nach dem Klageantrag zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und weist ergänzend darauf hin, dass die Gesamtmiete i.H.v. 634,- DM am 13.03.1998 an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder weitergeleitet wurde.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf (Rück-) Zahlung der von ihr überwiesenen Miete für den Monat März 1998 in Höhe von 634,- DM. Als Anspruchsgrundlage für ein solches Begehren kommt allein § 118 Abs. 4 SGB VI in Betracht. Danach sind dann, wenn Geldleistungen für die Zeit nach dem Tode des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, die Personen, die die Geldleistung in Empfang genommen oder über den entsprechenden Betrag verfügt haben, so dass dieser nicht nach Absatz 3 von dem Geld- institut zurücküberwiesen wird, dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Diese seit dem 01.01.1996 geltende Regelung dient als eigenständiger, im öffentlichen Recht angesiedelter Rückforderungsanspruch des Rentenversicherungsträgers (RVTr) (BSG vom 28.08.1997 - 8 RKn 2/97-; vom 04.08.1998 -B 4 RA 72/97 R in SozR 3-2600 § 118 Nr. 1 und Nr. 3) der schnellen Rückabwicklung (vgl. BSG a.a.O. SozR 3-2600 § 118 Nr. 1) des sozialrechtlichen Leistungsverhältnisses in dem in Satz 1 der Regelung bezeichneten Umfang. An diesem öffentlich-rechtlich gestalteten Sozialleistungsverhältnis sind originär der RVTr und der berechtigte Versicherte beteiligt. Zwischen diesen beiden Personen wird grundsätzlich das Versicherungs-/Leistungsverhältnis abgewickelt und ggf. auch rückabgewickelt.

Zur Erstattung an den RVTr verpflichtet sind nur die Personen, die die Geldleistung (die Rente) in Empfang genommen oder über den entsprechenden Betrag verfügt haben. Geldleistung in diesem Sinne ist die aus dem Sozialrechtsverhältnis zwischen dem RVTr und dem Versicherten fließende soziale Geldleistung (BSG SozR3-2600 § 118 Nr. 3). Nur um deren Rückübertragung kann es nach Wortlaut und Regelungsgehalt des Abs. 4 gehen. Von diesem Sinn und Zweck der Regelung ausgehend ist der Kreis der Personen eingeschränkt, die in die Rückabwicklung einbezogen sein können bzw. sind.

Die Verschiebung des Rentenzahlbetrages aus dem Vermögen des RVTr in das Vermögen des Versicherten - im folgenden ist er identisch mit dem Kontoinhaber - findet in zwei Phasen statt. Phase 1: Die Geldleistung wird von dem RVTr (oder seiner "über- weisenden Stelle") auf das Konto des Geldinstituts überwiesen. Dadurch erhält darüber zunächst dieses die allein auf der privatrechtlichen Grundlage des mit dem Versicherten bestehenden Bankvertrages die Verfügungsmacht (vgl. BSG SozR 3-2600 § 118 Nr. 3). Diese endet in der Phase 2 mit der Einstellung der Geldleistung in das Kontokorrent (BSG vom 09.12.1998 - B 9 V 48/97 R - in SozR 3-2600 § 118 Nr. 4) mit der daraus entstehenden vollständigen Übertragung des Wertes der überwiesenen Geldleistung in das Vermögen des Versicherten (BSG SozR 3-2600 § 118 Nr. 3). Durch die Gutschrift auf dem Versichertenkonto verliert der Rentenbetrag den Charakter der sozialen Geldleistung (BSG SozR 3-2600 § 118 Nr. 4). Er ist losgelöst von seiner Vergangenheit und seiner Entstehung nur noch ein Gutschriftposten auf dem Konto des Versicherten. Dies resultiert schon aus dem Wortlaut des § 118 Abs. 4 S. 1 ebenso wie aus Abs. 3 S. 3 SGB VI. Dort wird im Zusammenhang mit dem Begriff der Verfügung/des Verfügens nicht mehr der Terminus "Geldleistung" sondern der des "entsprechenden Betrages" verwendet. Das ist Ausdruck des Umstandes, daß die Natur der Rente mit der Einstellung ins Konto des Versicherten eine rechtliche Veränderung erfährt.

In der Phase 1 leitet das Geldinstitut seine Berechtigung zur Inempfangnahme der sozialen Geldleistung lediglich und allein aus dem mit ihm von dem Versicherten geschlossenen Bankvertrag ab. Rechtsbeziehungen zwischen ihm und dem RVTr bestehen insofern nicht. Es ist deshalb bei dieser Vermögensverschiebung neben dem Versicherten die einzige Person, die diese Leistung in Empfang nimmt, bevor sie ihren Charakter wandelt.

Alle danach in Phase 2 von dem Konto erfolgenden Vermögensverschiebungen können nur von dazu berechtigten Personen vorgenommen/verfügt werden. Als verfügungsberechtigt kommt selbstverständlich der Versicherte selbst, worauf es in diesem Zusammenhang nicht ankommen kann, als auch andere Personen in Betracht, die ihr Recht dazu (ebenso wie das Geldinstitut für die in Inempfangnahme) von dem Versicherten ableiten. Diese Personen verfügen aber nicht mehr über die soziale Geldleistung sondern nur noch über das auf dem Konto befindliche, ob positive oder negative Vermögen, wobei es in diesem Zusammenhang auf die für das Konto bestehenden Bankkonditionen nicht ankommen soll.

Die Verfügungsberechtigung können von dem naturgemäß selbst verfügungsberechtigten Versicherten z.B. ableiten der gesetzliche sowie der bevollmächtigte Vertreter, der Erbe und auch kraft Bankvertrag das Geldinstitut selbst z.B. für Zinsen und Gebühren. Verfügt eine dieser Personen, so ist deren Verfügung wirksam, das ausführende Geldinstitut i.S. des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI mit Ausnahme der eigenwirtschaftlichen Verfügung (§ 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI) entlastet. Dies trifft (selbstverständlich) auch auf Verfügungen des Versicherten vor seinem Tode etwa in Gestalt der Erteilung einer Einzugsermächtigung zu (vgl. BSG SozR 3-2600 § 118 Nr. 4). Auch dadurch wird der zur Einziehung Ermächtigte mit dem Willen des Versicherten dazu in den Stand gesetzt, immer wiederkehrend eine (Gegen-) Leistung einzufordern. Seine Einforderung der (Gegen-)Leistung ist lediglich ein Reflex zu der dazu vom Versicherten zuvor getroffenen Verfügung.

Aus diesen Darlegungen wird deutlich, daß die Beklagte weder die soziale Geldleistung in Empfang genommen noch über einen entsprechenden Betrag (auch nur teilweise) verfügt hat. Sie war lediglich an einer Verschiebung aus dem Vermögen des Versicherten, da er bereits zum Zeitpunkt der Überweisung verstorben war, aus dem Vermögen der Erben, das wegen des Eintritts des Erbfalles mit dieser Nachlaßverbindlichkeit belastet war (§§ 1922 Abs. 1, 1967 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-), auf ihr Bankkonto als Empfänger (für den Vermieter) beteiligt.

Aus den oben dargelegten Gründen geht die auf Eicher/Haase/Rauschenbach, die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, § 118 Rz. 11 gestützte Meinung der Beklagten, der nach einer Rentenzahlung Geld von dem Konto des Versicherten erhalten habe, sei zur Rückübertragung an den RVTr verpflichtet, fehl. Diese Meinung zieht in Verkennung des Inhalts und der Struktur der Regelung des § 118 Abs. 4 S.1 SGB VI den Kreis erstattungspflichtiger Personen zu weit.

Ebenso rechtfertigt der Beschluss des erkennenden Senats vom 18.08.1998 (L 18 B 7/98 RJ), auf den sich die Beklagte beruft, keine andere Entscheidung. Denn bereits dort wird ausgeführt, der Gesetzgeber habe mit der Vorschrift des § 118 Abs. 4 SGB VI einen eigenen Rückforderungsanspruch gegen jeden Dritten geschaffen, der die Rentenzahlung in Empfang genommen habe. In jenem Verfahren hatte der Kläger Rentenleistungen aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erhalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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